Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema Bewegungsmangel, genauer welche Auswirkungen ebendieser auf den Körper und die Psyche hat. Aufgrund der weiterhin steigenden Zahl der Büroarbeitsplätze, lassen sich immer mehr Wohlstandskrankheiten wie etwa Übergewicht, Diabetes oder Rückenleiden ausmachen.
Anhand der Forschungsfrage wird untersucht, ob sich mangelnde Bewegung angesichts der Krankheitstage von kaufmännischen Angestellten niederschlägt. Die Hypothese, dass sich mangelnde Bewegung negativ auf die Anzahl an Arbeitsunfähigkeitstagen auswirkt, kann daraus abgeleitet werden. Ebenso die These, dass der technische Fortschritt eine Ursache dafür ist, dass wir uns heutzutage weniger bewegen. Die Steigerung des subjektiven Wohlbefindens durch das Treiben von Sport ist die dritte Hypothese, die es zu untersuchen gilt.
Um ebendies zu tun, wurde ein Online-Fragebogen konstruiert, der hauptsächlich an Studierende der FOM verschickt wurde. Die Probanden wurden unter anderem gebeten, Angaben über ihr Bewegungsverhalten, ihre Krankheiten, sowie der Anzahl an Krankheitstagen innerhalb der letzten 12 Monate zu machen.
Die Studie konnte alle aufgestellten Hypothesen signifikant unterlegen, was anhand der p-Werte im statistischen Teil der Arbeit, deutlich wird. Für künftige Studien ist eine Veränderung der Versuchsbedingungen trotzdem in Erwägung zu ziehen. Etwaige Verbesserungsvorschläge werden am Ende der Studie diskutiert. Insgesamt zeigt die Studie deutlichen Handlungsbedarf auf Seiten der Unternehmen auf, um den Folgen von Bewegungsmangel Einhalt zu gebieten und damit die Mitarbeiter langfristig zu stärken.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Themenauswahl und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Definition und Funktionsweise zentraler Begriffe
2.1.1 Körperliche Aktivität
2.1.2 Sport
2.1.3 Bewegungsmangel
2.1.4 Gesundheit
2.1.5 Krankheit
2.2 Auswirkungen von Bewegungsmangel
2.2.1 Somatische Auswirkungen
2.2.2 Auswirkungen auf die Psyche und das Gehirn
3 Ursachen für das Fortschreiten von Bewegungsmangel
3.1 Energiehaushalt des Körpers
3.2 Industrialisierung und technischer Fortschritt
4 Kosten für die Wirtschaft
4.1 Fehlzeiten und Absentismus
4.2 Präsentismus
5 Präventionsmaßnahmen und Gesundheitsförderung
5.1Präventionsmaßnahmen für Privatpersonen
5.2Präventionsmaßnahmen für Unternehmen
6 Vor- und Nachteile eines betrieblichen Gesundheitsmanagements
7 Hypothesen
8 Methode
8.1 Untersuchungsdesign und -durchführung
8.2 Stichprobenkonstruktion
9 Ergebnisse
9.1 Deskriptive Datenanalyse
9.2 Inferenzstatistische Auswertung
9.3 Gütekriterien
10 Diskussion
11 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abstract
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema Bewegungsmangel, genauer welche Auswirkungen ebendieser auf den Körper und die Psyche hat. Aufgrund der weiterhin steigenden Zahl der Büroarbeitsplätze, lassen sich immer mehr Wohlstandskrankheiten wie etwa Übergewicht, Diabetes oder Rückenleiden ausmachen. Anhand der Forschungsfrage wird untersucht, ob sich mangelnde Bewegung angesichts der Krankheitstage von kaufmännischen Angestellten niederschlägt. Die Hypothese, dass sich mangelnde Bewegung negativ auf die Anzahl an Arbeitsunfähigkeitstagen auswirkt, kann daraus abgeleitet werden. Ebenso die These, dass der technische Fortschritt eine Ursache dafür ist, dass wir uns heutzutage weniger bewegen. Die Steigerung des subjektiven Wohlbefindens durch das Treiben von Sport ist die dritte Hypothese, die es zu untersuchen gilt. Um ebendies zu tun, wurde ein Online-Fragebogen konstruiert, der hauptsächlich an Studierende der FOM verschickt wurde. Die Probanden wurden unteranderem gebeten, Angaben über ihr Bewegungsverhalten, ihre Krankheiten, sowie der Anzahl an Krankheitstagen innerhalb der letzten 12 Monate zu machen. Die Studie konnte alle aufgestellten Hypothesen signifikant unterlegen, was anhand der p-Werte im statistischen Teil der Arbeit, deutlich wird. Für künftige Studien ist eine Veränderung der Versuchsbedingungen trotzdem in Erwägung zu ziehen. Etwaige Verbesserungsvorschläge werden am Ende der Studie diskutiert. Insgesamt zeigt die Studie deutlichen Handlungsbedarf auf Seiten der Unternehmen auf, um den Folgen von Bewegungsmangel Einhalt zu gebieten und damit die Mitarbeiter langfristig zu stärken.
