In Zeiten des Fachkräftemangels in der stationären Altenhilfe, ist es von hoher Bedeutung die für sich gewonnenen Auszubildenden an die Organisation zu binden. Aus diesem Grund beschäftigt sich die Bachelorarbeit mit dem Thema Arbeitszufriedenheit und Motivation in Organisationen. Nach einer theoretischen Vorstellung der Motivationstheorien erfolgt ein Einblick in die "4 Komponenten der Mitarbeiterbindung". Anschließend wird die Forschungsart begründet, vorgestellt und ausgewertet.
Da die Arbeit im Rahmen eines dualen Hochschulstudiums erstellt wird, bezieht sich der praktische Teil auf den Bedarf des Praxisunternehmens. Entsprechend der theoretischen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen wird versucht, Gründe zu erörtern, die Auszubildende dazu bewegen, im Unternehmen zu verbleiben. Die Arbeit dient außerdem als Handreichung und Orientierung für Führungskräfte. Sowohl die Ergebnisse der Befragung, als auch die abschließenden Empfehlungen sollen das Management einer Organisation im Umgang mit dem Auszubildenden und mit der Gestaltung der Arbeitsatmosphäre sensibilisieren.
Die Bedeutung der emotionalen Mitarbeiterbindung wird betont. Das Ergebnis der Befragung mit einem besonderen Augenmerk auf die Beziehung zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem fällt gut aus. Die Bachelorarbeit bestätigt die bereits getätigten Bemühungen des Unternehmens im Bereich Mitarbeiterbindung bei Auszubildenden. Die sich daraus ableitenden Empfehlungen orientieren sich an der Auswertung.
Inhaltsverzeichnis
1 Hintergrund der Forschungsarbeit
1.1 Vorstellung der Organisation
1.2 Begründung der Arbeit
1.3 Das Forschungsdesign
2 InhaltstheoretischeMotivationstheorien
2.1 Die Theorie der Bedürfnishierarchie von Abraham H. Maslow
2.2 Die Existance- Relatedness-Growth-Theorie von Alderfer
2.3 Herzbergs 2-Faktoren-Theorie
3 Bedürfnisbefriedigung in der Praxis
3.1 Physiologische Bedürfnisse
3.2 Sicherheitsbedürfnisse
3.3 Soziale Bedürfnisse
3.4 Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung
3.5 Selbstverwirklichung
4 Die Komponenten der Mitarbeiterbindung
4.1 Die vier Komponenten der Mitarbeiterbindung
4.1.1 Mitarbeiterbindung aufder rationalen Ebene
4.1.2 Mitarbeiterbindung aufder behavioralen Ebene
4.1.3 Mitarbeiterbindung aufder normativen Ebene
4.1.4 Mitarbeiterbindung auf affektiver bzw. emotionaler Ebene
4.1.5 Mitarbeiterbindung besteht immer aus vier Komponenten
4.2 Gallup - Engagement Index2014
4.3 Emotionale Mitarbeiterbindung fördern
4.4 Das Verhältnis zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem
5 Mitarbeiterbefragungen
5.1 GeschichtlicheEntwicklung
5.2 Definition - Funktion - Nutzen
5.2.1 Definition
5.2.2 Funktionen
5.2.3 Nutzen von Mitarbeiterbefragungen
6 Forschungsteil
6.1 DerFragebogen
6.2 Struktur und Bezug der zu bewertenden Aussagen
6.3 Auswertung
6.3.1 Hygienefaktoren
6.3.2 Motivatoren
6.3.3 Die Prioritäten
6.3.4 AuffälligeFragebögen undZusatzfragen
6.3.5 Abschluss derAuswertung
7 PraktischeEmpfehlungen
7.1 Allgemeine Empfehlungen
7.2 Empfehlungen für die Praxis der CAB
7.3 Bereits getätigtes Engagement des Trägers
8 Fazit - Die Führung macht's
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Bedürfnispyramide nach Maslow
Abbildung 2: Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg
Abbildung 3: Ergebnisse der Pittsburgh-Studie
Abbildung 4: Nutzen von Mitarbeiterbefragungen nach Töpfer (2004)
Abbildung 6: Prioritätendarstellung über Balkendiagramm
Abbildung 7: Prioritätendarstellung über Netzdiagramm
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Abhängig Beschäftigte mit befristeten Arbeitsverhältnissen in %
Tabelle 2: Theoriebezug der Fragebogenaussagen
1 Hintergrund der Forschungsarbeit
Die Forschungsarbeit beschäftigt sich sowohl theoretisch als auch praktisch mit dem Thema der Mitarbeiterbindung. Nachdem diese Bachelorarbeit im Rahmen eines dualen Hochschulstudiums erstellt wird, empfiehlt es sich, mit einer kurzen Vorstellung der Praxis einzusteigen. Anschließend erfolgt eine Begründung zur Sinnhaftigkeit der Arbeit. Es folgt die Theorie und das Vorstellen des Forschungsdesigns.
