Fussball ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur „die schönste Nebensache der Welt“ (o.V.) sondern wie eh und je „die Sportart Nr. 1“. Auch wenn seit Jahren die Meinungen über die Leistungen der Herren-Nationalmannschaft im Lande weit auseinander gehen, so Sprechen die Ergebnisse eine relativ eindeutige Sprache. Abgesehen vom doch eher kläglichen Abschneiden bei der Europameisterschaft 2004 in Portugal, steht immerhin der Vize-Weltmeistertitel 2002 in Japan und Südkorea zu Buche. Auch das Abschneiden beim FIFA-Confederations-Cup 2005 im eigenen Lande mit dem 3. Platz weckt doch die Hoffnung auf einen vielleicht „großen“ Erfolg bei der WM 2006. Bundestrainer Jürgen Klinsmann sagte sogar kurz nach dem Confederations-Cup, dass seine Mannschaft „…der Weltspitze ein Stück näher gekommen…“ sei. (Klinsmann, 2005) Obwohl die Popularität der Damen-Nationalmannschaft seit dem Weltmeistertitel 2003 stark gestiegen ist, so trägt sie leider immer noch ein eher „stiefmütterliches“ Dasein in der Republik. Dabei nimmt die Mannschaft um Bundestrainerin Tina Theune-Meyer momentan eine absolute Vormachtstellung in der Welt ein. Neben dem WM-Sieg 2003 und dem Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen, gewannen die Fussballerinnen im Frühjahr 2005 ihren mittlerweile sechsten Titel als Europameisterinnen (www.dfb.de). Zudem stehen sie nach diesem EM-Sieg gemeinsam mit der Frauen-Nationalmannschaft der USA auf dem 1. Platz der FIFA-Weltrangliste, noch vor den Norwegerinnen, welche über Jahre hinweg zur absoluten Weltspitze gehörten (www.fifa.com).
Die Erfolge der beiden National-Mannschaften zeigen also deutlich, dass das Niveau des deutschen Fussballs im internationalen Vergleich sehr viel besser ist, als es im eigenen Lande selbst dargestellt wird.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Mädchenfussball versus Jungenfussball
2.1 Entwicklung des Mädchenfussballs in Deutschland
2.2 Spezifität des Mädchenfussball
2.3 Mädchenspezifische Vermittlung von Fussball
3 Wie können Mädchen zum Fussball aufgefordert werden ?
3.1 Theorie der Fremdaufforderung zur Selbsttätigkeit
3.2 Fremdaufforderung im Rahmen des Sportunterrichts in der Schule
3.3 Außerschulische Fremdaufforderung
4 Rezensionen als eine Betrachtungsweise für unterrichts- und trainingsorientierte Inszenierungen von Fussball
4.1 Die Theorie der Rezension
4.2 Bearbeitungsschritte der Rezension
5 Unterrichtsorientierte Rezensionen
5.1 Rezension einer Schulsportstunde Fussball für Mädchen im Rahmen des Differenzierten Sportunterrichts
5.1.1 Porträt der Fussballstunde
5.1.2 Rezension der Fussballstunde
5.2 Rezension einer Schulsportstunde Fussball für Jungen mit einem Seitenblick auf den Lehrplan Sport
5.2.1 Porträt der Fussballstunde
5.2.2 Rezension der Fussballstunde mit einem Seitenblick auf den Lehrplan Sport
6 Trainingsorientierte Rezensionen
6.1 Rezension einer Trainingseinheit für männliche U 15-Junioren in einem Sportverein
6.1.1 Porträt des Fussballtrainings
6.1.2 Rezension des Fussballtrainings unter Einbeziehung eines Trainingsleitfadens des DFB
6.2 Rezension einer Trainingseinheit für Mädchen im Rahmen eines privaten Fussball-Trainings-Camps für Kinder und Jugendliche
6.2.1 Porträt der Trainingseinheit
6.2.2 Rezension der Trainingseinheit
7 Mögliches Konzept für ein mädchen-orientiertes Fussballtraining im Sportunterricht
8 Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Internetquellenverzeichnis
Erklärung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: „Du spielst wie ein Mädchen“ – Früher war dies noch eine Beleidigung (www.ich-spiele-fussball.de)
Abbildung 2: Mädchen beim Fussballspiel im Rahmen des Differenzierten Sportunterrichts an einem Gymnasium (Katheder, 2005)
Abbildung 3: Lagebesprechung; der Lehrer gibt kurz das Programm für die heutige Fussball-Stunde bekannt (Katheder, 2005)
Abbildung 4: „Volley-Schüsse aus der Drehung“ – Training für Mädchen im Rahmen eines Fussball-Trainings-Camps (Katheder, 2005)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Zahl weiblicher und männlicher Mitglieder und Mannschaften im DFB (www.dfb.de/dfb-info/eigenprofil/mitglieder/mitgliederstatistik)