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildungen:
Abbildung 1: Verteilung in Altersklassen der Probanden (eigene Darstellung)
Abbildung 2: Häufigkeit Sportaktivität nach Geschlechtern (eigene Darstellung)
Abbildung 3: Krankheitsverteilung (eigene Darstellung)
Tabellen:
Tabelle 1: Krankenstandskennzahlen 2017 im Vergleich zum Vorjahr (eigene Darstellung nach Meyer, Wenzel & Schenkel)
Tabelle 2: Ergebnisse der Probanden (eigene Darstellung)
Tabelle 3: Zustimmungsgrad der Probanden (eigene Darstellung)
Tabelle 4: p-Werte der Itemkorrelation (eigene Darstellung)
1 Einleitung
1.1 Themenauswahl und Zielsetzung
Die vorliegende Bachelor-Thesis setzt sich mit dem Thema Bewegungsmangel auseinander und beleuchtet mögliche Auswirkungen eines Mangels, sowohl auf den Körper, als auch auf die Psyche eines Menschen.
Das zu untersuchende Thema ist insofern relevant, als dass unsere Gesellschaft immer mehr in eine „gefühlte Bewegungslosigkeit“ (Wiebecke, 2018, S. 35) rutscht.
Innerhalb der Europäischen Union bewegen sich rund 33% der Erwachsenen und mehr als 66% der Jugendlichen zu wenig. Bewegungsmangel ist daher ein erheblicher Risikofaktor für die Gesundheit geworden, was sich daran zeigt, dass allein in der Europäischen Union rund eine Million Todesfälle pro Jahr auf Bewegungsmangel zurückzuführen sind (WHO, 2015).
Viele Jobs beinhalten heutzutage Bürotätigkeiten, bei denen die Menschen rund acht bis neun Stunden, das entspricht einem überwiegenden Teil des Tages, fast ausschließlich sitzen und sich nur minimal bewegen. Angestellte, deren Arbeitsplatz sich an einem Schreibtisch befindet, verbringen so rund 73% ihrer Arbeitszeit im Sitzen (Becker, Wallmann-Sperlich, Rupp & Bucksch, 2017). Nach Wiebecke (2018) ist es die richtige Erkenntnis, dass der Büromensch von heute sowohl am Arbeitsplatz, aber auch in seiner Freizeit, zu wenig Bewegung erfährt. Eine zu hohe Sitzdauer kann zunehmend als eigenständiger Risikofaktor im gesundheitlichen Bereich gesehen werden. Aufgrund dessen hat die Thematik eine große Relevanz für einen sehr ausgedehnten Personenkreis.
Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft in Köln wächst die Bürobeschäftigung in Deutschland, insbesondere in städtischen Ballungsräumen, stetig an. Allein in Berlin sei ein Anstieg von rund 17% auf ca. 500.000 Schreibtischarbeitsplätze zu verzeichnen. Somit wächst auch der Anteil derer, die ihre Beschäftigung im Sitzen durchführen, kontinuierlich an. So waren im vierten Quartal 2015 rund 7,6 Millionen Menschen in einem Büro beschäftigt, was einem Anteil von 24% der sozialversicherungspflichtigen Personen entspricht. Der Anstieg der letzten vier Jahre betrug rund 9,6% (Bendel & Voigtländer, 2016).
Charlotte Lisador (2017) spricht sogar von rund 20 Millionen Computerarbeitsplätzen. Laut Lisador verbringen Arbeitnehmer rund 30 Milliarden Stunden sitzend an ihrem PC. Sie führt eine Forsa Umfrage aus dem Jahr 2015 an, laut derer Bewegungsmangel unter Arbeitsmedizinern die größte Gefahr bei der Büroarbeit sei.
Unsere Gesellschaft ist außerdem von immer mehr technischen Erleichterungen und Hilfsmitteln geprägt, die körperliche Bewegung und Anstrengung in den Hintergrund drängen. Auf ebendiese wird im Verlauf der Arbeit Bezug genommen.
Welche Auswirkungen hingegen mangelnde Bewegung auf den Körper und vor allem die Psyche hat, soll in dieser Arbeit untersucht werden. Ebenfalls sollen mögliche Interventionsmaßnahmen für Unternehmen dargestellt werden, um einem Fortschreiten dieses Phänomens des 21. Jahrhunderts entgegenzuwirken.
