Der europäische Kultur- und Kreativsektor erwirtschaftet jährlich über eine halbe Billion Euro, stellt 12 Mio. Vollzeitarbeitsplätze zur Verfügung und hat somit allein durch seine Ausmaße große Relevanz. Zur Förderung der Filmbranche, die einen großen Teil dieses Sektors ausmacht, wenden die Mitgliedsstaaten der EU zwischen 2-3 Mrd. Euro pro Jahr auf, die sich auf über 600 nationale, regionale und lokale Förderinstitutionen aufteilen. Der Film ist also ein wirtschaftspolitisch bedeutsames Gut, das wie auch seine Subventionierung weiterer Untersuchung bedarf.
Zentrale Fragen dieser Arbeit sind daher: Welche ökonomischen Besonderheiten zeichnen Filme aus und inwiefern können diese zu Marktversagen führen? Inwiefern ist Filmförderung geeignet möglichen Problemen entgegenzuwirken und welche inhärenten Schwierigkeiten bestehen dabei? Anhand welcher Kriterien ist die Bewertung eines Filmförderregimes sinnvoll? Wie ist die europäische Filmförderung auf supranationaler Ebene zu bewerten?
Obgleich es sich hierbei um eine vorrangig ökonomische Arbeit handelt, dürfen in diesem interdisziplinären Kontext insbesondere politische, kulturelle und rechtliche Dimensionen nicht komplett außenvorgelassen werden. Daneben werden methodisch vorrangig auf theoretischer Ebene gängige (medien)ökonomische Theorien, Modelle und Wirkungsweisen auf die Filmwirtschaft angewendet beziehungsweise hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit überprüft. Neben wissenschaftlicher Literatur wird auch auf gesetzliche Regelungen sowie deren Begründungen und sonstige Veröffentlichungen politischer Institutionen zurückgegriffen. Häufig müssen dabei Erkenntnisse aus der Forschung über die deutsche Filmförderungen und ihre Geschichte auf die europäische Ebene übertragen werden.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen der Filmwirtschaft
2.1 Filmbegriff
2.2 Wertschöpfungskette
2.3 Veränderungen durch technischen Fortschritt
2.4 Aufmerksamkeit und Werbung
3 Ökonomische Problemfelder in Filmmärkten
3.1 Marktmacht
3.2 Öffentliches Gut
3.3 Externe Effekte
3.4 Informationsdefizite
3.5 Meritorik
3.5.1 Defintion und Kritik
3.5.2 Meritorik in der Filmwirtschaft
4 Öffentliche Filmförderung
4.1 Typische Kategorien
4.1.1 Förderungsmotive
4.1.2 Förderungsvoraussetzungen
4.1.3 Förderungsinstrumente
4.1.4 Förderungsebenen
4.2 Mögliche Auswirkungen
4.2.1 Politökonomische Aspekte
4.2.2 Wirtschaftliche Aspekte
4.2.3 Auswirkungen auf Filmhersteller und kulturelle Aspekte
4.3 Privatwirtschaftliche Alternativen
4.4 Zwischenfazit
5 Europäische Filmförderung
5.1 Ausgestaltung
5.1.1 MEDIA
5.1.2 AVMDR
5.1.3 Andere Programme
5.2 Begründung und Ziele
5.3 Bewertung
6 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Wertkette der Filmwirtschaft
Abbildung 2: Entwicklung der Ausgaben für Filmkonsum
Abbildung 3: Home Video Ausgaben
1 Einleitung
Der europäische Kultur- und Kreativsektor erwirtschaftet jährlich über eine halbe Billion € (5,3 % des BIP), stellt 12 Mio. Vollzeitarbeitsplätze zur Verfügung (7,5 % der Erwerbsbevölkerung) und hat somit allein durch seine Ausmaße große Relevanz (vgl. EU Kommission, 2018a, S. 1). Zur Förderung der Filmbranche, die einen großen Teil dieses Sektors ausmacht, wenden die Mitgliedsstaaten der EU zwischen 2-3 Mrd. € pro Jahr auf, die sich auf über 600 nationale, regionale und lokale Förderinstitutionen aufteilen (vgl. EU Kommission, 2013; EU Kommission, 2018a, S. 4). Der Film ist also ein wirtschaftspolitisch bedeutsames Gut, das wie auch seine Subventionierung weiterer Untersuchung bedarf.
Zentrale Fragen dieser Arbeit sind daher: Welche ökonomischen Besonderheiten zeichnen Filme aus und inwiefern können diese zu Marktversagen führen? Inwiefern ist Filmförderung geeignet möglichen Problemen entgegenzuwirken und welche inhärenten Schwierigkeiten bestehen dabei? Anhand welcher Kriterien ist die Bewertung eines Filmförderregimes sinnvoll? Wie ist die europäische Filmförderung auf supranationaler Ebene zu bewerten? Obgleich es sich hierbei um eine vorrangig ökonomische Arbeit handelt, dürfen in diesem interdisziplinären Kontext insbesondere politische, kulturelle und rechtliche Dimensionen nicht komplett außenvorgelassen werden. Daneben werden methodisch vorrangig auf theoretischer Ebene gängige (medien)ökonomische Theorien, Modelle und Wirkungsweisen auf die Filmwirtschaft angewendet beziehungsweise hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit überprüft. Neben wissenschaftlicher Literatur wird auch auf gesetzliche Regelungen sowie deren Begründungen und sonstige Veröffentlichungen politischer Institutionen zurückgegriffen. Häufig müssen dabei Erkenntnisse aus der Forschung über die deutsche Filmförderungen und ihre Geschichte auf die europäische Ebene übertragen werden.
Die strukturierte Erarbeitung von Antworten setzt zunächst die Vermittlung eines grundlegenden Verständnisses von Strukturen der Filmwirtschaft und den relevanten ökonomischen Problemstellungen voraus. Dazu wird im zweiten Kapitel zuerst der verwendete Filmbegriff definiert und anschließend auf den Wertschöpfungsprozess der Filmproduktion und -vermarktung sowie die Veränderungen und Entwicklungen durch den digitalisierten technischen Fortschritt eingegangen. Dieser Wandel wird auch empirisch fundiert.
Das dritte Kapitel untersucht klassische Problemfelder der Ökonomie, die zu Marktversagen führen können. Dabei steht die Anwendung der Theorien auf die Filmwirtschaft im Vordergrund, um zu beurteilen, welche ökonomischen Besonderheiten dort die größte Relevanz haben.
Anschließend werden im vierten Kapitel die Chancen und Risiken von Filmförderung im Allgemeinen diskutiert. Dazu werden zunächst verschiedene Kategorien beleuchtet, um die Vielfältigkeit der Filmförderoptionen abzubilden. Die möglichen Auswirkungen werden unter Berücksichtigung der verschiedenen Filmförderkategorien sowie politökonomischer und kultureller Aspekte dargestellt. Nach dem Aufzeigen privatwirtschaftlicher Alternativen zur öffentlichen Filmförderung, werden in einem Zwischenfazit relevante Kriterien zur Bewertung von Filmförderprogrammen entwickelt, die positive und negative Potenziale berücksichtigen.
Kapitel fünf befasst sich zunächst positiv mit der Ausgestaltung supranationaler europäischer Filmförderung und stellt alle relevanten Einrichtungen und Programme vor, wobei der Fokus auf Initiativen der EU liegt. Unter Berücksichtigung der erklärten Ziele sowie der Kriterien aus Kapitel vier werden die Initiativen der EU zur Filmförderung anschließend bewertet. Das abschließende Fazit fasst die Antworten auf die Forschungsfragen und andere Befunde der gesamten Arbeit zusammen und zeigt Perspektiven für weitere Forschung in diesem Feld auf.
2 Grundlagen der Filmwirtschaft
2.1 Filmbegriff
Die Bibliographisches Institut GmbH (2018) versteht unter Film, im für diese Arbeit relevanten Sinne, eine „mit der Filmkamera aufgenommene Abfolge von bewegten Bildern, Szenen, Handlungsabläufen o.Ä., die zur Vorführung im Kino oder zur Ausstrahlung im Fernsehen bestimmt ist“. Dabei bliebe zu ergänzen, dass Filme heutzutage regelmäßig mit einer Tonspur versehen sind und neben Kino und Fernsehen noch weitere Distributionsformen existieren wie etwa die mittels Datenträger (z.B. DVD, Blu-Ray oder Videokassette) sowie seit einigen Jahren der Online-Vertrieb z.B. als sogenanntes Video on Demand (VoD).
Die demnach als Film bezeichneten Güter sind sehr vielfältig. So gibt es diverse inhaltliche und technische Unterscheidungsmöglichkeiten: Genre, Distributionskanal, Dauer oder Episodenstruktur. Allerdings ist trotz stark variierender Budgets eine eindeutige vertikale Differenzierung aufgrund individueller Vorlieben1 der Rezipienten nicht möglich (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 9).
