Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie Führungskräfte durch ihr Verhalten positiv auf die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter einwirken können. Es werden anhand eines quantitativen Forschungsdesigns die Auswirkungen des transformationalen Führungsstils auf die psychische Gesundheit der Mitarbeiter untersucht.
Insgesamt werden vier Hypothesen durch den vorliegenden Versuchsaufbau geprüft. Die Basis dafür bildet eine Datensammlung, die mit Hilfe einer Online-Umfrage im within-subject Design erstellt wurde. Hierzu lieferten 141 Personen, davon 99 Frauen und 42 Männer im Alter zwischen 19 und 60 Jahren Ergebnisse, die im Rahmen einer Datenanalyse statistisch ausgewertet wurden.
Die Ergebnisse zeigen einen signifikanten, positiv korrelierenden Zusammenhang (r = 0.71) zwischen dem transformationalen Führungsstil und der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter. Ergänzend wurde der positive Einfluss transformationaler Führung auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit der Führungskraft signifikant festgestellt. Weiterhin wurden Unterschiede im Ausmaß der psychischen Gesundheit hinsichtlich des Geschlechts und des Alters der Versuchs-personen ermittelt.
Frauen sind demnach stärker von psychischer Belastung am Arbeitsplatz betroffen als Männer. Mit einer geringen Effektstärke hat die Untersuchung ergeben, dass das Ausmaß der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter mit zunehmendem Alter steigt. Dieses Ergebnis wird von der Literatur nicht gespiegelt und könnte der geringen Anzahl an Probanden fortgeschrittenen Alters geschuldet sein. Der Zusammenhang könnte in einer weiterführenden Studie genauer untersucht werden.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Bezüge der Untersuchung
2.1 Führung
2.1.1 Führungstheorie
2.1.2 Transformationale Führung
2.1.3 Führungsverhalten als Einflussgröße
2.2 Gesundheit
2.2.1 Konzept der Salutogenese
2.2.2 Gesundheit am Arbeitsplatz
2.2.3 Psychische Belastung am Arbeitsplatz
3 Forschungshypothese
4 Untersuchungsmethode
4.1 Forschungsethische Grundsätze
4.2 Untersuchungsdesign
4.3 Stichprobe
5 Ergebnisse
5.1 Deskriptive Statistik
5.2 Inferenzstatistik
5.2.1 Überprüfung der H1
5.2.2 Überprüfung der H2
5.2.3 Überprüfung der H3
5.2.4 Überprüfung der H4
6 Diskussion
6.1 Ergebnisdiskussion
6.2 Methodendiskussion
7 Ausblick und Implikationen für die Praxis
Literaturverzeichnis
Anhang
Abstract
Um in Zeiten von Digitalisierung, demografischem Wandel und steigendem Wettbewerb als Unternehmen erfolgreich zu sein, bedarf es nicht nur einer guten Unternehmensstrategie, sondern auch einer leistungsfähigen Belegschaft, die diese umsetzt. Der Aufwärtstrend der durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen, gefährdet dieses Ziel. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie Führungskräfte durch ihr Verhalten positiv auf die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter einwirken können. Es werden anhand eines quantitativen Forschungsdesigns die Auswirkungen des transformationalen Führungsstils auf die psychische Gesundheit der Mitarbeiter untersucht. Insgesamt werden vier Hypothesen durch den vorliegenden Versuchsaufbau geprüft. Die Basis dafür bildet eine Datensammlung, die mit Hilfe einer Online-Umfrage im within-subject Design, erstellt wurde. Hierzu lieferten 141 Personen, davon 99 Frauen und 42 Männer im Alter zwischen 19 und 60 Jahren Ergebnisse, die im Rahmen einer Datenanalyse statistisch ausgewertet wurden. Die Ergebnisse zeigen einen signifikanten, positiv korrelierenden Zusammenhang (r = 0.71) zwischen dem transformationalen Führungsstil und der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter. Ergänzend wurde der positive Einfluss transformationaler Führung auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit der Führungskraft signifikant festgestellt. Weiterhin wurden Unterschiede im Ausmaß der psychischen Gesundheit hinsichtlich des Geschlechts und des Alters der Versuchspersonen ermittelt. Frauen sind demnach stärker von psychischer Belastung am Arbeitsplatz betroffen als Männer. Mit einer geringen Effektstärke hat die Untersuchung ergeben, dass das Ausmaß der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter mit zunehmendem Alter steigt. Dieses Ergebnis wird von der Literatur nicht gespiegelt und könnte der geringen Anzahl an Probanden fortgeschrittenen Alters geschuldet sein. Der Zusammenhang könnte in einer weiterführenden Studie genauer untersucht werden.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1. AU-Tage und AU-Fälle pro 100 Versichertenjahre aufgrund psychischer Erkrankungen (Marschall et al., 2018, S. 21)
Abbildung 2. Teufelskreis von (Über-) Belastung (Hänsel & Kaz, 2016, S. 157)
Abbildung 3. Veranschaulichung des Wirkungsmodells der H1 (Eigene Darstellung)
Abbildung 4. Altersstruktur der Umfrageteilnehmer (Eigene Darstellung)
Abbildung 5. Streudiagramm mit Regressionsgerade zur Veranschaulichung des korrelativen Zusammenhangs zwischen dem transformationalen Führungsstil und der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter (Eigene Darstellung)
Abbildung 6. Boxplot zur Veranschaulichung der Verteilung der Werte des Kriteriums psychische Gesundheit bei männlichen und weiblichen Testpersonen (Eigene Darstellung)
Abbildung 7. Streudiagramm mit Regressionsgerade zur Veranschaulichung des korrelativen Zusammenhangs zwischen dem transformationalen Führungsstil und der Zufriedenheit der Mitarbeiter mit der Führungskraft (Eigene Darstellung)
Abbildung 8. Streudiagramm mit Regressionsgerade zur Veranschaulichung des korrelativen Zusammenhangs zwischen dem Alter und der psychischen Gesundheit der Befragten (Eigene Darstellung)
Abbildung 9. Balkendiagramm zur Veranschaulichung des Geschlechterunterschiedes im Bereich Arbeitsanforderung (Eigene Darstellung)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Statistische Werte der Variable Psychische Gesundheit nach Geschlecht
Tabelle 2 Mittelwert und Median der psychischen Gesundheit nach Altersgruppen
Tabelle 3 Korrelation zwischen transformationaler Führung und den sechs Themenbereichen des IMPULS Tests zur Messung der Dimension psychische Gesundheit
Tabelle 4 Korrelation zwischen den vier Items der Dimension transformationale Führung und Mitarbeiterzufriedenheit mit der Führungskraft
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