Tabelle 2: Paradoxie der Erziehung nach BENNER (1991)
Tabelle 3: Der mögliche Weg einer Fussballspielerin von der Schule in den Sportverein (Katheder, 2005)
Tabelle 4: Programmplan eines Fussball-Camps der Firma Intersport für Kinder von 6 bis 14 Jahren (www.intersport-fussballcamp.de)
Tabelle 5: Auszug aus dem bayerischen Lehrplan für Gymnasien, Unterrichtsfach Sport (http://isb.contentserv.net)
Tabelle 6: Grafische Darstellung eines möglichen Konzeptes für den Fussballunterricht mit Mädchen (Katheder, 2005 in Anlehnung an Sinning, S.)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Fussball ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur „die schönste Nebensache der Welt“ (o.V.) sondern wie eh und je „die Sportart Nr. 1“. Auch wenn seit Jahren die Meinungen über die Leistungen der Herren-Nationalmannschaft im Lande weit auseinander gehen, so Sprechen die Ergebnisse eine relativ eindeutige Sprache. Abgesehen vom doch eher kläglichen Abschneiden bei der Europameisterschaft 2004 in Portugal, steht immerhin der Vize-Weltmeistertitel 2002 in Japan und Südkorea zu Buche. Auch das Abschneiden beim FIFA-Confederations-Cup 2005 im eigenen Lande mit dem 3. Platz weckt doch die Hoffnung auf einen vielleicht „großen“ Erfolg bei der WM 2006. Bundestrainer Jürgen Klinsmann sagte sogar kurz nach dem Confederations-Cup, dass seine Mannschaft „…der Weltspitze ein Stück näher gekommen…“ sei. (Klinsmann, 2005)
Obwohl die Popularität der Damen-Nationalmannschaft seit dem Weltmeistertitel 2003 stark gestiegen ist, so trägt sie leider immer noch ein eher „stiefmütterliches“ Dasein in der Republik. Dabei nimmt die Mannschaft um Bundestrainerin Tina Theune-Meyer momentan eine absolute Vormachtstellung in der Welt ein. Neben dem WM-Sieg 2003 und dem Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen, gewannen die Fussballerinnen im Frühjahr 2005 ihren mittlerweile sechsten Titel als Europameisterinnen (www.dfb.de). Zudem stehen sie nach diesem EM-Sieg gemeinsam mit der Frauen-Nationalmannschaft der USA auf dem 1. Platz der FIFA-Weltrangliste, noch vor den Norwegerinnen, welche über Jahre hinweg zur absoluten Weltspitze gehörten (www.fifa.com).
Die Erfolge der beiden National-Mannschaften zeigen also deutlich, dass das Niveau des deutschen Fussballs im internationalen Vergleich sehr viel besser ist, als es im eigenen Lande selbst dargestellt wird.
Bei den Jungen und männlichen Jugendlichen in Deutschland ist die Fussball-Begeisterung seit Jahren ungebrochen: von 3,2 Millionen Schülern im Alter von sechs bis 18 Jahren sind etwa eine Million (also mehr als 30 %) Mitglied im Deutschen-Fußball-Bund. Von 3,4 Millionen Schülerinnen im gleichen Alter sind dagegen nur knapp 222 000 (also ca. 6 %) Mitglieder eines Vereins. (www.bfv.de)
Obwohl die Zahlen im Bereich der Schülerinnen in den letzen Jahren zwar stark gestiegen sind, so sind sie im Vergleich zu den Jungen immer noch sehr gering. Dies mag auf den ersten Blick vielleicht wenig verwundern, da ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung anscheinend immer noch der Meinung ist, dass sich Mädchen weniger den „kampfbetonten“ Spielsportarten als vielmehr den „körperbetonten“ Sportarten wie zum Beispiel Tanzen oder Turnen widmen sollten. Geht man jedoch nach diversen Umfragen, so würden sechs von zehn Mädchen gerne Fussball spielen, wissen jedoch nicht wie und wo sie die Möglichkeit dazu bekommen. (www.bvf.de)
Es scheint also, gerade aufgrund dieser Zahlen und Umfragen, die Aufgabe von Fussballverbänden, Vereinen und Schulen zu sein, noch mehr Konzepte zu entwickeln, welche mehr Mädchen zum Fussball „bringen“, sowie Spaß und Freude an dieser Sportart vermitteln. In den letzten Jahren hat sich vor allem im Bereich des DFB schon einiges getan. Es wurde auf der Homepage des DFB ein Portal für Mädchen erstellt, (www.ich-spiele-fussball.dfb.de) unter dem sich Fussball-Interessierte Mädchen, Trainer oder auch Lehrer einige Anregungen holen können.
