Wenn man sich mit der Frage auseinandersetzt, worin der Ursprung der menschlichen Sprache liegt, stößt man in der Literatur auf Ansätze, die bis in die Antike hineinreichen.
Einen wichtigen und umfassenden sprachphilosophischen Ansatz aus der jüngeren Geschichte liefert Johann Gottfried Herder.
Mit der im Jahre 1770 von Herder verfassten sprachphilosophischen Abhandlung über den Ursprung der Sprache geht der Verfasser der Frage nach, warum der Mensch Sprache hat, wodurch er sich dadurch von seiner Umgebung abgrenzt und was das Wesen dieser Sprache auszeichnet. Herders Überlegungen bilden seither eine wesentliche Grundlage und wichtige Theorie der Sprachursprungsforschung.
Im Folgenden wird nach einer kurzen Klärung, worin die besondere Bedeutung der Herderschen Sprachursprungstheorie liegt und wodurch sie entstanden ist, seine Theorie vom sprachlichen Ursprung mit dem Fokus auf zwei zentrale Aspekte analysiert.
Zunächst wird das Verhältnis von Sprache und Denken näher beleuchtet, bevor dann das Augenmerk auf die verschiedenen Ursprünge gelenkt wird, die Herders Sprachursprungstheorie zu Grunde liegen. Das Verhältnis von Sprache und Denken ist ein wesentlicher Aspekt, der in dieser Ausarbeitung näher beleuchtet werden soll und der in der gesichteten Sekundärliteratur nur selten differenziert betrachtet wird.
Eine genauere Differenzierung und Aufschlüsselung der Ursprünge, wie sie auch Ulrich Gaier1 vornimmt, ist daneben sinnvoll, um die Gesamtaussage der Herderschen Theorie zu erkennen.
Ziel ist es also, eine prägnante, zusammenfassende Darstellung der Herderschen Sprachursprungstheorie zu liefern und die wesentlichen Aussagen transparent zu machen. Dabei steht die Frage nach dem Ursprung der Sprache und dem Verhältnis zum Denken im Vordergrund.
Herders Abhandlung ist zweigeteilt, der erste Teil befasst sich explizit mit der Frage nach dem Ursprung der Sprache, der zweite Teil zeigt die Entwicklung der Sprache unter verschiedenen Bedingungen auf. Teil zwei basiert auf den Sprachursprungstheorien, bildet aber keinen eigenen Ursprungsgedanken mehr aus. Daher ist der zweite Teil auch nicht mehr Gegenstand dieser Betrachtung.
1 Ulrich Gaier geht in seiner Analyse der Herderschen Sprachphilosophie von 6 Ursprüngen aus, die zusammenwirken und das sprachphilosophische Gerüst der Sprachursprungstheorie Herders bilden. In Anlehnung an diese Unterteilung findet hier eine Analyse dieser einzelnen Ursprünge statt.
Inhalt
Einleitung
1. Die besondere Bedeutung von Herders Sprachursprungstheorie in der Sprachphilosophie
2. Das Verhältnis von Sprache und Denken
3. Ursprungstheorien in Herders Gedankengang zur Sprachursprungsfrage
3.1 Natürlicher, genetischer und lebendiger Ursprung
3.2 Der geistige Ursprung
3.3 Der sinnliche, hörende Ursprung
3.4 Der gesamtmenschliche Ursprung
Schlussbemerkungen
Bibliographie
Einleitung
Wenn man sich mit der Frage auseinandersetzt, worin der Ursprung der menschlichen Sprache liegt, stößt man in der Literatur auf Ansätze, die bis in die Antike hineinreichen. Einen wichtigen und umfassenden sprachphilosophischen Ansatz aus der jüngeren Geschichte liefert Johann Gottfried Herder.