Mutmaßlich kommt es durch mangelnde Bewegung in den Unternehmen häufiger zu Ausfallzeiten der Mitarbeiter, was wiederum hohe Kosten für die Unternehmen und die Wirtschaft verursacht. Diese Gelder fehlen in anderen Wirkungsbereichen und können dann wiederum nicht in die Gesundheitsprävention investiert werden. Darüber hinaus wird auf die Problematik Bezug genommen, dass Mitarbeiter häufig trotz Krankheit am Arbeitsplatz erscheinen. Welche möglichen Gründe dafür anzuführen sind, wird im Verlauf der Arbeit dargestellt.
Um die beschriebene Thematik zu untersuchen, wurde eine Umfrage anhand von kaufmännischen Angestellten durchgeführt.
1.2 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Bachelor-Thesis gliedert sich in zehn weitere Oberpunkte. Im Folgenden werden zentrale Begrifflichkeiten, wie beispielsweise der Unterschied zwischen Sport und körperlicher Aktivität, Bewegungsmangel, Gesundheit sowie Krankheit erläutert und definiert, da sie für das Verständnis der Thematik bedeutend sind. Außerdem werden im zweiten Kapitel die Auswirkungen von Bewegungsmangel auf den Körper und die Psyche deutlich gemacht und anhand von Beispielen belegt. Im dritten Kapitel schließt sich eine Schilderung an, welche möglichen Ursachen für ein Fortschreiten dieses zu beobachtenden Phänomens auszumachen sind. Diese unterscheiden sich in Ursachen des Energiehaushaltes des Körpers, sowie Gründe, die in der Industrialisierung zu finden sind. Im vierten Kapitel werden die Kosten für die Wirtschaft ausführlich dargestellt. Präventionsmaßnahmen, sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen werden in dem darauf folgenden Kapitel näher erläutert. Das sechste Kapitel setzt sich kritisch mit den Vor- und Nachteilen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements auseinander.
Es folgt die Ableitung und Aufstellung von Hypothesen, ehe im achten Kapitel die Methodik vorgestellt wird, mit Hilfe derer die Fragestellung untersucht werden soll. Diese beinhaltet das Untersuchungsdesign, sowie die Stichprobenkonstruktion.
Das neunte Kapitel umfasst die Auswertung und Darstellung der gesammelten Daten. Die Datenanalyse gliedert sich auf in die deskriptive Analyse, die inferenzstatistische Auswertung, sowie in die Würdigung der Gütekriterien einer wissenschaftlichen Arbeit. Das zehnte Kapitel beinhaltet eine Diskussion und gibt einen Überblick darüber, welche Hypothesen bestätigt werden konnten, welche nicht und welche Ursachen dafür herangezogen werden können. Des Weiteren werden mögliche Limitationen der Diagnostik aufgegriffen und Handlungsempfehlungen für spätere Studien ausgesprochen. Das letzte Kapitel beinhaltet das Fazit der Arbeit.
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Definition und Funktionsweise zentraler Begriffe
Im folgenden Abschnitt werden einige wichtige Begriffe definiert und erklärt, um das Konstrukt des Bewegungsmangels hinreichend zu verstehen. Zu diesem Zweck werden körperliche Aktivität, Sport und Bewegungsmangel voneinander unterschieden und erläutert. Darüber hinaus werden die Begrifflichkeiten Gesundheit und Krankheit voneinander abgegrenzt.
2.1.1 Körperliche Aktivität
Körperliche Aktivität beinhaltet jede Bewegung, die durch die Skelettmuskulatur zu Tage tritt und den Energieverbrauch des Körpers wesentlich ansteigen lässt (Mensink, 2003). Das bedeutet, dass mit körperlicher Aktivität nicht unbedingt ausschließlich nur Sport gemeint ist. Auch Alltagsbewegungen wie das Treppensteigen, das Tragen von schweren Gegenständen oder aber das Staubsaugen sind darunter zu verstehen und führen bei der Durchführung zu einem Anstieg der Herzfrequenz. Gezielte körperliche Übungen hingegen, beziehungsweise körperliches Training, sind Aktivitäten, die geplant sind und regelmäßig wiederholt werden, um die körperliche Fitness auf einem bestimmten Level zu halten oder auch zu verbessern (Mensink, 2003). Diese Definition beinhaltet also sportliche Übungen, die gezielt angewendet werden.
In der Literatur wird zwischen aeroben und anaeroben Aktivitäten differenziert (Lange & Finger, 2017). Aerobe Tätigkeiten sind dadurch gekennzeichnet, dass sich der Körper die Energie, die er benötigt über die Atmung verschafft. Die Muskulatur wird bei aeroben Tätigkeiten nur leicht bis mäßig beansprucht, wobei Kohlehydrate und Fett abgebaut werden.
Bei anaeroben Tätigkeiten hingegen benötigt der Körper zusätzliche Energie in Form von weitreichenderen Stoffwechselprozessen, auf die in Kapitel 3.1 noch näher eingegangen wird. Anaerobe Tätigkeiten sind durch eine kurze aber starke Belastung, beispielsweise einem Sprint, gekennzeichnet und dienen dem Muskelaufbau.