Die „Spitze“ der Talentförderung im Bereich der Mädchen-Auswahlmannschaften des DFB funktioniert mittlerweile gut, es muss jedoch noch sehr viel Arbeit an der „Basis“ verrichtet werden. Die „Basis“ stellen hierbei die kleinen Fussballvereine dar, welche ständig versuchen müssen neue Mitglieder zu werben. Doch wie kann dies im Bereich des Mädchen-Fussballs gelingen? Große, mögliche „Mitglieder-Quellen“ stellen hier mit Sicherheit die Schulen dar. Bereits dort ist es sehr wichtig, dass Mädchen Spaß und Freude am Spiel mit dem „runden Leder“ vermittelt bekommen beziehungsweise dass sie überhaupt die Möglichkeit zum Fussballspielen bekommen. Hier herrscht immer noch ein riesiger Mangel an Lehrerkompetenz, da vor allem Sportlehrerinnen zum größten Teil keinerlei Ausbildung auf dem Gebiet Fussball besitzen. Fussball ist erst seit einigen Jahren ein Pflichtfach in der Ausbildung der weiblichen Sportlehrer an den bayerischen Universitäten.
Als eine sehr positive Entwicklung auf diesem Gebiet kommen in letzter Zeit immer mehr sogenannte „Arbeitsgemeinschaften“ (AG) zwischen Schule und Verein zustande. Ausgebildete beziehungsweise erfahrene Vereinstrainer arbeiten dort eng mit Sportlehrern zusammen, um mehr Fussball-Begeisterte Mädchen in die Vereine zu bringen und ihnen dort eine qualifiziertere Förderung zukommen zu lassen.
Auch außerhalb der Vereine beziehungsweise der Schulen werden in den letzten Jahren immer öfter sogenannte „Fussball-Camps“ von privaten Firmen oder Fussball-Schulen veranstaltet. Inwieweit bei solchen Veranstaltungen besonders auf die Förderung von Mädchen Wert gelegt wird, muss sicherlich noch genauer hinterfragt werden.
In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, ob und wie unterschiedlich Lehrer/-innen oder Trainer/-innen das Spiel Fussball an Mädchen beziehungsweise an Jungen vermitteln. Dazu werden explizite Fussball-Trainingseinheiten und Sportunterrichtsstunden miteinander verglichen. Hieraus sollen dann Konsequenzen für ein Konzept für mädchenorientierten Sportunterricht gezogen werden.
In Kapitel 2 wird der Mädchenfussball kurz mit dem Fussball für Jungen verglichen und seine spezifischen Merkmale herausgearbeitet.
Kapitel 3 gibt Vorschläge, wie Mädchen im Rahmen der Schule sowie außerhalb der Schule zum Fussball aufgefordert werden können.
In Kapitel 4 wird die mögliche Theorie einer Unterrichtsrezension vorgestellt und beschrieben, wie diese angewendet werden kann.
Das 5. Kapitel befasst sich anschließend mit den Rezensionen von Sportunterrichtsstunden sowie Trainingseinheiten im Fussballverein. Dazu wird jeweils eine Schulsportstunde mit dem Thema Fussball sowohl für Mädchen als auch für Jungen vorgestellt und rezensiert.
In Kapitel 6 soll diesen Sportunterrichtsstunden jeweils eine Trainingseinheit im Verein für Jungen als auch eine Einheit für Mädchen im Rahmen eines privaten Trainings-Camps gegenüber gestellt werden.