„Gesundheit ist das höchste Gut des Menschen“, so lautet eine altbekannte Volksweisheit. Die Aufgabe eines jeden Menschen, dieses Gut zu bewahren, ist heutzutage mit ganz anderen Schwerpunkten behaftet als früher. Die Volkskrankheiten haben sich mit dem Wandel der gesellschaftlichen Entwicklung von einer Industrie- zu einer Wissensgesellschaft deutlich verändert. Waren es in der Vergangenheit hauptsächlich akute Erkrankungen und Verletzungen, die die Wartezimmer und Notaufnahmen der Ärzte füllten, so sind es heute viele chronische Erkrankungen (Penk, Marx & Rahmel, 2009). Vor allem die Erkrankungen psychischer Natur haben in den letzten 15 Jahren stark zugenommen (Marschall et al., 2018). Für die Arbeitgeber ist dies umso kritischer zu sehen, da psychische Erkrankungen oft einen längeren Arbeitsausfall des Arbeitnehmers nach sich ziehen. Im Durchschnitt werden pro Krankheitsfall dieser Kategorie 45 Tage Arbeitsausfall am Stück erfasst (Grobe, Steinmann & Gerr, 2017). Diese steigenden Fehlzeiten weisen auf eine zunehmende psychische Belastung am Arbeitsplatz hin. Doch gerade mit den aktuellen Herausforderungen der Globalisierung, Digitalisierung und des steigenden Wettbewerbs, sind motivierte und leistungsstarke Mitarbeiter1 der Schlüssel zum Unternehmenserfolg. In einer sich ständig verändernden Arbeitswelt mit zunehmender Komplexität und beschleunigender Umwelt, bilden Mitarbeiter das wichtigste Leistungspotential eines Unternehmens (Badura, Ducki, Schröder, Klose & Meyer, 2017). Im Zuge dessen steigen die Erwartungen an die Arbeitnehmer, die sich dadurch einem verschärften Leistungsdruck und einer erhöhten psychischen Belastung ausgesetzt sehen. Diese Dynamik lässt einen gefährlichen Teufelskreis entstehen (Lohmann-Haislah, 2012).
Aufgrund des demografischen Wandels und des steigenden Fachkräftemangels ist es für ein Unternehmen von zunehmender Wichtigkeit, dass die Belegschaft möglichst lange gesund und arbeitsfähig bleibt und dem Unternehmen mit voller Leistungsfähigkeit zur Verfügung steht. Den Unternehmen stellt sich bei derartigen sozialen und ökonomischen Herausforderungen die Frage, wie sie auf die Problematik ausgleichend reagieren können (Brussig, 2015). Hierbei kommt den Führungskräften einer Organisation eine zentrale Bedeutung zu, da sie zum einen für die zu erbringende Arbeitsleistung und gleichzeitig für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter Verantwortung tragen. Zum anderen sind sie selbst oftmals großem Leistungsdruck ausgesetzt und zudem für ihre eigene Gesundheit verantwortlich (Eilers, Möckel, Rump & Schabel, 2014). In diesem Zusammenhang haben Führungskräfte eine Doppelrolle zu erfüllen. Durch gesunde Führung, die unter anderem eine gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung, gesunde Selbstführung und eine wertschätzende Mitarbeiterführung beinhaltet, können vor allem die direkten Vorgesetzten auf verschiedene Art und Weise die Gesundheit und das geistige und körperliche Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter positiv beeinflussen (Franke & Felfe, 2011). Laut der aktuellen Forschung gilt insbesondere der transformationale Führungsstil als gesundheitsförderlich (Gregersen, Kuhnert, Zimber & Nienhaus, 2011). Dabei versucht die Führungskraft unter anderem durch Vorbildverhalten und Vermittlung von Visionen, die Werte der Mitarbeiter in die gewünschte Richtung zu lenken und sie intrinsisch zu motivieren (Rosenstiel, Regnet & Domsch, 2014).
Forschungsfrage und Relevanz der Forschungsfrage
Die Forschungsfrage, die sich aus den einleitenden Erläuterungen ableitet, bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen dem transformationalen Führungsstil und der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter. Auf der Basis der bisherigen Forschungsergebnisse wird vermutet, dass transformationale Führung einen signifikanten Einfluss auf die psychische Gesundheit der Mitarbeiter hat. Die vorliegende Untersuchung soll weiterführende Erkenntnisse in der Erforschung von gesunder Führung liefern und dazu beitragen, die Problematik der stetig ansteigenden psychischen Belastung der Mitarbeiter in den Unternehmen zu beleuchten und dabei die Rolle der Führungskraft bei der psychischen Gesunderhaltung von Mitarbeitern darzulegen. Zunächst werden die theoretischen Bezüge des Themas erläutert, die Forschungshypothesen und das Untersuchungsdesign beschrieben, und dann die Ergebnisse der statistischen Datenauswertung dargestellt. Anschließend werden die erzielten Ergebnisse inhaltlich diskutiert und in den Forschungsstand eingeordnet. Zusätzlich wird die angewandte Forschungsmethode kritisch reflektiert. Abschließend soll ein Ausblick auf potentielle weiterführende Forschungsansätze gegeben, sowie Implikationen für die Praxis erörtert werden.
2 Theoretische Bezüge der Untersuchung
Im folgenden Abschnitt dieser Arbeit wird der aktuelle Forschungsstand geschildert. Hierbei werden im ersten Teil die verschiedenen Führungsansätze erläutert, der Fokus wird dabei auf den transformationalen Führungsstil gesetzt. Des Weiteren wird auf Führungsverhalten als Einflussgröße eingegangen (siehe Abschnitt 2.1). Anschließend wird die Gesundheit des Menschen beleuchtet und speziell das Konzept der Salutogenese und die Gesundheit bzw. die psychische Belastung am Arbeitsplatz näher erläutert (siehe Abschnitt 2.2). Die Literaturrecherche umfasst sowohl deutschsprachige, als auch englischsprachige Literatur und fand hauptsächlich online auf den Datenbanken PSYNDEX, PsycARTICLES, Google Scholar, Springer und auf den Online Portalen der FOM sowie der Bayerischen Staatsbibliothek statt.
2.1 Führung
Unter Führung, im unternehmerischen Kontext, versteht man allgemein einen kommunikativen Prozess, der darauf ausgerichtet ist, andere Personen oder Personengruppen zu beeinflussen, zum Zweck der zielorientierten Leistungserstellung (Blessin & Wick, 2017). Innerhalb der Organisationsführung unterscheidet man zwischen Unternehmensführung und Personalführung. Unternehmensführung wird differenziert durch operative und strategische Ausrichtungen, mit der Intention, langfristige und kurzfristige Unternehmensziele zu verfolgen. Personalführung findet durch Interaktion und Kommunikation statt und steuert mit diesen Mitteln das Verhalten der Mitarbeiter eines Unternehmens in die gewünschte Richtung (Pfaff et al., 2009).