2.1.2 Sport
Der Begriff „Sport“ wird umgangssprachlich sehr unterschiedlich angewandt. Die Ursache liegt darin, dass keine hinreichende Definition für dieses kulturell entstandene Gut zu finden ist (Preuß, Alfs & Ahlert, 2012). Nicht alles, was mit körperlicher Bewegung zu tun hat, ist auch automatisch dem Sportbegriff zuzuordnen. Daher ist eine Begriffsabgrenzung von hoher Bedeutung.
Sport kommt von dem lateinischen Wort „deporter“ und bedeutet so viel wie „wegtragen, sich vergnügen“. Zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert verwendete man das Wort deporter im französischen Sprachraum als Bezeichnung für mittelalterliche Volksspiele, Belustigungen des Volkes und höfischen Zeitvertreib. Im englischen tauchte das Wort erstmal als „to disport“ auf und wurde um 1440 herum das erste Mal in der Kurzform „sport“ verwendet (Schnabel & Thieß, 1992).
Nach Tiedemann (2011) definiert sich Sport als ein „kulturelles Tätigkeitsfeld, in dem Menschen sich freiwillig in eine wirkliche oder auch nur vorgestellte Beziehung zu anderen Menschen begeben, mit der bewussten Absicht, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten, insbesondere im Gebiet der Bewegungskunst, zu entwickeln und sich mit diesen anderen Menschen nach selbst gesetzten oder übernommenen Regeln zu vergleichen, ohne sie oder sich selbst schädigen zu wollen“ (Tiedemann, 2011, S. 566). Wichtig zu verstehen ist bei dieser Definition, dass Sport allein freiwillig durchgeführt wird. Körperliche Aktivitäten, wie die in Kapitel 2.1.1 aufgezählten Treppensteigen, das Tragen von schweren Gegenständen oder aber das Staubsaugen zählen nicht dazu, da sie meist nicht freiwillig, sondern eher notwendig im Alltag sind.
Die Definition für den Begriff Sport im Duden liefert folgende Beschreibung: „nach bestimmten Regeln [im Wettkampf] aus Freude an Bewegung und Spiel, zur körperlichen Ertüchtigung ausgeübte körperliche Betätigung“ (Dudenredaktion, o.D.). Nach Hollmann und Strüder (2009) hat es in den vergangenen Jahren eine umfangreiche Trennung zwischen den Bereichen des Breitensports und des Hochleistungssportes gegeben. Aus dieser Diskussion heraus unterscheidet man heute laut Hollmann und Strüder vier Hauptkategorien des Sportes, die sich alle in Motivation und Leistung voneinander unterscheiden.
Der Breitensport ist geprägt durch die Freude an der Bewegung und am Spiel, vor allem das Miteinandersein in der Gruppe steht im Fokus. Bei dieser Form des Sports stehen nicht etwa die Gesundheit oder die Leistung im Vordergrund, sondern eher soziale Aspekte. Unter sozialen Aspekten können in diesem Zusammenhang die Festigung gesellschaftlicher Kontakte, sowie zwischenmenschlicher Beziehungen verstanden werden.
Der Gesundheitssport hingegen konzentriert sich ganzheitlich auf gesundheitliche Aspekte. Hierunter fallen vor allem präventive und rehabilitierende Maßnahmen, die keinen Wettkampfcharakter innehaben, sondern nach dem salutogenetischen Modell streben und einen Zustand des biopsychologischen Gleichgewichtszustands widerherstellen sollen.
Die dritte Kategorie, die durch Hollmann und Strüder genannt wird, ist der Leistungssport. Der Fokus liegt hierbei auf der Leistung des Sportlers, da eine Teilnahme an einem Wettkampf angestrebt wird.
Hochleistungs- oder Spitzensport wird ausgeübt, um sowohl national als auch internationale Höchstleistungen zu präsentieren und Wettkämpfe zu gewinnen. In dieser Kategorie sind die Personen, die den Sport ausüben zumeist Berufssportler, da der Sport einen überwiegenden Teil des Tages in Anspruch nimmt. Der eigentliche Charakter eines Volksspiels zur Vergnügung und zum Knüpfen sozialer Kontakte, wie es in der ursprünglichen Definition der Fall ist, ist hierbei völlig verloren gegangen.
2.1.3 Bewegungsmangel
Unter Bewegungsmangel verstehen Hollmann und Strüder (2009) muskuläre Beanspruchung, die dauerhaft unterhalb einer bestimmten Reizschwelle liegt. Die Überschreitung der Reizschwelle ist jedoch wichtig zum Erhalt der funktionellen Kapazität der Muskeln.