Im abschließenden 7. Kapitel möchte ich ein mögliches Konzept entwickeln, mit welchem den Mädchen das Spiel Fussball im Rahmen des Sportunterrichts vermittelt werden könnte.
2 Mädchenfussball versus Jungenfussball
Vor einiger Zeit noch galt Mädchenfussball in weiten Teilen der männer-dominierten Fussball-Welt als nicht anerkannt, teilweise wurden (und werden leider auch heute noch) Sprüche wie „Du spielst wie ein Mädchen!“ als Beleidigung benutzt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: „Du spielst wie ein Mädchen“ – Früher war dies noch eine Beleidigung (www.ich-spiele-fussball.de)
Mittlerweile jedoch avanciert der Fussball in Deutschland in der Gunst der Mädchen immer weiter oben. „Es war lange Zeit eine Fehleinschätzung, dass Mädchen und Fussball nicht zusammenpassen. Wir haben zu wenigen Mädchen die Chance geboten, sich in der männer-dominierten Sportart zu betätigen. Dies war ein Fehler.“ (Gdawietz, G., 2005)
Aus diesem Grund wurde im April 2005 in Köln der 1. Frauen- und Mädchenfussball-Kongreß mit dem Titel „Die Zukunft des Fussballs ist weiblich“ veranstaltet. Auf diesem Kongreß wurde vor allem das große „Entwicklungspotential“ des Mädchenfussballs in Deutschland herausgestellt. (Gdawietz, G., 2005)
2.1 Entwicklung des Mädchenfussballs in Deutschland
Geht man nach den Statistiken des DFB, so haben sich die Zahlen fussballspielender Mädchen in Vereinen in den letzten 15 Jahren fast vervierfacht. Spielten 1990 in Deutschland rund 58 000 Mädchen zwischen sieben und 14 Jahren Fussball, so waren es zehn Jahre später schon um die 210 000 Mädchen. Vergleichsweise hat sich die Zahl der fussballspielenden Jungen im selben Zeitraum nur knapp verdoppelt (siehe Tabelle 1).
Trotz dieser erfreulichen, steigenden Zahlen im Bereich der Mädchen, stellen sie im Bereich des DFB immer noch eine Minderheit dar. Rund 222 000 aktiven Mädchen (bis 16 Jahren) im Jahre 2004 stehen rund 1,8 Millionen Jungen (bis 18 Jahren) gegenüber. Auch wenn der Vergleich aufgrund der verschiedenen Altersgrenzen leicht „hinkt“, so spielen doch gut achtmal mehr Jungen als Mädchen Fussball im Verein. Im Bereich der Senioren ist das Verhältnis nicht ganz so groß. Rund 635 000 weiblichen stehen etwa 3,5 Millionen männliche Fussballer gegenüber (also gut fünfmal so viele).
Als fast schon „dramatisch“ kann man jedoch die Zahl der derzeitigen Mädchenmannschaften betrachten. Im Jahre 2004 spielten „nur“ 3 400 Juniorinnen-Mannschaften im Spielbetrieb des DFB. Im Vergleich dazu waren es rund 100 000 Junioren-Mannschaften, also knapp dreißigmal so viele (siehe Tabelle 1).
Auch wenn die Zahlen der Mädchen im Vergleich zu den Jungen noch wesentlich niedriger sind, so lässt sich daraus doch ein sehr großer, positiver Aspekt ableiten: „wenn es beim Deutschen-Fußball-Bund noch Mitgliederzuwächse gäbe, dann bei den Frauen“ (Wopp, C., 2005).
Nun ist es also die Aufgabe von Verbänden, Vereinen und auch Schulen, dieses „Potential“ bei den Mädchen zu nützen, um in den nächsten Jahren viele weibliche Mitglieder in die Fussball-Vereine zu „locken“. Besonders schwer dürfte es der Ansicht von Professor Wopp (Professor für Sport und Gesundheit an der Universität Osnabrück) nach nicht werden, da Untersuchungen zufolge „sechs von zehn Mädchen Lust auf Fussball hätten. Dementsprechend dürfte sich der Mädchenfussball „sehr schnell sehr dynamisch entwicklen“, und wird in Deutschland „Ballspielart Nummer eins für Mädchen“ (Wopp, C., 2005).