2.1.1 Führungstheorie
Bedingt dadurch, dass sich seit Anfang des letzten Jahrhunderts die Rahmenbedingungen der Arbeitswelt stetig verändert haben, sind immer wieder neue Führungstheorien entstanden. Die klassische Führungstheorie unterscheidet dabei zwischen eigenschaftsorientierten, verhaltensorientierten und situationsorientierten Personalführungsansätzen (Pfaff et al., 2009).
Mit der Industrialisierung und dem Beginn des 20. Jahrhunderts entstand in der Führungsforschung die personenzentrierte Führungstheorie, der zufolge die Führungspersonen und vor allem deren Eigenschaften im Zentrum der Betrachtung stehen (Peters, 2015). Man ging dabei davon aus, dass Führungskräfte bestimmte situationsunabhängige Persönlichkeitsmerkmale besitzen, die entscheidend für den Führungserfolg sind. Als beispielhaft für den eigenschaftstheoretischen Ansatz gilt die sogenannte Great-Man-Theorie, nach der sich der Einfluss von Führungspersonen aufgrund ihrer persönlichen Ausstrahlung, Intelligenz, Weisheit oder ihres Charismas erklären lässt, mit dem sie sich deutlich von anderen Menschen abheben (Blessin & Wick, 2017). Die Ergebnisse empirischer Untersuchungen haben dies jedoch nicht bestätigt. Es konnten keine bestimmten Persönlichkeitsmerkmale ausfindig gemacht werden, die Führungskräfte eindeutig von Nicht-Führungskräften zuverlässig unterscheiden. So können gewisse Persönlichkeitsmerkmale in der einen Situation zum Führungserfolg beitragen, während sie in einer anderen Situation nichtig oder sogar hinderlich sein können. Lediglich einige spezifische Aspekte wurden erkannt, wie z. B. Schulerfolg oder sozialer Status, die mit Führung einhergehen (Stogdill, 1974). Die klassische Eigenschaftstheorie wird heute als veraltet betrachtet. Jedoch wird seit einigen Jahren wieder verstärkt auf dem Gebiet geforscht, vor allem indem Zusammenhänge zwischen Personenmerkmalen und Führungsverhalten bzw. Führungserfolg untersucht werden. Hauptsächlich werden diese Forschungen in Bezug auf den transformationalen Führungsstil angestellt (Blessin & Wick, 2017).
Im Gegensatz zum Eigenschaftsansatz stehen beim Verhaltensansatz nicht mehr die Persönlichkeitseigenschaften der Führungskraft als Erfolgsvariable im Fokus, sondern bestimmte Führungsstile, mit denen ein spezifisches Führungsverhalten einhergeht (Aretz, 2007). Die moderne Führungsstilforschung hat ihre Wurzeln in einem im Jahr 1939 von Lewin, Lippitt und White durchgeführten Experiment, in dem sie die Arbeitsleistung von Kleingruppen unter autoritären, demokratischen und laissez-faire Führungsstilen untersuchten. Sie gelangten dadurch zu der Erkenntnis, dass der jeweilige Führungsstil das Verhalten der Mitarbeiter beeinflusst (Aretz, 2007). Beruhend auf dieser Beobachtung lassen sich verschiedene Theorien von der Idee leiten, dass bestimmte Führungsstile zu mehr oder weniger Führungserfolg führen, als andere. So wird die laissez-faire Führung, bei der Vorgaben und Richtlinien des Vorgesetzten weitestgehend fehlen, als negativer Einfluss auf die Arbeitsleistung und die Effektivität der Mitarbeiter angesehen (Rosenstiel, Regnet & Domsch, 2014). Dagegen gelten die transaktionale Führung, die durch Leistungskontrolle und Incentivierung gekennzeichnet ist, und die transformationale Führung, die Mitarbeiter anhand von Werten, Einstellungen und Zukunftsvisionen leitet, als Erfolgsfaktoren, die die Arbeitszufriedenheit und Motivation der Beschäftigten positiv beeinflussen können (Bass & Avolio, 1994). Genau wie die Eigenschaftstheorie konzentriert sich die Verhaltenstheorie vor allem auf die Person der Führungskraft. Die organisationalen Aspekte und der einzelne Mitarbeiter bleiben bei dieser eindimensionalen Sichtweise unberücksichtigt (Peters, 2015).
Die situative Führungstheorie geht davon aus, dass ein bestimmter Führungsstil nicht in jeder beliebigen Situation zum Erfolg führt. Führungsverhalten muss sich jeweils den Rahmenbedingungen und den Kontextfaktoren der gerade herrschenden Situation anpassen um effektiv zu sein (Aretz, 2007). Der Kontingenzansatz von Fiedler (1967) zählt zu den ersten Situationstheorien. Das oft zitierte und kritisierte bipolare Modell geht davon aus, dass Führungseffizienz insbesondere von der motivationalen Orientierung des Führenden sowie von den situationsbedingten Kontexten innerhalb der Organisation abhängt. Beispielsweise sei im Falle einer guten Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehung, einer strukturierten und klar definierten Aufgabenstellung und einer Führungskraft, die über eine ausgeprägte Positionsmacht verfügt, ein aufgabenorientierter Führungsstil empfehlenswert. Das Reifegradmodell von Hersey und Blanchard (1977) ist ein weiteres Beispiel für den situativen Führungsansatz. Dabei werden unterschiedliche Führungsstile in Abhängigkeit vom Reifegrad des Mitarbeiters empfohlen. Der Entwicklungsgrad der Geführten wird durch deren Fähigkeit zur selbstständigen Aufgabenerledigung und durch das Ausmaß ihrer Motivation bestimmt. Die Führungskraft passt so ihr Führungsverhalten dem jeweiligen Entwicklungszustand und den Bedürfnissen der Mitarbeiter an (Kauffeld, 2018).
Die Kritik an den situativen Führungsansätzen liegt vor allem darin, dass die maßgeblichen Situationsvariablen nur vage bestimmt sind und es allein der Führungskraft obliegt, konkrete Situationen korrekt einzuschätzen und demnach das Spektrum an Verhaltensweisen bedarfsgerecht einzusetzen. Dieser Verhaltensprozess ist für viele Führungskräfte schwierig in der Praxis umzusetzen (Aretz, 2007).