Da diese Arbeit den Fokus auf europäische Instrumente der Filmförderung legt, sollte sich auch der zugrunde gelegte Filmbegriff an dem Verständnis des gesamteuropäisch relevantesten Förderprogramms MEDIA orientieren. Diese Förderung der EU umfasst Serien, Spiel- und Dokumentarfilme unabhängig ihres Distributionskanals. Je nach Förderstrang können bestimmte Einschränkungen bestehen, die sich meistens auf die Dauer der Produktion und die Herkunft der Akteure beziehen (s.u. Kapitel 5.1.1). Von diesem breiten Verständnis förderungsfähiger Güter und Plattformen soll nur im Bereich Videospiele abgewichen werden, die für diese Analyse keine Rolle spielen werden (vgl. Creative Europe Desk Hamburg, 2017a, S. 9-17).
Dieses umfassende Verständnis von Film ist auch aufgrund von oft nicht trennscharfen Differenzierungen zwischen Kategorien wie Serie und Filmreihe oder Spielfilm und Dokumentation sinnvoll. Hybride wie dokumentarische Spielfilme oder Dokumentationen mit einzelnen Spielszenen gehören gerade zu den anspruchsvollen und innovativen Filmproduktionen, die für die öffentliche Filmförderung von Interesse sind. Obwohl Filme häufig in erster Linie mit Unterhaltung verbunden werden, können auch informative Inhalte transportiert werden (Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 2).
Dennoch ist im Kontext der Filmförderung die genaue Betrachtung und Differenzierung der eingereichten Projekte zentral. Einige der im dritten Kapitel näher ausgeführten ökonomischen Aspekte sind nicht für alle Filmkategorien gleichermaßen relevant. So können nicht alle Eigenschaften von informierenden Medien, die den Schwerpunkt der medienökonomischen Literatur ausmachen, unmittelbar auf unterhaltende Medien angewendet werden. Dies gilt selbstverständlich auch vice versa (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 2-3). Dementsprechend ist es wichtig sich diese Vielfalt immer wieder zu vergegenwärtigen, da für unterschiedliche Kategorien oder Genres verschiedene Implikationen gerade im Hinblick auf externe Effekte gelten.
2.2 Wertschöpfungskette
Das Produkt Film zeichnet sich unter anderem durch seine komplexe Wertschöpfungskette aus. Abbildung 1 ist eine typische Darstellung dieser Wertschöpfungskette, welche vier Stufen postuliert. Dabei ist zu beachten, dass von den großen Investitionen für ein Filmprojekt immer nur die Kosten der bereits durchlaufenen Stufe vollständig versunken sind. Im Laufe des gesamten Prozesses wird daher immer wieder überprüft, ob und in welcher Weise die Filmproduktion fortgeführt werden soll (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 8).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Wertkette der Filmwirtschaft (Wirtz, 2006, S. 279)
Fundament eines jeden Filmprojekts ist die erste Phase der Beschaffung oder Pre-Production. Dabei ist es die Aufgabe des Produzenten, die Produktion zu planen sowie Finanz- und Personalmittel zu beschaffen (vgl. Wirtz, 2006, S. 279). Zuvor müssen bei Spielfilmen die entsprechenden Rechte für die Handlung erworben werden. Bei großen Produktionen ist es üblich, bestimmte Aufgaben an spezialisierte Agenturen zu übertragen (z.B. Casting der Schauspieler). Die Koordination obliegt dabei jedoch immer dem Produzenten. Als Produzenten fungieren häufig große Produktionsunternehmen wie etwa die Major-Studios in den USA (vgl. Vogel, 2007, S. 106-107, 116).
Die zweite Stufe stellt die eigentliche Filmproduktion im technischen Sinne dar und umfasst auch Nachbearbeitungen des Materials wie den Schnitt oder die Kombination mit Ton (vgl. Wirtz, 2006, S. 279), welche zu großen Teilen nachträglich erfolgt. Dabei werden zahlreiche Akteure mit technischen und künstlerischen Aufgaben aktiv. Neben den Schauspielern, Kameraleuten und Tontechnikern bedarf es etwa auch Experten für den Bau und die Gestaltung der Sets oder zur Integration von Spezialeffekten (vgl. Vogel, 2007, S. 116). Am Ende dieser Stufe steht die Fertigstellung des vermarktungsfähigen Films (vgl. Wirtz/Kerner/Ullrich, 2009, S. 381).
Im vorletzten Schritt ist der Rechtehandel oder Filmverleih der Verwertung von Filmen vorgeschaltet. Filmverleiher vermarkten dabei die temporären Vorführrechte an Kinos. Üblicherweise wird dafür keine fixe Filmmiete verlangt, sondern ein bestimmter Anteil des Eintrittserlöses, welcher bei besonders attraktiven Filmen über 50% der Erlöse ausmachen kann (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 35). Zudem werden entsprechende Rechte auch an Free- und Pay-TV-Sender, Hersteller von haptischen (DVD, Blu-ray, VHS) und rein digitalen Kopien (Online-Streaming) sowie Produzenten von Merchandiseprodukten verkauft (vgl. Wirtz, 2006, S. 279).
Traditionell erfolgt die Verwertung von Filmen im Rahmen sogenannter Verwertungsfenster. Den jeweiligen Verwertungsstufen werden bestimmte, exklusive Zeitfenster garantiert. Beginnend mit der Auswertung im Kino folgt die Verfügbarkeit im Home-Video-Format wie DVD und Blu-ray. Anschließend werden die Filme online zum Streaming verfügbar gemacht. Danach folgen zunächst die Pay- und zuletzt die Free-TV-Verwertung. Der potenzielle Zuschauerkreis wird also immer mehr ausgeweitet. Ziel dieses Vorgehens ist es, auf jeder Verwertungsstufe Substitutionseffekte zu minimieren und die Kaufkraft optimal über einen langen Zeitraum abzuschöpfen (vgl. Kehoe/Mateer, 2015, S. 97; Neumann, 2016, S. 23).
Substituierbarkeit spielt eine große Rolle auf den Filmabsatzmärkten. Rimscha/Ehrlich (2016, S. 25) beschreiben drei Konkurrenz- beziehungsweise Substitutionsebenen: Erstens konkurrieren die verschiedenen Distributionskanäle wie Kino, DVD oder Streaming. Diese schließen sich jedoch nicht zwingend aus. So ist es etwa durchaus denkbar, dass ein Kinobesucher einen Film bei Gefallen auch noch auf anderem Wege erwirbt. Streamingpakete können auch Personen ansprechen, die einen Film ohne entsprechende Flatrate nicht konsumiert hätten und somit den erreichten Nachfragerkreis erweitern. Zweitens konkurrieren Filme untereinander - insbesondere bei ähnlichen Genres und kurz aufeinander folgenden Veröffentlichungsdaten. Drittens sind Filme Substitute anderer Freizeitbeschäftigungen wie etwa anderer Mediennutzung. Das Maß an verfügbarer Freizeit ist somit ein relevanter Einflussfaktor der Filmnachfrage.
2.3 Veränderungen durch technischen Fortschritt
Der Wertschöpfungsprozess in der Filmwirtschaft hat sich durch viele technische Innovationen verändert. Im Bereich der Filmproduktion gab es durch die Digitalisierung eine Verschiebung der Investitionen zur Post-Production hin. Gerade in den Bereich der visuellen Nachbearbeitung fließen bei großen Filmproduktionen bis zu einem Drittel der Produktionsbudgets. Dabei handelt es sich nur zum Teil um Mehrkosten, da die visuelle Nachbearbeitung, aufwändige Gestaltung der Filmsets oder auch kostenintensive Dreharbeiten außerhalb von Studios und mit einer großen Zahl von Darstellern und Komparsen ersetzt. Da die Nachbearbeitung digital erfolgt, ist ein weltweiter Wettbewerb entsprechender Dienstleister möglich. So ist etwa das Stuttgarter Unternehmen Mackevision für zahlreiche Effekte der US-amerikanischen Serie Game of Thrones verantwortlich (vgl. Goldmedia GmbH Strategy Consulting/Hamburg Media School GmbH/DIW Econ GmbH, 2017, S. 77-78).
Deutlich größer ist der Einfluss der Digitalisierung auf den Wandel im Bereich der Distribution und folglich auch des Rechtehandels. Wirtz (2006, S. 279) bezeichnet alle Verwertungskanäle neben dem Kino als Ancillary Markets und geht somit von einem traditionellen, kinozentrierten Verständnis der Filmdistribution aus, in welchem andere Verwertungsformen eine untergeordnete Rolle spielen. Bevor es die Möglichkeiten des Online-Streamings oder des Fernsehens gab, waren Filme und Kino direkt miteinander verknüpft. Inzwischen hat sich das Kino allerdings zu einem unter vielen Auswertungskanälen entwickelt, der zwar immer noch eine große Rolle spielt, aber an Bedeutung verloren hat und weiter verlieren könnte (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 2).