Darüber hinaus sind einer Umfrage der Firma „alldays“ zufolge 83,5 % der weiblichen Bevölkerung in Deutschland der Meinung, dass über Frauen- und Mädchenfussball mehr berichtet werden sollte (www.bfv.de).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Zahl weiblicher und männlicher Mitglieder und Mannschaften im DFB ( www.dfb.de/dfb-info/eigenprofil/mitglieder/mitgliederstatistik)
2.2 Spezifität des Mädchenfussball
Mädchen und Fussballspielen? – Das war lange Zeit für etliche Leute undenkbar und passt auch heute noch für Viele nicht zusammen. Doch woran liegt es, dass Mädchen im „Lichte der Gesellschaft“ nicht zu „kampfbetonten“ Spielsportarten wie dem Fussball passen?
Kinder werden in das bestehende kulturelle System der Zweigeschlechtlichkeit hineingeboren und müssen es sich aktiv aneignen, um gesellschaftlich anerkannte Subjekte zu werden. Ein Verhalten, das nicht den geschlechtstypischen Erwartungen entspricht, wird frühzeitig in der Regel von Eltern sanktioniert, um die „Einpassung“ (…) des Kindes erfolgreich zu gestalten. (Horter, P., S. 53)
Im Sport gelten anscheinend dieselben patriarchalen Strukturen wie allgemein in der Gesellschaft. Auf Mädchen und Jungen wird hierdurch ein geschlechtsspezifischer Identitätsdruck ausgeübt, wobei spezifisch weibliche Ausdrucksformen keine besondere Anerkennung finden. (Horter, P., S. 44)
Nur wenige Sportarten stellen eine „Fluchtmöglichkeit vor dem Weiblichkeitszwang (dar)…, dort, wo er (scheinbar) Emanzipationsmöglichkeiten eröffnet“ (Kugelmann, C. S. 92)
Für die Wahl dieses Sports (z.B. Handball oder Fussball) ist von den Mädchen jedoch oftmals der Preis von „Unweiblichkeit“ zu zahlen. Ein Mädchen steht scheinbar im Extremfall vor der Entscheidung, Sport zu treiben oder Frau zu sein. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten dann nur die sogenannten „weiblichen Sportarten“ wie Tanzen oder Gymnastik. Diese gesellschaftlich vermittelten Orientierungen bedeuten für Mädchen in hohem Maße eine Einschränkung in ihrer Erfahrungswelt und damit auch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Sportformen, die Aggressivität und Körpereinsatz verlangen, werden von „richtigen“ Mädchen kaum gewählt werden. Doch nur der „männlich orientierte Sport“ scheint ihnen Möglichkeiten zu bieten, „auch als Mädchen rumzutoben, Fußball zu spielen, laut zu sein oder zum Beispiel große Schritte zu machen und kraftvoll aufzutreten“, gesellschaftlich jedoch nur dann toleriert, wenn es funktional ist und zum sportlichen Erfolg beiträgt. (Horter, P., S. 44)
Nun ist die Frage zu stellen, was den Mädchen beim Fussballspielen wichtig erscheint. Mit Sicherheit ist es nicht, wie bei den Jungen, das zweikampfbetonte Spiel mit viel Körperkontakt und kleinen Fouls. Sie legen den Wert eher auf ein „körperloses“ Spiel, was jedoch nicht bedeutet, dass es nicht auch einmal zu einem energischen Körpereinsatz kommt, wenn es denn sein „muss“.
Mädchen denken beim Fussball meist spielorientierter als Jungen. Ihnen ist ein gutes Zusammenspiel innerhalb der Mannschaft oft viel wichtiger als schnell zum Torerfolg zu kommen. Jungen hingegen haben mehr „Zug zum Tor“, spielen direkter und oft auch eigensinniger.
Zudem ist bei Anfängerinnen häufig der Blick ausschließlich auf den Ball gerichtet. Die Beobachtung von Mitspielerinnen und Gegenspielerinnen bereitet zunächst Schwierigkeiten. Folglich orientieren sich fast alle Spielerinnen in Richtung Ball.
