Traditionell spielt die Landwirtschaft in Polen eine sehr große Rolle im Bezug auf die Er-werbstätigen und die flächenhafte Nutzung. Dementsprechend waren im Jahr 2001 29,4 % der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt und 58,7 % der Fläche Polens befanden sich in landwirtschaftlicher Bearbeitung (GUS, 2003a) (Kap. 2.4.). Aufgrund der hohen Gewichtung des primären Sektors liegt eine der wichtigsten Aufgaben der EU und natürlich auch der polnischen Regierung darin, diesen Sektor zu reformieren, eventuell zu stärken und vor allem einem Strukturwandel zu unterziehen (Kap. 2.4. und Kap. 6.2.). Polen befindet sich seit 1989, also seit dem Fall des Kommunismus und damit der Planwirtschaft, in einem Transformationsprozess, der die freie Marktwirtschaft und damit den Systemwechsel eingeleitet hat (Kap. 2.2. und Kap. 2.3.).
Durch die Planwirtschaft und den inneren und offenen Widerstand der Menschen gegen Kollektivierungsversuche wurden jedoch Strukturen festgelegt (Kap. 2.2., Kap. 2.3.,Kap. 2.4.), die unabhängig von der politischen Befreiung vom Kommunismus nicht so leicht aufzulösen sind.
Die Situation in der polnischen Landwirtschaft bereitet der EU die größten Sorgen (siehe hierzu Kap. 2.4.), wobei man den Zustand nicht ohne die Vergangenheit dieses Landes betrachten kann und auch nicht unabhängig von der aktuellen Arbeitsmarktlage. Da Polen seit dem 01.05.2004 der EU angehört, kommt dem Thema eine zunehmende Bedeutung zu.
Aufgrund dieser Gegebenheiten stellen sich folgende Hauptfragen: Welches sind genau die Probleme der Landwirtschaft und ihrer Beschäftigten? Wie kam es dazu? In welche Richtung sollte der Strukturwandel verlaufen und welche alternativen Wirtschaftsformen bestehen für die Landwirte? Und wie sieht es in dem Untersuchungsgebiet aus? Welche Entwicklungsmöglichkeiten können dort entfaltet werden?
Am Beispiel des an der Weichsel, westlich von Graudenz, gelegenen Dorfes Dragacz (KARTE 5, ANHANG1) sollen diese Fragen betrachtet werden. Dragacz wurde ausgewählt, weil es viele der in der polnischen Landwirtschaft vorhandenen Probleme wiederspiegelt, somit typisch ist und weil es aufgrund persönlicher Kontakte möglich war, hier einen Einblick zu erhalten.
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
VERZEICHNIS DER ANHÄNGE
ANHANG 1: KARTEN
ANHANG 2: FOTOS
ANHANG 3: FRAGEBOGEN
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN
1. EINLEITUNG UND FRAGESTELLUNG
2. DER POLNISCHE AGRARSEKTOR
2.1. POLEN - EIN GEOGRAPHISCHER ÜBERBLICK
2.2. VON DER PLANWIRTSCHAFT ZUR FREIEN MARKTWIRTSCHAFT (BIS 1989)
2.3. ENTWICKLUNG NACH 1989
2.4. SITUATION DER POLNISCHEN LANDWIRTSCHAFT VOR DEM BEITRITT ZUR EU
2.5. FÖRDERPROGRAMME DER EU
3. UNTERSUCHUNGSGEBIET
3.1. ENTSTEHUNG UND RELIEF
3.2. BODEN
3.3. KLIMA
4. METHODEN
4.1. KARTIERUNG UND GIS
4.2. BEFRAGUNG DER LANDWIRTE
5. GEGENSTAND DER UNTERSUCHUNG: DRAGACZ IM VERGLEICH ZU WOIWODSCHAFT KUJAWSKO-POMORSKIE UND POLEN
5.1. BETRIEBSSTRUKTUR
5.1.1. Landwirtschaftliche Nutzfl ä che 39
5.1.2. Erwerbs- und Betriebsform 41
5.1.3. Arbeitskr ä fte 43
5.1.4. Betriebsmittel 44
5.2. LANDWIRTSCHAFTLICHE STRUKTUR
5.2.1. Bodennutzung 47
5.2.2. Anbauprodukte 49
5.2.2.1. Getreide
5.2.2.2. Hackfrüchte
5.2.2.3. Ölpflanzen
5.2.2.4. Gemüse
5.2.2.5. Sonderkulturen
5.2.3. Struktur der Nutztierbest ä nde 60
5.3. INFRASTRUKTUR
5.4. EXTENSIVIERUNG ODER INTENSIVIERUNG
5.5. ALLGEMEINE WIRTSCHAFTLICHE UND SOZIALE LAGE
6. INTERPRETATION UND AUSBLICK
6.1. STÄRKEN UND SCHWÄCHEN DER LANDWIRTSCHAFT IN DRAGACZ
6.2. LÖSUNGSANSÄTZE
6.2.1. Der optimale Strukturwandel 74
6.2.2. Genossenschaftsbildung 75
6.2.3. Alternative Wirtschaftsformen 76
6.2.4. Integrierter und ö kologischer Landbau und pr ä zise Landwirtschaft 82
6.2.5. Konkurrenzf ä higkeit der polnischen Landwirtschaft auf dem EU-Markt 86
7. ZUSAMMENFASSUNG
8. QUELLENVERZEICHNIS
LITERATUR
INTERNETSEITEN OHNE SPEZIFISCHEN AUTOR
KARTEN
ANHANG
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABB. 1: POLEN UNTERTEILT IN NATURRÄUME
ABB. 2: ADMINISTRATIVE AUFTEILUNG POLENS
ABB. 3:ENTWICKLUNG DER ERNTEMENGEN FÜR GETREIDE, RAPS, KARTOFFELN, ZUCKERRÜBEN, OBST UND GEMÜSE
ABB. 4: ENTWICKLUNG ERZEUGTER MENGEN IN DER TIERPRODUKTION
ABB. 5: FLÄCHENNUTZUNG POLENS IN %
ABB. 6: ENTWICKLUNG DER DURCHSCHNITTLICHEN BETRIEBSGRÖßEN IN POLEN
ABB. 7: POLNISCHE SEENPLATTE MIT DIFFERENZIERTER UNTERTEILUNG
ABB. 8: LANDWIRTSCHAFTLICHE NUTZFLÄCHEN (LNF) IN DRAGACZ DER BEFRAGTEN BETRIEBE OHNE DEN BETRIEB MIT 77 HA; UNTERTEILT DURCH FARBLICHE UNTERSCHIEDE IN KLASSEN DER TAB.
ABB. 9: ANTEIL DER BETRIEBE IN DEN GEMEINDEN POLENS UNTER 5 HA IN % IM JAHRE
ABB. 10: ANZAHL AN TRAKTOREN AUF 100 HA LNF
ABB. 11: GESCHWINDIGKEIT DES STRUKTURWANDELS BEZÜGLICH SOZIALER KOSTEN
TABELLENVERZEICHNIS
TAB. 1: BEVÖLKERUNG IN STADT UND LAND
TAB. 2: WANDERUNGSALDO IM BEZUG AUF STÄDTE UND AUSLAND IN TAUSEND
TAB. 3: BESCHÄFTIGTE IN DER LANDWIRTSCHAFT IN TSD. UND IN % DER GESAMTBESCHÄFTIGTEN
TAB. 4: ARBEITSLOSE IN TSD. UND IN % DER ERWERBSTÄTIGEN
TAB. 5: ANSTIEG UND ABNAHME DER BETRIEBE VON 1988 BIS 2002
TAB. 6: ENTWICKLUNG DER BETRIEBSGRÖßENKLASSEN (OHNE BETRIEBE UNTER 1 HA) IN % VON 1988 BIS 2002
TAB. 7: VERÄNDERUNGEN DER TECHNISCHEN INFRASTRUKTUR IN POLEN SEIT 1975
TAB. 8: BODENBEWERTUNG IN DRAGACZ IN HA UND IN % DER GESAMTFLÄCHE DES DORFES DRAGACZ
TAB. 9: GEGENÜBERSTELLUNG DES POLNISCHEN UND DEUTSCHEN BONITIERUNGSSYSTEMS FÜR ACKER- BZW. GRÜNLANDFLÄCHEN
TAB. 10: ANZAHL DER VORHANDENEN BETRIEBE IM DORF DRAGACZ UND ANZAHL DER BEFRAGTEN BETRIEBE IM DORF DRAGACZ, UNTERTEILT IN GRÖßENKLASSEN
TAB. 11: TABELLE ZUR ERMITTLUNG DER BETRIEBSFORM DER BEFRAGTEN BETRIEBE; LEERE FELDER BEDEUTEN DAS NICHTZUTREFFEN DER OBEN ANGEGEBENEN REGEL
TAB. 12: VERBRAUCH VON KÜNSTLICHEM DÜNGER (NPK) IN KG/HA LNF, UMGERECHNET AUF REINE BESTANDTEILE
TAB. 13: NUTZUNG IN DRAGACZ IM JAHRE 2003
TAB. 14: ANTEILE VON AGRARPRODUKTEN AN DER LNF IM JAHRE 2003
TAB. 15: ANBAUFLÄCHEN VON GETREIDE IN HA UND IN % DER LNF UND ERTRÄGE IN T/HA DER BEFRAGTEN BETRIEBE
TAB. 16: DURCHSCHNITTLICHE ERTRÄGE DER DREI HAUPTGETREIDEARTEN IN POLEN IN T/HA UND EINSATZ VON KÜNSTLICHEM DÜNGER IN KG/HA LNF VON 1986 BIS 2002
TAB. 17: ANBAUFLÄCHEN VON KARTOFFELN IN HA UND ERTRAG IN T/HA
TAB. 18: ANBAUFLÄCHE UND ERTRAG VON KARTOFFELN UND ZUCKERRÜBEN IN DRAGACZ SOWIE IN POLEN UND DER WOIWODSCHAFT KUJAWSKO-POMORSKIE
TAB. 19: ANBAUFLÄCHEN VON RAPS IN HA UND ERTRAG IN T/HA
TAB. 20: ANTEIL DES FELDGEMÜSES AN DER LNF NACH DER KARTIERUNG
TAB. 21: GURKEN, TOMATEN UND ANDERES GEMÜSE IN TREIBHÄUSERN UND AUF DEM FELD DER BEFRAGTEN BETRIEBE
TAB. 22: ERTRAG VON TOMATEN UND GURKEN IN DRAGACZ IN T/HA MIT ANGABE DER INSGESAMT BEWIRTSCHAFTETEN TREIBHÄUSER
TAB. 23: ERTRAG IN T/HA VON TOMATEN UND GURKEN AUS DEM FELDGEMÜSEBAU IN POLEN 57 TAB. 24: TABAKANBAUFLÄCHEN IN HA UND ERTRÄGE IN T/HA DER BEFRAGTEN BETRIEBE IN DRAGACZ
TAB. 25: TABAKERNTE IN MILLION GREEN KG VON UNIVERSAL CORP. IM JAHRE 2004
TAB. 26: ANBAUFLÄCHE DES TABAKS IN TSD. HA UND ERTRAG IN T/HA IN POLEN UND IN DER WOIWODSCHAFT KUJAWSKO-POMORSKIE
TAB. 27: OBSTERNTE IN TSD. T IN POLEN
TAB. 28: ANZAHL DER GEHALTENEN TIERE UND GRÜNLAND IN HA
TAB. 29: ZUSAMMENHANG ZWISCHEN DER AUFGABE DER VIEHWIRTSCHAFT MIT DEM UMBRECHEN VON GRÜNLAND IN ACKER
TAB. 30: FLEISCH-, MILCH- UND EIERPRODUKTION IN POLEN
TAB. 31: BEWERTUNG DER GÜNSTIGSTEN SITUATION DER LANDWIRTSCHAFT DER BEFRAGTEN BETRIEBE IN DRAGACZ UND DIE BEANTWORTUNG DER FRAGE: WÜRDEN SIE IN DIE STADT ZIEHEN, WENN SIE DORT EINEN JOB ANGEBOTEN BEKÄMEN?