Mit der im Jahre 1770 von Herder verfassten sprachphilosophischen Abhandlung über den Ursprung der Sprache geht der Verfasser der Frage nach, warum der Mensch Sprache hat, wodurch er sich dadurch von seiner Umgebung abgrenzt und was das Wesen dieser Sprache auszeichnet. Herders Überlegungen bilden seither eine wesentliche Grundlage und wichtige Theorie der Sprachursprungsforschung.
Im Folgenden wird nach einer kurzen Klärung, worin die besondere Bedeutung der Herderschen Sprachursprungstheorie liegt und wodurch sie entstanden ist, seine Theorie vom sprachlichen Ursprung mit dem Fokus auf zwei zentrale Aspekte analysiert.
Zunächst wird das Verhältnis von Sprache und Denken näher beleuchtet, bevor dann das Augenmerk auf die verschiedenen Ursprünge gelenkt wird, die Herders Sprachursprungstheorie zu Grunde liegen. Das Verhältnis von Sprache und Denken ist ein wesentlicher Aspekt, der in dieser Ausarbeitung näher beleuchtet werden soll und der in der gesichteten Sekundärliteratur nur selten differenziert betrachtet wird.
Eine genauere Differenzierung und Aufschlüsselung der Ursprünge, wie sie auch Ulrich Gaier[1] vornimmt, ist daneben sinnvoll, um die Gesamtaussage der Herderschen Theorie zu erkennen.
Ziel ist es also, eine prägnante, zusammenfassende Darstellung der Herderschen Sprachursprungstheorie zu liefern und die wesentlichen Aussagen transparent zu machen. Dabei steht die Frage nach dem Ursprung der Sprache und dem Verhältnis zum Denken im Vordergrund.
Herders Abhandlung ist zweigeteilt, der erste Teil befasst sich explizit mit der Frage nach dem Ursprung der Sprache, der zweite Teil zeigt die Entwicklung der Sprache unter verschiedenen Bedingungen auf. Teil zwei basiert auf den Sprachursprungstheorien, bildet aber keinen eigenen Ursprungsgedanken mehr aus. Daher ist der zweite Teil auch nicht mehr Gegenstand dieser Betrachtung.
1. Die besondere Bedeutung von Herders Sprachursprungstheorie in der Sprachphilosophie
Die besondere Bedeutung von Herders Sprachphilosophie für das 18. Jahrhundert und darüber hinaus bis in unsere Zeit beruht zunächst darauf, dass Herders Betrachtung über den Ursprung der Sprache „die Entscheidung über die Grundfragen der Philosophie direkt mit einschließt“[2].
Sprache kann und darf nicht isoliert vom Menschen betrachtet werden, dies gilt ebenso für die Frage nach ihrer Entstehung.
Herders Ansatz ist daher sprachphilosophisch von höchstem Rang, denn hier wird das Wesen des Menschen nicht von dem der Sprache separiert. Beides wird als Einheit betrachtet, als zusammengehörig.
Herder versuchte „von den ersten Schritten selbständigen Schaffens an [...] das Geheimnis der Entstehung und Entwicklung spezifisch menschlicher Attribute zu enträtseln“[3]. In diesem Versuch liegt der Schlüssel zu seiner Wirkung in der Rezeption. Dabei versucht Herder wissenschaftliche Lösungen in Kombination mit religiösen Ansätzen zu liefern, was bemerkenswert ist, da Herders Erziehung und Ausbildung sehr stark religiös geprägt war.