Wissenschaftlich kann keiner der traditionellen Führungsansätze oder gar ein bestimmter Führungsstil als optimal betrachtet werden (Becker, 1999). Es stellt sich die Frage, warum die vorhandenen Führungsansätze bisher nicht ausreichen und stets weiterentwickelt werden, und zudem ganz neue Theorien hinzukommen. Studien, wie beispielsweise die Hays Studie zum Schwerpunkt Führung von 2014/2015 zeigen, dass Führungsentwicklung in den Unternehmen sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart zu den Haupthandlungsfeldern vieler Organisationen zählt (Eilers et al., 2014). Eine mögliche Erklärung dafür liegt in der Komplexität, die in sozialen Systemen herrscht und die sich nicht vermeiden lässt, wenn Menschen aufeinandertreffen und zusammenarbeiten (Werkmann-Karcher & Rietiker, 2010).
Die persönliche Kompetenz mit emotionalen Regungen anderer angemessen umzugehen, sowie die Fähigkeit, sich den Herausforderungen auf sozialer Ebene zu stellen, beeinflusst die Führungsqualität in sozialen Organisationen erheblich (Franke, Ducki & Felfe, 2015). Mit der New Leadership Theorie fand in den 1980er Jahren ein Paradigmenwechsel von der traditionellen Führung, hin zu neuen, moderneren Führungstheorien statt, die die emotionalen Aspekte des Führungsprozesses verstärkt in den Fokus stellten (Peters, 2015). Schon 1992 führt Alan Bryman den Begriff „New Leadership“ in seinem Buch „Charisma and leadership in organizations“ ein und beschreibt damit den Wechsel von der transaktionalen Führung, die vor allem durch Leistungskontrolle und Belohnung von Zielerreichung gekennzeichnet ist, hin zur transformationalen Führung, bei der der Vorgesetzte in erster Linie durch Vermittlung von Visionen führt (Kauffeld, 2018).
2.1.2 Transformationale Führung
Die Theorie der transformationalen Führung wurde erstmals 1978 von James McGregor Burns beschrieben und später von Bass und Avolio (1994) tiefergehend erforscht. Seitdem wurde dieser Führungsansatz von zahlreichen Führungstheoretikern untersucht und weiterentwickelt (Grote, 2012). Die Theorie der transformationalen Führung basiert auf der Annahme, dass erfolgreiche Führungskräfte ihre unterstellten Mitarbeiter transformieren. Damit ist gemeint, dass sie ihre Belegschaft für ein gemeinsames Ziel begeistern und mobilisieren können, ohne sie über Austauschprozesse motivieren zu müssen, so wie weniger erfolgreiche Führende dies tun (Nerdinger, Blickle & Schaper, 2014). Nach dem Konzept von Bass besteht transformationale Führung aus vier miteinander verbundenen Kernelementen, nämlich Charisma (idealized influence), Motivation (inspirational motivation), Intellekt (intellectual stimulation) und Individualisierung (individualized consideration). Der Einfachheit halber werden diese vier Komponenten auch die „vier I’s“ genannt. Nachfolgend werden diese nach der Theorie von Bass und Avolio (1994) erläutert.
Idealisierte Einflussnahme steht für die Vorbildfunktion, die die Führungskraft durch glaubwürdiges Verhalten innehat. So soll es gelingen, die Mitarbeiter nachhaltig positiv zu beeinflussen und sich deren Respekt und Vertrauen durch moralisch orientierte Entscheidungen zu verdienen. Führungspersonen, die im Sinne der idealisierten Einflussnahme handeln, setzen sich in erster Linie für die Werte des Unternehmens ein und stellen Eigeninteressen zurück. Ihnen wird von ihren Mitarbeitern ein gewisses Charisma attribuiert, also eine bestimmte Ausstrahlungskraft, die mit Gefühlen wie Respekt und Stolz der Führungskraft gegenüber einhergeht. Dementsprechend leichter fällt es den Mitarbeitern, sich mit der Führungskraft zu identifizieren und eine emotionale Bindung zu ihr aufzubauen (Bass & Avolio, 1994).
Inspirierende Motivierung beschreibt, inwieweit die Führungskraft durch die Übermittlung einer emotional attraktiven Zukunftsvision den Mitarbeiter begeistern und an das Unternehmen binden kann. Gelingt ihr dies überzeugend, so kann den Mitarbeitern durch eine solche Vision die Bedeutung ihrer alltäglichen Aufgaben verdeutlicht werden, so dass sie ihnen als sinnvoll erscheinen und sie zum gemeinsamen Erzielen der Vision motiviert sind (Bass & Avolio, 1994). Eine starke Kommunikation, die von Emotion und symbolischen Vergleichen geleitet ist, ist für die Führungskraft, zur Steigerung des Motivationsgrades über die durchschnittlichen Erwartungen hinaus, unerlässlich (Comelli, Rosenstiel & Nerdinger, 2014).
Intellektuelle Stimulierung bezieht sich auf eine Führungspraxis, die den Mitarbeiter zu kreativem und innovativem Denken anregt. Bisherige Vorgehensweisen und etablierte Arbeitsroutinen sollen auf diese Weise immer wieder überdacht und hinterfragt werden. Es soll zu neuen Arten der Aufgabenbearbeitung ermuntert werden, ohne bei Misserfolg disziplinarische Konsequenzen fürchten zu müssen. Dadurch werden Mitarbeiter aktiv darin gefördert, Situationen oder Zustände eigenständig zu verbessern (Bass & Avolio, 1994). Transformational führende Vorgesetzte geben ihren Mitarbeitern den benötigten Spielraum für neue Ideen und Lösungsansätze und motivieren sie dazu, aktiv an der Realisierung der Unternehmensvision beizutragen (Blessin & Wick, 2017).
Individualisierte Berücksichtigung, oder auch Förderung, meint die individuelle Behandlung des einzelnen Mitarbeiters durch die Führungskraft, je nach Leistung, Potenzial und persönlichen Bedürfnissen. Die Führungskraft schenkt ihren Mitarbeitern Aufmerksamkeit durch persönlichen Kontakt und fungiert in einer Mentorenrolle, indem sie die Mitarbeiter individuell anleitet, entsprechend unterstützt und durch gezielte Entwicklungsmaßnahmen fördert (Bass & Avolio, 1994). Gezielt weist sie ihren Mitarbeitern anspruchsvolle Aufgaben zu und erweitert bei vorhandenem Potential ihren Verantwortungsbereich und steht dabei beratend und unterstützend zur Seite (Grote, 2012).
Der transformationalen Führung sind überwiegend positive Effekte zuzuschreiben, trotzdem sind auch kritische Aspekte anzumerken. Nachteilig kann sich beispielsweise eine besonders enge emotionale Beziehung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern auswirken, die zu „blinder Verehrung“ der Führungskraft, oder gar zum Realitätsverlust des Mitarbeiters führen kann (Kauffeld, 2018).