TAB. 32: BEFRAGUNG DER LANDWIRTE IN DRAGACZ ZUR ÖKOLOGISCHEN LANDWIRTSCHAFT (OB SIE DIESE FORM DER LANDWIRTSCHAFT KENNEN UND OB SIE SICH VORSTELLEN KÖNNTEN, IHREN BETRIEB ZU EINEM ÖKOLOGISCHEN BETRIEB UMZUSTELLEN IM VERGLEICH ZU DER FRAGE, OB SIE WEGZIEHEN WÜRDEN)
VERZEICHNIS DER ANHÄNGE
ANHANG 1: Karten
KARTE 1: Dragacz: Gräben alt (1977) und neu (2003)
KARTE 2: Dragacz: Bodenbewertung
KARTE 3: Dragacz: Nutzung
KARTE 4: Dragacz: Nutzung
KARTE 5: Übersichtskarte - Lage des Dorfes Dragacz
ANHANG 2: Fotos
FOTO 1: GETREIDEANBAU IM DEICHVORLAND, GEMEINDE DRAGACZ
FOTO 2: GETREIDEANBAU IM DEICHVORLAND, GEMEINDE DRAGACZ
FOTO 3: TREIBHÄUSER AUS FOLIE IM WOHNGEBIET, DORF DRAGACZ
FOTO 4: TREIBHAUS AUS FOLIE MIT TOMATEN, DORF DRAGACZ
FOTO 5: TABAKANBAUFLÄCHE, DORF DRAGACZ
FOTO 6: KLEINSTRUKTURIERTE TABAKANBAUFLÄCHEN IM DORF DRAGACZ, IM HINTERGRUND BEFINDET SICH DER DEICH
FOTO 7: TABAKERNTE IM DORF DRAGACZ, TABAKBLÄTTER WURDEN BEREITS AUF DRAHTSCHNÜRE AUFGEFÄDELT
FOTO 8: ERSTE TROCKNUNG DES AUFGEFÄDELTEN TABAKS
FOTO 9: EIN TYPISCHES BILD FÜR DIE GEMEINDE DRAGACZ: EINE KUH AUF DER WEIDE
FOTO 10: IN DRAGACZ NOCH HÄUFIG ANZUTREFFEN DIE KORNBLUME
FOTO 11: LINKS IM BILD SOLLTE EIN WEG VERLAUFEN, DER JEDOCH IN DAS FELD MITEINBEZOGEN WURDE, DORF DRAGACZ
FOTO 12: EIN WEG ZWISCHEN DEN BEIDEN FELDERN IST KAUM MEHR ERKENNBAR, EIN RANDSTREIFEN MIT ACKERUNKRÄUTERN IST NICHT VORHANDEN, DORF DRAGACZ
FOTO 13: EIN MIT HOHEM GRAS ZUGEWACHSENER WEG, GEMEINDE DRAGACZ
FOTO 14: EIN MIT SCHILF BEWACHSENER GRABEN, DORF DRAGACZ
FOTO 15: EINE KLEINE BAUMGRUPPE ZWISCHEN DEN FELDERN, DORF DRAGACZ
FOTO 16: EIN FELDWEG MIT WEIDEN AN EINEM GRABEN, DORF DRAGACZ
FOTO 17: EIN NEUES HAUS IN DER GEMEINDE DRAGACZ
FOTO 18: EIN NEUES HAUS IN DEM DORF DRAGACZ, NOCH NICHT FERTIG GESTELLT
FOTO 19: EIN GUT ERHALTENES HAUS AUS DER ZEIT DER MENNONITEN, DRAGACZ
FOTO 20: DER FRIEDHOF DER MENNONITEN WURDE 2002 WIEDER AUFGEBAUT, DORF DRAGACZ
FOTO 21: BLICK AUF DAS DEICHVORLAND DER GEMEINDE DRAGACZ AN DER WEICHSEL
FOTO 22: EIN KLEINER SEE DES DORFES DRAGACZ
FOTO 23: BLICK AUF DIE ALTSTADT VON GRAUDENZ VOM GEGENÜBERLIEGENDEN WEICHSELUFER, GEMEINDE DRAGACZ
ANHANG 3: Fragebogen
ANHANG 4: Eidesstattliche Erkl ä rung
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Danksagung
Ich möchte mich bei Ania Jatkowska und ihrer Familie für die Unterstützung in Polen bedanken. Ohne ihre Hilfe hätte ich nicht so viele Fragebögen auszuwerten gehabt und zudem wäre ich bestimmt verhungert. Bei Marcin Kornacki möchte ich mich für die Begleitung bei meinen Kartierungsfahrten bedanken.
Weiterhin möchte ich mich bei meinen Eltern bedanken, die mir Ratschläge zur Übersetzung der Fragebögen gegeben haben.
Für das Durchsehen der Arbeit gebührt folgenden Personen mein besonderer Dank: Daniel Dorniok, Katrin Podjacki und Ullrich Dorniok.
Für die Betreuung seitens der Universität Bremen möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. J.-F. Venzke, Dipl.-Geogr. Andreas Born, Dr. Nils Mevenkamp und Frau Dr. Karin Steinecke be- danken.
1. Einleitung und Fragestellung
Traditionell spielt die Landwirtschaft in Polen eine sehr große Rolle im Bezug auf die Er- werbstätigen und die flächenhafte Nutzung. Dementsprechend waren im Jahr 2001 29,4 % der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt und 58,7 % der Fläche Polens befanden sich in landwirtschaftlicher Bearbeitung (GUS, 2003a) (Kap. 2.4.). Aufgrund der hohen Ge- wichtung des primären Sektors liegt eine der wichtigsten Aufgaben der EU und natürlich auch der polnischen Regierung darin, diesen Sektor zu reformieren, eventuell zu stärken und vor allem einem Strukturwandel zu unterziehen (Kap. 2.4. und Kap. 6.2.). Polen befindet sich seit 1989, also seit dem Fall des Kommunismus und damit der Planwirtschaft, in einem Transfor- mationsprozess, der die freie Marktwirtschaft und damit den Systemwechsel eingeleitet hat (Kap. 2.2. und Kap. 2.3.).
Durch die Planwirtschaft und den inneren und offenen Widerstand der Menschen gegen Kol- lektivierungsversuche wurden jedoch Strukturen festgelegt (Kap. 2.2., Kap. 2.3.,Kap. 2.4.), die unabhängig von der politischen Befreiung vom Kommunismus nicht so leicht aufzulösen sind.
Die Situation in der polnischen Landwirtschaft bereitet der EU die größten Sorgen (siehe hierzu Kap. 2.4.), wobei man den Zustand nicht ohne die Vergangenheit dieses Landes be- trachten kann und auch nicht unabhängig von der aktuellen Arbeitsmarktlage. Da Polen seit dem 01.05.2004 der EU angehört, kommt dem Thema eine zunehmende Bedeutung zu. Aufgrund dieser Gegebenheiten stellen sich folgende Hauptfragen: Welches sind genau die Probleme der Landwirtschaft und ihrer Beschäftigten? Wie kam es dazu? In welche Richtung sollte der Strukturwandel verlaufen und welche alternativen Wirtschaftsformen bestehen für die Landwirte? Und wie sieht es in dem Untersuchungsgebiet aus? Welche Entwicklungs- möglichkeiten können dort entfaltet werden?
Am Beispiel des an der Weichsel, westlich von Graudenz, gelegenen Dorfes Dragacz (KARTE 5, ANHANG1) sollen diese Fragen betrachtet werden. Dragacz wurde ausgewählt, weil es viele der in der polnischen Landwirtschaft vorhandenen Probleme wiederspiegelt, somit typisch ist und weil es aufgrund persönlicher Kontakte möglich war, hier einen Einblick zu erhalten.
Zu Beginn dieser Arbeit wurde eine Befragung unter der in der Landwirtschaft tätigen Bevöl- kerung durchgeführt (2003) (FRAGEBOGEN, ANHANG 3). Diese Daten werden durch eine Nutzungskartierung, die im selben Zeitraum erfolgt ist, gestützt und durch eine landwirt- schaftliche Bodenkarte, die mit einer Bodenbewertung versehen ist WOJEWÓDZKIE BIURO GEODEZJI I URZĄDZEē ROLNYCH W BYDGOSZCZY, 1977). Weitere Daten stammen aus statistischen Jahrbüchern sowie der aktuellen wissenschaftlichen, polnischen und auch deutschen Literatur zu dieser Thematik.