Sämtliche personenbezogenen Bezeichnungen sind geschlechtsneutral zu verstehen.
1.1 Vorstellung der Organisation
Der Caritasverband für die Diözese Augsburg e.V. hat sich im Jahr 1999 dazu entschieden, die beiden Bereiche der Alten- und Behindertenhilfe in eine 100 prozentige Tochtergesellschaft auszugliedern. Seither führt der Träger den Namen CAB Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbH (CAB). Das kleine „g" steht für gemeinnützig. Entsprechend dem Internetauftritt vom 29. Juni 20151 befinden sich 13 Caritas-Seniorenzentren an neun Standorten. Das Einzugsgebiet verteilt sich über das gesamte Bistum Augsburg, wobei die meisten Einrichtungen direkt in Augsburg oder der näheren Umgebung liegen.
In Zeiten des steigenden Wettbewerbs im Bereich der Altenhilfe haben sich die Strukturen der zentral organisierten CAB bewährt. Neben einer guten wirtschaftlichen Lage spricht vor allem die hohe Qualität im Alltag der Altenhilfe für den Träger. Das frühzeitig etablierte und kontinuierlich kritisch hinterfragte Qualitätsmanagement der Organisation trägt hierzu entscheidend bei.
1.2 Begründung der Arbeit
ZEIT ONLINE berichtete am 2. August 20112 darüber, dass Experten vor einem Notstand in der Altenpflege warnen. Die demografische Entwicklung in Deutschland, und die Tendenz der qualitativ verbesserten medizinischen und pflegerischen Versorgung, verschärfen die Problematik.3
Entsprechend einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln fehlen im Jahr 2025 voraussichtlich bis zu 200 000 Pflegefachkräfte.4
Die Inhalte des dualen Studiengangs Sozialmanagement liefern den Studierenden einen breiten Blick auf die Kernproblematiken der Schnittstellenarbeit zwischen Sozialpädagogik und Betriebswirtschaft. Seit der politisch vorangetriebenen Privatisierung im sozialen Bereich, sind betriebswirtschaftliche Kernkompetenzen bei den Wohlfahrtsverbänden nicht mehr weg zu denken.
Dazu zählt auch und vor allem die Personalführung. Während der Themenfindung zu dieser Bachelorarbeit drängte sich die Problematik des steigenden Fachkräftemangels auf. Da die CAB als Arbeitgeber diese kritische Entwicklung frühzeitig erkannt hat, kann sie heute mit der „Personalausstattung Pflegefachkraft“ im CAB-Verbund sehr zufrieden sein. Vor allem die Wichtigkeit der Ausbildung im eigenen Unternehmen wurde früh erkannt und breit etabliert. Auch kleine Häuser mit bis zu 60 Bewohnern beschäftigen durchschnittlich zwischen vier und sechs Auszubildende in der dreijährigen Ausbildung zur Altenpflegefachkraft. Doch welche Gründe bewegen einen Auszubildenden bei der CAB als Arbeitgeber zu bleiben? Wieso wechseln die fertig ausgebildeten Fachkräfte nicht irgendwo anders hin, scheinbar können sie sich dies heutzutage doch aussuchen?
Um diese Fragen zu beantworten, beschäftigt sich die Bachelorarbeit mit dem Thema der Mitarbeiterbindung. Bei Betrachtung der Situation auf dem Arbeitsmarkt der Altenpflegefachkräfte gilt schon seit längerem das Motto: Nicht der Arbeitnehmer muss großartige Bemühungen anstellen, um einen Arbeitsplatz zu bekommen; vielmehr muss der Arbeitgeber sich darum kümmern, einen attraktiven Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, der die wenigen zur Verfügung stehenden Fachkräfte an die Einrichtung und das Unternehmen bindet. Im Zentrum stehen sowohl Motivation, als auch Zufriedenheit.
