Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Methode der teilnehmenden Beobachtung, um der Frage nach einer gleichberechtigten Zusammenarbeit in partizipativen Workshops nachzugehen. Die Teilnehmenden der Workshops sind Eltern von Kita-Kindern, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen einer Hochschule und ein Familienzentrum als Praxispartner. Die Eltern werden in zwei Gruppen unterschieden. Zum einen Eltern, die bereits als Peerforschende seit 2017 im Projekt aktiv waren und die Rolle der Mitorganisation und Moderation in den Workshops hatten und zum anderen Eltern, die speziell für diese Workshops neu hinzugewonnen wurden.
Es wird reflektiert, inwieweit sich die Methode eignet, zu einer Betrachtung von Machtunterschieden zwischen diesen vier beteiligten Gruppen beizutragen und auf welche Weise sie in der Praxis der partizipativen Forschung eingesetzt werden kann.
Inhalt
1. Einleitung
2. Methode
3. Feldzugang zum Projekt
4. Grad der Teilnahme
5. Rolle der Beobachterin
6. Ethnographisches Schreiben
7. Ergebnisse und Diskussion
8. Fazit
9. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In der Hausarbeit verwende ich die Methode der teilnehmenden Beobachtung, um der Frage nach einer gleichberechtigten Zusammenarbeit in partizipativen Workshops nachzugehen. Die Workshops fanden innerhalb eines partizipativen Forschungsprojektes statt. In acht dreistündigen Workshops, welche in einem dreiwöchigen Rhythmus stattfanden, sollte mit allen Beteiligten partizipativ erarbeitet werden, wie es gelingen kann, dass Eltern und Kita-Fachkräfte zum Wohle der Kinder noch besser zusammenarbeiten. Partizipation wurde als individuelle und kollektive Teilhabe an Entscheidungsprozessen definiert (Rosenbrock/Hartung 2012, S. 9). Die Teilnehmenden waren Eltern von Kita- Kindern, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen einer Hochschule und ein Familienzentrum als Praxispartner. Die Eltern werden in zwei Gruppen unterschieden. Zum einen nahmen Eltern teil, die bereits als Peerforschende seit 2017 im Projekt aktiv waren und die Rolle der Mitorganisation und Moderation in den Workshops hatten. Unter Peergroup werden Personen verstanden, welche gemeinsame Erfahrungshintergründe teilen und somit, unabhängig davon, ob sie sich kennen oder nicht, miteinander verbunden sind (Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, S. 278). In diesem Forschungsprojekt waren dies konkret Eltern, die aufgrund ihrer persönlichen Umstände, ihrer finanziellen Möglichkeiten oder ihrer Arbeitsbelastung ein besonderes Interesse an einer guten Förderung ihrer Kinder durch die Kita hatten bzw. darauf angewiesen waren oder vertrauensvolle Kontakte zu Familien in diesen Lebensumständen hatten. Zum anderen gab es die Eltern, die speziell für diese Workshops neu hinzugewonnen wurden. Für diese Eltern war die Teilnahme an einem partizipativen Forschungsprojekt überwiegend eine neue Erfahrung. Sie brachten vorrangig ihre Kompetenzen als Eltern mit ein, nicht jedoch wissenschaftliches Wissen.
Es wird reflektiert, inwieweit sich die Methode eignet, zu einer Betrachtung von Machtunterschieden zwischen diesen vier beteiligten Gruppen (von Unger 2014, S. 35) beizutragen und auf welche Weise sie in der Praxis der partizipativen Forschung eingesetzt werden kann.
Zuerst stelle ich die Teilnehmende Beachtung als Methode vor und arbeite heraus, welches Wissen durch sie generiert werden kann. Dann beschreibe ich meinen Zugang zum Untersuchungsfeld, welcher mir ohne Hindernisse gelang, da ich bereits Peerforschende im Projekt und daher mit Teilen des Feldes vertraut war. Die Herausforderung bestand darin, das Feld zu befremden, um eine wissenschaftliche Beobachtung durchzuführen zu können. Der Grad meiner Teilnahme war durch zwei verschiedene Modi gekennzeichnet. In allen Prozessen außerhalb der Workshops, von deren Vorbereitung bis zu deren Nachbereitung, war ich aktive Teilnehmerin des Untersuchungsfeldes. In den Workshops selbst war ich passiv teilnehmende Beobachterin. Die Beobachtung erfolgte insofern strukturiert, als dass mein Fokus auf der Frage nach den spezifischen Machtverhältnissen lag. Ich nehme in den Blick, welchen Einfluss diese zwei Formen der Teilnahme auf meine Beobachtungen hatten. Als teilnehmende Beobachterin gilt es die Wahrung der neutralen Haltung als Forscherin mit dem Aufbau von vertrauten Beziehungen zu den Beforschten zu verbinden. Ich beschreibe meine Positionierung im Feld und betrachte welche unterschiedlichen Rollen ich in den verschiedenen Phasen des Prozesses hatte und wie diese sich auf meine Beobachtungen auswirkten. Dazu beobachtete ich, wie sich die Beziehungen zu einzelnen Beteiligten gestalteten und ob sie sich mit zunehmenden Prozessfortschritt veränderten. Die Verschriftlichung meiner Beobachtungen erfolgte mittels Feldnotizen, welche zu Beobachtungsprotokollen ausgearbeitet wurden. Ich beschreibe die Herausforderungen des Schreibens von Feldnotizen während der Workshops sowie im sich anschließenden Schreibprozess.