In vielen Studien und Metaanalysen wurden die positiven Effekte der transformationalen Führung und der damit einhergehende Führungserfolg bestätigt (Banks et al., 2017; Gregersen et al., 2011). Sie wirkt sich demnach positiv auf Mitarbeiterzufriedenheit und Leistungsbereitschaft aus, fördert Zusammenhalt und Kreativität im Team und stellt so sicher, dass gute Mitarbeiter durch starkes Commitment an das Unternehmen gebunden werden und auch dauerhaft bleiben (Franke & Felfe, 2011). Gerade in Zeiten ständiger Veränderungen, firmeninterner Neuausrichtungen und der allgegenwärtigen Digitalisierung ist dies von großer Notwendigkeit (Petry, 2016).
2.1.3 Führungsverhalten als Einflussgröße
Führung ist einer der wichtigsten Einflussfaktoren auf das Verhalten und Wohlbefinden der Mitarbeiter in einem Unternehmen (Franke et al., 2015). Dementsprechend umfangreich und intensiv sind die Forschungen, die es in diesem Bereich gibt. Der Einfluss von Führungsverhalten auf die Mitarbeitergesundheit steht erst seit kurzer Zeit im Fokus der Betrachtung, denn bisher wurden vor allem die Faktoren Leistungsfähigkeit und Produktivität der Mitarbeiter, sowie Arbeitszufriedenheit als Ergebnis erfolgreicher Führung analysiert (Gregersen et al., 2011). Basierend auf ihrer positionellen Macht, handeln leitende Angestellte im Rahmen der firmeninternen Hierarchie. Als Vorgesetzte ihrer Mitarbeiter sind sie dafür verantwortlich, dass die verteilten Aufgaben erledigt werden. Auf welche Art und Weise Führungskräfte in dieser Hinsicht agieren, hat großen Einfluss, sowohl auf persönliche Merkmale wie Motivation und Arbeitsleistung der Mitarbeiter, als auch auf das Betriebsklima, die Zufriedenheit der Belegschaft und das allgemeine Wohlbefinden bzw. die Gesundheit der Mitarbeiter (Werkmann-Karcher & Rietiker, 2010).
In den 1960 Jahren haben Führungsforscher in den sogenannten Ohio-Studien herausgefunden, dass es zwei zentrale Dimensionen von Führungsverhalten gibt, nämlich beziehungsorientiert (consideration) und aufgabenorientiert (initiating structure) (Bartosch, Baule, Castrillón & Spitzley, 2017). Während die beziehungsorientierte Führungskraft auf das Wohl der Mitarbeiter achtet und sich um ein gutes Verhältnis zu seinen Unterstellten bemüht, herrscht die aufgabenorientierte Führungskraft mit eiserner Hand und legt besonderen Wert darauf, dass alle Mitarbeiter die volle Arbeitskraft einsetzen (Pfaff et al., 2009). Die Aufgabe der Führungskräfte ist es, die beiden Führungsarten der Situation angemessen einzusetzen und miteinander zu kombinieren, um auf direkte sowie indirekte Art und Weise, z. B. durch Mitarbeitergespräche, Anerkennung und Wertschätzung, sowie durch organisatorische Rahmenbedingungen, Einfluss auf die Mitarbeiter zu nehmen (Bartosch et al., 2017). Personales Führungsverhalten beeinflusst in besonderem Maße die Mitarbeitergesundheit, dies hat die Führungsforschung in den letzten Jahren mehrfach festgestellt (Gregersen et al., 2011). Dabei wurde der Zusammenhang von Mitarbeitergesundheit und Führungsverhalten bzw. Führungsstilen analysiert, mit dem Ergebnis, dass insbesondere der transformationale Führungsstil sowie mitarbeiterorientierte Verhaltensweisen gesundheitsfördernd sind (Franke et al., 2015). Soziale Unterstützung der Führungskraft und Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern, sowie ein offener Umgang mit Informationen und eine direkte Kommunikationsweise wirken sich ebenfalls förderlich auf die Zufriedenheit, die Motivation und das Wohlbefinden der Mitarbeiter aus (Gregersen et al., 2011). Weitere Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet machen deutlich, dass das Verhalten der Führungskraft, allen anderen Personenmerkmalen voran, den größten Einfluss auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit der Führungskraft hat (Gmür & Aeschbacher, 2017).
Inwieweit Führungsverhalten die Beschäftigten beeinflusst, sei es in Bezug auf Gesundheit und Wohlbefinden oder auch auf andere, zum Teil schwer messbare Faktoren, ist nur schwierig zu differenzieren, da der Einfluss von Führung auf vielfältiger Basis wirksam werden kann und Wechselwirkungen mit sich bringt (Grote, 2012). Die Forschung zeigt aber auch, dass neben dem tatsächlichen Verhalten der Führungskraft, besonders auch die Persönlichkeit der Mitarbeiter, ihre impliziten Führungstheorien und deren aktuelles Wohlbefinden einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung des Führungsverhaltens haben (Schyns, 2008).
2.2 Gesundheit
Gesundheit wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1948 als Zustand des vollkommenen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens, und nicht nur als das bloße Fehlen von Krankheit oder Gebrechen, definiert (Hänsel & Kaz, 2016). Es wird demnach das allgemeine, ganzheitliche Wohlbefinden, auf drei Ebenen, nämlich körperlich, psychisch und sozial betrachtet. Als Weiterentwicklung des Gesundheitsbegriffes beschreibt die WHO im Rahmen des 2013 vorgelegten Entwurfs „Gesundheit 2020 – Rahmenkonzept und Strategie“ die Gesundheit des Menschen als einen dynamischen Zustand und schließt umweltbedingte Determinanten als gesundheitsbeeinflussenden Faktor mit ein. Weiterhin bezeichnet sie es als eines der Grundrechte jedes Menschen, sich einer möglichst guten Gesundheit zu erfreuen (WHO, 2013). Eine weitere Definition beschreibt Gesundheit als Zustand des objektiven und subjektiven Befindens einer Person, der gegeben ist, wenn die Entwicklung dieser Person auf psychischer, physischer und sozialer Ebene harmonisch mit den eigenen Möglichkeiten, Zielvorstellungen und den gegebenen äußeren Lebensbedingungen korrespondiert (Hurrelmann & Razum, 2012). Dabei wird Gesundheit als Prozess gesehen, innerhalb dessen gesunde Menschen als aktive Individuen auf sozialer und wirtschaftlicher Ebene anstreben, ihr Leben selbstständig zu gestalten.