Diese Entwicklung zeigt auch Abbildung 2. Sie stellt den Verlauf der Ausgaben für Kinobesuche und Home Video Angebote von 2000 bis 2016 dar. Dabei wird in die drei Kategorien Kino, Leihvideos und Kaufvideos unterschieden. Neben den physischen Leih- und Kaufvideos werden auch die digitalen Optionen TVoD (Transactional Video on Demand) und EST (Electronic Sell Through) in diesen Kategorien erfasst. TVoD bedeutet, dass entsprechende Videos online kostenpflichtig geliehen werden und somit dem Nutzer für eine Dauer von mehreren Stunden oder Tagen zur Verfügung stehen. Zum Ansehen wird also eine dauerhafte Internetverbindung benötigt oder das komplette Video wird vorübergehend auf dem Abspielgerät gespeichert. Anders ist dies beim Konzept EST, welches den Erwerb einer digitalen Videokopie zwangsläufig einschließt, die der Käufer auf sein Abspielgerät herunterlädt und dauerhaft speichert. Für die Jahre 2015 und 2016 wird zudem die Kategorie SVoD (Subscription Video on Demand) ausgewiesen, welches das Streaming eines Videoportfolios im Rahmen eines Abonnements ermöglicht (vgl. Brunner, 2009, S. 59-64). Die Daten basieren auf der Befragung eines kontinuierlichen Panels von 25 000 Personen ab einem Alter von 10 Jahren (vgl. GfK, 2017, S. 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Entwicklung der Ausgaben für Filmkonsum (GfK, 2018, S. 13)
Es ist zu erkennen, dass die Kino- und Home Video-Ausgaben insgesamt im beobachteten Zeitraum zwar grundsätzlich einem positiven Trend folgen, aber auch zwischenzeitliche Rückgänge und Stagnationen existieren. Die größten Wachstumsraten lassen sich von 2000 bis 2004 erkennen. Obwohl die Kinoausgaben ab 2001 bis 2003 deutlich fallen, wird diese Entwicklung durch steigende Videoausgaben überkompensiert. Dies hatte eine deutliche Abnahme des relativen Anteils der Kinoausgaben von 47,5% im Jahr 2000 auf nur noch 30,4% im Jahr 2005 zur Folge. Dieser Wert ist der Tiefststand des Anteils der Kinoausgaben. Doch selbst im Rekordjahr 2015, in dem sowohl die Kinoausgaben als auch die Gesamtausgaben einen neuen Höchstwert erreichten, stieg der Kinoanteil nur noch auf 38,7%. Die absolut recht hohen Kinoausgaben sind zudem das Ergebnis erhöhter Preise, die niedrige Besucherzahlen ausgleichen (vgl. GfK, 2017, S. 12).
Um zu zeigen, dass die Auswertung stark von Technologien abhängt und deren Verbreitung häufig einer Wellenform folgt, stellt Abbildung 3 eine genauere Ausdifferenzierung der Ausgaben im Home Video-Markt dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Home Video Ausgaben (GfK, 2018, S. 22)
Wie schnell Innovationen die Marktstruktur deutlich verändern können, lässt sich sehr gut an der Verbreitung von VHS-Kassetten erkennen. Während ihr Marktanteil im Jahr 2000 noch bei über 80% lag, war er 5 Jahre später zu Gunsten des DVD-Systems auf unter 3% gefallen. Die DVD-Umsätze wiederum hatten ihren absoluten Höhepunkt 2005 und sinken seit 2007 kontinuierlich sowohl absolut als auch relativ. Der Grund dafür war zum einen die Blu-ray-Disc, welche dasselbe Format wie DVDs hat, aber über ein deutlich größeres Speichervolumen verfügt und somit den Vertrieb von hochauflösenden Inhalten ermöglicht (vgl. Deutschmann, 2009, S. 24). Mittlerweile stellt der Wechsel von physischen zu digitalen Vertriebswegen eine noch weitreichendere Veränderung durch die Digitalisierung dar. 2016 wurden schon gut 42% des Home Video Marktes rein digital bedient.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass die Digitalisierung große Auswirkungen auf die Wertschöpfungsbereiche von Filmen hat. Insbesondere bei der Auswertung gibt es mehr Flexibilität, geringere Kosten und mehr Vermarktungsmöglichkeiten. Alte Strukturen wie starre Verwertungsfenster, der Auswertungskanal Kino und physische Leih- oder Kaufvideos verlieren an Bedeutung und neue Akteure, die in erster Linie online agieren, werden immer relevanter. Dies führt zu dem Entstehen neuer Geschäftsmodelle, in dem Konsumenten eine deutlich aktivere Rolle spielen (vgl. Kehoe/Mateer, 2015, S. 98-99).
2.4 Aufmerksamkeit und Werbung
Im Bereich der Filmdistribution spielt es eine wichtige Rolle, dass Filmvorführungen zahlreiche Publikumskontakte ermöglichen. Neben dem Verkauf des Gutes Film, kann zusätzlich die erzeugte Aufmerksamkeit vermarktet werden. Aufgrund dieser beiden Vermarktungsmöglichkeiten handelt es sich bei Filmen um duale Güter (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 7).
Für Kino, Streaming- und TV-Anbieter sind Filme somit auch ein Vehikel zur Schaffung eines attraktiven Werbeumfelds. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer wird durch den Verkauf von Werbeplätzen als Einnahmequelle genutzt. Kinos setzen zusätzlich noch auf den Verkauf von Speisen und Getränken. Ihr Geschäftsmodell kann zur Veranschaulichung mit dem einer Tankstelle verglichen werden: Während Treibstoff der Hauptgrund für Konsumenten zum Aufsuchen einer Tankstelle darstellt, gehen Kinobesucher aufgrund von Filmen in Kinos. Dennoch ist dieser Hauptgrund nicht gleichzeitig der Hauptgewinnbringer, da Lebensmittel oder Autozubehör größere Gewinnmargen ermöglichen. Die zusätzlichen Erlöse der Kinos fließen zwar nicht direkt den Filmproduzenten zu, jedoch rechtfertigt diese zusätzliche Einnahmequelle bessere Konditionen für die Rechteinhaber z.B. in Form einer höheren Filmmiete (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 35-36).
Ohne die vermittelnde Funktion der Distributoren kommen sogenannten Product-Placements aus. Bei dieser vergleichsweise subtilen Werbeform werden Marken oder Markenprodukte gegen Bezahlung in das Filmset oder sogar in die Handlung integriert. Dem Werber ermöglicht dies die Ansprache einer filmspezifischen Zielgruppe. Im Vergleich zu Fernsehwerbepausen gibt es auch kein Vermeidungsverhalten durch Wegschalten. Für den Filmproduzenten entstehen zum einen durch die gezahlten Entgelte der Werber Einnahmen und zum anderen senkt die kostenlose Bereitstellung von Requisiten wie z.B. Fahrzeugen die Produktionskosten (vgl. Diesbach, 2009, S. 141). Um Zuschauer vor Täuschung über den werbenden Charakter eines Programms zu schützen, sind Product-Placements gemäß Rundfunkstaatsvertrag und dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in Deutschland nur in engen Grenzen erlaubt und bedürfen insbesondere eines Hinweises zu Beginn und Ende der Sendung (vgl. Ruess/Landscheidt, 2016, S. 42-43). Der Aspekt des Films als Werbeträger ist je nach Lesart eine Spezifikation der Vermarktungsebene oder eine zusätzliche Ebene im gesamten Wertschöpfungsprozess.
3 Ökonomische Problemfelder in Filmmärkten
„Ökonomisch betrachtet handelt es sich bei Filmen um „Mautgüter" oder - bei ausverkauften Kinovorstellungen - sogar um reine private Güter, d. h. zahlungsunwillige Nutzer können vom Konsum ausgeschlossen werden. Darüber hinaus gehen von der Filmwirtschaft weder technologische Externalitäten aus, noch handelt es sich um ein natürliches Monopol, noch sind Informationsasymmetrien relevant. Somit kann die staatliche Filmförderung ökonomisch nicht mit dem Vorliegen allokativen Marktversagens begründet werden.“ (Knorr/Schulz, 2009, S. 248)
Folgt man dieser Auffassung, wäre dieses gesamte Kapitel quasi hinfällig. Ebenso müsste die anschließende ökonomische Bewertung der europäischen Filmförderung schon mangels ökonomischer Begründungsmöglichkeiten negativ ausfallen. Die Gründe aus denen der Autor der zitierten Auffassung von Knorr/Schulz in ihrer Absolutheit nicht folgt, werden in den folgenden Unterkapiteln dargelegt. Dabei soll im Vordergrund stehen, wie relevant diese ökonomischen Besonderheiten für Filmmärkte sind und inwiefern sie zu Marktversagen führen können.