Die Beobachtungen führte ich in sechs Workshops durch und sammelte zu deren inhaltlicher Erweiterung Kontextinformationen in den Vor- und Nachbereitungstreffen der Workshops, den Reflexionstreffen mit der Praxispartnerin sowie weiteren Zusammentreffen einzelner Prozesspartner außerhalb des Workshop-Settings. Zudem wertete ich die Transkripte von Aufzeichnungen einer Workshop-Diskussion und eines Experteninterviews aus.
2. Methode
„Die wissenschaftliche Beobachtung ist die zielgerichtete, systematische und regelgeleitete Erfassung, Dokumentation und Interpretation von Merkmalen, Ereignissen oder Verhaltensweisen mithilfe menschlicher Sinnesorgane und/oder technischer Sensoren zum Zeitpunkt ihres Auftretens“ (Döring/Bortz 2016, S. 324). Teilnehmend meint in dieser Arbeit die persönliche Teilnahme an den Workshops sowie an allen vor- und nachgelagerten Prozessen. In der qualitativen Forschung wird der Ort bzw. das Setting, an welchem die Beobachtungen stattfinden und die Beforschten agieren als „Feld“ bezeichnet (Lüders 2011, S. 151). Typische Handlungssituationen im Feld und Regeln, die diesen zugrunde liegen, können durch eine Beobachtung mit allen Sinnen erfasst werden, auch wenn sie den Handelnden selbst nicht bewusst sind (Girtler 2001, S. 54f., S. 61). So kann Wissen generiert werden, das für die Teilnehmenden weder in ihren Handlungen sichtbar wird noch sprachlich ausgedrückt werden kann (Lüders 2018, S. 37). Flick hebt hervor, dass Handlungsweisen nur auf diese Weise wirklich zugänglich sind (Flick 2012, S. 281).
Es liegt eine schwache Strukturierung im Hinblick auf die Forschungsfrage vor. Ich tauche in die üblichen Routinen der Handelnden ein und beobachte, ob die Teilnehmenden im Sinne partizipativer Kriterien (von Unger 2014, S. 1—3; Wright 2013, S. 123) maximal mitbestimmen können (Schaefer, Bär, von Haldenwang 2017, S. 20 f.). Mein Beobachtungsfokus wird durch die Frage nach den Machtverhältnissen eingegrenzt, bleibt dennoch aber möglichst offen, um komplexe Situationen und Handlungsprozesse uneingeschränkt erfassen zu können (Girtler 2001, S. 55, S. 62.)
Die Daten werden in Form von Feldnotizen, Kontextinformationen und Beobachtungsprotokollen erhoben. Um die Beobachtungen verstehen zu können, müssen sie permanent reflektiert werden (Breidenstein/Hirschauer/Kalthoff/Nieswand 2015, S. 71). Es liegen ebenfalls Daten aus Interviewtranskripten vor. Für die Auswertung werden die entsprechenden Abschnitte aus den Beobachtungsprotokollen, Feldnotizen und Interviews herangezogen, um die sozialen Regeln hinter Handlungsprozessen sichtbar zu machen. So kann das untersuchte soziale Handeln erklärt und Zusammenhänge aufgezeigt werden (Girtler 2001, S. 146; Bel Adasme 2011, S. 7).
3. Feldzugang zum Projekt
Der erfolgreiche Zugang zum Feld stellt einen entscheidenden Schritt im Forschungsprozess dar und ist die Voraussetzung dafür, dass ein zeitlich angemessenes Verbleiben im Feld realisiert werden kann (Lüders 2018, S. 60f.). Unter zeitlich angemessen verstehe ich den abgeschlossenen Zyklus der Workshop-Phase einschließlich deren Vor- und Nachbereitung (Lueger 2000, S. 109).
Ich war bereits als mitwirkende Eltern-Peerforschende Teil des Feldes, bevor ich mit B und C über die Möglichkeit, eine teilnehmende Beobachtung durchzuführen, sprach. Den sogenannten alles entscheidenden Erstkontakt gab es demnach nicht (Thierbach/Petschick 2014, S. 859). Gemeinsam mit anderen Peer-Eltern bin ich mit der Übernahme neuer Aufgaben in die zweite Forschungsphase gestartet. Die enge Zusammenarbeit in den Workshops hat den Aufbau von vertrauten Beziehungen zu den anderen Peers gefördert. In der Phase der Workshop-Vorbereitungen bin ich studentische Mitarbeiterin im Projekt geworden. Die neu hinzugewonnenen Eltern kennen mich vorrangig als Mitorganisatorin der Workshops im Rahmen der studentischen Mitarbeit. Dies bedeutet, dass ich nicht neu in ein existierendes Feld gekommen bin, sondern sich meine Rolle in dem Feld für einen Ausschnitt des Prozesses, nämlich den der Workshops, verändert hat. Um eine Akzeptanz im Feld für die teilnehmende Beobachtung zu bekommen, war B der sogenannte Türöffner. B teilte den Workshop-Teilnehmenden während des ersten Workshops mit, dass ich sie im Hinblick auf ihre gleichberechtigte Teilhabe am Forschungsprozess beobachten werde und erklärte, dass diese Beobachtung eine wichtige Reflexion für den Forschungsprozess darstellt. In der Rolle als wissenschaftliche Begleitung im Projekt stellte B in gewisser Weise eine Autoritätsperson dar. Dies könnte erklären, warum keine der Teilnehmenden der Beobachtung widersprochen hat und es auch keine Nachfragen gab. Zu Beginn unserer Zusammenarbeit hatten die Teilnehmenden eine Einwilligungserklärung zur Nutzung ihrer Daten unterzeichnet. Dies schloss ein, dass Daten im Forschungsprojekt erhoben und weiterverarbeitet werden dürfen. Ich für meinen Teil war froh, dass es augenscheinlich keine Hindernisse für mein Vorhaben gab. Deshalb gab ich keine weiteren Erklärungen zum Hintergrund und zur Vorgehensweise meiner Forschung, obwohl ich den Eindruck hatte, dass kaum einer verstanden hat, was meine Beobachtung für den Einzelnen konkret bedeutete. In den Workshops war aus zeitlichen Gründen keine Gelegenheit meine Beobachtungen zu kommunizieren zudem stellte ich nicht heraus, dass ich eine Hausarbeit schrieb. Im Sinne „eines informierten Einverständnisses als Prozess“ (Narimani 2014, S. 55) werde ich im Rahmen des letzten Workshops den Teilnehmenden eine Rückmeldung hierzu geben und eine Reflexion einholen. Diese Vorgehensweise erfolgt nach dem Grundsatz im Projekt, dass zusätzliche Forschungen dann möglich sind, wenn ihre Ergebnisse an die Teilnehmenden zurückgespielt werden und einen konkreten Nutzen für die laufende Arbeit haben können.