Aus diesem Grund beschäftigt sich diese Arbeit einführend mit den bekanntesten inhaltstheoretischen Motivationstheorien. Der Leser erhält einen Einblick in die wichtigsten Komponenten der Mitarbeiterbindung. Im praktischen Teil wird die Sinnhaftigkeit von Mitarbeiterbefragungen bezüglich dieses Themenbereiches vorgestellt und im Anschluss die durchgeführte Mitarbeiterbefragung auswertet.
1.3 Das Forschungsdesign
Um herauszufinden, aus welchen Gründen ein Auszubildender in der CAB verbleibt, wurde ein Fragebogen entwickelt der verschiedene Themenbereich abfragt. Nach der Auswertung können Rückschlüsse zu den vorgestellten Theorien geschlossen und eine praktische Handreichung für die Führungskräfte der Organisation entwickelt werden. Die Befragung richtet sich an zwei Zielgruppen. Zum einen die Auszubildenden im dritten Lehrjahr, also all diejenigen, die im Jahr 2015 ihre Ausbildung beenden und zum anderen die Absolventen, die 2014 ihren Abschluss gemacht haben und im Unternehmen verblieben sind (diese sollen sich gedanklich in ihr letztes Ausbildungsjahr und in den anschließenden Übergang zur Fachkraft zurückversetzen). Der standardisierte Fragebogen wahrt die Anonymität der Befragten, es kann nicht zurückverfolgt werden, wer welchen Fragebogen beantwortet hat. All diejenigen, die nach Abschluss und Auswertung der Bachelorarbeit mit der verantwortlichen Führungskraft ins Gespräch kommen möchten, können freiwillig den Namen ihrer Einrichtung und/oder ihren eigenen Namen auf dem Fragebogen vermerken. Somit kann der Personalverantwortliche der jeweiligen Einrichtung mögliche kritische Themenbereiche mit der Pflegekraft in einem Mitarbeitergespräch erörtern und verbessern.
2 Inhaltstheoretische Motivationstheorien
In der Praxis wird zwischen inhaltstheoretischen und prozesstheoretischen Motivationstheorien unterschieden. Um den Umfang der Arbeit nicht zu sprengen, werden im Folgenden die drei bekanntesten und für die Praxis wichtigsten inhaltstheoretischen Motivationstheorien vorgestellt.
Im Anschluss daran werden die Theorien auf ihre Praxistauglichkeit geprüft. Der Übergang zum praktischen Teil erfolgt durch die Vorstellung der „4 Komponenten der Mitarbeiterbindung“.
Abschließend wird der Gallup - Engagement Index 2014 vorgestellt. Die Aktualität dieser Untersuchung unterstreicht die Erkenntnisse aus den „4 Komponenten der Mitarbeiterbindung“ (siehe vor allem emotionale Mitarbeiterbindung Kap 4.1.4). Gegen Ende des Theorieteils wird das Thema kanalisiert und vorbereitet. Es erfolgt zudem eine kurze Theorie zu Mitarbeiterbefragungen, um die Sinnhaftigkeit der Einbindung der Mitarbeiter zu diesem Thema deutlich zu machen.
2.1 Die Theorie der Bedürfnishierarchie von Abraham H. Maslow
Eine der am meisten rezipierten und somit wohl bekanntesten Motivationstheorien stellte Abraham H. Maslow 1954 auf. Den Einstieg und das Interesse für das Thema der Bedürfnisbefriedigung erlangte Maslow durch die Arbeit eines Kollegen. Dieser beschäftigte sich zu dieser Zeit mit der Verhaltensbeobachtung von Rhesus-Affen. Maslow erkannte, dass die Affen, die sowohl durstig als auch hungrig waren, zuerst versuchten ihren Durst zu stillen und sich erst dann auf Nahrungssuche begaben. Aus dieser Beobachtung schlussfolgerte er, dass es scheinbar eine hierarchische Beziehung unter den einzelnen Bedürfnissen gibt.
Die über alle Grenzen hinaus bekannte Darstellung der „Bedürfnispyramide“ stellt eindeutiger formuliert also eine Hierarchieeigenschaft der von Maslow definierten Bedürfnisse dar.