Die Theorie Herders über den Ursprung der Sprache stellt in ihrer naturalistischen Betrachtungsweise eine direkte Gegenposition zu Süßmilch auf, der den Ursprung der Sprache in seiner 1766 erschienenen Abhandlung „Versuch eines Beweises, dass die erste Sprache ihren Ursprung nicht von Menschen, sondern allein vom Schöpfer erhalten habe“ nicht beim Menschen, sondern in einer göttlichen Umgebung sucht. Herder widerlegt Süßmilch, indem er ihm einen Circulus vitiosus vorhält. Süßmilch betrachtet die Sprache als so vollkommen, dass sie ausschließlich von Gott geschaffen sein kann. Er stützt sich dabei im Wesentlichen auf grammatische Aspekte. Herder hält dem entgegen, dass der Mensch, um diese vollkommene Sprache überhaupt benutzen zu können, schon Vernunft und Sprache besitzen müsse, was einem wechselseitigen Bedingen von Vernunft und Sprache gleichkommt, aber nicht die Frage nach dem Ursprung klärt.
Indem Herder in seinem Ansatz das Göttliche mehr oder weniger ausschließt und einen direkten Zusammenhang von Sprache und Denken auf der Basis der Entwicklung menschlicher Gesellschaft herstellt, entwickelt er erstmals eine historische Sprachtheorie. Dadurch setzte diese Sprachphilosophie Herders den Grundstein für beispielsweise die humanistische Philosophie Humbolds, auf der unsere heutigen philosophischen Ansätze größtenteils beruhen.[4]
Die Nachwirkungen dieser Sprachphilosophie sind also weitgreifend und bedeutsam.
Dabei ist Herders Ansatz, der Entstehung der Sprache einen natürlichen Ursprung zuzuschreiben, keineswegs neu. Zu Herders Zeit stellten Condillac, Rousseau und andere ebenfalls Theorien auf, nach denen Sprache natürlich entstanden ist. Herders Ansatz ist aber weitgreifender und schließt die bisherigen Theorien mit ein. Sie erfahren durch Herders Ansatz, der durchaus polemisch ist, eine Erweiterung.
In seiner Abhandlung über den Ursprung der Sprache bedient Herder sich der Methode der polemischen Anknüpfung: er entwickelt seine eigene Position in der Auseinandersetzung mit den gängigen Theorien.[5]
Dabei wird jedoch die Absicht deutlich, den partiellen Wahrheitsgehalt dieser Theorien herauszuarbeiten und zu einem umfassenderen Sprachbegriff zusammenzuführen.“[6]
Es zeigt sich in seiner Polemik sehr deutlich die Absicht, die Autonomie der menschlichen Natur zu begründen.[7]
Dies führte in der Konsequenz dazu, dass die idealistischen Auffassungen der Vertreter eines göttlichen Sprachschaffens in Opposition zu den unterschiedlichsten materialistischen Theorien über einen natürlichen Ursprung der Sprache traten, und es in der Folge zu geistigen Auseinandersetzung der unterschiedlichen Positionen kam.
In der Folge dieser Diskussionen entstand Herders Abhandlung:
Es war durchaus kein Zufall, daß die königliche Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Jahr 1769 gerade diese Preisfrage stellte: „Haben die Menschen, ihren Naturfähigkeiten überlassen, sich selbst Sprache erfinden können, und auf welchem Wege wären sie am füglichsten dazu gelangt?“. Sie trug damit zur Vertiefung der diskutierten Probleme bei und veranlaßte Herder schließlich zu seiner bekannten Schrift, welche die Sprachphilosophie seiner Zeit um einen bedeutenden Schritt vorwärtsbrachte.[8]
Herder berührte demnach bedeutende „Kernfragen der gegenwärtigen Sprachphilosophie“[9] und begründete nachfolgende sprachphilosophische Strömungen, wie etwa die marxistische Sprachphilosophie.[10]
Für Hannelore Pallus liegt die Bedeutung der Herderschen Sprachursprungstheorie und Sprachphilosophie aber nicht nur im philologischen und philosophischen Bereich, sondern „vielmehr in ihrer offenen Parteinahme für die progressive Anschauung des Bürgertums. Der Ablehnung des göttlichen Ursprungs der Sprache liegt Herders gesamte Einstellung zum geistlichen Despotismus und zu den theologisch-feudalistischen Anschauungen, die er auf das entschiedenste bekämpft, zugrunde.“[11]Pallus erkennt darin „[Herders] offenes Eingreifen in die politisch-ideologischen Kämpfe seiner Zeit“[12]
2. Das Verhältnis von Sprache und Denken
Ein zentraler Aspekt der Herderschen Sprachursprungstheorie ist das Verhältnis von Sprache und Denken, welches für Herder eine untrennbare Einheit darstellt..