Durch die Information zur Beobachtung habe ich nicht verdeckt agiert, jedoch war sie den Beforschten aufgrund der fehlenden Kommunikation und Rückmeldung nicht unmittelbar präsent. Ich habe im Hinblick auf meine Rolle keine Veränderung ihres natürlichen Verhaltens im Feld bemerkt.
4. Grad der Teilnahme
Ich habe eine teilnehmende, schwach strukturierte Beobachtung durchgeführt, welche sich aufgrund meiner Forschungsfrage anbot und in der qualitativen Feldforschung häufig genutzt wird (Girtler 2001, S. 62—65; Thierbach/Petschick 2019, 1166f.). Ich beobachtete die Möglichkeiten der Workshop-Teilnehmenden an einer gleichberechtigten Teilhabe in den Workshops. Die schwache Strukturierung grenzte meine Beobachtung insofern ein, dass der Fokus auf dem Vorhandensein möglicher Machtunterschiede zwischen einzelnen Teilnehmenden lag (von Unger 2014, S. 53f.).
In Anlehnung an Angrosino hatte ich zwei verschiedene Beobachtungsrollen. Während der Workshops war ich Teilnehmerin als Beobachterin und in allen anderen Phasen vor und nach den Workshops vollständige Teilnehmerin (Angrosino 2007, S. 54f.). Als vollständig Teilnehmende arbeitete ich aktiv mit allen zusammen. Die vielfältigen Aufgaben der Vor- und Nachbereitung wurden aufgrund der jeweiligen Rollen (Eltern, Wissenschaft, Praxispartner) und den zeitlichen Ressourcen zum Teil aufgeteilt, zu einem großen Teil jedoch partizipativ in der Gruppe erledigt. Wir hatten etwa 60 Arbeitsstunden gemeinsam verbracht, in denen sich zwischen Einzelnen verschieden tiefe Vertrauensbeziehungen entwickelt haben. Daraus folgte wiederum, dass wir uns auch außerhalb des Settings privat austauschten. Meine aktive Beteiligung im Prozess war für die Beobachtung vorteilhaft. Bereits Jahoda et al. haben festgestellt, dass sich eine Übernahme von Aufgaben natürlich in das Untersuchungsfeld einfügt und die beforschten Personen so weniger in ihren natürlichen Abläufen stört (Jahoda/Lazarsfeld/Zeisel 2015, S. 28). Auch Diphoorn hat hervorgehoben, dass die aktive Teilnahme eine bessere Bindung zu den Beforschten unterstützt und somit auch einen positiven Einfluss auf die Beobachterrolle hat. In diesem Fall wird die Beobachterin nicht als störend empfunden, sondern als gleichwertig in der Gruppe angesehen (Diphoorn 2013, S. 210f.). Den Grad meiner Teilnahme zu reflektieren war mir auch im Austausch mit den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen möglich. Dies unterstützte mich immer wieder darin, aus der Situation herauszugehen und eine reflektierte Haltung einzunehmen (Breidenstein et al. 2015, S. 68).
Die vollständige Teilnahme im Feld unterstützte meine Beobachtungen. Der Nachteil des begrenzten Beobachtungsfensters während der Teilnahme wurde dadurch ausgeglichen, dass ich in der gemeinsamen Arbeit einzelne Personen viel intensiver beobachten konnte und auch Feinheiten in der Kommunikation, der Gestik und der Mimik bemerkt habe. Zum Beispiel: Als sich benötigte Flipcharts nicht auffinden ließen, raunte B mir zu, dass A die Flipcharts nicht finden könne. Etwas irritiert erwiderte ich „schon wieder“, worauf B mit Ja antwortete (Feldnotizen vom 11.02.2019). Ich bemerkte eine Enttäuschung auf unserer Seite und auch, dass es schwerer für mich wurde die Handlungen neutral zu beobachten (Thierbach/Petschick 2014, S. 862). Ich beobachtete A in den folgenden Minuten, wie A mit der Situation umging. Damit alle am Workshop Beteiligten die gleichen partizipativen Möglichkeiten haben, müssen Informationen oder Materialien transparent zur Verfügung stehen und keine Partei darf aufgrund fehlender Informationen im Nachteil sein (von Unger 2014, S. 40f.). Die mitorganisierenden Eltern, die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und die Praxispartnerinnen arbeiteten in regelmäßigen Vor- und Nachbereitungstreffen der Workshops zusammen und befassten sich intensiv mit den in den Workshops erarbeiteten Themen. Gerade alle an der Vorbereitung Beteiligten sollten hier versuchen, sensibel auf die Informationsbedürfnisse der vierten Gruppe (Eltern, die erst seit Beginn der Workshop-Phase am Prozess beteiligt sind und auch ausschließlich an den Workshops teilnehmen) einzugehen und sich ihrem eigenen Wissensvorteil bewusst zu werden (von Unger 2014, S. 63). A hatte die Situation gut gelöst und vorgeschlagen, die auf Smartphones existierenden Fotos der Flipcharts auszudrucken. Dies stellte sich zwar technisch als aufwändig dar, führte am Ende jedoch zur gleichen Informationsbasis für alle. Die Teilnehmenden waren mit dieser Lösung zufrieden (Feldnotizen vom 11.02.2019).