2.2.1 Konzept der Salutogenese
Der wissenschaftlichen Definition von Gesundheit und Krankheit liegen zwei gegensätzliche Konzepte zugrunde. Die Lehre der Pathogenese beschreibt die Entstehung und Entwicklung von Krankheit, konzentriert sich auf Symptome und Beschwerden und stellt die Frage in den Fokus, was Menschen krankmacht. Die Krankheit steht im Zentrum der Betrachtungsweise und schließt die Gesundheit aus (Rückert, Ondracek & Romanenkova, 2006). Lange Zeit war dieses dichotome Modell die dominierende wissenschaftliche Perspektive. Besonders kritisiert wurde das Konzept von dem Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923 - 1994), der in Israel und den USA lehrte und als Begründer der Gesundheitswissenschaften gilt. Er lehnte die rein pathogenetische, kurative Betrachtungsweise ab und entwickelte das Konzept der Salutogenese (Antonovsky, 1996). Im Gegensatz zur Pathogenese, die zum Ziel hat, Krankheiten und Gesundheitsstörungen zu vermeiden, geht es bei der Salutogenese um die Förderung und Erhaltung von Gesundheit, auch unter schwierigen Bedingungen, und der Krankheitsvorbeugung durch psychologische Prozesse (Spieß & Rosenstiel, 2010). Die zentrale salutogenetische Fragestellung beschäftigt sich damit, was den Menschen gesundmacht, bzw. gesund hält. Anders als die ambivalente Sichtweise der Pathogenese, nach welcher der Mensch entweder gesund oder krank ist, gibt es laut Antonovsky (1996) zwischen den beiden Polen Gesundheit und Krankheit ein multidimensionales Gesundheits-Krankheits-Kontinuum. Auf diesem Kontinuum bewegt sich der Mensch ständig entweder in die eine oder in die andere Richtung (Rückert et al., 2006). Anstatt sich auf Symptome und Krankheitsursachen zu fokussieren, wird der Mensch ganzheitlich betrachtet und Faktoren, die eine Verbesserung des derzeitigen Gesundheitszustandes ermöglichen, in den Mittelpunkt gestellt. Ziel ist es, die Position auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum langfristig zu halten oder zu verbessern (Antonovsky, 1996).
Nach der Theorie der Salutogenese verfügen Menschen über generalisierte Widerstandsressourcen, die wir in Stresssituationen individuell einsetzen, indem wir den zu bewältigenden Stressoren einen Sinn oder eine Bedeutung geben. Die Widerstandsressourcen können sowohl körperlicher als auch psychosozialer Natur sein, dazu zählen beispielsweise soziale Unterstützung, Intelligenz, finanzielle Sicherheit oder auch der Glaube (Antonovsky, 1996). Anhand der generalisierten Widerstandsressourcen ist es möglich, Stressoren eine Bedeutung zuzuteilen. Dabei ist mit „generalisiert“ gemeint, dass in jeglicher Situation darauf zurückgegriffen werden kann. „Widerstand“ bedeutet in diesem Kontext, dass die Widerstandsfähigkeit der Person durch die Ressourcen erhöht wird (Bengel & Lyssenko, 2012). Stressoren sind demnach nicht ausschließlich negativ zu betrachten, da eine erfolgreiche Bewältigung von schwierigen Situationen oder Umständen durchaus gesundheitsförderlich wirken kann. Der Fokus wird daher auf Bewältigungsmechanismen und Coping-Strategien gesetzt, um ein Kohärenzgefühl zu entwickeln (Kämpf, 2015). „Sense of coherence“ (SOC) ist nach Antonovsky (1996) eine grundsätzliche dynamische sowie beständige Einstellung eines Individuums gegenüber seiner selbst und seiner Umwelt, die darstellt, in welchem Ausmaß man darauf vertraut, dass das eigene Leben sinnvoll, verstehbar und zu bewältigen ist.
Das Kohärenzgefühl wird in der Kindheit angelegt und während des gesamten weiteren Lebens, gemäß der persönlichen Erfahrungen, fortwährend weiterentwickelt (Kämpf, 2015). Je gesünder ein Mensch ist, bzw. je schneller seine Genesung verläuft, desto ausgeprägter sollte der Theorie nach sein Kohärenzgefühl sein (Bengel & Lyssenko, 2012). Es setzt sich vor allem aus den Komponenten Verstehbarkeit (sense of comprehension), Handhabbarkeit bzw. Bewältigbarkeit (sense of manageability) und Sinnhaftigkeit (sense of meaningfulness) zusammen. Dabei erachtet Antonovsky (1996) die Sinnhaftigkeit als die wichtigste Komponente von den dreien. Ohne Sinnhaftigkeit und eine positive Grundeinstellung zum Leben, sieht er auch bei einer starken Ausprägung der beiden anderen Komponenten kein starkes Kohärenzgefühl gegeben (Rückert et al., 2006). Menschen mit einem ausgeprägten Kohärenzgefühl sind in der Lage, bei herausfordernden Situationen die eigenen Widerstandsressourcen dementsprechend einzusetzen, um psychische Belastung zu vermeiden (Bengel & Lyssenko, 2012). Somit hat der salutogenetische Ansatz einen präventiven Charakter, der für die gesundheitsorientierte Führung von großer Bedeutung ist.
2.2.2 Gesundheit am Arbeitsplatz
Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Arbeitgeber in Deutschland zur Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit. Der traditionelle Arbeitsschutz zur Vermeidung von Arbeitsunfällen und der Prävention von Berufskrankheiten reicht jedoch nicht mehr aus, um dem ansteigenden Belastungsspektrum des modernen Arbeitsalltages entgegenzuwirken und die Gesunderhaltung der Mitarbeiter sicherzustellen (Walter & Badura, 2018). Dies macht eine Studie des Fürstenberg Institutes (2011) über die Beschwerden, Probleme und Sorgen der Arbeitnehmer in Deutschland deutlich. Die Studie ergab, dass Arbeitnehmer am häufigsten über Probleme bei der Vereinbarung von Berufs- und Privatleben (84 % der Befragten), Probleme am Arbeitsplatz (84 % der Befragten) und Probleme psychischer Natur (69 % der Befragten) klagen. Stress und Erschöpfung führen dabei die Liste der psychischen Probleme an, während hoher Leistungsdruck und fehlende Anerkennung, sowie ständige Veränderungen und schlechte Führung das Feld der Probleme am Arbeitsplatz anführen (Berger et al., 2011).