Das Fundament der Pyramide bilden die physiologischen Bedürfnisse (physiological needs). Hierzu zählen Bedürfnisse wie Schlaf, Hunger, Essen oder Wohnen. Ziel der Bedürfnisbefriedigung in der untersten hierarchischen Ebene ist die Sicherung der physischen Existenz, also die Sicherung des körperlichen Lebens. Auf der zweiten Stufe befinden sich die Sicherheitsbedürfnisse (safety needs). Dieser Stufe werden Antriebe zugeordnet, die das Individuum vor Gefahren aus seiner Umwelt schützt; dazu gehören z.B. das Bedürfnis nach Freiheit von Bedrohung und Existenznot, der Wunsch nach Ordnung, einem starken Führer oder einer Risikobegrenzung. Den Sicherheitsbedürfnissen übergeordnet stehen soziale Zugehörigkeitsbedürfnisse (love and belongingness needs). Der Kern dieser Kategorie bezieht sich auf den Wunsch soziale Kontakte zu knüpfen und in einer Gruppe (z.B. Familie) zusammenzuleben zu dürfen/können. Weitere Bedürfnisse leiten sich aus der Begrifflichkeit ab; Freundschaft, Liebe, Kontakt, Zugehörigkeit. In der nächsthöheren Bedürfniskategorie geht es um Anerkennung (esteem needs). In späteren Abhandlungen spricht Maslow in dieser Stufe von Selbstachtung und von 5
Anerkennung durch Dritte. Die nächste und letzte Stufe der Bedürfnishierarchie ist das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung (self-actualization).6 Einfach gesagt geht es hierbei darum, das zu tun, was man überdurchschnittlich gut kann, was einem viel Spaß macht, worin man sozusagen die Erfüllung seines Lebens sieht.
Neben der Verdeutlichung der hierarchischen Stufen, stellt die Pyramide außerdem eine weitere entscheidende Vorstellung Maslows zur Bedürfnisbefriedigung dar. Maslow geht davon aus, dass ein Bedürfnis an Dominanz verliert, je weiter oben es in der Pyramide steht. Die höchste Dominanz besitzt demnach die Basis der Pyramide (optisch nimmt diese Stufe auch die größte Fläche im Vergleich zu den darauf folgenden ein).
„Die Motivationstheorie selbst behauptet ein in der Bedürfnishierarchie aufsteigendes Streben nach Bedürfnisbefriedigung".7 Dies bedeutet, dass das in der Hierarchie höher stehende Bedürfnis erst dann ins Zentrum treten kann, wenn das hierarchisch zwar niedrigere, nach Maslow aber dominantere Bedürfnis, befriedigt ist. Die Verschiebung der Gewichtung von unten nach oben kann jedoch nur erfolgen, wenn das jeweils höhere Bedürfnis vom Individuum erkannt wird und zudem Möglichkeiten bestehen dieses Bedürfnis zu befriedigen.8
Maslow verknüpft seine definierten Bedürfnisstufen mit der menschlichen Entwicklung und geht davon aus, dass in deren Verlauf unterschiedliche Bedürfnisse in den Vordergrund rücken. Das oberste Ziel ist der Wunsch nach Selbstverwirklichung. Dazu sagt Maslow: „Es bezieht sich auf das menschliche Verlangen nach Selbsterfüllung also auf die Tendenz, das zu aktualisieren, was man an Möglichkeiten besitzt. Diese Neigung kann als das Verlangen formuliert werden, mehr zu dem zu werden, was man idiosynkratisch ist, alles zu werden, was zu werden man fähig ist."9 Bevor es zu diesem Wachstumsmotiv kommen kann, müssen die Defizitmotive erfüllt sein. Die Erfüllung der Defizitmotive - im Gegensatz zum Wachstumsmotiv - unterliegen nach Maslow dem Homöostaseprinzip, wonach im Organismus die Tendenz herrscht einen Gleichgewichtszustand wiederherzustellen oder zu erhalten. Ein Ausbleiben der Bedürfnisbefriedigung kann im Individuum Unzufriedenheit bewirken und das Anspruchsniveau senken. Andererseits kann Unzufriedenheit dazu motivieren, sich zu verbessern und dadurch in der Bedürfnispyramide aufzusteigen.10 Auf welche Art und Weise der Betroffene in diesem Fall reagiert, wird auch durch dessen kognitive Fähigkeiten bestimmt. „In Ergänzung seiner Theorie von 1954 hat Maslow 1970 noch die Bedürfnisse des Wissens und des kognitiven Verstehens (1970, 50) als notwendige Voraussetzung zum Erkennen der übrigen Bedürfnisse in den fünf hierarchischen Bedürfnisschichten eingeführt.“11
2.2 Die Existance- Relatedness-Growth-Theorie von Alderfer
Alderfer entwickelte Maslows Theorie weiter. Er verkürzt Maslows Postulierungen und unterscheidet nur drei Motivkategorien:12
Materielle und physiologische Bedürfnisse, die die beiden untersten Ebenen der Bedürfnispyramide abdecken (Bedürfnisse nach Überleben und Sicherheit).