3.1 Marktmacht
Ein Unternehmen mit Marktmacht ist bei mangelndem Wettbewerb in der Lage, seine Preise oberhalb der Grenzkosten anzusetzen. Diese Form des Marktversagens hat Wohlfahrtsverluste zur Folge und erhöht die Produzentenrente. Statistische Hinweise auf Marktmacht geben hohe Marktkonzentrationen und hohe Preisaufschläge auf die Grenzkosten, wobei letztere deutlich schwerer zu bestimmen sind (vgl. Dewenter/Rösch, 2015, S. 100-102). Konzentrierte Strukturen oder sogar Monopolmärkte können in Bereichen mit hohen Fixkosten und Größenvorteilen natürlich entstehen (vgl. Beck, 2018, S. 20). Damit entsprechende Fixkosten nicht bei einer Vielzahl von Unternehmen anfallen, sind Oligopole oder Monopole dann grundsätzlich effizienter als die Bereitstellung durch viele Unternehmen. Um Marktversagen in Form von Missbrauch der Marktmacht zu verhindern, bedarf es jedoch potenzieller Konkurrenten oder regulatorischer Eingriffe.
Es gibt zahlreiche Aspekte, die das Ent- und Bestehen von Marktmacht in der Filmwirtschaft begünstigen. Dabei sind zunächst die hohen und vollständig versunkenen Produktions- und Marketingkosten zu nennen. Bei großen US-amerikanischen Produktionen reichen diese von 150 Millionen bis zu über einer halben Milliarde US-$. Diese Investitionen sind zudem sehr spekulativ. Zum einen können im Rahmen der Produktion unvorhergesehene Probleme auftreten - mit dem Potenzial, das gesamte Filmprojekt scheitern zu lassen. Zum anderen hängt der kommerzielle Erfolg eines Films auch von vielen unkontrollierbaren Faktoren auf den Absatzmärkten ab und es bestehen insofern Nachfrageunsicherheiten (vgl. Finney, 2015, S. 8). Zwischen dem Tätigen der Investition und dem unsicheren Rückfluss von Geldern stehen zudem lange Zeiträume, die mehrere Jahre umfassen können. In der Folge ist ein Markteintritt nur für sehr finanzstarke Akteure möglich und aus den beschriebenen Gründen eher unattraktiv (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 18).
Bereits auf den Märkten aktive Unternehmen haben Vorteile gegenüber potenziellen Konkurrenten, die einen Markteintritt zusätzlich erschweren. Größe, Erfahrung und funktionierende Netzwerke verschaffen bestehenden Unternehmen Kostenvorteile (vgl. Dewenter/Rösch, 2015, S. 33). Reputationsmechanismen sind eine Folge von Unsicherheiten im Filmgeschäft (s.u. Kapitel 3.4) und begünstigen ebenfalls bestehende Unternehmen und Akteure, die sich durch vorhergehende Projekte Reputation erarbeiten konnten. Dies gilt insbesondere für Schauspieler, die als Stars gelten und somit großen Einfluss auf den Erfolg eines Films haben. Da das Starangebot begrenzt ist, können hohe Gagen ausgehandelt werden, die mitunter einen relevanten Anteil der Produktionskosten ausmachen. Interdependenzen von Reputation verstärken Konzentrationstendenzen zusätzlich, da die Reputation einer Produktionsfirma auf Beschaffungs- und Absatzmärkten wirkt. Zudem hilft die Reputation der Produktionsfirma, Schauspieler mit höherem Bekanntheitsgrad zu verpflichten, was wiederum auf die Absatzmärkte durchschlägt (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 20-21; Wirtz/Kerner/Ullrich, 2009, S. 384).
Die Tendenz, Unternehmen zu vergrößern, erklärt sich unter anderem mit dem Ziel der Risikominimierung. Diversifizierung und die Möglichkeit, mehrere Produktionen verschiedener Genres parallel zu realisieren, senkt das Risiko ausschließlich mit gescheiterten Projekten konfrontiert zu sein und ist nur hinreichend großen Unternehmen möglich. Auch die Neigung zu vertikaler Integration, also der Aktivität eines Unternehmens auf mehreren Ebenen des Wertschöpfungsprozesses, ist in der Filmwirtschaft relevant und führt zur Bildung größerer Unternehmen mit mehr Marktmacht (vgl. Picard, 2011, S. 202).
Finney (2015, S. 8) spricht von einem Oligopol der sechs großen Studios in den USA, welche durch vertikale Integration sowohl Finanzierung, Produktion als auch Verwertung von Filmprojekten dominieren. Dabei handelt es sich um Warner Brothers, Walt Disney, Sony Pictures, 20th Century Fox, Universal und Paramount Pictures (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 22). Sie vereinen im Zeitraum von 1995 bis heute über 77% des Verleihumsatzes in Nordamerika auf sich (vgl. Nash Information Services, 2018). Auch in Deutschland ist eine starke Marktkonzentration zu beobachten. Hier teilen sich 2% der Verleih- und Vertriebsunternehmen knapp 80% des Gesamtumsatzes (vgl. Goldmedia GmbH Strategy Consulting/Hamburg Media School GmbH/DIW Econ GmbH, 2017, S. 84).
Für unabhängige Produktionsfirmen scheidet vertikale Integration aufgrund mangelnden Kapitals aus. Dementsprechend sind sie auf andere Distributionsunternehmen angewiesen, die aufgrund ihrer entscheidenden Position als „gatekeeper“ bezeichnet werden (vgl. Kehoe/Mateer, 2015, S. 98; Finney, 2015, S. 69). Die Distributoren gehören häufig auch zu Produktionsgesellschaften. Daraus ergeben sich Diskriminierungsmöglichkeiten und -anreize zum Nachteil der unabhängigen Produzenten, die deren Markteintritt und Bestehen erschweren (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 24, 31). Dasselbe gilt in Deutschland für den Bereich der Fernsehfilme, in welchem senderabhängige und -unabhängige Produzenten miteinander konkurrieren. Die Monopolkommission (2006, S. 48) sieht die Gefahr, dass die eigenen privatrechtlichen Tochterunternehmen von öffentlich-rechtlichen Anstalten bevorzugt behandelt werden und somit der Wettbewerb verzerrt wird. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, werden transparente und kontrollierte Vergabeverfahren empfohlen.
Die Wertschöpfungsstufe der Distribution und Verwertung ist auch aufgrund ihrer Kostenstruktur prädestiniert für die Entwicklung von Marktmacht. In diesem Bereich sind zunächst erhebliche Investitionen erforderlich, bis ein Kino, eine Online-Plattform oder eine DVD-Produktion betriebsbereit ist. Ab diesem Punkt sind die Grenzkosten der Vervielfältigung vergleichsweise gering und tendieren im Bereich der Vermarktung via Internet sogar gegen null (vgl. Picot/Neuburger, 2006, S. 132). Diese sogenannten Skaleneffekte begünstigen, aufgrund der hohen Fix- und sinkenden Durchschnittskosten, die Bildung von Oligopolen oder sogar Monopolen. Die Produktion in wenigen oder auch nur einem Unternehmen spart Fixkosten ein, die für jedes Unternehmen bei Markteintritt neu anfallen würden (vgl. Dewenter/Rösch, 2015, S. 25).
Durch die Distributionsmöglichkeiten über das Internet haben neue Akteure an Bedeutung gewonnen und somit auch den Wettbewerb intensiviert. Dennoch wirken auch hier die bereits beschriebenen Mechanismen, die zu vertikaler Integration, Marktkonzentration und Marktmacht führen. Unternehmen wie Netflix sind nicht nur als Streaminganbieter aktiv, sondern investieren zunehmend in aufwändige Eigenproduktionen, die ohne die klassischen Vertriebswege auskommen. So kündigte der CFO von Netflix für das Jahr 2018 Investitionen in Höhe von 7 bis 8 Milliarden US-$ in Eigenproduktionen an (vgl. Thomson Reuters, 2017, S. 13).
Die Onlinevermarktung von Filmen ermöglicht es auch, Nischen zu bedienen. Filme mit geringer Nachfrage konnten Lager- und Distributionskosten nicht decken und waren nicht verfügbar. Die Digitalisierung senkte diese Kosten und zudem auch die Informationskosten durch die einfache Möglichkeit der Onlinerecherche mit Filter- und Empfehlungsfunktionen (vgl. Stürmer, 2009, S. 429). Daraus ergeben sich auch Möglichkeiten für die Finanzierung unabhängiger Projekte wie das Crowdfunding. Dabei können verschiedene Unterstützer ein (Film-) Projekt mit frei gewählten Beträgen fördern, was durch entsprechende Online-Plattformen populärer wurde. Auf diesem Weg entstand unter anderem die Filmfortsetzung der Serie Stromberg, die innerhalb einer Woche eine Mio. € von ungefähr 3 000 Unterstützern erhielt (vgl. Deutscher Bundestag, 2014, S. 4, 7).