Thierbach und Petschick weisen darauf hin, dass das Feld durch die Teilnahme nicht zu stark verändert werden soll (Thierbach/Petschick 2014, S. 862). In meinem Fall war dies nicht der Fall, da ich mit Entstehen des Feldes bereits Teil desselben war und es eben nicht durch nachträgliches Hinzukommen verändert habe. Die enge Involviertheit in das Feld wird in der Wissenschaft als „going native“ bezeichnet. Indem ich eigene Erfahrungen im Feld gemacht habe, bekam ich ein besseres Verständnis dafür, was in ihm geschah (Girtler 2001, S. 120; Thierbach/Petschick 2019, S. 1178). Im zweiten Schritt distanzierte ich mich aber wieder von den Beobachtungen, um sie zu analysieren und hinsichtlich der Fragestellung zu strukturieren und zu prüfen, ob sie durch meine eigene Perspektive verzerrt wurden (Breidenstein et al. 2015, S. 42; Girtler 2001, S. 62).
Während der Workshops war ich überwiegend passiv und konzentrierte mich vollständig auf die Beobachtung. Vereinzelt gab es aber auch in den Workshops Situationen (siehe Anlage Beobachtungsprotokoll vom 04.03.2019), in denen ich aktiv teilnahm. Trotzdem ich meistens frei von Aufgaben war, fühlte sich die Beobachtung der Teilnehmenden viel schwerer für mich an. Ich bemerkte, dass es mir vor allem dann unangenehm war, Teilnehmende anzuschauen, wenn diese gerade nichts sagten oder taten. Ich nutzte eher meinen Hörsinn, als meinen Sehsinn, wodurch mir die Körpersprache, Mimiken und Gestiken der Teilnehmenden verloren gingen. Ich beobachtete die Gruppe, ob meine passive Anwesenheit sich in irgendeiner Weise auf sie auswirkte, zum Beispiel indem ich die Gruppendynamik während des Workshops mit der vor und nach dem jeweiligen Workshop verglich. Ich bemerkte keinen Unterschied und schloss darauf, dass meine beobachtende Teilnahme keinen Einfluss hatte und die Gruppenprozessen nicht störte.
5. Rolle der Beobachterin
Die Art und Weise des Feldzugangs beeinflusste meine Rolle im Projekt und damit die Perspektive, aus welcher ich beobachtete (Lüders 2018, S. 60f.). Die Reflexion der Beziehungen zu einzelnen Personen ist von entscheidender Bedeutung, da die Beziehung wiederum sich darauf auswirkt was ich wie beobachte und demnach auch beeinflusst, wie ich die Forschungsfrage beantworte (Emerson/Fretz/ Shaw 1995, S. 1—3). Um den Blick nicht zu sehr einzuschränken, ist es wichtig, sich der eigenen Perspektive und deren Einfluss auf die Beobachtung bewusst zu werden und zu einer Unvoreingenommenheit zurück zu kehren und für Überraschungen im Feld offen zu bleiben (Angrosino 2007, S. 38; Girtler 2001, S. 19f.).
In meinen Beobachtungen versuchte ich einen Fremdblick auf das Feld einzunehmen und mich von meinem Vorwissen als Peerforschende und studentische Mitarbeitende zu distanzieren (Bel Adasme 2011, S. 5). Diesen neutralen Blick einzunehmen gelang mir eher bei den Personen, die neu im Projekt dabei waren, da ich weniger vertraut mit ihnen war und demnach weniger Informationen über sie hatte. Die Personen, mit denen ich bereits länger zusammengearbeitet hatte, beobachtete ich geprägt durch mein vorhandenes Kontextwissen. E: „Sie sind aber arrogant!“ (Feldnotiz vom 05.11.2018). Diese Aussage von E konnte ich insofern besser einordnen, als dass ich Informationen von E zu ihrem Verhältnis zu A hatte und ich E auch in anderen Situationen erlebt hatte und wusste, dass ein bestimmtes Verhalten für E typisch ist. Spannend für mich war in diesem Zusammenhang die Reaktion von A zu beobachten. A reagierte sehr beherrscht, an der Mimik war für mich zu erkennen, dass es für A herausfordernd war, dem nicht direkt etwas entgegen zu setzen, sondern die Fassade zu wahren. Aus dem Interview als Kontextinformation weiß ich, dass A das Verhalten von E sehr herausfordernd empfand (Interview 2 Z:238—246).
Als teilnehmende Beobachterin befand ich mich in einem Zwiespalt zwischen der Wahrung einer neutralen Haltung als Forscherin sowie dem Aufbau von vertrauten Beziehungen zu den Beforschten (Breidenstein et al. 2015, S. 66— 70; Angrosino 2007, S. 87—89). Ich beobachtete, ob sich meine Position im Untersuchungsfeld über die Zeit veränderte und wie sich die Beziehungen zu den Beforschten entwickelten und veränderten (Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, S. 46—52; Lüders 2018, S. 63—65), da dies sich wiederum auf meine Beobachtungen auswirkte (Georges/Jones 1980, S. 8).