Im zweiten Kapitel soll ein kurzer Abriss des polnischen Agrarsektors erfolgen. Eingeleitet wird das Kapitel mit einem geographischen Überblick Polens. Darauf folgt ein geschichtlicher Rückblick, der die Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg bis zur Einführung der freien Marktwirtschaft 1989 und schließlich die Situation vor dem EU-Beitritt skizzieren soll. Im dritten Kapitel wird das Untersuchungsgebiet im Hinblick auf Entstehung und Relief, Boden und Klima näher betrachtet. Im vierten Teil soll näher auf die Methoden und die Schwierig- keiten, die sich daraus ergaben, eingegangen werden. Das fünfte Kapitel befasst sich mit dem Dorf Dragacz. Es erfolgt eine Darstellung der Agrarstruktur, die sowohl die Flächennutzung als auch die Eigenschaften der dort ansässigen und befragten Betriebe beinhaltet. Zeitgleich erfolgt ein Vergleich mit der Situation der Woiwodschaft Kujawsko-pomorskie sowie mit Gesamtpolen anhand aktueller Statistiken. Zudem sollen Probleme der dörflichen Infrastruk- tur aufgezeigt werden. Den Schlussteil dieses Kapitels bildet die Frage, ob sich die Verände- rung der Agrarstruktur anhand der Karten und der aktuellen Nutzungskartierung beurteilen lässt und wie sich allgemein gesehen die soziale und wirtschaftliche Situation des Untersu- chungsgebietes darstellt. Im Interpretations- und Ausblicksteil der Arbeit erfolgt eine Einstu- fung der aktuellen Lage des Dorfes und die Beurteilung der sich daraus ergebenden Probleme. Ferner sollen Lösungsansätze vorgestellt werden, die bestehende Schwächen minimieren oder ganz neue Alternativen aufzeigen. Letztendlich wird konkret die Konkurrenzfähigkeit der polnischen Landwirtschaft auf der Basis der gewonnenen Daten und Einsichten und auf der Basis der aktuellen Literatur eingeschätzt. Zum Schluss erfolgt eine Zusammenfassung, in der Antworten auf die in der Einleitung aufgeworfenen Fragen gegeben werden.
2. Der polnische Agrarsektor
2.1. Polen - ein geographischer Ü berblick
Die Hauptstadt Polens ist Warschau und seit 1995 wird das Land von dem Präsidenten Aleksander KwaĞniewski regiert. 1989 hat in Polen ein entscheidender Wechsel stattgefunden, nämlich von der Planwirtschaft zur freien Marktwirtschaft (Kap. 2.2.).
Polen liegt geographisch gesehen in der Mitte Europas, politisch gehört Polen erst seit dem 01.05.2004 zur EU. Auf 312.685 km² leben 38,6 Mio. (2001) Einwohner. Davon leben 38,3 % im ländlichen Raum, der 93,3 % der Landesfläche einnimmt. Seit 1984 sinkt das Bevölkerungswachstum bei einer sich ungünstig entwickelnden Altersstruktur (weniger Kinder, mehr alte Menschen, Emigration der Erwerbstätigen ins Ausland) (GUS, 2000). Die administrative Aufteilung des Landes ist eine dreistufige: Dörfer werden zu Gemeinden zusammengefasst, Gemeinden zu Kreisen und Kreise zu 16 Woiwodschaften (entspricht in Deutschland den Bundesländern) (Abb. 2). Diese Regelung ist 1999 in Kraft getreten, zuvor gab es eine zwei stufige mit 49 Woiwodschaften. Dragacz gehört zu der Gemeinde Dragacz, zu dem Kreis Schwetz und der Woiwodschaft Kujawsko-pomorskie.
Polen wird physiogeographisch in fünf Gebiete unterteilt, die aufgrund der eiszeitlichen Prägung westöstlich verlaufen (ĝWITALSKI & PREISNER, 2001):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Polen unterteilt in Naturräume (ĝWITALSKI & PREISNER, 2001: S. 169, verändert)
Charakteristisch für die polnische Niederung ist die glaziale Entstehung, so wird die südliche Grenze der polnischen Seenplatte durch die Endmoräne der maximalen Gletscherausdehnung vor 20.000 Jahren (während der Weichsel-Eiszeit) gebildet. Die Jungmoränenlandschaft ist typischerweise mit einem hügeligen Relief sowie vielen Seen gekennzeichnet. Das mittelpol- nische Tiefland ist eine Altmoränenlandschaft, entstanden während der Oder-Eiszeit (ent- spricht in Deutschland der Saale-Eiszeit). Die polnische Hochebene sowie auch die vorkarpa- tische Mulde wurden in der San-Eiszeit (entspricht in Deutschland der Elster-Eiszeit) nachhaltig geprägt (ĝWITALSKI & PREISNER, 2001).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Administrative Aufteilung Polens, Woiwodschaft Kujawsko-pomorskie wird vom schwarzen Pfeil angezeigt (GUS, 2003a: S. 87)
Das Tiefland (< 200 m ü. NN) dominiert mit 75 %, 26 % werden von 200-500 m ü. NN hohen Landesteilen eingenommen und 3 % von über 500 m ü. NN (BINGEN, 1998; MriRW, 2002). Das Untersuchungsgebiet liegt in dem Gebiet der polnischen Seenplatte; genauer: Pommersche Seenplatte, Tal der Unterweichsel (polnisch Dolina Dolnej Wisáy) (siehe Abb. 7) (KONDRACKI, 2002; ĝWITALSKI & PREISNER, 2001).
Aufgrund des geringen Gefälles neigen die Flüsse zur Versumpfung und begünstigen Hoch- wasserereignisse, was durch die Vernachlässigung im Hochwasserschutz für die Bevölkerung in Flussnähe verheerende Folgen haben kann. Klimatisch gesehen liegt Polen im Übergangs- bereich vom ozeanischen (atlantischen und baltischen) Klima im Westen zum kontinentalen Klima im Osten. Im Süden machen sich Gebirgsklimaeinflüsse bemerkbar. Die durchschnitt- liche Vegetationsperiode dauert 210 Tage (BINGEN, 1998). Die durchschnittliche Jahresmit- teltemperatur beträgt 8,5 °C und der mittlere Jahresniederschlag liegt bei 500-550 mm/Jahr (GUS, 2003). Dragacz befindet sich im Übergangsbereich der Einflüsse des baltischen zum kontinentalen Klima.
Die Böden Polens bestehen zu 75 % aus sandigen und nährstoffarmen Böden (EGGER, 1996). Von den Bodentypen nehmen die Podsolen und Braunerden mit 75 % der Landesflä- che den größten Teil ein. Der Bodentyp Dragaczs entspricht dem der Auenböden, die 5 % (GUS, 2003) Polens bedecken. Durchschnittlich sind die Böden Polens, auf denen Landwirt- schaft betrieben wird, von mittlerer Qualität. Als gute bis sehr gute Böden werden in Polen ca.
11,5 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LNF) eingestuft, als mittelmäßiger Boden 34,1 % und als schwacher und sehr schwacher Boden 54,4 % (MriRW, 2002). Die im Durchschnitt eher geringen Niederschläge und die mittelmäßigen Böden lassen Polen zu einem eher extensiv bewirtschafteten Getreideland werden (BAUM & MAJCHRZYCKI, 2000; EGGER, 1996). Aufgrund des kontinentalen Klimas kommt es häufig zu extremen Erscheinungen wie Trockenheit oder Überschwemmung. So werden 10 % der LNF als zu nass und 28 % als zu trocken eingestuft (EGGER, 1996).
Die natürlichen Gegebenheiten in Polen sind für die Landwirtschaft nicht die besten. Trotzdem wird auf 58,67 % der Landesfläche Landwirtschaft betrieben (Abb. 5). Die Verteilung der Landwirtschaft wird weniger von den naturräumlichen Faktoren bestimmt als vielmehr von den geschichtlichen. So sind die Gebiete der ehemaligen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) mit durchschnittlich größeren landwirtschaftlichen Betrieben gekennzeichnet, jedoch auch mit einer höheren Arbeitslosenrate. Die infrastrukturelle Ausstattung sowie der Industrialisierungs- und Urbanisierungsgrad nehmen östlich der Weichsel ab im Gegensatz zu westlich der Weichsel (ZIEMER, 1998).
2.2. Von der Planwirtschaft zur freien Marktwirtschaft (bis 1989)
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Moskau die Position einer Zentralregierung über die „Länder der Volksdemokratie“ und steuerte den Aufbau des Sozialismus (PELZER, 1991). In der Landwirtschaft wurde eine Agrarreform durchgeführt, die vorsah, landlosen und mittel- ständischen Bauern Land zu schenken, die kleinparzellige Struktur zu beheben und große landwirtschaftliche Betriebe zu schaffen, die effektiv im Kollektiv bewirtschaftet werden soll- ten. Hierfür wurden Großgrundbesitzer (vor allem im Osten und Süden Polens) polnischer Herkunft und deutsche Eigentümer (im Norden und Westen Polens) jeglichen Besitzes ent- eignet. Zudem wurde festgelegt, dass ein privater Landwirt nicht mehr als 50 ha in Zentralpo- len und 100 ha in Westpolen besitzen durfte (EGGER, 1996; KINDL, 1994). Das nun zur Verfügung stehende Land wurde zusammen mit Ländereien, die im Staatsbesitz waren, zu LPG umfunktioniert (KINDL, 1994). Sechs Mio. ha wurden an landarme Bauern und landlose Landarbeiter verteilt (LINNEMANN, 2001). Zugleich wurden den Bauern günstige Kredite zugesprochen sowie der Aufbau eines Genossenschaftswesens (SMYREK-OURTANI, 1990). Die seit 1948 regierende kommunistische Partei (PZPR), die die uneingeschränkte Alleinherr- schaft besaß, hat somit versucht die Unterstützung der Bauern zu erlangen. Nach Abschluss der Agrarreform betrug die durchschnittliche Betriebsgröße in den ehemaligen deutschen Ge- bieten 7,9 ha und im übrigen Polen 5,4 ha (SMYREK-OURTANI, 1990).
Eine groß angelegte Kollektivierung sollte in den nächsten Jahren folgen, doch scheiterte sie an dem Widerstand der Kleinbauern, die dazu nicht bereit waren (KINDL, 1994; PELZER, 1991). Die polnischen Privatbauern haben im Sozialismus 75 % der LNF bewirtschaftet, was im Vergleich mit den anderen Ländern Ost- und Mitteleuropas zu Zeiten des Sozialismus un- gewöhnlich hoch war (EGGER, 1996; LINNEMANN, 2001; ZIEMER, 1998). Im Norden und Westen, dort wo die Staatsbetriebe konzentriert waren, bewirtschafteten private Bauern 60 % der LNF (EGGER, 1996).
„Die eine Seite (die Partei) muss zur Kenntnis nehmen, und das viel mehr als in jedem anderen kommunistischen Land, dass sie nicht gegen die Interessen der anderen Seite (die Bauern) zu handeln imstande ist.“ (KINDL, 1994: S. 127).