Es kann festgehalten werden, dass Marktmacht auf Filmmärkten relevant ist. Da diese auf mehreren nachgelagerten Ebenen des Wertschöpfungsprozesses vorkommt, können sich resultierende Preiserhöhungen verstärken. Dieser schädliche Effekt wird als doppelte Marginalisierung bezeichnet (vgl. Dewenter/Rösch, 2015, S. 81-84). Neue Finanzierungs- und Distributionsmöglichkeiten durch die Digitalisierung geben auch unabhängigen Produzenten mehr Handlungsspielräume. Der Absatzmarkt wird deutlich nachfrageorientierter und die Verbindung von Produzenten und Konsumenten durch Onlineangebote enger. Dennoch sind die größten Profiteure der neuen Geschäftsmodelle Oligopolisten, die auch vertikale Integration zur Verbesserung ihrer Marktposition nutzen (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 33). Fixkostendegression kann dazu führen, dass die Bereitstellung durch einen einzelnen Anbieter effizient ist, die beschriebenen Marktzutrittsbarrieren ermöglichen jedoch das Ausnutzen von Marktmacht.
3.2 Öffentliches Gut
Öffentliche Güter zeichnen sich durch zwei Eigenschaften aus: Nicht-Rivalität im Konsum und Nicht-Ausschließbarkeit. Nicht-Rivalität im Konsum bedeutet, dass öffentliche Güter durch ihre Nutzung nicht verbraucht werden können und dadurch auch nicht an Qualität verlieren. Nicht-Ausschließbarkeit setzt voraus, dass potenzielle Nutzer nicht (mit vertretbarem Aufwand) von der Nutzung ausgeschlossen werden können. Typische Beispiele für öffentliche Güter sind Landesverteidigung oder Straßenbeleuchtung. Die Finanzierung öffentlicher Güter über den freien Markt ist problematisch. Da alle von dem Gut profitieren können, ohne sich an der Finanzierung beteiligen zu müssen, besteht die Gefahr von Trittbrettfahrerverhalten. Die Erwartung, das öffentliche Gut kostenlos von anderen bereitgestellt zu bekommen, führt daher im Ergebnis häufig dazu, dass es gar nicht oder in zu geringem Maße angeschafft wird. Lösungsansätze für diese Problematik sind vertragliche Bindungen oder staatliche Bereitstellung (vgl. Dewenter/Rösch, 2015, S. 15-16).
Zunächst lässt sich festhalten, dass der Film sich als immaterielles Gut nicht verbraucht und somit grundsätzlich die Voraussetzungen für Nicht-Rivalität erfüllt. Abhängig vom Trägermedium kann es jedoch zu Rivalität kommen. So kann eine Kinovorstellung ausverkauft sein und eine einzelne DVD parallel nicht von beliebig vielen Personen genutzt werden. Folgt man dem Ablauf der klassischen Verwertungskette, fällt auf, dass die Rivalität im Konsum mit jeder Stufe sinkt. Während das Kino gerade aufgrund seiner Exklusivität funktioniert, können DVDs zeitunabhängig genutzt werden. Nach der Free-TV Ausstrahlung besteht quasi keine Rivalität mehr, da jeder Besitzer eines Endgeräts den Film ohne Einschränkungen ansehen und aufnehmen kann (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 3-4). Auch bei Streaming-Plattformen besteht keine Rivalität im Konsum – vielmehr profitieren Nutzer von der Größe eines Netzwerks, da es dem Anbieter ermöglicht, mehr Lizenzen zu erwerben oder mehr Geld in Eigenproduktionen zu investieren. Dieser Zusammenhang wird als Netzwerkeffekt bezeichnet (vgl. Dewenter/Rösch, 2015, S. 26).
Auch die Voraussetzung der Nicht-Ausschließbarkeit lässt sich nicht für alle Distributionskanäle bejahen. Technisch ist es weitgehend möglich, bestimmte Gruppen von der Nutzung von Medieninhalten auszuschließen. Bei Kinos durch räumliche Abtrennung und Einlasskontrollen, bei DVDs und vergleichbaren Trägermedien durch Kopierschutz, im Pay-TV Bereich durch Signalverschlüsselung und auf Streaming-Plattformen durch ein Accountsystem. Andere Geschäftsmodelle setzen jedoch gerade auf Nicht-Ausschließbarkeit. Das Modell Free-TV hat zum Ziel, möglichst große Zuschauerzahlen zu erreichen, um Werbeplätze zu höheren Preisen verkaufen zu können. Die Konsumenten zahlen einen nicht-monetären Preis in Form ihrer Aufmerksamkeit (vgl. Dewenter/Rösch, 2015, S. 15-17).
Allerdings müssen auch illegale Distributionsformen in die Analyse einbezogen werden. Urheberrechtsverletzungen in Form von Streaming oder Download illegaler Kopien wurden durch das Internet ermöglicht. Dadurch wird ein Film zum öffentlichen Gut, da weder Streamen noch Downloaden des Films zu Qualitätseinbußen bei anderen Nutzern führt (Nicht-Rivalität) und alle Personen mit Internetzugang uneingeschränkt Zugriff auf die bereitgestellten Daten haben (Nicht-Ausschließbarkeit) (vgl. Dödrechter, 2006, S. 10-11). Dass die verschiedenen Formen der Urheberrechtsverletzungen über das Internet kein Randphänomen sind, zeigt das Lagebild der GVU (2016, S. 2). Demzufolge existierten im Juni 2016 allein 101 derartige Portale mit dem Fokus auf deutschsprachige Nutzer, die monatlich insgesamt 166 Millionen Zugriffe aufweisen. Die genaue rechtliche Einordnung insbesondere von privatem Streaming sowie die konkrete Verfolgung sind sehr komplex und gehen über den Rahmen dieser Arbeit hinaus2.
Bei der Betrachtung des Films hinsichtlich der Eigenschaften öffentlicher Güter muss auch zwischen Unterhaltung und Information unterschieden werden. Während Unterhaltungsfilme angesehen werden müssen, um ihren Nutzen zu entfalten, neigen Informationen aus Produktionen mit Dokumentationscharakter und investigativem Anspruch zur Diffusion (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 3). Konkret bedeutet dies, dass Informationen auch abseits des Konsums der entsprechenden Dokumentation verbreitet und genutzt werden können. Von der Aufdeckung von Korruption oder Kartellbildung profitieren alle und das unabhängig davon, ob sie die betreffende Dokumentation finanziell unterstützt oder auch nur gesehen haben. Diese Beispiele betreffen sowohl die Thematik der öffentlichen Güter als auch die der positiven Externalitäten, auf welche im kommenden Abschnitt 3.3 näher eingegangen wird.
Der Film hat Eigenschaften, die ihn unter bestimmten Voraussetzungen zu einem öffentlichen Gut machen. Problematisch ist dies im Bereich der unlizenzierten Verbreitung, die inzwischen vor allem über das Internet stattfindet. Schäden für die Filmindustrie können durch die Substitution regulärer Angebote zu Gunsten kostenloser Verbreitung entstehen sowie durch Präventionsmaßnahmen gegen Raubkopien und kostenintensive Prozesse zur Verfolgung von Filmpiraterie (vgl. Dödrechter, 2006, S. 64-66).
3.3 Externe Effekte
Problematische externe Effekte entstehen, wenn das Verhalten eines Wirtschaftssubjekts Auswirkungen auf ein anderes hat und hierfür keine Kompensationen geleistet werden. Sie können positiv oder negativ sein. Positive externe Effekte führen zu einer ineffizienten Unterproduktion des betreffenden Gutes, da der Produzent lediglich den Marktpreis berücksichtigt und für die positiven Auswirkungen außerhalb seines Betriebs nicht vergütet wird. Aufgrund des gleichen Zusammenhangs führen negative externe Effekte zu Überproduktion aus Wohlfahrtssicht. Marktversagen kann durch eine Internalisierung der externen Effekte mittels Verträgen, Steuern oder Subventionen verhindert werden (vgl. Dewenter/Rösch, 2015, S. 43-44).
Beginnend mit positiven externen Effekten der Filmwirtschaft können Filme mit der Vermittlung von Informationen und Bildung verbunden sein (vgl. Dewenter/Rösch, 2015, S. 44; EAI, 2018, S. 28). Auch dies trifft eher auf Dokumentationen mit journalistischem Anspruch zu, die auch eine demokratische Kontrollfunktion erfüllen können (vgl. Jarren, 2014, S. 317). Filme können auch als Werbung für ihre Schauplätze dienen und sogenannten Filmtourismus zur Folge haben, von welchem die regionale Wirtschaft profitiert (vgl. Goldmedia GmbH Strategy Consulting/Hamburg Media School GmbH/DIW Econ GmbH, 2017, S. 128). Zudem sind Netzwerkeffekte vorstellbar, sodass der gemeinsame Konsum oder auch nur das Kennen bestimmter Filme soziale Kontakte fördert (vgl. Dewenter/Rösch, 2015, S. 44). Ähnlich, aber dabei etwas weitergehend, argumentiert auch das Europäische Parlament (2017) in einem Beschluss zur Durchführung des Kultur- und Filmförderprogramms Kreatives Europa. Dort wird auf die große Bedeutung von Kultur und insbesondere Film für die Entwicklung einer europäischen Identität für ein friedliches Zusammenleben verwiesen. Das BMWi (2012, S. 72) spricht der gesamten Kreativwirtschaft zudem eine Vorreiterrolle auf dem Weg in eine wissensbasierte Ökonomie zu. Die Nutzung und Nachfrage moderner Technologie gebe den externen Herstellern immer wieder Impulse für Innovationen.