Bedürfnisse nach Anschluss und Kontakt, also soziale Bedürfnisse, die mit Maslows dritter und vierter Stufe weitestgehend übereinstimmen (Anerkennung durch Dritte, Bedürfnisse nach vertrauensvollen und von Respekt gekennzeichneten Beziehungen zu anderen).
Geistig-seelische Wachstumsbedürfnisse, die sich sowohl aus dem Selbstachtungsbedürfnis als auch aus dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung bei Maslow ergeben. Das selbständige Aktivieren der eigenen Fähigkeiten soll dieses Wachstum antreiben (Bedürfnisse kreativer Entfaltung und Entfaltung produktiver Möglichkeiten).
Der entscheidende Unterschied zwischen Alderfer und Maslow liegt darin, dass Alderfer die verschiedenen Bedürfnisse nicht hierarchisch anordnet. Er geht viel mehr davon aus, dass ein Bedürfnis an Gewicht zunimmt, je mehr es befriedigt wird. Dies bedeutet außerdem, dass ein befriedigtes Bedürfnis weiterhin aktiv wirkt. Die zunehmende Bedürfnisbefriedigung löst dann, ähnlich wie bei Maslow, die nächsthöhere Bedürfniskategorie aus. Alderfer beschreibt zudem im Gegensatz zu Maslow die umgekehrte Wirkung. Erfährt ein Bedürfnis eine abnehmende Befriedigung, löst dies dann Bedürfnisse der nächsttieferen Bedürfnisebene aus.13 Der Auf- oder Abstieg innerhalb der Bedürfnisbefriedigung kann durch vier Prinzipien beschrieben werden:14
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3 Herzbergs 2-Faktoren-Theorie
Zusammen mit seine Kollegen Mausner und Synderman entwickelte Herzberg 1959 erstmals die Zweifaktorentheorie der Arbeitszufriedenheit mit dem Titel „The Motivation to Work", „ein Ansatz, der die Diskussion um die motivationsfördernde Gestaltung von Arbeitsplätzen ebenfalls sehr stark beeinflusst hat"15. Das Werk entwickelte sich zu einer der am meist beachteten Theorien zur Arbeitsmotivation und beeinflusst bis heute die Gestaltung von Arbeitsplätzen.16 17
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Abbildung stellt die Zwei-Faktoren-Theorie grafisch dar und zeigt die Extrempole der Theorie. Herzberg differenziert zwei Arten der Motivation:
Die Defizitmotivation wird demnach durch die Vermeidung von umweltbedingtem Leid (Deprivation) befriedigt. Diese Art der Befriedigung erhält der Mensch in einer Organisation durch die sogenannten Hygiene-Faktoren. Herzberg wählte den Begriff in Analogie zur Medizin. Hygienisches Vorgehen in der Medizin bedeutet, sich vor gesundheitsschädigenden Einflüssen aus der Umwelt zu schützen, ohne dabei seine Gesundheit zu festigen oder zu verbessern. Und so verhält es sich gewissermaßen auch mit den Hygiene-Faktoren. Die Befriedung der Hygiene-Faktoren führt dazu, dass negative Zustände (Unzufriedenheit) verhindert werden, dies führt jedoch nicht zu Zufriedenheit.18
Hygienefaktoren: Führungsstil, Unternehmenspolitik und -verwaltung, Arbeitsbedingungen, Beziehungen zu Gleichgestellten, Beziehungen zu Unterstellten, Beziehungen zu Vorgesetzten, Status, Arbeitssicherheit, Gehalt, Persönliche berufsbezogene Lebensbedingungen.