Wie bereits eingangs beschrieben, bestand die Gruppe der Beforschten aus vier Untergruppen. Meine Beziehungen zu den Mitgliedern der einzelnen Gruppen unterschieden sich wesentlich, was in meinen unterschiedlichen Rollen in den vier Gruppen begründet lag. Zu den Peer-Eltern der ersten Projektphase habe ich ein vertrautes Verhältnis. Die enge Zusammenarbeit rund um die Workshops hat die bereits in der ersten Forschungsphase aufgebauten vertrauten Beziehungen noch intensiviert. Das zeigte sich unter anderem daran, dass private Kontakte und die Anteilnahme aneinander auch außerhalb des Projektsettings zugenommen haben. Da wir in unserer Arbeit sehr aufeinander angewiesen waren, stieg die Bedeutung der Information, ob jemand am Workshop teilnehmen kann oder nicht. Die besondere Vertrautheit zwischen uns spiegelt sich unter anderem darin wider, dass Einzelne von persönlichen Schicksalsschlägen berichteten, dies jedoch Teilnehmenden der anderen Gruppen verborgen blieb. Es entwickelte sich ein familiäres Verhältnis, was Breidenstein mit Begriff „Going native“ und Malachowski mit dem Wort „Insider“ beschreiben (Breidenstein et al. 2015, S. 42; Malachowski 2015, S. 5).
Die neuen Peer-Eltern lernte ich erst zu Beginn der Workshops kennen. Mein Verhältnis zu ihnen war weniger auf den Aufbau einer freundschaftlichen Beziehung ausgelegt als auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit während der Workshops. Der Aufbau von Vertrauensbeziehungen zu einzelnen Mitgliedern vollzog sich langsam jedoch bemühte ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten darum: Dann kam H mit einem seiner Kinder. Ich habe beide mit Handschlag begrüßt und mitgeteilt, dass ich schon besorgt war, ob sie kommen würden, da es auf die Whatsapp-Abfrage keine Reaktion gegeben hatte. H meinte, es sei alles in Ordnung. Ich habe zum Ausdruck gebracht, dass ich das schön finde (Beobachtungsprotokoll vom 04.03.2019). Hierbei muss berücksichtigt werden, dass insgesamt nur acht gemeinsame Workshops vorgesehen waren und wir uns in diesem Rahmen nur alle drei bis vier Wochen für ein dreistündiges Zeitfenster trafen, welches zudem einen inhaltlich straffen Zeitplan umfasste. Darüber hinaus war ich stark in die Organisation rund um die Workshops eingebunden und hatte somit weniger Raum für die Beziehungsarbeit.
Auch mit den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen arbeitete ich bereits seit Monaten zusammen, der Austausch war jedoch nicht gleich privat wie mit den Eltern. Zu einem Teil ja, überwiegend aber von einer professionellen Zusammenarbeit geprägt. Die Beziehung zu den Partnerinnen der Wissenschaft veränderte sich durch meine Tätigkeit als studentische Mitarbeiterin. Als Peerforschende hatte ich wenig Einblick in die Organisation rund um den Forschungsprozess. In den Workshops haben wir partizipativ gearbeitet, Vor- und Nachbereitungen wurden von der Wissenschaft und dem damaligen Praxispartner organisiert. Die Rolle der studentischen Mitarbeiterin ermöglichten mir Einblicke und Teilhabe an fast allen Prozessen in dem Forschungsprozess. Hier erlebte ich was Malachowski als „Kulturschock“ bezeichnet, da ich Differenzen in der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxispartner beobachtete, die ich als Peerforschende nicht bemerkt hätte (Malachowski 2015, S. 4). Als Peerforschende hatte ich bisher immer den Eindruck, dass alle Parteien an einem Strang ziehen und auch durch die Verankerung in der Kommune alle am Erfolg des Projekts interessiert seien. Nun konnte ich einen Blick hinter die Kulissen werfen und bemerkte, dass die ersten Schwierigkeiten schon in der gemeinsamen Terminfindung lagen und auch, dass eine Seite hier weniger flexibel war als die andere. Dies führte dazu, dass Termine entweder gar nicht erst zu Stande gekommen sind oder eben nicht alle am Prozess Beteiligten daran teilnehmen konnten, was wiederum die erfolgreiche Zusammenarbeit und den Beziehungsaufbau erschwerte. Dazu bekam ich mit, dass die Vorstellungen von Partizipation verschieden waren (Feldnotiz vom 12.02.2019), was sich ebenfalls auf die gegenseitigen Erwartungen im Projekt auswirkte. Eltern sind in den Steuerungsprozess nicht so involviert, als dass sie das hätten bemerken können. Im Sinne von Goffman kann man sagen, dass diese Ungereimtheiten aus Elternsicht eher auf der Hinterbühne ausgetragen wurden (Goffman 2013, S. 104—106).
Mit den Mitarbeiterinnen des Familienzentrums als Praxispartner arbeitete ich seit etwa einem Jahr gemeinsam an der Konzipierung und Durchführung der Workshops. Unser Verhältnis war durch diese gemeinsame Arbeit geprägt, ein Austausch darüber hinaus fand nur begrenzt statt. Zum Beispiel haben A und ich uns im ersten Workshop bei einem Kennenlernspiel gegenseitig interviewt und so etwas mehr über einander erfahren. Auch das A sich ab Workshop 4 intensiver in die Diskussion eingebracht hat, wirkte sich bereichernd aus. Eine eher ausgrenzende Wirkung hat die Tatsache, dass die Mitarbeiterinnen des Familienzentrum als einzige der vier Teilnehmerinnengruppen nicht in der Whatsapp-Gruppe waren. Auch wenn wir im Vorfeld vereinbart hatten, Whatsapp nur für Dienstliches und den Prozess betreffende Informationen zu nutzen, blieb Privates nicht aus. Für die Beteiligten war dies eine schnelle und unkomplizierte Art der Kommunikation, welche das Familienzentrum nicht erreichten. In der Zusammenarbeit waren immer wieder Spannungen spürbar und es war schwieriger für mich eine neutrale Haltung zu bewahren.