Diese Reizschwelle liegt nach Hollmann und Strüder (2009) bei einer gesunden Person mit durchschnittlicher Leistungsfähigkeit im Kraftbereich bei rund 30% der persönlichen Maximalkraft und im Herz-Kreislauf-Bereich bei rund 50% der maximalen Kreislaufleistungsfähigkeit. Laut der Studie „Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1)“ des Robert-Koch-Institutes ist nur bei rund einem Fünftel der erwachsenen Bevölkerung die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Mindestaktivitätszeit von ca. 2,5 Stunden pro Woche gewährleistet (Krug, Jordan, Mensink, Müters, Finger & Lampert, 2013). Diese Mindestaktivitätszeit bezieht sich auf Ausdaueraktivitäten, sogenannte aerobe körperliche Aktivität (Lange & Finger, 2017). Unter mäßig anstrengenden Ausdaueraktivitäten werden beispielsweise Radfahren, Joggen oder Fußballspielen gezählt, die eine erhöhte Herz- und Atemfrequenz mit sich bringen und mindestens zehn Minuten ohne Pause ausgeführt werden. Alternativ sind auch 75 Minuten Sport im anaeroben Bereich ausreichend. Die WHO hat herausgefunden, dass sich jede dritte Frau und jeder vierte Mann weltweit zu wenig bewegen, um dauerhaft gesund zu bleiben.
2.1.4 Gesundheit
In der Literatur ist keine eindeutige Definition des Begriffs Gesundheit zu finden. Die Begrifflichkeiten „Gesundheit“ und „Krankheit“ werden vorrangig mit dem medizinischen Klassifikationssystem „International Statistical Classification of Diseases“, kurz ICD, in Zusammenhang gesetzt (Böhm, Tesch-Römer & Ziese, 2009). Versucht man den Begriff Gesundheit zu definieren, müssen zunächst zwei Sichtweisen voneinander unterschieden werden.
Die eher negative Sichtweise leitet sich aus dem pathogenetischen Modell ab, welches biologische Aspekte, wie beispielsweise genetische Faktoren oder Viren, im Fokus sieht. Demnach versteht sich Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit (Lippke & Renneberg 2006). Weisen Menschen keine Krankheitssymptome nach den ICD auf, so sind sie gesund. Werden jedoch diagnostische Kriterien erfüllt, so definiert sich der Mensch nach dem pathogenetischen Modell als krank. Dieses Modell unterstellt eine Dichotomie, demnach schließen sich Gesundheit und Krankheit aus.
Der salutogenetische Begriff der Gesundheit geht zurück auf den Soziologen Aaron Antonovsky, der diesen Ausdruck in den 1970er Jahren als Gegenstück zur Pathogenese prägte. Das Kohärenzgefühl ist ihm zur Folge ein zentrales Element der Salutogenese und besagt, wie Gesundheit entsteht. Es lässt sich in drei Aspekte aufteilen: zum einen in die Verstehbarkeit von Zusammenhängen des Lebens, zum anderen in die Handhabbarkeit von Umständen mit Hilfe der eigenen Ressourcen und als dritter Aspekt lässt sich die Sinnhaftigkeit des Lebens anführen.
Einen positiven Begriff von Gesundheit nach dem salutogenetischen Modell bietet die Definition der WHO aus dem Jahr 1946, die sehr weit verbreitet ist. Demnach definiert sich Gesundheit als ein „Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen“ (WHO, 1946). „Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl Einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können“ (WHO, 1986).
Die WHO sieht Gesundheit als einen Bestandteil unseres alltäglichen Lebens und als einen positiven, nicht als einen negativen, Bestandteil. Wert wird vor allem auf das subjektive und individuelle Empfinden der Person gelegt (WHO, 2018).
Das lässt sich unter anderem auch daran erkennen, dass der Begriff „subjektive Gesundheit“ mittlerweile in vielen Studien, so beispielsweise in Breckenkamp und Laaser (2001), diskutiert und definiert wird. Breckenkamp und Laaser gehen auf eine Definition von Hoeltz et al. (1990) ein, nach der subjektive Gesundheitsindikatoren zunehmend an Bedeutung gewinnen, da mit Hilfe derer die Zufriedenheit der Lebensqualität in Industriestaaten näher betrachtet werden könne.
Nach Lippke und Renneberg (2006) sei es indessen wichtig, die Definition der WHO noch um einige Punkte zu ergänzen. So ist Gesundheit kein starres Gut, sondern ein dynamischer Prozess, der bei Ungleichgewicht wieder hergestellt oder neu erreicht werden muss. Des Weiteren sei ein Zustand von vollkommenem Wohlbefinden ein relativer Zustand, der nicht immer erreichbar ist. Trotz Beeinträchtigungen, die eine Person spürt, ist es dennoch möglich, gesund zu werden oder als gesund zu gelten.
Gesundheit ist außerdem, neben dem Recht auf Unversehrtheit, ein Grundrecht in der sogenannten Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen. Primärer Zweck unseres Gesundheitssystems ist es, sie zu bewahren, zu verbessern und wiederherzustellen.