Diese Faktoren beziehen sich nicht zentral auf den Arbeitsinhalt, sondern gehören zu den Folgen oder Begleitumständen der Arbeit. Man nennt dieses auch extrinsische Arbeitsmotivation oder Context-Variable. Die Besonderheit liegt darin, dass eine Verbesserung der Hygiene-Faktoren „die Unzufriedenheit senkt, ohne allerdings zur Zufriedenheit zu führen"19. Eine Verschlechterung hingegen führt zu mehr Unzufriedenheit.
Beispiel: „Kaum einer wird deshalb glücklich und zufrieden lächeln, weil er keine Zahnschmerzen hat. Schmerzt jedoch der Zahn, so ist alles Wohlbefinden verschwunden. Die gesamte Seele scheint im hohlen Zahn zu sitzen. Hier kann und muss der Zahnarzt helfen. Man erkennt: Der Zahnarzt ist dafür geeignet, menschliches Leid, menschliche Unzufriedenheit, zu mildern. Glücklich und zufrieden macht er uns dauerhaft nicht."20 21
Die zweite Art der Motivation nennt sich Expansionsmotivation. Typisch für diesen Typ der Motivation ist das „Streben nach Wachstum durch Aufgabenbewältigung" (S. 89). In einer Organisation findet die expansive Motivation Befriedigung durch den Arbeitsinhalt selbst. Herzberg nennt diese Faktoren Motivatoren.
Motivatoren: Leistung, Anerkennung der eigenen Leistung, Arbeit selbst, Verantwortung, Aufstiegsperspektiven und Möglichkeit zum Wachstum Die Motivatoren beziehen sich hauptsächlich auf den eigentlichen Arbeitsinhalt. Sie werden deshalb intrinsische Arbeitsmotivation oder Content-Variable genannt. Hier liegt die Besonderheit darin, dass die Verbesserung dieser intrinsischen Dimension die Zufriedenheit hebt, eine Verschlechterung zu einer Senkung der Zufriedenheit führt, das Ausbleiben jedoch keine Unzufriedenheit auslöst.
„Die Zwei-Faktoren-Theorie benennt die situativen Bedingungen und Anreize, die Unzufriedenheit verhindern bzw. Zufriedenheit auslösen. Dahinter steht eine Konzeption der Arbeitszufriedenheit als Folge der Befriedigung von Bedürfnissen."22 „Die Zwei-Faktoren-Theorie erweist sich als eine Motivationstheorie, die derselben humanistischen Ideologie verpflichtet ist wie der Ansatz von Maslow (...)."23 Im Gegensatz zu Maslow, der zu seiner Theorie über existentialistisch- anthropologische Überlegungen gelangte und diese durch exemplarische Einzelfälle veranschaulichte, entwickelten Herzberg und dessen Mitarbeiter ihre Theorie über den umgekehrten Weg. Auf Basis einer empirischen Untersuchung zu den Ursachen von Arbeitszufriedenheit entwickelten sie ihre Theorie. Diese ist jedoch merklich von Maslows vorherigen Überlegungen inspiriert.
Ausgangspunkt der Theorieentwicklung war die Pittsburgh-Studie. Dabei wurden 203 Ingenieure und Buchhalter zu Aspekten ihrer Berufserfahrung befragt. Die Frage lautete: „Denken Sie an eine Zeit, zu der Sie bei Ihrer jetzigen Arbeit oder einer anderen Arbeit, die Sie je hatten, außergewöhnlich zufrieden (bzw.: außergewöhnlich unzufrieden) waren. Erzählen Sie mir, was sich ereignet hat!"24 Diese halbstandardisierte Art der Befragung musste nach dem Zusammentragen der Aussagen kategorisiert werden. Herzberg entwickelte dazu 16 Kategorien. Folgende Abbildung zeigt die Ergebnisse.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Ergebnisse der Pittsburgh-Studie25
Die Abbildung zeigt die Häufigkeit der Antworten der Befragten. Es ist zu erkennen, wie wichtig schon den Arbeitern in den 50er Jahren die eigene Leistung und die dazugehörige Anerkennung war. Außerdem kann man die spätere Unterteilung der Faktoren durch Herzberg erkennen. Die oberen sechs Faktoren gehören zu den Motivatoren, die unteren zehn zu den Hygienefaktoren. Bei den Hygienefaktoren fällt ein deutlich negativer Trend im Bereich Unternehmenspolitik und Führung auf. Die Abbildung lässt erkennen, dass die Arbeitszufriedenheit und Motivation also zu großem Maße (und somit mit entscheidendem Faktor) vom Management des Unternehmens und deren Führungskultur ausgeht.