Sie legen auch großen Wert darauf, einen zugespielten Ball zunächst unter Kontrolle zu bringen, bevor er weitergespielt wird. Ein direktes Weiterspielen ist eher selten. (Giessing, J., S. 50)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Mädchen beim Fussballspiel im Rahmen des Differenzierten Sportunterrichts an einem Gymnasium (Katheder, 2005)
Bei der Beobachtung von Mädchenfussballspielen fällt außerdem auf, dass es häufig zu langen Spielzügen und einem ausgeprägten Kombinationsspiel kommt. Experten sehen den Unterschied zum Männerfussball darin, dass die Frauen eben keine Pässe über 40 Meter spielen, sondern viel mehr kombinieren und gute Spielzüge zeigen. Dies scheint im Gegensatz zum „Fremden“ des Torschusses eher etwas „Eigenes“ der Mädchen zu sein. (Kugelmann/ Sinning, S. 6)
2.3 Mädchenspezifische Vermittlung von Fussball
Nachdem nun kurz die Spezifität des Mädchenfussballs dargestellt wurde, sollte im nächsten Schritt überlegt werden, wie der Fussball an Mädchen vermittelt werden kann.
Es muss hierbei eine klare Differenzierung zum männlichen Fussball gemacht werden. Dies bedeutet, dass explizit die Stärken von Mädchen berücksichtigt werden sollten. Wie schon im vorangegangenen Kapitel erläutert, haben Mädchen eine besondere Vorliebe für kooperative Spiel- und Übungsformen. Diese sollte als Grundlage für Motivation und Erfolgserlebnisse genutzt werden.
Ebenso sollte die Zurückhaltung vieler Mädchen beim Erkennen und Realisieren von Torchancen oder im unmittelbaren Zweikampf verändert werden und zwar zugunsten von Durchsetzungskraft, Angriffslust und Entschlossenheit beim Torschuss. (Kugelmann/ Sinning, S. 6)
Ein Hauptaugenmerk sollte hier auf das Schulen von Zweikampfsituationen gelegt werden. Denn gerade im Bereich des „Körperkontaktes“ mit Gegenspielerinnen haben die meisten Mädchen noch Hemmungen und Defizite. Im Vergleich zum Jungenfussball wird der Mädchenfussball wahrscheinlich immer etwas „körperloser“ bleiben, jedoch sollten den Mädchen die Vorteile eines körperbetonten Spiels plausibel gemacht werden. Es können dadurch vor allem Spielzüge der gegnerischen Mannschaft leichter verhindert werden.
Jede Spielerin hat eine individuelle Vorgeschichte beziehungsweise individuelle Motive. Auf diese sollte im Fussballunterricht und -training eingegangen werden. Es gibt unter den Mädchen eine Menge Unterschiede in Bezug auf ihre Spielsozialisation und Spielinteressen. Eine Lehrperson muss versuchen, den einzelnen Mädchen oder Gruppen gerecht zu werden.
Kugelmann & Sinning machen zum Beispiel den Vorschlag, die Mädchen relativ grob in erfahrene und unerfahrene Spielerinnen zu unterteilen. In dieser Unterscheidung sollen sich dann die entsprechenden technischen als auch spieltaktischen Vorkenntnisse widerspiegeln. Die Übergänge zwischen den einzelnen Gruppen sollen natürlich fließend sein, so dass die Mädchen je nach individueller Weiterentwicklung auch die Gruppen wechseln können.
Kugelmann & Sinning unterteilen erst einmal in „Erfahrene“ und „Unerfahrene“ Spielerinnen. Die „Erfahrenen“ unterteilen sie dabei in „Erfahrene mit Erfolgsorientierung“, welche auch ruhig einmal mit oder gegen Jungenmannschaften spielen können sowie „Erfahrene mit Spiel-Spaß-Motiv, die bereits Vorerfahrungen aus anderen Ballsportarten mitbringen. Die Gruppe der „unerfahrenen“ Spielerinnen unterteilen sie in „Unerfahrene mit Leistungsorientierung“, also interessierte Mädchen, die bisher wenig Erfahrungen mit (Fuss)-Bällen gemacht haben, „Unerfahrene mit Spiel-Spaß-Motiv“ (zunächst wenig am Fussball interessierte Mädchen die sich bereitwillig auf Fussball einlassen) sowie die Gruppe der „Unerfahrenen mit Abwehr“. Diese Mädchen lehnen den Fussball ab und besitzen kaum Erfahrung mit (Fuss)-Bällen. (Kugelmann/ Sinning, S. 8 f.)