Da Herder in seinen Ausführungen von einem natürlichen Ansatz ausgeht, Sprache also eng an den Menschen knüpft, muss es eine wechselseitige Bedingung von Verständnis und Sprachfähigkeit geben. Im Gegensatz dazu berücksichtigen die Theorien von einem göttlichen, oder von einem tierischen Ursprung der Sprache das Denken in Wechselbeziehung zum Sprechen nicht ausreichend.
Es besteht ein enges, unlösbares Gefüge, ein direkter Zusammenhang von Sprache und Denken, den Herder in seinen Ausführungen nachweist. Darüber hinaus erkennt er zudem eine wechselseitige Beeinflussung von Sprache und Denken.[13] Sprache und Denken haben sich nach Herders Auffassung parallel entwickelt, ohne das eine wäre das andere nicht denkbar.
Nur durch die Fähigkeit zu sprechen, können wir denken. Nur durch die Fähigkeit zu denken, können wir sprechen.
Dabei entwickelt Herder diese Theorie mit Hilfe der Begriffe „Reflexion“ und „Besonnenheit“, die synonym zu „Verstand“ und „Denken“ zu verstehen sind.
Herder betrachtet auch das Rationale und das Sinnliche als dialektische Einheit, indem sich die beiden Elemente wechselseitig bedingen[14]: „Der Mensch empfindet mit dem Verstande und spricht, indem er denket“[15]. Dieser gedankliche Ansatz, diese dialektische Auffassung verdeutlicht den engen Zusammenhang von Sprache und Denken.
[...]
[1] Ulrich Gaier geht in seiner Analyse der Herderschen Sprachphilosophie von 6 Ursprüngen aus, die zusammenwirken und das sprachphilosophische Gerüst der Sprachursprungstheorie Herders bilden. In Anlehnung an diese Unterteilung findet hier eine Analyse dieser einzelnen Ursprünge statt.
[2] Pallus, Hannelore: Bemerkungen zu den philosophischen Auffassungen Herders in seiner Schrift „Über den Ursprung der Sprache“. In: Herder-Kolloquium 1978, Weimar 1980, Seite 238 (hinfort zitiert als Pallus 1980)
[3] Gulyga, Arseni: Johann Gottfried Herder. Eine Einführung in seine Philosophie, Frankfurt am Main 1978, Seite 22 (hinfort zitiert als Gulyga 1978)
[4] Vgl. Gulyga 1978, S. 25f
[5] Eine differenzierte, zusammenfassende Rekonstruktion des Herderschen Gedankengangs wird in Abschnitt 3 weiter unten erfolgen.
[6] Irmscher, Hans-Dietrich: Johann Gottfried Herder, Stuttgart 2001, Seite 57f (hinfort zitiert als Irmscher 2001)
[7] Vgl. Irmscher 2001, S. 59ff
[8] Pallus 1980, S. 239
[9] Pallus 1980, S. 239
[10] Vgl. Ebd, S. 239f
[11] Pallus 1980, S. 240
[12] Ebd, S. 240
[13] Vgl. Ebd, S. 241ff
[14] Vgl. Ebd, S. 242
[15] Herder, Johann Gottfried: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. In: Proß,
Wolfgang: Johann Gottfried Herder. Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Text,
Materialien, Kommentar, München 1996, Seite (hinfort zitiert als Herder)
- Citation du texte
- Anonyme,, 2004, Sprache und Denken und der Ursprung der Sprache in J. G. Herders Sprachphilosophie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50100
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