Mit unterschiedlichen Mitteln versuchte man die Bauern zur Aufgabe ihres Widerstandes zu bewegen, z. B. indem man eine Pflichtablieferung einführte, die vorsah, dass vorgeschriebene Mengen an landwirtschaftlichen Produkten zu niedrigen Preisen an den Staat abgegeben wer- den mussten (SMYREK-OURTANI, 1990). So stellt sich die Frage, wie sich die Bauern ge- gen die Kollektivierungsversuche und gegen den Druck der politischen kommunistischen Spitze behaupten konnten und wie sie diesen Kampf wirtschaftlich überlebten. Einige Ant- worten darauf gibt KINDL (1994). So stand einerseits die Förderung der Industrialisierung an erster Stelle, die bis dahin wenig ausgeprägt war. Mit der Unterstützung der Sowjetunion wurde vor allem die Schwerindustrie gefördert bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Landwirtschaft (SMYREK-OURTANI, 1990). Der kalte Krieg sowie die damit verbundenen außenpolitischen Probleme und der Kampf gegen die Kirche erforderten ein hohes Maß an politischen Ressourcen. Außerdem stand erst die Enteignung und Vertreibung der politischen und ideologischen Gegner und Überführung dieses Besitzes ins Staatseigentum im Vorrang. Und letztendlich erkannte die Partei am Beispiel Russlands die Probleme der Kollektivierung. 1956 wurden die Kollektivierungsversuche aufgrund eines Regierungswechsels und der Füh- rung unter Wáadysáaw Gomuáka aufgegeben. Zudem wurde die Privatwirtschaft offiziell er- laubt (BINGEN, 1998; PELZER, 1991; SMYREK-OURTANI, 1990). So wurde 1956 mit einer Anzahl von 10510 die höchste Zahl an LPGs erreicht, wobei ein Jahr später nur noch 1803 von diesen existierten. 1957 wurde eine neue Agrarpolitik vorgelegt, die vorsah die pri- vaten Betriebe mit Krediten, Produktionsmitteln und Entwicklungsmöglichkeiten zu unter- stützen. Es sollte ein System aus drei Sektoren entstehen: der staatliche, genossenschaftliche und private Sektor (SMYREK-OURTANI, 1990). Mitte der 50er Jahre wurden so genannte „landwirtschaftliche Zirkel“ (kóáko rolnicze) eingerichtet. Durch diese Einrichtung sollte kol- lektiv der Einkauf von Düngemitteln, Saatgut und Maschinen geregelt werden. Vor allem konnten die größeren Betriebe hiervon profitieren (KINDL, 1994).
Ein ebenso wichtiger Umbruch wurde 1970 von Edward Gierek eingeleitet. Die Produktion der Landwirtschaft sollte in allen Sektoren chancengleich unterstützt werden und eine Moder- nisierung erfahren. Zudem wurden 1972 die Pflichtquoten für die Privatbauern abgeschafft (SMYREK-OURTANI, 1990). Die Bauern haben Kredite mit günstigen Zinsen erhalten, die trotz Inflation nicht in die Höhe schnellten. Das war nur über Kredite aus Westeuropa zu fi- nanzieren und führte zu einer hohen Verschuldung. In dieser Zeit konnten die polnischen Dör- fer ihre Infrastruktur aufbessern sowie einen technischen Fortschritt erreichen (BINGEN, 1998; KINDL, 1994).
1975 wurden aufgrund der langsamen Wirtschaftsentwicklung und um die angestaute Inflati- on freizusetzen, die Lebensmittelsubventionen eingestellt und die Preise freigegeben, was 1976 bei der Bekanntgabe der Preiserhöhungen zu Hamsterkäufen sowie zu einer Versor- gungskrise führte und somit zu Streiks und Aufständen gegen den Staat. Die Lebensmittel wurden wieder subventioniert, was die wirtschaftliche Krise verschärfte (BINGEN, 1998; EGGER, 1996).
Unter der Führung eines Streikkomitees von Lech WaáĊsa wurden 1980 Forderungen an den Staat gestellt (Meinungsfreiheit, Streikrecht, Aufhebung der Zensur, keine Preiserhöhung u. a.), von denen 1981 einige genehmigt wurden. Die Gewerkschaft „SolidarnoĞü“ wurde als unabhängige und selbstverwaltete Gewerkschaft mit Lech WaáĊsa an der Spitze anerkannt, die versuchte sich auch in politischen und wirtschaftlichen Fragen mit einzubringen (PELZER, 1991). Damit war die Alleinherrschaft der PZRP beendet. Die KPdSU (Kommunistische Par- tei der Sowjet Union) sprach sich gegen die Doppelherrschaft aus, mit der Begründung die „SolidarnoĞü“ sei antisozialistisch und übte Druck auf die Partei aus, diese Situation zu än- dern. Der Forderung nach freien Parlamentswahlen mit unabhängigen Kandidaten sowie der nach einem Vertrauensvotum der Partei durch die „SolidarnoĞü“ Mitglieder und Anhänger folgte am 13.12.1981 die Verkündung des Kriegsrechts durch den Parteivorsitzenden und Oberbefehlshaber der Armee Wojciech Jaruzelski. Viele „SolidarnoĞü“ Mitglieder und Kriti- ker des Kommunismus wurden festgenommen und die „SolidarnoĞü“ verboten. Die Führung wurde vom Militär übernommen, womit ein Fortbestehen des Sozialismus vorerst gesichert war und die Sowjetunion keinen Grund hatte einzugreifen. Die Aufhebung des Kriegsrechts erfolgte am 22.07.1983 und die politische Führung wurde von Offizieren mit der PZPR über- nommen (BINGEN, 1998; PELZER, 1991). Die neue Agrarpolitik, die vorsah, die Landwirt- schaft gezielt zu fördern und rechtlich alle drei Sektoren, d. h. den staatlichen, genossen- schaftlichen und privaten Sektor, auf die gleiche Stufe zu stellen, scheiterte, da keine Taten folgten und keine Maßnahmen eingeleitet wurden (SMYREK-OURTANI, 1990).
Drei Jahre später erfolgte die Freilassung aller politischen Gefangenen und es wurde eine Opposition zugelassen, die sich jedoch nicht frei äußern durfte (BINGEN, 1998). Die Wirtschaftsreform von 1986 wurde von der Bevölkerung abgelehnt, gleichzeitig verschärfte sich die Lage durch Streikwellen und die geringe Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen. Die PZPR konnte nicht mehr alleine den Weg aus der Krise finden. So kam es 1988 zu Gesprächen zwischen der Partei und der noch illegalen Gewerkschaft „SolidarnoĞü“ sowie der Opposition (BINGEN, 1998; PELZER, 1991).
Doch erst Ende 1988 wurden unter Mieczysáaw Rakowski Gesetzte verabschiedet, die die drei landwirtschaftlichen Sektoren gleichberechtigten. 1989 wurde die freie Marktwirtschaft eingeführt. Bei den Wahlen im Juni gewann zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein nichtkommunistischer Präsident, nämlich Lech WaáĊsa (SMYREK- OURTANI, 1990). Volksrepublik Polen wurde in Republik Polen umbenannt, „die sich nun als demokratischer Rechtstaat, der die Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit verwirklicht, definiert.“ (PELZER, 1991: S. 126)
EGGER (1996) führt auf, dass ein wichtiger Grund, der das Scheitern des Kommunismus beschleunigt hat, die zunehmende Belastung des Staatshaushaltes mit den Subventionierungen sowohl der Produkte für den Binnenmarkt als auch der für den Export war.
Im Kommunismus waren Arbeitslosigkeit und Inflation unbekannte Phänomene. Die in der Planwirtschaft künstlich auf relativ niedrigem Niveau gehaltenen Preise, die von den niedri- gen Konsumentenpreisen ausgingen und nicht von den höheren Produzentenpreisen, spiegel- ten nicht die Knappheit der Güter wieder. Die von den Planern so niedrig festgelegten Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse erlaubten den Landwirten nicht, einen Gewinn zu erzie- len, den sie zur Entwicklung des Hofes hätten investieren können. Daraus resultierte, dass sie einfach weniger produzierten, was zu Versorgungsengpässen führte und die bekannten Schlangen vor Lebensmittelläden auslöste (EGGER, 1996; SMYREK-OURTANI, 1990). Von 1970 bis 1979 stieg die Agrarproduktion um 8 % und der Lebensmittelverbrauch um 20 % (PELZER, 1991).
25 % des Staatsbudgets wurden für Subventionen an den Nahrungsmittelsektor ausgegeben. Der größte Teil (57 %) wurde für die Subventionierung der Preise verwendet und am meisten für Milchprodukte und Fleischwaren. Doch auch die 70 % der Industrie, die dem Staat gehör- ten, mussten subventioniert werden. Im Sozialismus stand die Förderung der Industrie immer über der der Landwirtschaft (Egger, 1996; PELZER, 1991). Innerhalb des Agrarsektors wur- den die staatlichen Betriebe stärker unterstützt als die privaten Betriebe, jedoch mit abneh- mender Tendenz. Während die staatlichen Betriebe noch 1985 das 2,38fache der privaten Landwirtschaft erhielten, waren es drei Jahre später nur noch 1,31 mal soviel (EGGER, 1996).
2.3. Entwicklung nach 1989
Die neue Regierung mit SolidarnoĞü-Ministern stand vor vielen Problemen, die aus der sozia- listischen Zeit und der kommunistischen Wirtschaftsweise stammten1. Zur Lösung wurde von dem Finanzminister Leszek Balcerowicz der „Balcerowicz-Plan“ vorgelegt, der zum Ziel hat- te, die Wirtschaft zu stabilisieren, in dem die Subventionen abgebaut wurden, die Preisent- wicklung freigegeben wurde, die Löhne gering erhöht und ein Voranschreiten der Inflation verhindert werden sollte. Des Weiteren sollten staatliche Unternehmen privatisiert werden; dieser Prozess bildete die Hauptaufgabe der Transformation (KINDL, 1994; LINNEMANN, 2001). Das gesamte Konzept wurde auch als „Schocktherapie“ bezeichnet (BINGEN, 1998). Zur Preisfreigabe gehörte, dass die Einfuhrhindernisse für Produkte aus dem Westen beseitigt wurden. Die inländischen Erzeuger sollten zu spüren bekommen, was freie Marktwirtschaft heißt und in Konkurrenz geraten, da zuvor der Binnenmarkt vor jeder Konkurrenz abgeschot- tet gewesen war (BINGEN, 1998; KINDL, 1994). Entsprechend stark wurde die Umsetzung kritisiert, die zu 1 Mio. Arbeitslosen führte2 und den Bauern Absatzprobleme bescherte (BINGEN, 1998; ZIEMER, 1998). Durch die höheren Preise hatte die Nachfrage nach Agrar- produkten einen Rückgang erfahren. Die in der Planwirtschaft angestaute Inflation ließ die Preise nach der Preisfreigabe nun schlagartig in die Höhe schnellen. Die Produktionsmittel- preise stiegen um das Dreizehnfache an bei einem Anstieg des Gehaltes der Landwirte um das Neunfache (LINNEMANN, 2001).