Diese Einteilung der Spielerinnen halte ich für sehr sinnvoll, da sich die Spielerinnen hiermit jeweils in einer relativ homogenen Gruppe befinden, in welcher sie von der Leistung her weder unter- noch überdurchschnittlich abweichen. Dies ermöglicht ein homogenes Training für nahezu alle Gruppen. Lehrer(innen) und Trainer(innen) sollten nach diesem oder einem ähnlichen Muster in ihren Sportstunden oder Trainingseinheiten verfahren. Dadurch können sie eventuell verhindern, dass gerade weniger erfahrene beziehungsweise motivierte Mädchen schnell deprimiert oder lustlos werden.
Allgemein sollten die Lehrer(innen) beziehungsweise Trainer(innen) ihre Lehrmethoden immer auf die Brauchbarkeit für Mädchen überprüfen und eventuell „neue“ Methoden anwenden oder „entwickeln“, um den Mädchen das Spiel Fussball „schmackhaft“ zu machen.
3 Wie können Mädchen zum Fussball aufgefordert werden ?
Laut den Statistiken des DFB stellen die Mädchen, welche aktiv Fussball in einem Verein spielen, im Gegensatz zu den aktiven Jungen immer noch eine große Minderheit dar (siehe Kapitel 2.1). Berücksichtigt man jedoch diverse Umfragen, so wollen noch viel mehr Mädchen Fussball in Vereinen spielen und das Potential an „neuen“ Spielerinnen scheint ebenfalls noch sehr groß zu sein.
Doch was können sowohl Fussballverbände/–vereine als auch Schulen dafür tun, um noch mehr Mädchen in die Vereine zu bringen und wie können sie dabei vorgehen?
3.1 Theorie der Fremdaufforderung zur Selbsttätigkeit
Dietrich Benner formuliert eine These nach der junge Menschen vom Lehrer zum allgemeinen (sowie zum sportlichen) Lernen aufgefordert werden können, wenn sie sich darauf einlassen.
Mit dem Prinzip der „Aufforderung zur Selbsttätigkeit“ beschreibt er den pädagogischen Bezug zwischen Lehrer und Schüler. Dabei gilt die anthropologische Voraussetzung, dass der zu erziehende Mensch grundsätzlich bildsam, d.h. zu produktiver Freiheit fähig ist. Um die individuelle Bildsamkeit zu entwickeln, bedarf es jedoch der ständigen Aufforderung, eben der Erziehung, deren Wesen darin besteht, dass sie diese Fremdaufforderung verzichtbar macht. Im Dienste der Bildung sollen Erziehungsmaßnahmen nur dort eingreifen, wo der Mensch zum selbständigen Handeln noch nicht fähig ist: „Pädagogische Praxis fordert zur Selbsttätigkeit auf. Ohne solche Aufforderung kann der Aufgeforderte nicht selbsttätig werden; allein durch solche Aufforderung kann er es auch nicht, sondern nur vermittels seiner eigenen Mitwirkung. (Prohl, R., S. 100)
Benners Prinzip der „Fremdaufforderung zur Selbsttätigkeit“ gilt auch als ein Bestandteil in der sportdidaktischen Aufarbeitung der Theorie von der „Paradoxie des Sportunterrichts“. Es betrifft die Gestaltung des pädagogischen Bezugs zwischen Lehrer(in) und Schüler(in), also „wie“ der Unterrichtsinhalt (Trainingsinhalt) durch den Lehrer oder auch den Fussball-Trainer vermittelt wird (siehe Tabelle 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Paradoxie der Erziehung nach BENNER (1991)
3.2 Fremdaufforderung im Rahmen des Sportunterrichts in der Schule
Der Sportunterricht in der Schule ist eine Inszenierungsform von Sport, an welcher die Schülerinnen und Schüler mehr oder weniger verpflichtend teilnehmen „müssen“. Hier ergibt sich, meiner Meinung nach, die vielleicht beste Möglichkeit, talentierte Mädchen zu „entdecken“. Eine Grundvoraussetzung ist jedoch, dass die Sportlehrerin über eine Ausbildung im Bereich Fussball verfügt beziehungsweise zumindest talentierte von eher rudimentären Bewegungsformen unterscheiden kein.