In späteren Veröffentlichungen wird Herzberg zunehmend philosophisch.26 „Die grundlegenden Bedürfnisse des Menschen können als zwei parallele Pfeile dargestellt werden, die in entgegengesetzter Richtung zeigen. Der eine Pfeil veranschaulicht seine Tier-Adam-Natur, die beschäftigt ist mit der Vermeidung von Schmerz, der aus der Umwelt stammt, und für den Menschen ist die psychologische Umwelt die Hauptquelle seines Leids. Der andere Pfeil repräsentiert seine MenschAbraham-Natur, die beschäftigt ist mit der Annäherung an Selbstverwirklichung oder psychologisches Wachstum durch die Erfüllung von Aufgaben."27 (siehe Abbildung 2)
Bei aller Kritik muss man Herzbergs Theorie eine hohe Bedeutung zumessen. Durch die Popularisierung seiner Zwei-Faktoren-Theorie hat Herzberg entscheidend zum Umdenken in der Arbeitswelt beigetragen. Das Bild vom Mitarbeiter, der scheinbar ausschließlich aus ökonomischen Anreizen Motivation zur Arbeit fand, konnte über den Haufen geworfen werden. Intrinsische Faktoren wurden in der Arbeitswelt zunehmend wichtig. Die Prioritätenverschiebung in Richtung der Arbeit selbst und der daraus möglichen persönlichen Erfüllung gilt heute als „Königsweg" der Motivation.28
3 Bedürfnisbefriedigung in der Praxis
Zum besseren Verständnis werden Maslows und Herzbergs Begrifflichkeiten zusammengeführt. Physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse und soziale Bedürfnisse, also die ersten drei Bedürfniskategorien Maslows entsprechen den Hygienefaktoren Herzbergs. Nochmals zur Verdeutlichung: Das Erfüllen dieser Bedürfnisse führt nicht zu mehr Zufriedenheit oder einer besseren Motivation, sondern zu einem Zustand der Nicht-Unzufriedenheit. Die beiden oberen Stufen der Bedürfnispyramide, Wertschätzung und Selbstverwirklichung hingegen führen zu einem Mehr an Zufriedenheit und somit zu gesteigerter Motivation. Diese beiden Bedürfnisse werden bei Herzberg unter den Begriff der Motivatoren zusammengefasst.
3.1 Physiologische Bedürfnisse
Physiologische Bedürfnisse, also Bedürfnisse nach Essen, Schlafen und Wohnen werden in der heutigen Zeit in der Bundesrepublik Deutschland auch ohne eine dauerhafte Beschäftigung bzw. trotz Arbeitslosigkeit befriedigt. Im SGB II § 22 Abs. 1 heißt es hierzu: „Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind."29 Klammert man psychologische Problematiken der Arbeitslosigkeit aus, ist die Befriedigung der physiologischen Bedürfnisse heute nicht zwingendermaßen an ein Beschäftigungsverhältnis gebunden. Trotz dessen ist die Befriedigung höherer Bedürfnisse in einer Arbeitergesellschaft direkt an einen Arbeitsplatz gebunden, da man sich z.B. auch durch seinen Beruf selbst verwirklichen kann. Grundlage der weiteren Betrachtung ist ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis.
Der Bezug eines geregelten Mindesteinkommens nutzt also der Befriedigung seiner persönlichen physiologischen Bedürfnisse.