Ein großes Problem der polnischen Wirtschaft stellte die hohe Außenverschuldung dar, die vor allem aus den Krediten zur Subventionierung der eigenen Wirtschaft resultierte. Erfolg- reiche Verhandlung mit dem westlichen Europa sowie eine positive Handelsbilanz Ende 1990 führten zu einer Reduzierung der Schulden. Doch bereits 1,5 Jahre später zeichneten sich wirtschaftliche und soziale Probleme ab, die signalisierten, dass die Transformation lange nicht so positiv verlaufen war, wie man angenommen hatte. Viele staatliche Unternehmen hatten den Sprung in eine freie Marktwirtschaft nicht geschafft, woraus eine hohe Arbeitslo- sigkeit resultierte, was wiederum soziale Probleme und die Entstehung von Schwarzmärkten nach sich zog. Der Anteil des Schwarzmarktes am Bruttosozialprodukt wurde auf 20 % ge- schätzt (BINGEN, 1998; EGGER, 1996; KINDL, 1994; LINNEMANN, 2001).
Die ausländischen Massen-Importprodukte hatten ein besseres Image als die inländischen Produkte und waren zudem noch günstiger. Dies führte immer mehr zur Verdrängung der polnischen Produkte vom Markt und somit zur Ruinierung vieler kleiner Händler und Erzeuger. Für viele Landwirte lohnte sich die Produktion für den Verkauf nicht mehr und sie konnten nicht in einer so kurzen Zeit die Produktionskosten senken, so dass vor allem die Betriebe mit Flächen unter 5 ha fast ausschließlich für die Selbstversorgung produzieren, sofern sie sich nicht auf den Gemüse- und Obstanbau spezialisiert hatten. Westliche Konsumgüter sowie Markenprodukte suggerieren ein besseres Leben, können jedoch vom Großteil der Bevölkerung nur unter enormen Einsparungen bei anderen Produkten, wie Nahrungsmitteln, gekauft werden (BINGEN, 1998; EGGER, 1996; KINDL, 1994; LINNEMANN, 2001). Der Nahrungsmittelverbrauch pro Kopf ist gesunken (URBAN, 2000).
Die finanzielle Situation der Bevölkerung hat sich zusätzlich durch die höheren Lebenserhaltungskosten und die kaum ansteigenden Löhne enorm verschlechtert. Zwar sind die Löhne um 498 % gestiegen, doch bei einer Inflationsrate von 658,4 % bei Konsumgütern und Dienstleistungen ist das Realeinkommen gesunken (LINNEMANN, 2001).
Das veränderte Verhalten im Nahrungsmittelverbrauch wirkte sich auf die Erntemengen aus und lässt sich aus den Abb. 3 und Abb. 4 ablesen.
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Abb. 3:Entwicklung der Erntemengen für Getreide, Raps, Kartoffeln, Zuckerrüben, Obst und Gemüse (Linnemann, 2001: S. 11)
Am stärksten gesunken ist die Erntemenge bei Kartoffeln. Der Rückgang hängt u. a. mit der Futterumstellung bei den Schweinen zusammen. Aufgrund der Überproduktion an Zuckerrü- ben im Jahre 1996 wurde eine Zuckerrübenquote eingeführt, die in den Folgejahren zu einer Senkung der Ernte führte. Doch auch der höhere Zuckergehalt der Rüben ließ die Erntemenge schrumpfen. Für die Einbrüche im Ernterückgang 1991/1992 sind nicht nur die Politik und Wirtschaft verantwortlich, sondern auch lange Trockenperioden (LINNEMANN, 2001).
Für den Rückgang der Rinder- und Schafbestände (Abb. 4) kann aufgeführt werden, dass die Landwirte aufgrund der neuen wirtschaftlichen Belastungen nicht mehr in der Lage waren, die arbeitsintensive Rinder- und Schafweide zu unterhalten. Wie auch im westlichen Europa hat in Polen die Geflügelhaltung zugenommen. Geflügelhaltung bietet eine Vielzahl an Produkten, was die Konkurrenzfähigkeit fördert und der Nachfrage der Konsumenten gerecht wird (LINNEMANN, 2001; URBAN, 2000).
Der Rückgang im Milchsektor ist nach LINNEMANN (2001) auf das veränderte Konsumverhalten der Polen zurückzuführen, die anstatt der angebotenen Molkereierzeugnisse, die aus dem Westen kommenden bevorzugten, wie z. B. Yoghurt. Die polnischen Molkereien waren auf eine solche Nachfrageänderung nicht vorbereitet.
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Abb. 4: Entwicklung erzeugter Mengen in der Tierproduktion (LINNEMANN, 2001: S. 12).
Der Unmut und das Misstrauen der Bevölkerung in die neue Regierung, die ihnen keine Bes- serung ihrer Lebenssituation, sondern sogar eine Verschlechterung einbrachte, machte sich in Streikwellen sowie in einer geringen Wahlbeteiligung deutlich. Und auch in der Tatsache, dass frühere Kommunisten wieder an die politische Spitze gewählt wurden. 1995 wird der Ex- Kommunist Aleksander KwaĞniewski zum Ministerpräsidenten gewählt (BINGEN, 1998).
2.4. Situation der polnischen Landwirtschaft vor dem Beitritt zur EU
Der landwirtschaftliche Sektor steht sowohl vor strukturellen als auch vor psychologischen Barrieren. Diese haben in der Vergangenheit, wie oben erläutert, dazu beigetragen, dass sich die Landwirte vor der Kollektivierung behaupten konnten, hemmen jedoch eine Entwicklung, die in Zukunft unumgänglich sein wird.
L ä ndliche Bev ö lkerung
Der Anteil der ländlichen Bevölkerung ist mit 38,3 % (2001) sehr hoch (Tab. 1) und hat sich in den letzten Jahren auch nicht verringert. Es ist sogar zu beobachten, dass sich der Anteil der ländlichen Bevölkerung in den Jahren 2000 und 2001 mit 38,2 bzw. 38,3 % relativ hoch gehalten hat und in absoluten Zahlen einen Zuwachs erhalten hat.
Tab. 1: Bevölkerung in Stadt und Land (zusammengestellt aus GUS, 1997: S. 55; GUS, 2003a: S. 121)
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Wanderungsbilanz
Anhand der folgenden Tabelle (Tab. 2) lässt sich zudem beobachten, dass die Städte seit dem Jahr 2000 eine negative Wanderungsbilanz aufweisen, die sich im Jahre 2002 sogar versechs- facht hat (Bezug Jahr 2000). Die Migration ins Ausland hatte vor dem Systemwechsel ihren Höhepunkt erreicht und sank danach schlagartig, so dass sich das Wanderungssaldo ab 1996 mehr oder weniger auf dem selben Niveau befindet. POGANIETZ & GLAUCH (1998) prog- nostizieren nach dem EU-Beitritt eine Zunahme der Abwanderung aus Polen in EU-Länder, vor allem nach Deutschland.
Tab. 2: Wanderungsaldo im Bezug auf Städte und Ausland in Tausend (zusammengestellt aus GUS, 1997: S. 55; GUS, 2003a: S. 133)
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Besch ä ftigte in der Landwirtschaft
In Polen ist der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten mit 29,41 % (Jahr 2002) sehr hoch. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren angestiegen wie in Tab. 3 ersichtlich. In der EU waren 1997 5,0 % im primären Sektor tätig (ZAWOJSKA, 2000). Nach HAUSNER & WILKIN (2000) ist dieser Anteil deshalb so hoch, weil auch die Landwirte, die bereits in den Ruhestand getreten sind3 statistisch gezählt werden. Es entsteht ein Arbeitskräfteüberbesatz, der in Südostpolen mit 22 Arbeitskräften pro 100 ha LNF angegeben wird (HAASE, 2002). Ein Landwirt in Polen kann durchschnittlich fünf Personen ernähren und ein Landwirt in der EU 20-25 Personen (JANKOWSKA, 2002). Trotz der hohen Beschäftigungszahl im primären Sektor werden nur 2,7 % (Jahr 2002) des Bruttoinlandprodukts erwirtschaftet (GUS, 2003a).
Tab. 3: Beschäftigte in der Landwirtschaft in Tsd. und in % der Gesamtbeschäftigten (zusammengestellt aus GUS, 1997: S. 111; GUS, 2003a: S. 144)
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Arbeitslose
Der Anteil der Arbeitslosen ist seit dem Fall des Kommunismus stetig gestiegen (Tab. 4) und mit ihm auch der Anteil an Beschäftigten im primären Sektor. Für 1999 wird von GUS (2000) angegeben, dass 44,9 % der Arbeitslosen in ländlichen Gebieten lebten. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die ländlichen Gebiete durch ihre Monofunktionalität (Landwirtschaft) wenig Erwerbsalternativen bieten können.
Tab. 4: Arbeitslose in Tsd. und in % der Erwerbstätigen (zusammengestellt aus GUS, 1997: S. 120; GUS, 2000: S. 64; GUS, 2003a: S. 156, S. 579)
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Versteckte Arbeitslosigkeit
Die Arbeitslosenzahlen (Tab. 4) spiegeln jedoch nicht die tatsächlich Arbeitslosen wieder. Einige Autoren (BAēSKI, 1999; HAASE, 2002) weisen darauf hin, dass es noch eine ver- steckte Arbeitslosigkeit gibt. Das heißt also, dass die tatsächliche Arbeitslosenquote viel hö- her liegt als es in den öffentlichen Statistiken verzeichnet ist. Arbeitslose, die nicht verzeich- net werden und somit zu einer hohen versteckten Arbeitslosigkeit führen, sind (nach HAASE, 2001; URBAN, 2000):
- die Nebenerwerbslandwirte, die ihre Arbeit in der Stadt verloren haben und ihr kleiner Hof nicht als Haupterwerbsquelle angesehen werden kann,
- Bauern, die von ihrem kleinen Betrieb nicht leben können,
- diejenigen, die auf dem Lande leben, eine landwirtschaftliche Ausbildung aufweisen, jedoch ohne eigenen Betrieb sind und aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage keine Arbeit mehr in den größeren landwirtschaftlichen Betrieben finden können,
- die ehemals in den PGR beschäftigten,
- arbeitslos gewordene Städter, die Zuflucht bei Verwandten auf dem Land gesucht ha- ben,
- Jugendliche, die nach der Ausbildung bei den Eltern wohnen,
- Frauen,
- Landwirte mit einem Ackerland von 2 ha4.
Dadurch, dass der Staat im Sozialismus alle Entscheidungen übernommen hat, sind die meis- ten der Arbeitslosen nicht in der Lage sich alleine aus dieser Situation zu befreien. Sie verhar- ren im passiven Warten bis der Staat etwas gegen ihre Notlage unternimmt. Viele der heuti- gen Jugendlichen haben diese Haltung von ihren Eltern übernommen (HAASE, 2002; MICHNA, 2002).