Jedoch können auch negative Externalitäten mit Filmen verbunden sein. Diese werden etwa gewaltverherrlichenden Inhalten zugeschrieben, sind aber wissenschaftlich umstritten (vgl. Dewenter/Rösch, 2015, S. 44). Die aufwändigen Dreharbeiten können eine Belastung für die Umwelt der genutzten Drehorte sein. Viele beteiligte Personen und der Transport des umfangreichen Equipments verursachen Lärm, Müll und andere schädliche Emissionen. Das europäische Netzwerk der regionalen Filmförderungseinrichtungen Cine-Regio (2017) berichtet regelmäßig über Maßnahmen zur Eindämmung solcher Probleme. Private Mediennutzung stellt aufgrund begrenzter Zeit immer ein Substitut zu anderen Beschäftigungen dar. Bei exzessiver und suchthafter Nutzung kann die Pflege sozialer Kontakte insbesondere bei Jugendlichen vernachlässigt werden. Ansprechende Medieninhalte sind hierfür keine alleinige Ursache, fördern diese Problematik jedoch (vgl. Hajok/Rommeley, 2014).
Die hier aufgeführten externen Effekte dürfen nicht mit den Auswirkungen von Ausgaben im Rahmen der Filmproduktion verwechselt werden. Solche „Regionaleffekte“ (Neumann, 2016, S. 131) entstehen durch die Unterbringung der Filmteams, deren Verköstigung und Transport (vgl. Kumb, 2014, S. 23). Da diese Kosten aber sehr wohl im Rahmen der Filmproduktion berücksichtigt werden, handelt es sich gerade nicht um externe Effekte3. Regionaleffekte sind zwar wirtschaftspolitisch aus Sicht einer Region oder eines Landes relevant, jedoch nicht gesamtwirtschaftlich.
Externe Effekte können also in vielfältiger Form in der Filmwirtschaft auftreten. Einen adäquaten Umgang mit diesen erschwert besonders der Umstand, dass sie in ihrer Gesamtheit schwer zu beziffern sind.
3.4 Informationsdefizite
Fehlende Information sind ein häufiger Grund für Marktversagen, da für rationale Entscheidungen eine ausreichende Informationsbasis benötigt wird. Allgemein unterscheidet man in der Ökonomie drei Güterarten, die in unterschiedlichem Maße mit Unsicherheiten belastet sind. Suchgüter offenbaren dem Konsumenten nicht auf den ersten Blick ihre Eigenschaften. Die Informationen lassen sich jedoch vor der Kaufentscheidung unter Aufwendung von Suchkosten gewinnen. Erfahrungsgüter hingegen offenbaren ihre Eigenschaften erst nach ihrer Nutzung. Die größte Informationsunsicherheit besteht bei Vertrauensgütern, deren Qualität der Konsument nie abschließend beurteilen kann (vgl. Nelson, 1970, S. 312; Dewenter/Rösch, 2014, S. 19-20).
In der Filmwirtschaft existieren Informationsprobleme und Unsicherheiten auf mehreren Ebenen des Wertschöpfungsprozesses. Auf der Anbieterseite herrscht auf den Beschaffungsmärkten für Inhalte und Personal Qualitätsunsicherheit und auf dem Absatzmarkt Nachfrageunsicherheit (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 36). Es ist sehr schwierig, die spezifischen Beiträge der beteiligten Kreativen an der Qualität und dem Erfolg des Produkts zu messen (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 15). Dementsprechend können Grenzerträge einzelner Akteure selbst ex post nicht immer genau bestimmt werden.
Verträge mit z.B. Schauspielern können nie vollständig sein, da sich ihr Beitrag zu einem Film nicht objektiv, etwa anhand eines Inputs an Arbeitszeit oder Drehmaterial-Outputs, messen lässt. Eine genaue Kategorisierung im Rahmen der drei vorgestellten Güterarten ist nicht eindeutig möglich, da Aspekte verschiedener Güter zutreffen. Mit Hilfe von Agenturen und Vorsprechterminen lassen sich Eigenschaften wie Sprachfähigkeiten eindeutig bestimmen (Suchgut). Professionalität, Arbeitseinsatz und Verlässlichkeit können nach den Dreharbeiten gut eingeschätzt werden (Erfahrungsgut). Ob der Schauspieler aber wirklich seinen vollen Einsatz gezeigt hat und ob ein anderer Schauspieler in der Rolle zu einem besseren Einspielergebnis geführt hätte, lässt sich nie eindeutig beantworten (Vertrauensgut). In der Folge ist ein auf Reputation aus vorangegangenen Projekten basierendes Maklersystem auf den Beschaffungsmärkten eine entscheidende Instanz (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 12).
Auf den Absatzmärkten lässt sich die Nachfrage ex ante nicht eindeutig bestimmen. Dieser Umstand macht einen großen Teil des Risikos bei Filmproduktionen aus, was aufgrund der hohen versunkenen Kosten besonders schwer wiegt. Um eine hohe Nachfrage zu fördern wird häufig auf erprobte Stoffe z.B. in Form von Filmreihen oder Neuverfilmungen zurückgegriffen (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 8-13). Pointiert zusammengefasst sprechen Rimscha/Ehrlich (2016, S. 9) von einer Strategie, „die auf den kleinsten gemeinsamen Geschmacksnenner abzielt“.
Auch der Konsument ist in Verbindung mit dem Gut Film mit Unsicherheiten konfrontiert. Dietl/Franck (2000, S. 394) fassen die Erfahrungsguteigenschaften des Films als „Unterhaltungsparadoxon“ wie folgt zusammen: „Damit sich ein potenzieller Nachfrager ein Urteil über den Wert angebotener Unterhaltung bilden kann, muß er die Unterhaltung konsumieren. Nachdem er sie konsumiert hat, braucht er sie aber nicht mehr nachzufragen.“ Zwar gibt es ex ante einige Informationsquellen wie Trailer oder Filmkritiken, diese können aber nicht alle Unsicherheiten abschließend beseitigen, was auch daran liegt, dass Filme sich nicht objektiv vertikal differenzieren lassen (vgl. Rimscha/Ehrlich, 2016, S. 9). Einem drohenden Marktversagen durch gewinnversprechende Täuschung der Konsumenten (vgl. Dietl/Franck, 2000, S. 594) stehen allerdings Reputationsmechanismen entgegen, da Filmkonsum üblicherweise kein einmaliger oder seltener Vorgang ist und Schauspieler wie Produzenten versuchen, sich als Marke zu etablieren. Letztlich bleiben den Konsumenten eben jene Anhaltspunkte, die den Anbietern eine verlässliche Nachfrage versprechen, wie berühmte Schauspieler und erprobte Stoffe. Zudem wird auch die Publikumsattraktivität als solche zu einer Art Qualitätskriterium für Rezipienten wie Produzenten, welches sich selbst potenziert (vgl. Kiefer, 2005, S. 178-179).
In der Filmwirtschaft haben sich mit Makler- und Reputationssystemen diverse Strukturen entwickelt, um Marktversagen in Folge von Informationsunsicherheiten entgegenzuwirken. Da Filme Erfahrungsgüter sind, entwickeln sich auf Anbieter- wie Nachfragerseite Strategien, die zu einer Homogenisierung der produzierten Filme führt und somit Innovationen behindern können.