6. Ethnographisches Schreiben
Das Aufschreiben von Beobachtungen ist ein wesentlicher Prozess und unerlässlich, um wissenschaftliche Daten zu generieren (Breidenstein et al. 2015, S. 43f., S. 85f.; Fetterman 2010, S.116). Das Schreiben in der teilnehmenden Beobachtung hat zudem die Bedeutung, dass soziales Handeln, welches nicht in sprachlicher Form vorlieget, erst durch dessen Beschreibung eine Sprache erhält (Breidenstein et al. 2015, S. 35f.).
In Vorbereitung auf meine teilnehmende Beobachtung habe ich mir ein pinkfarbenes Notizbuch im festen Einband angeschafft. Dieses wollte ich als Feldtagebuch nutzen. Ich hatte hierfür einige Zeit investiert, da ich glaubte, ein schönes Notizbuch befördere die Leichtigkeit des Schreibens. Nachdem ich mich intensiver mit dem Schreiben von fieldnotes in der Literatur (Breidenstein et al. 2015, S. 86—89; Emerson et al. 1995, S. 17—38) auseinandergesetzt hatte, beschloss ich, mein Feldtagebuch nicht mit in die Workshops zu nehmen. Das Wort Forschungstagebuch und der Name des Projekts standen groß auf dem Buch und auch die pinke Farbe war auffällig. Ich wollte nicht, dass die beforschten Personen das Buch so offensichtlich sahen, um einen negativen Einfluss auf das natürliche Verhalten im Feld zu verhindern. Weiterhin befürchtete ich, dass ein permanentes Schreiben während der Workshops Unwohlsein bei den Beforschten auslösen hätte können, da ich mich durch diese Tätigkeit ganz praktisch von dem Verhalten der Gruppe abgehoben hätte (Emerson et al. 1995, S. 37). Das Schreiben während der Beobachtung ist in einem Zwiespalt. Zum einen unterstütz es die Gedächtnisleistung, was für das spätere Erstellen von Protokollen hilfreich ist, zum anderen lenkt schreiben vom intensiven Beobachten ab (Breidenstein et al. 2015, S. 87; Przyborski/Wohlrab- Sahr 2014, S. 52f.). Daher entschied ich, während der Workshops ausschließlich zu beobachten und in deren Anschluss Feldnotizen und Beobachtungsprotokolle zu schreiben. Einen Stift und ein Blatt Papier hatte ich trotzdem immer auf dem Tisch zu liegen. So war es mir möglich, besonders wichtige Szenen in kurzen Stichpunkten festzuhalten.
Das Schreiben während der Workshops stellte sich als schwierig für mich heraus. Von allen Teilnehmenden wäre ich die einzige gewesen, die etwas aufschrieb, und hätte mich somit von der Gruppe abgehoben. Ich fühlte mich unwohl dabei und wollte die Teilnehmenden nicht stören. Zudem hatten wir für die Zusammenarbeit vereinbart, dass alles Gesagte vertraulich behandelt und nicht weitergetragen würde. Notizen von Aussagen zu erstellen, fühlte sich für mich wie spionieren an. Dieses Dilemma hätte gelöst werden können, indem ich vom Feld zum Schreiben autorisiert worden wäre, also meine Beobachterrolle vom Feld offiziell akzeptiert worden wäre (Breidenstein et al. 2015, S. 43; Girtler 2001, S. 93). Daher beschränkte sich das Aufzeichnen meiner Beobachtungen überwiegend auf den Folgetag des Workshops. Da an diesem Tag regelmäßig auch die Nachbereitungstreffen der Workshops stattfanden, reichte die Zeit zum Schreiben nicht aus, sondern beanspruchte auch noch die weiteren Tage nach den Workshops. Alles was ich erlebt und beobachtet hatte schrieb ich in mein Forschungstagebuch. Das war ein anstrengender Prozess, der etwa die gleiche Zeit in Anspruch nahm, wie die Beobachtungszeit selbst (Breidenstein et al. 2015, S. 35f.; Emerson et al. 1995, S. 39f.). Mit zunehmenden Prozessverlauf räumte ich mir größere Zeitfenster für das Schreiben und Reflektieren ein. Der Beobachtungszeitraum umfasste vier Monate, in denen sechs Workshops stattfanden. Aus den Feldnotizen der letzten zwei Workshops habe ich Beobachtungsprotokolle in Maschinenschrift geschrieben. Hierbei orientierte ich mich an Girtler und Lüders. Wichtige Inhalte für die Protokolle waren die Verortung des Untersuchungsfeldes, die Beschreibung des physikalischen Raums des Untersuchungsfeldes, die Beschreibung der Interaktionen innerhalb des Feldes, die Beschreibung meiner Teilnahme an Interaktionen im Feld, aufgrund welchen Alltagswissens gehandelt wurde und welche determinierenden Normen und Regelmäßigkeiten der sozialen Situation es gab (Girtler 2001, S. 133—139; Lüders 2018, S. 77— 79). Breidenstein et al. weisen darauf hin, dass Aufzeichnungen immer in der Selektivität des Forschers liegen und darum nicht vollständig sein können. Inwieweit die Beschreibungen ausreichen, um die Forschungsfrage beantworten zu können, zeigt sich dann erst in der Auswertung. Das Bestreben sollte jedoch darin liegen, sie so vollständig zu schreiben, dass sie sowohl für Nichtanwesende nachvollziehbar aber auch nach Monaten noch ein lebendiges Bild abgeben. Daher empfiehlt sich ein eher detaillierteres Schreiben (Breidenstein et al. 2015, S. 98—101).