Wichtig ist es, die Subjektivität des Gesundheitsbegriffs deutlich zu machen. Die Sichtweise auf das, was Gesundheit für die einzelne Person ausmacht variiert abhängig vom Alter und der Lebenserfahrung, dem Geschlecht, sozialem Status und der Herkunft (Schwartz, Schlaud, Siegrist & Troschke, 2012). So hat eine junge Person möglicherweise einen anderen Blick auf die Frage, was Gesundheit für sie ausmacht, als eine ältere Person, die mehrere somatische oder psychische Beschwerden hat. Vollkommene körperliche Unversehrtheit ist nicht immer ausschlaggebend, ob sich eine Person auch tatsächlich gesund und gut fühlt.
In dem Zusammenhang mit dem Begriff Gesundheit ist auch der Begriff Resilienz wichtig. Unter Resilienz wird die psychische Widerstandskraft und -fähigkeit einer Person verstanden, um krisenbehaftete Lebenssituationen ohne gesundheitliche Abstriche überstehen zu können und möglicherweise sogar daran zu wachsen.
„Allgemein kann festgestellt werden, dass zu Gesundheit nicht nur körperliches Wohlbefinden (z. B. relative Freiheit von Beschwerden, Beeinträchtigungen und Krankheit) und psychisches Wohlbefinden (z. B. Lebenszufriedenheit) gehört, sondern dass auch Leistungsfähigkeit, Selbstverwirklichung und Sinnfindung zu berücksichtigen sind“ (Lippke & Renneberg, 2006, S. 8). In dieser Aussage lassen sich indirekte Einflüsse aus dem Modell der Bedürfnispyramide nach Maslow erkennen.
2.1.5 Krankheit
Ebenso schwer wie den Begriff Gesundheit klar zu definieren ist es, den Begriff Krankheit eindeutig zu fassen, da es keine explizite Definition vom Gesetzgeber gibt. Es wurden jedoch bereits im Jahr 1898 Grundsätze festgelegt. Demnach ist Krankheit ein Zustand des Körpers und des Geistes, bei dem eine Behandlung durch einen Arzt unumgänglich ist (Schwartz et al., 2012). Krankheit sei ein Zustand, der es dem Menschen möglich mache, Ansprüche gegenüber der Gemeinschaft der Versicherten geltend zu machen und sich zeitweise aus der Erwerbstätigkeit zurückzuziehen (Böhm, Tesch-Römer & Ziese, 2009).
Das pathogenetische Modell versteht Krankheit als eine Abweichung von einem ursprünglichen oder natürlichen Zustand, den es wiederherzustellen gilt. Dabei wird das subjektiv empfundene Wohlbefinden der betroffenen Person negativ beeinflusst.
Die Behandlung einer Krankheit bezieht sich im Wesentlichen auf die Behebung der krankheitsauslösenden Symptome, nicht aber auf die Ursachen. Behandlungen sind ausschließlich somatischer Natur. So werden beispielsweise Medikamente verabreicht, Operationen oder eine Chemotherapie durchgeführt. Die von der Krankheit betroffene Person findet ebenfalls keine Beachtung in diesem Modell (Richter & Hurrelmann, 2016).
2.2 Auswirkungen von Bewegungsmangel
In diesem Kapitel werden die Auswirkungen, die ein Mangel an körperlicher Bewegung mit sich bringen kann, erläutert. Da diese Auswirkungen unterschiedlicher Natur sind, werden ebendiese differenziert in körperliche und psychische Auswirkungen. Darüber hinaus werden auch Aspekte angebracht, die sich bei bereits erblich bedingten Risikofaktoren negativ auswirken und Wechselwirkungen erzielen.
2.2.1 Somatische Auswirkungen
Die Auswirkungen von einem Bewegungsmangel auf den Körper sind vielfältig und ähneln in vielerlei Hinsicht den Alterungsvorgängen unseres Körpers (Hollmann, 1986). Künftig wird die Verbreitung von durch Bewegungsmangel geförderten Symptomen, man nennt sie Hypokinetosen, voraussichtlich weiter zunehmen, denn bereits mehr als 70% der erwerbstätigen Personen in Deutschland führen ihre Tätigkeit im Sitzen aus (Hofmeister, 2014).
Hinzu kommt, dass körperliche Aktivitäten und Anstrengungen weitestgehend an Maschinen abgegeben werden und unsere Gesellschaft aufgrund dessen immer bequemer wird. Körperliche Anstrengung, und damit Muskelaktivität, hat allerdings einen enormen Einfluss auf unseren Organismus und unser Wohlbefinden. Bewegungsmangel ist natürlich nicht als alleinige Ursache für eine Vielzahl an Symptomen zu betrachten, jedoch ist es als Risikofaktor zu sehen.