Die sogenannte Nachbarschaftshilfe kann auch einigen landlosen Dorfbewohnern die Exis- tenz sichern. Schon immer war es in ländlichen Gebieten üblich, dass Nachbarn entweder gegen Nahrungsmittel oder eine kleine finanzielle Entschädigung bei der Ernte mithalfen. Hierbei ist der Übergang zur Schattenwirtschaft, also dem informellen Sektor, fließend. 2002 waren schätzungsweise 1,4 Mio. der Beschäftigten in der Schattenwirtschaft tätig. Die Bedeu- tung dieser Erwerbsform zeigt sich z. B. in dem Besitz von PKWs und im Hausbau. Dieser Luxus wäre ohne zusätzliche Erwerbsquelle nicht möglich. Diese Erwerbsform trägt auch gewissermaßen zur Stabilisierung der Wirtschaftslage bei (HAASE, 2002).
Landwirtschaftliche Fl ä che
Die landwirtschaftliche Fläche (LF) nimmt 58,7 % (2002) der Landesfläche ein (Abb. 5), aufgeteilt in 44,5 % bestellter Acker, 10,1 % Brache, 1,0 % Obstgärten, 8,8 % Wiesen und 4,4 % Weiden. 29 % der Landesfläche werden von Waldflächen eingenommen. Die LF hat sich auf Kosten des Waldes und Siedlungs- und Verkehrsflächen (BUCHHOFER, 1998) seit 1990 um ca. 374,8 Tsd. ha verringert (GUS, 2003a). Die brach liegenden Flächen vergrößerten sich von 162,9 Tsd. ha (1990) auf 2,3 Mio. ha (2002) (GUS, 2000; GUS, 2003b).
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Abb. 5: Flächennutzung Polens in % (GUS, 2003a: S. 299, übersetzt und verändert)
Die durchschnittliche LNF ist nur langsam gestiegen von 5,7 ha (1980) auf 7,4 ha (2002) (Abb. 6). Das hat vor allem damit zu tun, dass die kleinen Betriebe bis 5 ha bis zum Jahr 1999 einen Zuwachs erhalten haben. In der EU wird die durchschnittliche Betriebsgröße mit 18,4 ha angegeben (WAJSZCZUK & PEPLIēSKI, 2000).
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Abb. 6: Entwicklung der durchschnittlichen Betriebsgrößen in Polen (zusammengestellt aus GUS, 1997: S. 242; GUS, 2003a: S. 300)
Anzahl der Betriebe
Insgesamt hat die Anzahl der Betriebe5 von 2,17 Mio. Betriebe 1988 auf 1,96 Mio. Betriebe 2002 abgenommen, wobei sie 1999 auf 2,18 Mio. Betriebe angewachsen war (Tab. 5). Bis 1999 vollzog sich ein in zwei Richtungen verlaufender Strukturwandel (Tab. 5 und 6):
- vor allem die Anzahl der kleinen Betriebe bis 2 ha hat zugenommen,
- Betriebe bis 5 ha haben zwar insgesamt abgenommen, waren aber mit mehr als 30 % aller Betriebe stark vertreten,
- die großen Betriebe mit mehr als 15 ha, und vor allem die mit mehr als 20 ha, erfuhren einen Anstieg;
- die andere Richtung war das Schrumpfen der mittleren Betriebsgrößen (5-15 ha)
Tab. 5: Anstieg und Abnahme der Betriebe von 1988 bis 2002 (eigene Berechnung aus SZEMBERG, 1997: S. 15; GUS, 2000: S. 101; GUS, 2003b: S. 25)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dieser sich langsam vollziehende Strukturwandel scheint nach 1999 einen anderen Weg ein- zuschlagen. So hat 2002 zum einen die Gesamtzahl der Betriebe abgenommen und zum ande- ren ist bei allen Betriebsgrößen bis 15 ha eine Abnahme zu verzeichnen gewesen; auch bei den Betrieben unter 1 ha, die 1996 1,02 Mio. Betriebe darstellten und 2002 0,98 Mio. Betrie- be (GUS, 2003b). Die Abnahme der kleinen Betriebe im vorletzten Jahr kann zum Teil auch damit zusammen hängen, dass an Landwirte ab 55 Jahren eine frühere Rente gezahlt wird (Vorruhestandsprogramm), wenn sie ihren Hof verkaufen oder verpachten oder der Brache oder der Bewaldung überführen (GOGLEWSKA, 2002; KOMMISSION DER EG, 2001).
Tab. 6: Entwicklung der Betriebsgrößenklassen (ohne Betriebe unter 1 ha) in % von 1988 bis 2002 (eigene Berechnung aus SZEMBERG, 1997: S. 15; GUS, 2000: S. 101; GUS, 2003b: S. 25)
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Die Zunahme vor allem der Betriebe >15 ha von 6,0 % (1988) auf 10,2 % (2002) (Tab. 6) zielt in die von der EU und polnischer Regierung erwünschte Richtung, nämlich die Vergrö- ßerung der LNF der Betriebe, die Abnahme der kleinen Betriebe und somit die Änderung der unproduktiven landwirtschaftlichen Struktur. im Vergleich zu 1999 haben besonders die Be- triebe von 20 bis 50 ha um 20 Tsd., also anteilmäßig von 3,5 auf 5,9 %, zugenommen sowie auch die mit über 50 ha um 8,5 Tsd. von 0,50 auf 1 % (nach eigenen Berechnungen aus GUS, 2000 und GUS, 2003b). Im Vergleich mit der EU, die 1998 einen Anteil von 8,6 % an land- wirtschaftlichen Betrieben über 50 ha hatte, ist 1 % sehr gering (ZAWOJSKA, 2000). Es ist etwas verwunderlich, dass diese Entwicklung trotz der steigenden Arbeitslosigkeit (Tab. 4) eingetreten ist.
Trotz dieser einsetzenden Entwicklung waren 2002 immer noch 58,6 % aller landwirtschaftlichen Betriebe kleiner als 5 ha. Wenn noch die Betriebe unter 1 ha dazugerechnet werden, so sind es 72,41 % (LINNEMANN, 2001).
Nach LINNEMANN (2001) betreiben/produzieren (bezogen auf alle Betriebe > 1 ha):
- 2,4 % keine landwirtschaftliche Produktion
- 12,7 % ausschließlich für den eigenen Bedarf
-37,7 % vorwiegend für den eigenen Bedarf mit gelegentlichem Verkauf von Über- schüssen
- 47,4 % regelmäßig für den Markt;¾ dieser Betriebe beziehen ihr Einkommen über- wiegend bzw. ausschließlich aus der landwirtschaftlichen Produktion
„Die Produktivität dieser Kleinbetriebe ist aufgrund der fehlenden Mechanisierung sowie ihrer vielfachen Degradierung zur Nebenerwerbswirtschaft im Sozialismus größtenteils sehr gering.“ (PELZER, 1991).
Die Nebenerwerbsbetriebe machen 40 % und die Zuerwerbsbetriebe 40 % der landwirtschaftlichen Betriebe aus (LINNEMANN, 2001).
Zersplitterungsgrad
Der Zersplitterungsgrad ist vor allem durch die Realerbteilung sehr hoch (ZIEMER, 1998). 20 % aller Betriebe weisen mehr als 6 Parzellen auf mit einer durchschnittlichen Parzellen- größe von 0,5 bis 0,8 ha (EGGER, 1996). Die Durchführung von Meliorationsmaßnahmen wird durch diese Struktur enorm erschwert sowie auch der rationelle Einsatz von Maschinen (PELZER, 1991).
Produktionskosten
Die hohen Produktionskosten verbunden mit einer geringen Produktivität, die aus den eben genannten Gründen resultieren, sind zudem durch die sinkende Nachfrage nach landwirt- schaftlichen Produktionsmitteln und landwirtschaftlichen Dienstleistungen in den letzten zehn Jahren gestiegen. Zu den im Einsatz sinkenden Produktionsmitteln gehören: Düngemittel, Pestizide, Saatgut, Futter, Baumaterial, Benzin und elektrische Energie. Folglich lässt sich eine Extensivierung statt einer Intensivierung beobachten und eine Abwendung von einer langsam einsetzenden Spezialisierung (KINDL, 1994; QUAISSER, 1998). Diese Entwicklung wirkt sich destabilisierend auf den landwirtschaftlichen Versorgungssektor aus und führt zu seiner Degradation (URBAN, 2000). Eine mögliche Senkung der Produktionskosten durch Vergrößerung des Betriebes, Modernisierung, Mechanisierung und durch Spezialisierung ist den meisten Betrieben nicht möglich, da sie die finanzielle Kraft (Kapital) dazu nicht besitzen (BAUM & MAJCHRZYCKI, 2000).
Binnenwanderung
Eine weitere rückständige Entwicklung resultierend aus der Transformation ist die Binnen- wanderung. In Polen ist, wie in Tab. 2 abzulesen, eine in ländliche Gebiete gerichtete Wande- rung zu beobachten. Die ländlichen Gebiete fungieren, aufgrund der Möglichkeit dort ein ei- genes Stück Land zu erwerben und landwirtschaftlichen Anbau zur Deckung der wichtigsten Bedürfnisse zu betreiben, als soziale Pufferzonen. Folglich kommt es zu Dezentralisierungs- tendenzen in den städtischen Industriegebieten (BUCHHOFER, 1998; KINDL, 1994).
Nach BUCHHOFER (1998) ist dies jedoch nur eine kurzfristige Erscheinung: „Die gegenwärtige, letztlich von den schrumpfenden städtischen Arbeitsmärkten her induzierte Stärkung der ländlichen Bevölkerungsbasis in einigen Landesteilen dürfte freilich kaum als Signal für eine beginnende Reagrarisierung dieser Räume interpretiert werden. Hier haben wir es vielmehr offenbar mit Mobilitätsbildern zu tun, die in starkem Maße konjunkturellen Veränderungen unterworfen sind und somit eine lineare Fortschreibung der derzeitigen ländlichen Bevölkerungsentwicklung in die Zukunft nicht gestatten.“ (S. 57)
Landwirtschaft als Auffangbecken f ü r Arbeitslose
Gerade in der Nähe von hoch urbanisierten Gebieten wie Kattowiz, Warschau und Stettin ist die Konzentration an Arbeitslosen relativ hoch. Der Rückgriff auf die Landwirtschaft scheint unverzichtbar6.
Nach LINNEMANN (2001) befindet sich die polnische Agrarpolitik bezüglich der Betriebs- größe in einem Zielkonflikt. So fordert die EU die Verminderung der großen Anzahl an klei- nen Betrieben, um die durchschnittliche Betriebsgröße aufzustocken und damit die Produkti- vität zu erhöhen. Doch gleichzeitig stellen diese Betriebe die einzige Beschäftigungsmöglich- keit dar und bilden somit eine wichtige Pufferfunktion des Arbeitsmarktes und erfüllen folg- lich eine soziale Funktion in Form eines Auffangbeckens (BINGEN, 1998; RIBBE, 2000).