Weitere Kontextinformationen notierte ich ebenfalls als fieldnotes im Forschungstagebuch. Hierzu zählten die Vor- und Nachbereitungstreffen, Telefonate, der E-Mail-Verkehr mit einzelnen Teilnehmenden, die Reflexionstreffen mit der Praxispartnerin, die Teambesprechungen mit den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen, ein Kolloquium im Rahmen des Forschungsverbundes, der Armut und Gesundheit Kongress sowie die Treffen mit der Steuerungsrunde der bezirklichen Partnerinnen des Projektes. Diese Informationen halfen mir einerseits meine Beobachtungen im Feld besser verorten und verstehen zu können, prägten andererseits aber auch meine Beobachtungen und grenzten diese ein (Lueger 2000, S. 99).
Der Datenschutz wird durch eine Anonymisierung des Ortes und der Namen gewahrt. Ein Rückschluss auf die Personen ist nicht möglich (Jahoda et al. 2015, S. 9; Atkinson/Coffey/Delamont/Lofland/Lofland 2010, S. 341).
7. Ergebnisse und Diskussion
In diesem Kapitel werden die Beobachtungsergebnisse in Bezug auf die Zielstellung des Beobachtungsprozesses hin zusammengefasst und kommentiert. Zunächst wird noch einmal die Beobachterinnenperspektive deutlich gemacht. In Bezug auf Machtunterschiede in partizipativen Forschungsprozessen werden Aspekte auf unterschiedlichen Ebenen deutlich, die ich an den einzelnen Gruppen verdeutlichen möchte.
Beobachterinnenperspektive
Der Zugang zum Feld war durch Einbettung in den Forschungsprozess und meine persönliche Beteiligung erfolgreich und konnte über den gesamten Beobachtungszeitraum aufrecht gehalten werden. Meine Rolle als studentische Beschäftigte ermöglichte mir eine selbstverständliche Teilnahme an Reflexionstreffen mit der Praxispartnerin und der kommunal verorteten Steuerungsrunde. Hier war es nicht nötig, meine Beobachtungsrolle zu erklären und die natürlichen Handlungen im Feld wurden in keiner Weise eingeschränkt.
Die vertraute Beziehung zu einigen Eltern war insofern von Vorteil, dass mir auch persönliche Gedanken mitgeteilt wurden, welche wiederum zum Verständnis des Verhaltens beitrugen. Beispiel: E: „Ich bin echt am Hadern ob X der richtige Partner ist.“ Q: „Ich auch. Aber da kommen wir jetzt nicht mehr raus.“ E: „Ich weiß. Und das ist total bescheuert!“ (Feldnotiz vom 21.02.2019). Auch konnten wir uns nonverbal verständigen: Da nicht gleich klar war, was in den Gruppen bearbeitet werden sollte, hat D das nochmal erklärt. Währenddessen wurde es unruhig im Raum. A und B suchten in einer Box passende Stifte zum Beschreiben der Moderationskarten. Dabei klapperte es laut und A ließ einzelne Stifte wieder laut in die Box zurückfallen. Zudem stimmten sie sich über etwas ab, was ich ebenfalls als störend empfand. Ich fand es sogar unhöflich, da es ja darum ging, unseren Gästen etwas zu erklären und D damit nicht nur allein gelassen wurde, sondern auch noch gestört wurde. Ich warf D einen etwas verstörten, unsicheren Blick zu, welchen D erwiderte (Beobachtungsprotokoll vom 04.03.2019).
Durch meine Insiderrolle als studentische Mitarbeiterin habe ich Unstimmigkeiten und Konfliktpotential zumindest auf Seiten der Wissenschaft zwischen uns und den beteiligten Praxispartnern mitbekommen, die mir sonst verborgen geblieben wären. So wurde ich mit einer Verärgerung über die unklare Aufgabenverteilung konfrontiert: B: „A hat nur ein einziges Mal Protokoll geschrieben. Wir haben die ganze Arbeit und schaffen unsere eigene nicht.“ (Feldnotiz vom 20.03.19). B: „Das ist A‘ Problem, dafür ist A verantwortlich.“ (Feldnotiz vom 11.02.19). B: „Wir möchten pünktlich um 14 Uhr anfangen, es geht nicht, dass da noch nicht alle Materialien bereit liegen. Wir bringen unsere Kopien ja auch mit und fangen nicht erst hier an sie zu erstellen.“ A: „Die Eltern könnten ja auch mithelfen, den Raum vorzubereiten.“ (Feldnotiz vom
12.02.2019).
Nivellierung von Unterschieden durch die Souveränität der Eltern
Der Austausch mit B ermöglichte mir auch einen Blick auf die Handlungen, die ich sonst nicht gehabt hätte. B: „D hat die Moderation super gemacht, viel besser als ich anschließend.“ (Feldnotiz vom 21.01.2019) B: „Der Raum war heute top vorbereitet.“ „Ich finde nicht, dass H zurückhaltend heute ist.“ (Feldnotiz vom 04.03.2019). Die Selbstständigkeit und Souveränität, die die Eltern in der Übernahme ihrer Aufgaben gezeigt haben, führte zu einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe im Familienzentrum (Interview 2 Z:15—27).