Hat eine Person aufgrund ihres Erbgutes bereits die Veranlagung zu einer bestimmten Krankheit oder zu Symptomen, so kann diese Entwicklung durch mangelnde Bewegung noch verstärkt werden.
Wichtig zu verstehen ist, dass adaptive physiologische Auswirkungen durch Muskelaktivität nicht dauerhaft speicherbar sind. Aufgrund dessen sind eine verbesserte Sauerstoffaufnahme oder eine ausgeprägte Muskulatur bei Sportlern kein Dauerzustand und können schnell wieder abflachen. Sobald die Muskeln nicht mehr ausreichend, also oberhalb der Reizschwelle gefordert werden, bilden sich diese physiologischen Merkmale wieder zurück.
Kommt es bei einer Person zu einem chronischen nicht-Erreichen der Reizschwelle, so kommt es zu einer sogenannten Inaktivitätsatrophobie, also einem Muskelschwund. Dieses Phänomen ist häufig auch beispielsweise nach einem Knochenbruch, bei dem das entsprechende Körperteil zur Heilung ruhig gestellt wurde, zu beobachten. Durch Inaktivität des Körperteils können sich die Muskeln bis auf ein Viertel der ursprünglichen Größe zurückbilden und müssen danach neu aufgebaut werden. Diese Atrophobie aufgrund von Inaktivität ist nicht nur bei einzelnen Körperteilen, sondern auch am gesamten Körper zu verzeichnen (Hollmann & Strüder, 2009). Die gesamte Rumpfmuskulatur kann sich zurück bilden. Sehr stark ist das vor allem auch am Rücken zu bemerken, denn viele Leute haben infolgedessen Haltungsschäden. Der Rücken ist nicht mehr stark genug, um dem Körper eine aufrechte Haltung zu verleihen und sackt in sich zusammen. Die Schultern hängen oftmals ohne Spannung nach vorne. Infolgedessen kann es vermehrt zu Rückenschmerzen, Nackenfehlhaltungen und daher auch oftmals zu Kopfschmerzen kommen.
Hofmeister (2014, S. 64) zitiert in seiner Arbeit den Mediziner Richard Zander, der bereits 1900 folgendes über Bewegungsmangel in seinem Werk „Die Leibesübungen und ihre Bedeutung für die Gesundheit“ sagte: „Wir haben gesehen, dass der ganze Körper Schaden leidet, wenn keine Leibesübungen betrieben werden. Die Muskeln atrophieren, werden schwach und ermüden leicht. Die Knochen werden frühzeitig brüchig, die Weichteile des Skeletts verlieren ihre Weichheit und Elastizität und der ganze Körper wird vorzeitig steif. Die Körperhaltung wird schlecht und es können sich sogar Mißstaltungen ausbilden. Die Herzmuskulatur wird schlaff und leicht dehnbar; schon geringfügige Anstrengungen ermüden das Herz und bringen es in Gefahr eine lebensgefährliche Dehnung zu erleiden. Die Atmung ist oberflächlich. Die oberen Teile der Lungen werden gar nicht oder schlecht ventiliert und Krankheitskeime finden hier einen geeigneten Boden zur Ansiedlung. Das Blut verarmt an Sauerstoff. Träge fließt es durch den Körper. In den Bauchorganen entstehen Blutstauungen und die Verdauung nimmt Schaden. Der Stoffwechsel ist verlangsamt und Funktionsstörungen treten in den ungenügend ernährten Organen auf. Im Interesse der Gesundheit sind also Leibesübungen geboten.“
Zander spricht unter anderem davon, dass das Blut „träge“ durch den Körper fließt und nur wenig Sauerstoff transportiert. Erfährt der Körper zu wenig Bewegung, ist das Herz-Kreislauf-System nicht mehr in der Lage ausreichend zu arbeiten und verliert die Leistungsfähigkeit. Aufgrund dessen wird das Blut langsamer durch den Körper gepumpt und enthält, aufgrund des verringerten Leistungslevels, auch weniger Sauerstoff. Diese Tatsache wirkt sich wiederum negativ auf die Organe und Muskeln aus, da diese permanent Sauerstoff benötigen, um die im Körper ablaufenden Vorgänge aufrechtzuerhalten. In Kapitel 3.1 wird näher darauf eingegangen, welche wichtigen Funktionen das Blut darüber hinaus erfüllt.
In einer Studie aus dem Jahr 2012 konnten Booth, Roberts & Laye außerdem nachweisen, dass Bewegungsmangel als eine der Hauptursachen für chronische Erkrankungen, wie beispielsweise Bluthochdruck, anzusehen ist.