Ein aktives, betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) kann diesen Problemen entgegenwirken (Berger, Gravert, Schneller & Maier, 2013). Unter BGM versteht man die Entwicklung und Führung betrieblicher Strukturen und Prozessen, mit dem Ziel, die Arbeit im Allgemeinen, die Organisation und das Verhalten der Beschäftigten am Arbeitsplatz so zu gestalten, dass es die Gesundheit der Belegschaft fördert (Kolb, 2010). Zu den klassischen Maßnahmen des BGM zählen beispielsweise flexible Arbeitszeitmodelle, Betriebssportgruppen, ergonomische Schulungen bzw. Kurse oder auch eine gesunde Kantinenverpflegung (Hänsel & Kaz, 2016). Neben gesundheitsfördernden Maßnahmen und gesundheitsfördernder Arbeits- und Prozessgestaltung zählt auch eine gesundheitsfördernde Führung zu den Säulen des BGM. Das Führungsverhalten der Vorgesetzten ist entscheidend, wenn es um den Erfolg der betrieblichen Gesundheitsförderung geht, denn Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung sind zentrale Führungsaufgaben (Struhs-Wehr, 2017). So sind Angestellte nach § 15 des Arbeitsschutzgesetzes verpflichtet, für ihre eigene Sicherheit und Gesundheit zu sorgen, und haben zusätzlich für die Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen und Unterlassungen betroffen sind. Von letzterem sind, aufgrund ihres umfangreichen Wirkungsbereiches, hauptsächlich Führungskräfte betroffen.
Außerdem stellt die Führungskraft selbst einen relevanten Aspekt dar, der die Gesundheit der Mitarbeiter beeinflussen und zu deren Wohlbefinden beitragen kann. So kann der Vorgesetzte durch mitarbeiterorientierte Verhaltensweisen wie Anerkennung, Wertschätzung, Interesse oder Fürsorge den erlebten Stress der Mitarbeiter reduzieren und das Wohlbefinden steigern (Schulte, Lang & Kauffeld, 2018). Und auch mit aufgabenbezogenem Führungsverhalten wie regelmäßiger Rückmeldung, Transparenz und Information, Zielsetzung oder leistungsbezogener Beurteilung kann der Vorgesetzte positiv auf die Gesundheit der Mitarbeiter einwirken (Gregersen et al., 2011). Gesundheitsbezogenes Führungsverhalten kann daran festgemacht werden, inwieweit Wohlbefinden und Gesundheit am Arbeitsplatz eine Rolle spielen, aktiv thematisiert wird und gleichzeitig in der täglichen Zusammenarbeit im Kollegenkreis berücksichtigt wird (Struhs-Wehr, 2017). Die Führungskraft kann durch angstfreie, wertschätzende Kommunikation, sowie durch vorbildliches Verhalten direkten Einfluss auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter nehmen (Hänsel & Kaz, 2016). Verschiedene Studien bestätigen vor allem dem transformationalen Führungsstil einen positiven Zusammenhang zum Wohlbefinden der Mitarbeiter (Gregersen et al., 2011).
In der alltäglichen Praxis gelingt die Übertragung der Theorie in Taten jedoch selten, da Gesundheit weitestgehend als Privatangelegenheit der Mitarbeiter angesehen wird (Badura et al., 2017). Häufig mangelt es den Führungskräften auch an dem Bewusstsein, dass sie mit ihrem Verhalten Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit ihrer Mitarbeiter nehmen können, was nicht zuletzt an fehlendem Fachwissen über gesundheitsfördernde Maßnahmen und mögliche Umsetzungsstrategien in die Praxis liegen kann (Stadler & Spieß, 2005).
2.2.3 Psychische Belastung am Arbeitsplatz
Während sich in Deutschland der Gesamtkrankenstand, laut des DAK Forschungsberichtes (2018), in den letzten Jahren auf relativ gleichbleibendem Niveau bewegt (ca. 4 %), nehmen die Krankmeldungen von Arbeitnehmern aufgrund von psychischen Erkrankungen bzw. Störungen laufend zu und bilden im Jahr 2017 bei der DAK-Gesundheit mit 16,7 % aller Fehlzeiten, den zweitgrößten Anteil nach den Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (Marschall et al., 2018). Die nachfolgende Abbildung 1 zeigt den rasanten Anstieg der Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) und Arbeitsunfähigkeitsfälle (AU-Fälle) pro 100 Versichertenjahre aufgrund psychischer Erkrankung von 1997 bis 2017 der DAK-Versicherten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. AU-Tage und AU-Fälle pro 100 Versichertenjahre aufgrund psychischer Erkrankungen (Marschall et al., 2018, S. 21).
Hinter dieser auffälligen Entwicklung der Fehltage stecken hauptsächlich Einzeldiagnosen aus dem Bereich der depressiven Störungen sowie Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen. Dabei verzeichnen Frauen deutlich mehr Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen als Männer (Marschall et al., 2018). Jedoch nimmt die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage für psychische Erkrankungen mit steigendem Alter bei beiden Geschlechtern kontinuierlich zu. Anteilig sind die AU-Tage aufgrund psychischer Erkrankungen bei der Altersgruppe 35 bis 39 Jahre mit 19,4 % am höchsten (Marschall et al., 2018). Nicht nur in Deutschland nimmt die Zahl der Krankheitsfälle aufgrund psychischer Störungen zu. In Europa leiden jährlich 38,2 % der Bevölkerung an mindestens einer psychischen Erkrankung (Badura et al., 2017). Oft sind diese Erkrankungen wiederkehrend oder haben einen chronischen Verlauf und beeinträchtigen die Betroffenen erheblich in Privat- und Berufsleben. Gesellschaftliche Rollen können häufig nur noch eingeschränkt erfüllt werden (Friedrich-Gärtner, 2011).
Für Unternehmen sind nicht nur die Fehltage der Mitarbeiter eine Herausforderung, sondern auch die Tage, an denen sie trotz Krankheit zur Arbeit erscheinen und sich nicht krankmelden. Dieses Phänomen wird im Bereich der Arbeitspsychologie Präsentismus genannt und stellt für viele Unternehmen einen oft unterschätzten Kostenfaktor dar. Angestellte sind bei vorliegendem Präsentismus in ihrer Arbeitszeit durch verringerte Produktivität nur eingeschränkt leistungsfähig und schaden so dem Unternehmenserfolg (Steinke & Badura, 2011). Gründe für Präsentismus können beispielsweise in der Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes, starkem Leistungsdruck und Pflichtgefühl oder der Rücksichtnahme gegenüber den Kollegen liegen. Inwieweit Präsentismus in einem Unternehmen vorliegt, lässt sich jedoch schwer messen und ist nicht leicht erkennbar, da er sich nicht in den Kennzahlen des Controllings widerspiegelt (Werkmann-Karcher & Rietiker, 2010). Insbesondere bei psychischen Leiden kommt es häufig zu Präsentismus, da diese oft erst zu spät diagnostiziert oder behandelt werden. Betroffene Beschäftigte gehen häufig, trotz eingeschränkter Leistungsfähigkeit, ihrer Tätigkeit nach anstatt sich krank zu melden. Dieses Verhalten kann schwerwiegende Folgen haben und die psychische Gesundheit der Mitarbeiter weiterhin verschlechtern und im schlimmsten Fall zu chronischen Erkrankungen führen (Steinke & Badura, 2011).