Entscheidungsmacht durch Mehrheitsentscheidungen
Das unterschiedliche Verständnis des Partizipations-Begriffs führte zu unterschiedlichen Erwartungen an den Prozess und an die Beteiligten im Prozess, was ich in einem Streitgespräch am 12.02.2019 beobachtet habe.
Innerhalb der Workshops beobachtete ich, dass die Eltern eine große Entscheidungsmacht hatten, was das Setzen der Themen betraf. Möglicherweise spielte ihnen in die Hände, dass sie personenmäßig bereits in der Überzahl waren und sich somit gegenseitig verstärken konnten. Auch in den Workshop- Vorbereitungen kam es vor, dass Eltern sich über eine Vorstellung von A hinwegsetzten, was nicht in der Rolle der Eltern begründet lag, sondern in der Situation einfach demokratisch entschieden wurde, und die Eltern eben personenmäßig in der Mehrzahl waren (Feldnotiz vom 29.01.2019 und Interview 2 Z:616—619).
Entwicklung der Rolle der Praxispartnerin: von der Beobachterin zur Teilnehmerin
A war zu Beginn der Zusammenarbeit eher zurückhaltend und saß auch meist abseits an einer Ecke des Tisches (Feldnotiz vom 05.11.2018). Besonders im Austausch zwischen den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und den Praxispartnerinnen wurden die Rollen, Zuständigkeiten und gegenseitigen Erwartungen häufig thematisiert (Feldnotiz vom 03.01.2019). Im Zuge des häufigeren Austauschs wurde zum Ende des Prozesses hin, eine Veränderung sichtbar. A rückte ganz praktisch dichter an die Gruppe heran und brachte sich dazu wesentlich häufiger in Diskussionen ein (Interview 1). A war nicht mehr nur Beobachterin oder Begleiterin, sondern aktive Teilnehmerin im Handlungsprozess. A hatte einen entscheidenden Machtvorteil auf der Institutionsebene. Diese gab A bestimmte Rahmenbedingungen vor, was dazu führte, dass zum Beispiel Terminvereinbarungen in stark vorgegebenen Rahmen stattfanden (Feldnotiz vom 05.11.2018). Hier wurde die Flexibilität von vielen zugunsten einer Person (wenn auch in der Institution Familienzentrum begründet) verlangt. Nicht selten führte das dazu, dass die vielen sich ohne A austauschten, was wiederum die inhaltliche Macht für A schwächte.
An den Ergebnissen wird deutlich, dass Machtunterschiede aus verschiedenen Perspektiven zu beobachten sind, aber auch, dass diese durch bestimmte Handlungsstrategien und Gruppenzusammensetzungen entkräftet werden können. Das Fazit wirft einen Blick darauf was die teilnehmende Beobachtung hier schon leistet und wie sie noch besser in partizipativen Prozessen eingesetzt werden kann.
8. Fazit
Die Frage, ob die Methode der teilnehmenden Beobachtung dazu beitragen kann Machtunterschiede in partizipativen Prozessen zu erkennen, möchte ich mit Ja beantworten. Wie ich in meiner Untersuchung gezeigt habe, können vor allem dann aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden, wenn die Verwendung von reichhaltigen Kontextinformationen gelingt. Hier meine ich vor allem Informationen über alle am Prozess Beteiligten und den Rollen in denen sie handeln. Zudem war es die Begleitung und auch das gemeinsame agieren mit den Workshop-Teilnehmenden in anderen Settings, da auch in der Interaktion mit anderen interessante Handlungsmuster beobachtet werden konnten, die wiederrum einen Einfluss auf die konkrete Beobachtungssituation hatten. Auf diese Weise ließ sich erkennen, welche Haltung bestimmte Personen hatten, wie sich diese auf verschiedene Handlungssituationen auswirkte und auch wie sich Verhalten in bestimmten Settings unterschied.
Meine Rollen als Peerforschende und studentische Mitarbeiterin wirkten sich auf die Datenerhebung durchweg positiv aus. Ich war mit den Eltern so vertraut, dass ich eine gewisse „Ohnmacht“ gegenüber der institutionalisierten Macht des
Familienzentrums und den damit verbundenen engen Rahmenbedingungen im Prozess wahrnahm. Auf der anderen Seite konnte A in Person jedoch gar nicht so viel Macht den Eltern gegenüber ausüben, da sie, wie in partizipativen Prozessen gefordert, die konkreten Erfahrungen der Betroffenen berücksichtigen musste (May/Alisch 2008, S. 96) und sich zudem durch eigene Verhaltensentscheidungen selbst um Informationen brachte.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass es noch Potenzial gibt, meine Beobachtungsprotokolle noch strukturierter als für die Hausarbeit möglich nach bestimmten Kategorien auszuwerten. Besonders spannend fände ich hier mir noch einmal intensiver die institutionellen Gegebenheiten der Praxispartnerin anzuschauen und wie es möglich sein könnte, sie noch besser in den partizipativen Prozess der Elternworkshops einzubinden. Dies muss jedoch die Aufgabe weiterer Analyse bleiben. In jedem Fall erweist sich die Methode der teilnehmenden Beobachtung hier als hilfreich und wichtig. Es wäre anzuraten, eine Beobachtungsposition regelmäßig in partizipativen Forschungsprozessen zu installieren und Austauschformate zu den Erkenntnissen aus dem Beobachtungsprozess zu berücksichtigen.
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- Quote paper
- Katharina Katsch (Author), 2019, Teilnehmende Beobachtung als Methode in der partizipativen Forschung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/500495
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