3.5 Meritorik
3.5.1 Defintion und Kritik
Meritorik ist ein umstrittenes ökonomisches Konzept, das mehrere der bereits beschriebenen Problemfelder berührt und auch interdisziplinär diskutiert wird. Es geht auf Musgrave (1957, S. 341) zurück, der den Begriff der meritorischen Bedürfnisse („merit wants“) einführte. Im Gegensatz zu diesem ursprünglich nachfrageorientierten Ansatz wird in der neueren Literatur eher von meritorischen Gütern gesprochen (vgl. Rau, 2017, S. 3). Rau (2017, S. 2) definiert diese folgendermaßen:
„ Meritorische Güter sind private oder öffentliche Güter mit positiven externen Effekten, die aufgrund (aggregierter) Individualpräferenzen niederer Ordnung in geringerem Maße konsumiert werden als dies Präferenzen höherer Ordnung wünschenswert erscheinen lassen, was staatliche oder anderweitig regulierende Markteingriffe begründend absichert. Jene als meritorisch erkannten Bedürfnisse lassen sich über einen historisch veränderlichen gesellschaftlichen Kontext formulieren, sie sind im Individuum angelegt, entspringen dort aber dem Wunsch eine funktionsfähigen, gerechten, zukunftsorientieren Gemeinschaft anzugehören und nehmen abhängig von der Perspektive den Charakter von im Einzelnen begründeten kollektiven Bedürfnissen ein. “
Unklar ist hier zunächst die Unterscheidung nieder- und höhergeordneter Präferenzen. Dem liegen die Auffassungen zugrunde, dass erstens die individuellen Präferenzen in einem relevanten Maße falsch oder verzerrt sein können und es zweitens übergeordneten politischen Prozessen möglich ist, resultierende suboptimale Marktergebnisse zu verbessern (vgl. Rau, 2017, S.6). Auf Anreizstrukturen im politischen Prozess wird im vierten Kapitel näher eingegangen, da staatliche Markteingriffe sich auf alle beschriebenen Problemfelder beziehen können. Die erste Annahme ist jedoch noch grundlegender und ermöglicht es politischen Akteuren zumindest prinzipiell ein ineffizientes Marktergebnis zu beeinflussen.
Theorien und Erkenntnisse über verzerrte Präferenzen sind nicht neu. Mit systematischen Abweichungen von neoklassischen Verhaltens- und Handlungsannahmen befasst sich insbesondere die Verhaltensökonomie4. Präferenzen können auch zeitinkonsistent und somit aufgrund von Impulsivität oder Willensschwäche verzerrt sein (vgl. Rau, 2017, S. 10; Möcker, 2015, S. 123-124). Ferner können unvollständige oder ungenaue Informationen die Präferenzbildung beeinflussen (vgl. Rau, 2017, S. 6)
Die unterschiedlichen Präferenzen können auch als Instanzenproblem mit unterschiedlichen Präferenzebenen verstanden werden. Das Handeln des Staates kann ein Individuum binden, um einen Vorteil dieser Bindung zu realisieren, der die individuelle Einschränkung überwiegt. Klassische Beispiele hierfür wären etwa die Schulpflicht oder Verkehrsregeln (vgl. Monopolkommission, 2006, S. 344; Rau, 2017, S. 5, 8). Insofern müssen die meritorischen Bedürfnisse aus individueller Sicht nicht zwingend externe Werte darstellen, sondern können auch als aufgeklärte Metapräferenzen des Individuums aufgefasst werden (vgl. Tietzel/Müller, 1998, S. 97-98; Rau, 2017, S. 5). Dementsprechend hätten die externen Effekte meritorischer Güter auch eine interne Komponente.
Worauf genau der Unterschied zwischen individuellen und gesellschaftlichen Präferenzen beruht, kann im Rahmen dieser Arbeit dahinstehen. Es ist ausreichend, dass dargelegt wurde, wie dieses Auseinanderfallen von Präferenzen ökonomisch plausibel erklärt werden kann. Zur Definitionsfrage lässt sich also zusammenfassen, dass die Nachfrage nach meritorischen Gütern für ein gesellschaftlich wünschenswertes Marktgleichgewicht zu gering ist. Dieser Zustand kann in der Folge zur Rechtfertigung staatlicher Eingriffe herangezogen werden (vgl. Kumb, 2014, S. 16; Monopolkommission, 2006, S. 344). Das Konzept der Meritorik verbindet dabei je nach genauem Verständnis externe Effekte, Informationsdefizite sowie Erkenntnisse interdisziplinärer Wirtschaftsforschung wie der Verhaltensökonomie.
Kritik am Konzept der Meritorik sieht diese meist als pseudo-ökonomisches Feigenblatt, das politische Akteure zur Durchsetzung eigener Interessen nutzen. In Bezug auf Förderprojekte unterliege die Auswahl „ausschließlich einem (kultur-) politischen Werturteil, nicht aber objektiven Kriterien.“ (Knorr/Schulz, 2009, S. 249) Der Meritorik so jedoch jede ökonomische Dimension abzusprechen, überzeugt aufgrund der gut belegten zugrundeliegenden Mechanismen nicht und lässt sich nur mit einem grundlegend anderen Verständnis von Meritorik erklären. Nichtsdestotrotz sind die Ermittlung und Messung meritorischer Bedürfnisse, ähnlich wie im Bereich der externen Effekte, schwer zu realisieren. Diese Unsicherheit kann durchaus im politischen Prozess ausgenutzt werden. Auch der paternalistische Grundgedanke einer übergeordneten Instanz, die für das Individuum entscheidet, was am besten für es ist, bringt in Verbindung mit einem modernen freiheitlichen Gesellschaftsverständnis Probleme mit sich (vgl. Rau, 2017, S. 13).
Meritorik stellt einige der grundlegenden ökonomischen Annahmen wie den „Rationalitätsanspruch des homo oeconomicus in Frage.“ (Rau, 2017, S. 5) Auch Schlüsse wie, dass gerade die geringe Nachfrage zu einer Investitionsnotwendigkeit führen soll, wirken auf den ersten Blick ökonomisch grotesk. Dennoch gibt es zahlreiche Ansätze, die eine Theorie der meritorischen Güter oder Bedürfnisse stützen. Wird diese als Argument für staatliche Eingriffe angeführt, ist eine genaue Überprüfung des Sachverhalts nötig.
3.5.2 Meritorik in der Filmwirtschaft
In Bezug auf die Filmwirtschaft wurden bereits in Kapitel 3.3 zahlreiche mögliche positive externe Effekte behandelt. Im Kontext der Meritorik kommen dabei in erster Linie schwer greifbare Werte kultureller Natur in den Blickpunkt. Dazu gehören etwa der Erhalt des kulturellen Erbes eines Landes oder einer Region, kulturelle Vielfalt und Bildung. Etwas despektierlich schreiben Knorr/Schulz (2009, S. 249) von „volkserzieherischen Zwecken“ und greifen damit den Paternalismusvorwurf auf. Dem kann entgegengehalten werden, dass diese Werte für sich weder in der Literatur noch gesamtgesellschaftlich zur Disposition gestellt werden und somit als konsensual angesehen werden können.
Der kulturelle Wert von Filmen kann unter anderem darin liegen, aktuelles Geschehen kritisch zu reflektieren und somit den Diskurs über relevante Fragestellungen in der Gesellschaft voranzubringen. Das fördert „Meinungsbildung, Informiertheit [und] Transparenz“ (Rau, 2017, S. 3), was für demokratisch verfasste Gesellschaften unerlässlich ist. Auch die interkulturelle Bildung insbesondere in sprachlicher Hinsicht kann durch das Medium Film gefördert werden. Für spätere Generationen können Filme in anschaulicher Weise den Zeitgeist konservieren und so auch wertvolle historische Einblicke gewähren (vgl. Kumb, 2014, S. 21).
Diese positiven Eigenschaften von Filmen haben die Tendenz nur unzureichend nachgefragt zu werden. Ein Hauptgrund hierfür ist, dass entsprechende Filme einen hohen Anspruch an die Rezipienten stellen und der Konsum für diese somit auch mit einem gewissen Aufwand verbunden ist. Solche Filme nur nebenbei mit geringer Aufmerksamkeit anzusehen, schränkt mögliche positive Effekte ein und hat eher geringen Unterhaltungswert. Zur kurzfristigen Bedürfnisbefriedigung und Entspannung ist leichte Unterhaltung besser geeignet, was dieser zu einer höheren Nachfrage verhilft – Rau (2017, S. 22) spricht in diesem Zusammenhang von gratifikatorischen Inhalten. Obwohl höhere Ziele wie Bildung und Diskurs unstrittig sind, lässt sich so eine andere individuelle Handlungstendenz erklären.
Folglich können meritorische Eigenschaften für bestimmte Filme bejaht werden. Allerdings muss im Umkehrschluss auch darauf hingewiesen werden, dass Filme ebenfalls demeritorische Inhalte transportieren oder Effekte hervorrufen können (vgl. Rau, 2017, S. 3). Hierzu sei nochmals exemplarisch auf Gewaltdarstellungen oder Auswirkungen übermäßigen Medienkonsums verwiesen (s.o. Kapitel 3.3).