In den generellen Arbeitsbedingungen liegen viele Ursachen für die Entstehung psychischer Erkrankungen. Laut einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, bei der mehr als 18.000 Angestellte befragt wurden, fühlen sich Arbeitnehmer durch steigenden Leistungsdruck, Personalmangel und Kostensenkungsmaßnahmen in Betrieben zunehmend psychischem Stress ausgesetzt (Rothe et al., 2017). Grundsätzliche Probleme der modernen Arbeitswelt wie Über- und Unterforderung, Zeitdruck und der Anspruch, ständig erreichbar sein zu müssen, kommen dazu. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen kann diese psychische Belastung zu einem gefährlichen Teufelskreis führen und psychische Erkrankungen wie z. B. Burnout hervorrufen (Hänsel & Kaz, 2016). Die Dynamik dieser Belastungsspirale wird in Abbildung 2 veranschaulicht dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2. Teufelskreis von (Über-) Belastung (Hänsel & Kaz, 2016, S. 157).
Arbeitsunfähigkeitsfälle mit einer Diagnose aus der Kategorie der psychischen Störungen sind oft von langer Dauer und überschreiten in vielen Fällen die Sechs-Wochen-Periode. Im Durchschnitt werden fallbezogen etwa 44 Fehltage bei Männern und 40 Fehltage bei Frauen erfasst, was einen erheblich langen Arbeitsausfall am Stück bedeutet (Grobe, Steinmann & Gerr, 2017).
Laut der Norm DIN EN ISO 10075-1, die den internationalen Standard der Richtlinien für Arbeitsgestaltung bezüglich psychischer Arbeitsbelastung beschreibt, ist psychische Belastung definiert als die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken. Im Arbeitsumfeld ergeben sich diese äußeren Einflussfaktoren unter anderem aus Art und Umfang der Tätigkeit, der Arbeitsumgebung, der Arbeitsorganisation und den Arbeitsmitteln, sowie aus den sozialen Komponenten, bei denen das Betriebsklima und das Führungsverhalten des Vorgesetzten hervorzuheben sind (Joiko, Schmauder & Wolff, 2010).
Für psychische Fehlbelastung im Arbeitsalltag sind laut Spieß und Rosenstiel (2010) vor allem Stressoren und Ressourcen ausschlaggebend. Als Stressoren, die sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken können, gelten unter anderem qualitative und quantitative Über- oder Unterforderung, Führungsverhalten, Rollenkonflikte, Arbeitsumgebungsfaktoren oder Störungen des Arbeitsablaufes. Dagegen können situationsbezogene Ressourcen, wie z. B. Handlungs- und Zeitspielraum und personenbezogene Ressourcen, wie beispielsweise emotionale Stabilität oder soziale Kompetenz, entlastende Faktoren darstellen und gesundheitserhaltend wirken (Spieß & Rosenstiel, 2010). Die Belastung der Psyche durch äußere Einflüsse ist ein neutraler Vorgang. Die Reaktion des Menschen darauf im Wahrnehmen, Denken, Erinnern, Erleben, Empfinden und Verhalten ist individuell und resultiert je nach Ausmaß dieser psychischen Vorgänge in psychischer Beanspruchung (Joiko et al., 2010). Nach der bereits erwähnten DIN-Norm ist psychische Beanspruchung als die unmittelbare, nicht langfristige, Auswirkung der psychischen Belastung definiert. Wie sehr eine Person psychische Belastung als Beanspruchung empfindet, ist individuell ausgeprägt und unter anderem abhängig von ihrem allgemeinen Gesundheitszustand, dem Alter, dem Geschlecht, dem Ernährungsverhalten und dem sozialen Status. In erster Linie sind es aber psychische Voraussetzungen, wie das Lernen aus früheren Erfahrungen, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, die persönlichen Einstellungen und die erlernten Bewältigungsstrategien, die das Ausmaß der Beanspruchung maßgeblich bestimmen (Joiko et al., 2010).
1984 wurde erstmals das transaktionale Stressmodell nach Lazarus veröffentlicht, in dem die Bedeutung der Ressourcen für das Erleben von Beanspruchung hervorgehoben wird. Demnach ist Stresserleben das Resultat aus kognitiven Bewertungsprozessen, in denen Belastungen in ihrer Bedeutung für das eigene Wohlbefinden individuell eingeschätzt werden. In dieser primären Bewertung können Situationen als positiv, irrelevant oder gefährlich eingeschätzt werden. Anschließend werden in der sekundären Bewertung die zur Verfügung stehenden Bewältigungsmöglichkeiten (Ressourcen) evaluiert und den Belastungen gegenübergestellt. Sind nur mangelhafte oder unzureichenden Ressourcen zur Bewältigung einer belastenden Situation vorhanden, erfolgt eine Stressreaktion. Abhängig von der Situation aber insbesondere auch von den Persönlichkeitseigenschaften und kognitiven Merkmalen einer Person, wird eine Strategie zur Bewältigung der Situation entwickelt (Coping). Im Nachgang erfolgt eine Neubewertung anhand der gewählten Strategie, in der die Bewertung einer Situation je nach Bewältigungserfolg dynamisch angepasst wird (Lazarus & Folkman, 1984). Das ressourcenbasierte Modell von Lazarus bietet Ansatzpunkte um Bewältigungsmechanismen von Mitarbeitern zu verbessern, bzw. anzupassen. Es liefert außerdem Erklärungsmöglichkeiten chronischer Folgen von Stresserleben (Kauffeld, 2018)
Um die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen und die arbeitsbedingte psychische Belastung zu bekämpfen, wurde 2017 von der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) von Bund und Ländern und der gesetzlichen Unfallversicherung die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen eingeführt. Diese hat zum Ziel, anhand eines festgelegten Prozesses, ein frühzeitiges Erkennen sowie eine Beurteilung psychischer Gefährdungsquellen am Arbeitsplatz zu ermöglichen. Weiterhin sollen sowohl Führungskräfte als auch Angestellte durch Informationskampagnen für die Thematik sensibilisiert werden (GDA, 2017)
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- Citation du texte
- Bettina Kellerer (Auteur), 2019, Die Auswirkungen transformationaler Führung auf die psychische Gesundheit der Mitarbeiter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/499449
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