Besonders in der Zeit nach 1989, in welcher der Wandel eingeleitet wurde, kam es zu Mas- senentlassungen in der Industrie und in den staatlichen Landwirtschaftsbetrieben. Bereits zu dieser Zeit fungierte die Landwirtschaft als Auffangbecken für Arbeitslose (ZIEMER, 1998). Diese frei gewordenen Arbeitskräfte konnten nicht aufgefangen werden, da keine gut entwi- ckelte und vielfältige Unternehmensstruktur bestand (HAASE, 2001). Dies führte zu einem unbekannten Phänomen, nämlich dem der Arbeitslosigkeit (Tab. 4).
Die Situation wird noch dadurch verschärft, dass einige Personen, die zwar auf dem Lande leben, jedoch nicht in der Landwirtschaft tätig waren, arbeitslos geworden sind und es dort für sie keine alternativen Arbeitsmöglichkeiten gibt. Hinzu kommen noch die Jugendlichen, die nach ihrer Ausbildung keine Arbeit finden und bei den Eltern bleiben (HAASE, 2002). Zu- meist sind es Jugendliche mit einem geringen Bildungsgrad, da es in den ländlichen Regionen weniger Möglichkeiten gibt eine höhere Schule zu besuchen, weil diese entweder nicht vor- handen oder schwer zu erreichen ist. Gerade diese Jugendlichen laufen Gefahr in die Schat- tenwirtschaft aufgenommen zu werden oder als Schwarzarbeiter, aber auch als legale saisona- le Arbeitskräfte, ins Ausland zu gehen. Die Jugendlichen sehen darin keine kurzfristige Situa- tion, sondern erfahren dies als eine normale Berufslaufbahn und versuchen nicht einen ande- ren „Beruf“ zu erlernen (HAASE, 2002). Der wichtigste Pullfaktor ist das bestehende Lohn- gefälle zwischen Polen und den westlichen EU-Ländern (eigene Beobachtungen in der Ge- meinde Dragacz), dabei vor allem Deutschland sowie die besseren Selbstverwirklichungs- möglichkeiten und der Zugang zu privaten (Konsumgüterangebot) und öffentlichen (Freizeit-, Kultur-, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen) Gütern (POGANIETZ & GLAUCH, 1998). „In der Saisonmigration insgesamt wird in erster Linie für die ländliche Bevölkerung eine Krisenstrategie infolge des Erwerbsverlustes außerhalb des agraren Bereichs gesehen.“ (HAASE, 2002: S. 111). Nach HAASE (2002) sind jährlich 300.000 bis 350.000 Polen im Ausland erwerbstätig, wobei nach Schätzungen die Zahl der illegal Beschäftigten die eben genannten Zahlen weit übersteigt. Die Tendenz zur saisonalen Erwerbsmigration ist steigend. So kann die Erwerbskrise in Polen zum Teil abgemildert werden; es werden aber auch quali- fizierte Arbeitskräfte dem polnischen Arbeitsmarkt entzogen, die wichtige Impulse liefern könnten (HAASE; 2002).
Bildung
Nach BAUM & MAJCHRZYCKI (2000) sind jedoch aufgrund des geringen Bildungsgrades der ländlichen Bevölkerung kaum eigene Impulse zur Modernisierung zu erwarten. BAēSKI (1999) gibt an, dass die meisten Betriebe von Personen geleitet werden, die weder von einer Bildungseinrichtung auf ihre landwirtschaftliche Tätigkeit vorbereitet wurden, noch sich weiterbilden und nur über wenig bis kein ökologisches Wissen verfügen. Nur 2 % der polnischen Landwirte verfügen über eine höhere Bildung (JANKOWSKA, 2002).
Psychologische Barrieren
Die am Anfang dieses Kapitels erwähnten psychologischen Barrieren resultieren aus der Ge- wöhnung an das ehemalige sozialistische System. Dem Kapitalismus und Europa stehen gera- de die älteren Landwirte skeptisch gegenüber. Bisher konnten sie nichts Positives aus der Transformation schöpfen. Einige Autoren, wie KOTALA (2000), meinen durch die geringe Flexibilität und Risikobereitschaft sowie die Ungeschicklichkeit, was gemeinsame Organisa- tion betrifft, sowie auch das Fehlen von Vertrauen in ein gemeinsames Handeln, würde eine Transformation verhindert werden, doch befindet Polen sich mitten in diesem Prozess; unab- hängig davon, ob die traditionsbehafteten Bauern bereit sind diesen Prozess zu unterstützen oder nicht. So ist auch die Bereitschaft zur Genossenschaftsbildung kaum vorhanden. Die Bauern haben Angst ihre Eigenständigkeit zu verlieren und möchten selbst Entscheidungen treffen sowie auch eigene Geräte besitzen. Sie organisieren sich nicht, um Produktionskosten zu senken oder einen gemeinsamen Ankauf oder Verkauf zu gestalten, was zu Vermarktungs- problemen führt. Die Vernetzung von Produzenten- und Nahrungsmittelgewerbe sind kaum vorhanden (GODLEWSKA, 2000; SàODOWA-HEàPA, 1997; SOCZEWKA, 2000).
Ein eigenes Stück Land zu besitzen, sei es auch noch so klein, bedeutet für viele Polen Si- cherheit. Dadurch, dass sie sich immer ein Stück Land erhalten haben, das ihnen in Notzeiten das Überleben sicherte, wird es in Zukunft problematisch sein eine Umstrukturierung vorzu- nehmen. „Deshalb reagieren die meisten Bauern auf die Gefahr des Verlustes ihres Landes im allgemeinen mit einer stärkeren Bindung an ihr Land.“ (KINDL, 1994: S. 80). In der kommunistischen Phase war unter den landwirtschaftlichen Betriebsformen der Neben- erwerb hoch vertreten, da die Bindung an das Land so stark war und eine Art Sicherheit dar- stellte. Im Nachhinein betrachtet war es eine Absicherung, die in den 90er Jahren zum Tragen kam, da viele Lohnarbeiter arbeitslos wurden. Speziell für die Nebenerwerbslandwirte war es die Rettung als sie ihre Lohnarbeit verloren haben. Aus dieser starken Bindung an das eigene Land resultiert die schwierige Umsetzung der Reduzierung der Arbeitskraft und die Verände- rung der landwirtschaftlichen Struktur (KINDL, 1994).
Der Arbeitsmarkt ist noch für viele Polen mit zu vielen Unsicherheiten belastet, als dass sie sich völlig auf eine Lohnarbeit verlassen würden und dafür ihr wie auch immer kleines Stück Land aufgeben würden (SZEMBERG, 1997). Familien, die keine Landwirtschaft betreiben, schätzen ihre Situation (finanziell und sozial) schlechter ein als diejenigen, die in der Landwirtschaft tätig sind (ZIEMER, 1998).
Die steigende Zahl an Subsistenzbauern sowie das Festhalten an einem eigenen Stück Land erschweren den Strukturwandel und wirken ihm sogar entgegen.
Auch wenn die Arbeitslosigkeit sinken sollte, heißt es noch nicht, dass sich dadurch die land- wirtschaftliche Struktur zu größeren und produktiveren Betrieben ändern wird. Es sind auch noch starke psychologische Barrieren zu durchbrechen, die sich in der letzten Zeit noch ver- stärkt haben.
Infrastruktur
Die technische Infrastruktur des Landes, die sowohl eine wichtige Wirkung auf die Umwelt als auch auf die ökonomische Entwicklung einer Region ausübt, ist auf einem sehr rückständigem Niveau. Wie in Tab. 7 dargestellt, hat es seit 1975 einen enormen Fortschritt gegeben. Die Betrachtung des Anteils der ländlichen Bevölkerung, der Anschluss an eine Abwasserleitung hat, fällt jedoch mit 2,3 % (im Jahre 1996) in ganz Polen, bzw. 1,1 % in ländlichen Gebieten, sehr gering aus (GUS, 2000). Zudem lässt sich die hohe Differenz der Wasserleitungen zu den Abwasserleitungen ablesen.
Tab. 7: Veränderungen der technischen Infrastruktur in Polen seit 1975 (SOBKÓW, 2002b: S. 131, ver- ändert)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Ausstattung mit Abwasserleitungen bildet den extremsten negativen Wert innerhalb der Infrastruktur. Den Anschluss an eine Wasserleitung besaßen 1996 43,8 % der Bevölkerung; 29,9 % hatten Zugang zu Brunnen, von denen ca. 1/3 eine gute Wasserqualität aufwiesen, 1/3 eine mittlere und 1/3 eine schlechte (GUS, 2000). Die Abfallsammlung und Abfallbeseitigung muss besonders in den ländlichen Gebieten eine Reorganisierung erfahren.
Nach der Einschätzung von MICHNA (2002) ist die polnische Landwirtschaft weder tech- nisch, ökonomisch noch organisatorisch darauf vorbereitet und in der Lage sich der ausländi- schen Konkurrenz zu stellen. Die zuvor erwähnte kaum vorhandene Organisation von Ab- satzgenossenschaften bringt Probleme mit sich, die beim Export die Konkurrenz polnischer Landwirte mindert. Es gibt keine einheitlichen Qualitätsstandards7, die eingehalten werden müssen und gerade wenn der Verkauf nicht in Absatzgenossenschaften erfolgt, sondern jeder Bauer alleine seine Ware verkauft, kann keine Standardisierung durchgesetzt werden. Zudem sind die Erzeugerpreise aufgrund der Größe und der rückständigen Ausstattung der Betriebe höher als die des EU-Marktes (MEREDYK, 2000). Die Qualität, besonders bezüglich der Hygiene, lässt noch sehr zu wünschen übrig. So wurden im Jahre 2002 12,4 % von Milchproben, die vom Gesundheitsamt durchgeführt wurden, disqualifiziert. 5,8 % der Proben von Fleischwaren und Fleischerzeugnissen, 10,8 % von Obst, Gemüse, Pilzen und deren Erzeugnissen und sogar 18 % der Butterproben (GUS, 2003a).
Nach www.agrar.de/agenda/index.htm (AGENDA 2000) wird sich der wirtschaftliche Schwer- punkt der EU nach Osten verlagern. So könnte Polen aus den geringen Lohnstückkosten, den niedrigen Transportkosten und der Marktnähe zu den wichtigsten Märkten der EU profitieren. Die Bedingungen für ausländische Investoren müssten jedoch erst vereinfacht werden (KOMMISSION DER EG, 2001).
Die wichtigsten Außenhandelspartner Polens während des Sozialismus waren die RGW- Länder (Länder des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe). Seit der Marktöffnung wurde Deutschland zum wichtigsten Partner anstelle der Sowjetunion (BINGEN, 1998). 47 % der in die EU exportierten Waren gehen an Deutschland und 51 % werden aus Deutschland impor- tiert. Im Jahre 2000 wurden 48 % der agraren Produkte und Lebensmittel, die auf den Ge- samtexport an Waren 8,4 % ausmachten, in die EU exportiert; importiert wurden 52 % aus der EU (das waren 6,7 % des Importes von agraren Produkten und Lebensmitteln aus dem Gesamtimport). Damit ergibt sich ein negatives Saldo (àAPIēSKA, 2002).