Nun wäre es die Aufgabe der Sportlehrerin, jenen Mädchen, welche Begeisterung und Talent für den Fussball zeigen, eine separate Förderung zukommen zu lassen. Dies kann sie zum Beispiel, indem sie die Mädchen nach deren Stärke aufteilt (siehe auch Kapitel 2.3). Nun sollte sie den talentierteren beziehungsweise erfahreneren Schülerinnen etwas anspruchsvollere Übungen stellen als den vielleicht etwas weniger talentierten oder motivierten Schülerinnen. Zudem sollte sie die Mädchen bei Spielformen ebenso in unterschiedlich leistungsstarken Gruppen spielen lassen. Dieses Vorgehen ist vielleicht gerade im Bereich des Schulsports immens wichtig, damit motivierte Schülerinnen nicht sofort die Lust verlieren, wenn sie im Übungsbetrieb mit weniger motivierten Schülerinnen üben „müssen“.
Als nächsten Schritt sollte die Sportlehrerin versuchen, die talentierten Mädchen dazu zu bewegen, an einem eventuell existierenden Fussball-Kurs im Rahmen des Differenzierten Sportunterrichts teilzunehmen. Voraussetzung ist hier natürlich, dass ein solcher Zusatzkurs an der Schule eingerichtet ist und dieser von einem (einer) speziell ausgebildeten beziehungsweise erfahrenen Sportlehrer(in) geleitet wird.
Der große Vorteil eines solchen Kurses liegt freilich auf der Hand: er besteht im Normalfall ausschließlich aus sehr motivierten Mädchen, mit denen der Kursleiter verhältnismäßig anspruchsvoll arbeiten kann. Mit den Mädchen aus solchen Kursen bildet der Sportlehrer/die Sportlehrerin häufig Fussball-Schulmannschaften, welche sich dann meistens im Rahmen von „Jugend trainiert für Olympia“ mit anderen Schulmannschaften messen.
In den letzten Jahren haben im Bereich Mädchenfussball viele Schulen sogenannte „Arbeitsgemeinschaften zwischen Schule und Sportverein“ geschlossen. Hier arbeiten die jeweiligen Schulen eng mit einem oder mehreren Fussball-Vereinen zusammen. Meistens kommen Trainer aus den Vereinen an die Schule und trainieren dort mit den Mädchen. Zusätzlich versuchen die Trainer und der Sportlehrer die Mädchen zum Eintritt in den Verein zu bewegen.
Von solchen „Arbeitsgemeinschaften“ (AGs) können beide Seiten, sowohl der Verein als auch die Schule, profitieren: der Verein erhält oft einige neue Mitglieder, während die Schule von den im Verein gut ausgebildeten Mädchen profitieren und eventuell Erfolge in Wettkämpfen erringen kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Der mögliche Weg einer Fussballspielerin von der Schule in den Sportverein (Katheder, 2005)
3.3 Außerschulische Fremdaufforderung
In Kapitel 2.1 wurde anhand von Zahlen des DFB ersichtlich, dass in den Fussballvereinen in den nächsten Jahren durchaus starke Zuwächse im Bereich der Mädchen möglich sind. Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass den Vereinen die Mädchen regelrecht „zufliegen“ werden. Die Vereine sind also selbst angehalten, das anscheinend vorhandene Potential von Fußball-Willigen Mädchen auszuschöpfen. Doch wie können sie dabei vorgehen?
Die Fussballvereine könnten zum Beispiel den umgekehrten Weg der Schulen (siehe Kapitel 3.2) einschlagen. Vereine, welche mehr Mädchen für sich gewinnen möchten, könnten auf diverse Schulen zugehen um „Arbeitsgemeinschaften“ zwischen Schulen und Vereinen zu bilden, welche bereits in Kapitel 3.2 näher beschrieben wurden. Durch eine solche Zusammenarbeit kann eventuell vielen Mädchen die Mitgliedschaft im Verein „schmackhaft“ gemacht werden. Darüber hinaus könnten über Jahre hinweg immer wieder neue Mädchen für den Vereinssport gewonnen werden.
Fussballvereinen, welche nicht die Möglichkeiten haben Arbeitsgemeinschaften mit Schulen zu gründen, bleibt, meiner Ansicht nach, nur noch der Weg der „Eigenwerbung“. Eine über Jahre hinweg gute Vereinsarbeit im Mädchen- oder Jugendfussball „spricht“ sich meist schnell „herum“ und sorgt damit eventuell für einen dauerhaften Gewinn neuer Mitglieder.
[...]
- Citar trabajo
- Michael Katheder (Autor), 2005, Rezensionen als Vergleich von sportspieldidaktischen Vermittlungen im Mädchen- und Jungenfußball, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49793
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