Meritorik kann also unter bestimmten Voraussetzungen Eingriffe in die Filmwirtschaft rechtfertigen. Dabei ist eine genaue Auswahl der zu fördernden Projekte essenziell, um positive Effekte zu erzielen und keine negativen Effekte zu verstärken. Hierbei ist das Identifizieren und Quantifizieren solcher Effekte mit Problemen verbunden, da meritorische Bedürfnisse im Markt nicht bepreist sind. Dennoch sind sie eine verhandelbare Gesellschaftsrealität (vgl. Rau, 2017, S. 21). Neben dem Paternalismusvorwurf müssen politische Akteure auch in der Abwägung zwischen künstlerischer Freiheit und einem möglichst hohen Maß an Information über die zu fördernden Projekte eine große Sensibilität an den Tag legen. Eine staatlich zu sehr beeinflusste Medienwelt birgt Missbrauchspotenzial und lässt sich nicht mit dem freiheitlichen und demokratischen Grundanspruch der EU vereinbaren. Auch deshalb müssen Handlungen, zu deren Rechtfertigung meritorische Erwägungen eine Rolle spielen, einer genauen und kritischen Überprüfung auf Plausibilität standhalten.
4 Öffentliche Filmförderung
Den beschriebenen Problemfeldern kann durch staatliche Fördermaßnahmen entgegengewirkt werden. Im ersten Teil soll zunächst geklärt werden, weshalb Filmförderung gewährt wird und wie dies geschehen kann. Nach der Darstellung möglicher Auswirkungen von Filmförderung, unter anderem mit politökonomischen Methoden, werden Alternativen zu öffentlicher Filmförderung dargestellt und erörtert. Das Zwischenfazit hält zusammenfassend Kriterien fest, die im Anschluss für die Analyse europäischer Filmförderung herangezogen werden.
4.1 Typische Kategorien
Zur Veranschaulichung wird in diesem Unterkapitel häufig auf Beispiele der deutschen Filmförderpraxis verwiesen, die dann im fünften Kapitel mit den Gegebenheiten auf europäischer Ebene verglichen werden. „[D]ie staatliche Filmförderung in Deutschland [stellt] ein äußerst vielschichtiges Geflecht von Förderzielen, konkurrierenden Regelwerken und Kompetenzen, direkten und indirekten Beihilfen dar“ (Knorr/Schulz, 2009, S. 253) und eignet sich somit sehr gut für eine Darstellung gängiger Filmförderungsvarianten.
4.1.1 Förderungsmotive
Allgemein lassen sich die Motive für Filmförderung in zwei große übergeordnete Kategorien einteilen: wirtschaftliche und kulturelle Motive (vgl. EU Kommission, 2013, Nr. 6; Grund 5 AVMDR). Beide Motivcluster lassen sich weit ausdifferenzieren. Während die wirtschaftlichen Zielsetzungen in der Regel klar umrissen werden können, sind die kulturellen Motive gerade ökonomisch deutlich schwerer greifbar. Unter anderem im Bereich meritorischer Argumentationen gibt es jedoch auch Überschneidungen.
Kultur wird als ein Garant für kreativen Fortschritt gesehen (vgl. EU Kommission, 2013, Nr. 6). Große gesellschaftliche Bedeutung besteht auch in den Bereichen Informationsfreiheit, Meinungsvielfalt, Bildung und Kultur (vgl. Grund 5 AVDMR). Alle diese Aspekte kann das Kulturgut Film beinhalten und fördern.
Wirtschaftliche Motive beziehen sich aus deutscher und europäischer Perspektive oft auf die starke Position der USA auf den europäischen und weltweiten Filmmärkten (vgl. Kumb, 2014, S. 21). Die Filmförderung mit Anknüpfung an regionale, nationale oder kontinentale Merkmale der Produktionen, soll dieser marktbeherrschenden Stellung entgegenwirken (vgl. Deutscher Bundestag, 2016, S. 75). Die Problematik dieser US-amerikanischen Marktmacht liegt allerdings nicht in der Auswirkung auf Preise, da selbst die Begründung des Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films (FFG) von 2016 festhält, dass „Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, [..] nicht zu erwarten“ (Deutscher Bundestag, 2016, S. 2) sind. Vielmehr steht also bei dieser Argumentation die kulturelle Bedeutung einer wettbewerbsfähigen deutschen Filmwirtschaft im Mittelpunkt. So hält § 2 Nr. 4 FFG auch ausdrücklich fest, dass durch eine „internationale Orientierung“ die „wirtschaftliche und kulturelle Ausstrahlung im Ausland“ verbessert werden soll.
Deutsche wie europäische Filme können sich in der Regel nicht selbst refinanzieren und sind von diversen öffentlichen Filmförderungen abhängig. Gründe dafür sind einerseits die national wie international zu kleine Auswertungsmärkte sowie die geringen privaten Investitionen in diesem Bereich, welche sich auf große Unsicherheiten im Absatz des Films als „Hochrisikoprodukt“ (Deutscher Bundestag, 2016, S. 75) zurückführen lassen. Um diese strukturellen Probleme zu überwinden, müsse laut EU Kommission (2013, Nr. 6) eine „kritische Masse an Aktivitäten erreicht werden, die erforderlich ist, um die für die Entwicklung und Konsolidierung der Branche notwendige Dynamik zu erzeugen.“ Dazu sollen auch private Investitionen beitragen. Dementsprechend ist das Ziel der Subventionierung, eine weitere Subventionierung mittel- bis langfristig obsolet zu machen. Welche Probleme dieser Zielsetzung entgegenstehen, soll unten in Kapitel 4.2 unter dem Begriff „Subventionsmentalität“ (Knorr/Schulz, 2009, S. 266) erörtert werden.
Kumb (2014, S. 16) schlägt eine allgemeine Kategorisierung von Subventionsmotiven in drei Gruppen vor: Sie können zum einen der Erhaltung eines Wirtschaftssektors dienen (Erhaltungsmotiv). Zum anderen kann die Anpassung eines Wirtschaftssektors an veränderte Gegebenheiten erleichtert werden (Anpassungsmotiv). Darüber hinaus kann auch die Förderung neuer zukunftsorientierter Märkte im Fokus stehen (Gestaltungsmotiv).
Das Erhaltungsmotiv ist in Hinblick auf bestehende Strukturen und Arbeitsplätze maßgebend und schließt auch die positiven externen Effekte der Filmwirtschaft und der Beschäftigung in diesem Bereich ein. In der EU trägt der Kultur- und Kreativsektor „509 Milliarden EUR an Mehrwert zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei, was 5,3 % des gesamten BIP der EU entspricht; zudem stellt der Sektor mehr als 12 Millionen Vollzeitzeitarbeitsplätze, was mit 7,5 % der europäischen Erwerbsbevölkerung gleichzusetzen ist.“ (EU Kommission, 2018a, S. 1) Eine wirtschaftliche Relevanz dieses Sektors, der jedoch nicht nur die Filmwirtschaft einschließt, besteht also. Auch das Ziel mit der deutschen Filmwirtschaft ein Gegengewicht zur US-amerikanischen Marktdominanz zu fördern, folgt diesem Erhaltungsmotiv (vgl. Kumb, 2014, S. 21). Ökonomisch problematisch ist dieses, wenn dauerhaft nicht wettbewerbsfähige Wirtschaftszweige nur durch Subventionen erhalten werden und dabei eher individuelle Prestigeerwägungen von Entscheidern anstelle von externen Effekten und begründeten meritorischen Erwägungen eine Rolle spielen (vgl. Kumb, 2014, S. 74). Das Ziel sollte es also sein, die Wettbewerbsfähigkeit der Filmindustrie langfristig zu steigern, indem mehr Zuschauer auch auf neuen Märkten erschlossen werden und ausreichend private Investitionen angereizt werden, um somit die Förderungsabhängigkeit zu beenden.
[...]
1 Beispielsweise sind im low-budget Bereich sogenannte Trashfilme bei bestimmten Zielgruppen gerade aufgrund ihrer amateurhaften Machart und daraus resultierender Komik gefragt (vgl. Sarkosh/Menninghaus, 2016, S. 41).
2 Einen Überblick zur rechtlichen Einordnung dieser Thematik bietet Marly (2014).
3 Präziser könnten Regionaleffekte auch als pekuniäre externe Effekte bezeichnet werden. Da diese lediglich Ausdruck veränderter Knappheitsrelationen sind, die zu Preisveränderungen führen, sind pekuniäre externe Effekte ökonomisch gesehen nicht nur unproblematisch, sondern gerade Ausdruck eines funktionierenden Marktes (vgl. Ohr/Schmidt, 2007, S. 131-132). Als externe Effekte werden daher im Rahmen dieser Arbeit nur jene Effekte bezeichnet, die zur Verhinderung von Marktversagen ihrer Internalisierung bedürfen.
4 Tversky/Kahneman (1974) gelten als Begründer dieses ökonomisch-psychologischen Forschungsfelds. Inzwischen konnten zahlreiche Verzerrungen (Bias) in der Entscheidungsfindung von Menschen experimentell bestätigt werden. Eine umfangreiche Darstellung des Forschungsfelds und dessen Entwicklung liefert Heukelom (2014).
- Quote paper
- Myro Kerler (Author), 2018, Supranationale Subventionspolitik in der europäischen Filmförderung. Eine ökonomische Analyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/497552
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