Letztendlich sei noch darauf hingewiesen, dass regional sowohl wirtschaftliche als auch so- ziale Unterschiede bestehen; die Differenzen zwischen den Woiwodschaften sind z. B. in der Verwendung von Düngemitteln und anderen agraren Parametern als hoch zu bewerten (vgl. Kap. 5.2.2.), doch noch größer sind diejenigen innerhalb der Woiwodschaften (SàODOWA- HEàPA, 1997; SOCZEWKA, 2000). So empfiehlt sich nach SàODOWA-HEàPA (1997) eine Betrachtung von Räumen, in dem Fall der Agrarstruktur, mindestens auf Gemeindeebe- ne.
2.5. F ö rderprogramme der EU
„Landwirtschaftliche Betriebe haben kein eigenes finanzielles Potenzial zur Ausführung gro- ßer Restrukturierungsmaßnahmen des Dorfes oder der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft ist also nicht in der Lage aus eigener Kraft heraus Veränderungen der Agrarstruktur oder Intensi- vierung der Produktion durchzuführen.“ (Übersetzung der Verfasserin aus MICHNA, 2002:
S. 26). Aus diesem Grund braucht Polens Landwirtschaft externe finanzielle und beratende (Vermittlung von Know-how) Hilfe, um einen Ausweg aus der uneffektiven kleinparzelligen landwirtschaftlichen Struktur zu finden. Es sind allerdings nicht alle kleinen Betriebe, d. h. unter 5 ha, gleichermaßen auf finanzielle Hilfe angewiesen. Auf Obst und/oder Gemüse in Treibhäusern spezialisierte Betriebe in der Nähe von Städten (trifft z. T. auf Untersuchungs- gebiet zu) sind in der Lage bei einer kleinen Betriebsgröße effektiv zu wirtschaften (GODLEWSKA, 2002).
1994 wurde von Polen ein offizieller Beitrittsantrag an die EU gestellt und vier Jahre später begannen die Beitrittsverhandlungen (DRL, 2001). Am 01.05.2004 wurde Polen in die EU aufgenommen. Die EU bietet Polen im Rahmen der sogenannten Heranführensstrategie drei verschiedene Programme an: PHARE (Poland Hungary Assistance to Restructuring their E- conomies), SAPARD (Special Accession Programme for Agriculture and Rural Development) und ISPA (Instrument for Structural Policies for Pre-Accession).
Das Programm PHARE wurde 1989 ins Leben gerufen und soll bei der Umgestaltung der Wirtschaft nach EU Standards eine Hilfe sein. Es werden Experten aus den anderen Mit- gliedsländern gestellt, die vor allem beim Aufbau von Institutionen und des Verwaltungsappa- rats (u. a. in den Bereichen Landwirtschaft und Fischerei, Umwelt, Verkehr, öffentliche Fi- nanzen und Regionalpolitik) behilflich sein und die regionalen Unterschiede nivellieren sollen (GODLEWSKA, 2002). Zudem soll in allen Bereichen der gemeinschaftliche Besitzstand übernommen werden. Die finanziellen Mittel belaufen sich ab dem Jahr 2000 auf 1,560 Mio. EUR pro Jahr (gilt für alle neuen Beitrittsländer) (DRL, 2001; KOMMISSION DER EG, 2001; www.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/e50004.htm). Zwischen 1990 und 2000 hat Polen bereits 2.534 Mio. EUR erhalten und damit wichtige Projekte in den Bereichen Verkehr, Privatisierung, Verwaltungsaufbau im Veterinärbereich und Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) verwirklichen können (GODLEWSKA, 2002; KOMMISSION DER EG, 2001). In den Jahren 2000-2002 erhält Polen 398 Mio. EUR jährlich (KOMMISSION DER EG, 2001).
Das Programm SAPARD (ab 2000) zielt in erster Linie auf die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums ab. Wichtige Inhalte sind (DRL, 2001;
www.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/I60023.htm):
- Investitionen in landwirtschaftliche Betriebe
- Verbesserung der Verarbeitung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnis- sen
- Verbesserung der Strukturen für Qualitäts-, Veterinär- und Pflanzenschutzkontrollen sowie für die Verbesserung der Qualität der Lebensmittel und für den Verbraucher- schutz
- Maßnahmen zur Diversifizierung wirtschaftlicher Tätigkeiten
- Schaffung von Einkommensalternativen in ländlichen Gebieten
- Einführung landwirtschaftlicher Produktionsverfahren, in dem der Umweltschutz und die Landschaftspflege anklang finden
- Aufbau von Vertretungs- und Betriebsführungsdiesten für die Landwirtschaft
- Gründung von Erzeugervereinigungen
- Dorferneuerung und -entwicklung sowie Schutz und Erhaltung des ländlichen Erbes
- Bodenmelioration und Flurbereinigung
- Verbesserung der Berufsbildung
- Entwicklung und Verbesserung der ländlichen Infrastruktur
- Unterstützung der Programmplanung und Programmbegleitung
Die finanziellen Mittel für die Landwirtschaft belaufen sich ab 2000 jährlich auf 520 Mio. EUR (gilt für alle neuen Beitrittsländer) (www.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/I66020.htm). Polen erhält in den Jahren 2000-2002 186,6 Mio. EUR jährlich (KOMMISSION DER EG, 2001). ISPA soll im Bereich Umwelt- und Verkehrspolitik finanzielle Hilfe bieten. Für den Zeitraum 2000 bis 2006 steht 1 Mrd. EUR (gilt für alle neuen Beitrittsländer) zur Verfügung. Schwer- punkte der Umweltpläne bilden Trinkwasser- und Abwasserprojekte sowie die Abfallbeseiti- gung. Polen erhält in den Jahren 2000-2002 zwischen 312 und 385 Mio. EUR jährlich (KOMMISSION DER EG, 2001; www.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/I60022.htm). Polen erhält keinen vorgefertigten Plan zusammen mit dem Förderungsgeld. Ganz im Gegen- teil muss Polen selbst Verwaltungsstrukturen schaffen, die es ermöglichen die Fördergelder von der EU für ein bestimmtes Vorhaben, das in einen der genannten Pläne passt, zu bekom- men. Zuerst muss der EU das Vorhaben in Form eines Entwicklungsplans geschildert werden, der einen Zeitraum von sieben Jahren erfassen soll (2000-2006) (DRL, 2001; GODLEWSKA, 2002). In einigen Fällen übernimmt die EU 75 % der Finanzierung, in der Regel jedoch 50 % und in besonderen Fällen auch 100 %. Von der Europäische Kommission werden finanzielle und technische Kontrollen vorgenommen. Die Projekte sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und vor allem der Aspekt, dass diese Vorhaben von der EU kofinanziert werden (www.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/I60023.htm). Die Gemeinde Dragacz strebt den Aufbau eines Kanalisationssystems im Rahmen des SAPARD Programms an.
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU kann nicht so ohne Weiteres auf Polen (und die anderen neuen Beitrittsländer) übertragen werden, da es aufgrund des Preisgefälles zu Über- produktionserscheinungen kommen könnte. Zur Verringerung des Preisgefälles setzt die EU auf die Einkommenshilfe sowie die Förderung der ländlichen Entwicklung und Strukturre- formen mithilfe der o. g. Programme (www.agrar.de/agenda/index.htm, AGENDA 2000). Nach LINNEMANN (2001) wirken direkte Beihilfen strukturkonservierend, da die Landwirte unter solchen Umständen keinen Grund sehen die Landwirtschaft aufzugeben. So will die EU gera- de in der Übergangszeit auf Direktzahlungen verzichten (www.agrar.de/agenda/index.htm, AGENDA 2000).
Mit der AGENDA 2000 soll zudem ein wichtiger Aspekt in die Landwirtschaft einfließen, nämlich der Umweltschutz. Um in Polen einen Umweltschutz durchführen zu können, müs- sen erst mal Verwaltungsstrukturen aufgebaut werden, die nach EU-Standards verfahren kön- nen. Es werden zuallererst im Bereich der Wasser- und Energieversorgung sowie bei der Ab- wasser- und Abfallentsorgung und in der Industrie Investitionen nötig sein (www.agrar.de/agenda/index.htm, AGENDA 2000).
Nach der Einführung der freien Marktwirtschaft wurden in Polen drei staatliche Agenturen eingerichtet, die im Bereich der Landwirtschaft i. w. S. problemorientierte Lösungen entwickeln und eine breit angelegte Unterstützung anbieten sollen; auch in finanzieller Hinsicht (KOWALCZYK, 2002; SàODOWA-HEàPA, 1997):
1. Agentur für den Agrarmarkt (ARR: Agencja Rynku Rolnego)
2. Agentur für landwirtschaftliches Eigentum des Staatsvermögens (AWRSP: Agencja WáasnoĞci Rolnej Skarbu PaĔstwa)
3. Agentur für Restrukturierung und Modernisierung der Landwirtschaft (ARiMR: A- gencja Restrukturyzacji i Modernizacji Rolnictwa) Das Hauptziel der ARR ist die Stabilisierung und der Aufbau von Agrarmärkten sowie der landwirtschaftlichen Einkommen (SàODOWA-HEàPA, 1997).
Die AWRSP hat die Flächen der ehemaligen PGR in einen staatlichen Eigentumsfond aufge- nommen und kümmert sich um deren Verpachtung bzw. Verkauf (KOWALCZYK, 2002).
[...]
1 Z. B. hatte die Inflation dreistellige Werte angenommen, die Außenverschuldung war auf 80 % des BIP angewachsen, die Einkommen waren real gesunken (EGGER, 1996).
2 Innerhalb des landwirtschaftlichen Sektors waren es hauptsächlich die ehemaligen PGR-Mitarbeiter. 11
3 Das sind schätzungsweise 50 % der in der Landwirtschaft Beschäftigten. 15
4 Dürfen sich bei dieser Betriebsgröße nicht arbeitslos melden (MriRW , 2002). 16
5 Nur private Betriebe werden betrachtet, da sie 92,3 % der LF bewirtschaften. 17
6 Und gerade in der Nähe von Städten ist die Nebenerwerbsrate hoch (BUCHHOFER, 1998). 20
7 Das System der Qualitätskontrolle HACCP ist noch nicht ausgereift (KOMMISSION DER EG, 2001). 24
- Arbeit zitieren
- Dipl.-Geographin Olimpia Dorniok (Autor:in), 2005, Die Probleme der Landwirtschaft in Polen. Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten im Zuge der EU-Osterweiterung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49839
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