3.2 Sicherheitsbedürfnisse
Dieses Mindesteinkommen dient zudem zur Sicherung der Sicherheitsbedürfnisse. Bezogen auf die Arbeitswelt, zeigt sich dies vor allem durch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Solange der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz nicht in Gefahr sieht, besteht im Normalfall kein Zweifel, dass dieser problemlos die Inhalte der unteren beiden Bedürfnisstufen nach Maslow für sich befriedigen kann. Problematisch gestaltet sich dies in der heutigen Arbeitswelt aufgrund befristeter Arbeitsverhältnisse.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Tabelle zeigt, wie vor allem bei den 25- bis 34-jährigen seit 2011 fast jeder Fünfte in einem befristeten Arbeitsverhältnis steht. Ob positiv oder negativ für den Einzelnen: Die Sicherheit des Arbeitsplatzes und somit des geregelten Einkommens ist hier nicht gegeben. So fällt vielen die Entscheidung schwer, ohne die notwendige Sicherheit eine Familie zu gründen oder in eine Immobilie zu investieren, da die Finanzierung jeweils von einem konstanten Einkommen abhängig ist. Dieser Personengruppe bleibt also nach Maslows Vorstellung schon die Befriedigung der sozialen Bedürfnisse in gewisser Weise vorenthalten.
[...]
1 http://www.cab-a.de. Abgerufen am 29.06.2015.
2 Vgl. DPA & AFP (2011): Experten warnen vor Notstand in der Altenpflege. http://www.zeit.de/wirtschaft/2011-08/altenpflege-fachkraeftemangel. Abgerufen am 20.06.2015.
3 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (2014): Pflegefachkräftemangel. http://www.bmg.bund.de/themen/pflege/pflegekraefte/pflegefachkraeftemangel.html. Abgerufen am 20.06.2015.
4 Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln (2011): Doppeltes Demografieproblem. http://www.iwkoeln.de/infodienste/iwd/archiv/beitrag/27639. Abgerufen am 20.06.2015.
5 Eigene Darstellung nach Maslow, A. (2010): Motivation und Persönlichkeit. Rowohlt. Reinbek bei Hamburg.
6 Vgl. Ebd.
7 Drumm, H. (2008): Personalwirtschaft. Springer-Verlag. Berlin, Heidelberg.
8 Vgl. Mertel, B. (2006): Arbeitszufriedenheit - Eine empirische Studie zu Diagnose, Erfassung und Modifikation in einem führenden Unternehmen des Automotives. Dissertation an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.
9 Maslow, A. (1977): Motivation und Persönlichkeit. Rowohlt. Reinbek bei Hamburg. S. 89.
10 Vgl. Ebd.
11 Drumm (2008): S.392.
12 Vgl. Drumm, H. (2008): Personalwirtschaft. Springer-Verlag. Berlin, Heidelberg. Und Mertel, B. (2006): Arbeitszufriedenheit - Eine empirische Studie zu Diagnose, Erfassung und Modifikation in einem führenden Unternehmen des Automotives. Dissertation an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.
13 Vgl. Drumm, H. (2008)
14 Vgl. Alderfer, C. (1972): Existance, relatedness, and growth. Free Press. New York.
15 Brandstätter, V. & Frey, D. (2004): Motivation zu Arbeit und Leistung. IN: Schuler, H. (Hrsg): Enzyklopädie der Psychologie. Organisationspsychologie - Grundlagen und Personalpsychologie. Hogrefe Verlag für Psychologie. Göttingen.
16 Vgl. V. Rosenstiel, L. & Nerdinger, F. (2011): Grundlagen der Organisationspsychologie. Basiswissen und Anwendungshinweise. Schäffer- Poeschel Verlag. Stuttgart.
17 Ebd. S. 89
18 Vgl. Ebd.
19 Ebd. S. 89.
20 V. Rosenstiel, L. (2003): Motivation managen. Psychologische Erkenntnisse ganz praxisnah. Beltz Verlag. Weinheim, Basel, Berlin. S. 167.
21 Vgl. V. Rosenstiel et. al. (2011)
22 Nerdinger, F. (1995): Motivation und Handeln in Organisationen. Eine Einführung. Kohlhammer Verlag. Köln. S. 43.
23 Ebd. S 43.
24 Ebd. S. 42.
25 V. Nerdinger, F. (1995). S. 42
26 Vgl. Ebd.
27 Herzberg, F. (1966). Zitiert nach Nerdinger, F. (1995). S. 44.
28 Vgl. Nerdinger, F. (1995)
29 Nomos Gesetzte (2012): Gesetze für die Soziale Arbeit. Nomos Verlagsgesellschaft. Baden-Baden. S. 1374.
- Citation du texte
- Josef Tischmacher (Auteur), 2015, Mitarbeiterbindung. Arbeitszufriedenheit und Motivation in Zeiten des Fachkräftemangels, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/499898
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