Des Weiteren ist festzustellen, dass Personen, die sich wenig bewegen ein um 35% höheres Risiko der Sterblichkeit aufweisen, verglichen mit Personen, die die Bewegungsempfehlung der WHO erreichen (Lange & Finger, 2017). Man spricht inzwischen auch vom sedentary death syndrome (Booth et al., 2012). Zwischen dem Maß an körperlicher Aktivität und dem Risiko, an koronaren Herzkrankheiten zu erkranken, besteht ein deutlicher Zusammenhang (Gohlke, Kübler, Mathes, Meinertz, Schuler, Gysan & Sauer, 2003). „Für je 1,5 Stunden mäßig intensiver Aktivität pro Woche wird das Risiko für koronare Herzerkrankung um 15% reduziert“ (Gohlke et al., 2003, S. 523).
Hollmann (1986) beschreibt darüber hinaus weitere Symptome von Bewegungsmangel. So sei die maximale Sauerstoffaufnahme pro Minute im Vergleich zu sportlichen Personen verringert, das Schlagvolumen des Herzens werde geringer, wohingegen der Laktatspiegel und das Atemminutenvolumen unter Belastung ansteigen, was eine reduzierte Leistungsreserve anzeige. Das Risiko an Adipositas zu erkranken ist zudem deutlich erhöht.
Die Klassifikation des Adipositasgrades erfolgt nach dem Body Mass Index (BMI). Dieser errechnet sich aus dem Quotienten des Körpergewichtes in Kilogramm und der Körpergröße in Metern im Quadrat (Hauner & Berg, 2000). So besteht bereits bei einem Übergewicht und einem BMI von 25 – 29,9 kg/m² ein erhöhtes Gesundheitsrisiko. Ab einem BMI von 30 kg/m² spricht man von Adipositas, welches die Gesundheit extrem gefährdet.
Der BMI wird sowohl national, als auch international angewandt, wenngleich seine Aussagekraft begrenzt ist (Weigl & Holzapfel, 2016). Weigl und Holzapfel führen an, dass der BMI zwar relativ gut mit dem Körperfettanteil korreliere, jedoch werden Alter, Geschlecht und die Verteilung des Körperfettes gänzlich außer Acht gelassen. Somit könne es vorkommen, dass Menschen trotz eines BMI, der Normalgewicht suggeriert, metabolisch ungesund seien. Die Interpretation und Einstufung einzig anhand des BMI vorzunehmen, sei daher zweifelhaft.
Eine weitere Folgeerscheinung von Übergewicht aufgrund von zu wenig Bewegung ist das Krankheitsbild Diabetes. Laut der WHO leben bereits rund 60 Millionen Menschen in der EU mit dieser Diagnose. Schätzungen zur Folge werden rund 50% der Diabetesfälle gar nicht erst diagnostiziert. Rund 7% der Fälle sind direkt auf Bewegungsmangel zurückzuführen. Hinzukommen nochmal etwa 65% bis 80%, ausgelöst durch Übergewicht, welches letztendlich auch durch Bewegungsmangel gefördert wird (WHO, 2015).
Dieses wiederum wirkt sich negativ auf das Risiko von koronaren Herzkrankheiten aus und begünstigt Krankheiten wie Herzinfarkte, Schlaganfälle, eine Nierenschwäche oder auch Netzhautschäden.
Wenig Bewegung wirkt sich darüber hinaus auch negativ auf das Immunsystem aus. Erfährt der Körper zu wenig Bewegung, werden auch weniger Abwehrzellen gebildet und Infekte und Erkältungen sind wahrscheinlicher. Waschbisch, Tallner, Pfeifer und Mäurer (2009) berichten von einer Studie, die anhand von Marathon-Läufern aus Los Angeles durchgeführt wurde. Diese hat jedoch gezeigt, dass die Infektrate der sportlichen Probanden von 2,3% auf 12,9% in der Folgewoche anstieg. Diese Betrachtung erfolgte allerdings unter einer starken körperlichen Anstrengung, wie es ein Marathon mit sich bringt. Es gebe jedoch auch andere Studien, die belegen, dass moderate körperliche Aktivität, im Rahmen von aerober Tätigkeit, das Risiko eines Atemwegsinfektes bei trainierten Personen um 29% im Vergleich zu nicht-trainierten Personen reduziere, so Waschbisch et al.
2.2.2 Auswirkungen auf die Psyche und das Gehirn
Führt man sich die Auswirkungen und Symptome von Bewegungsmangel vor Augen, dann verbinden viele Menschen diese zumeist mit körperlichen Auswirkungen und Beschwerden. Der Mangel an ausreichender Bewegung für den Körper hat jedoch nicht nur somatische Folgen, die ersichtlich und schmerzhaft sind. Oft sind auch Auswirkungen auf die Psyche eines Menschen wahrzunehmen.
Es fällt jedoch vor allem eines auf: „Erkrankungen der Psyche, des seelischen Zustands, sind zwar in der Bevölkerung weit verbreitet, werden in den letzten Jahren vor allem im beruflichen Setting auffällig und sind dennoch deutlich weniger im Bewusstsein des Einzelnen als bedrohlich präsent als somatische Erkrankungen“ (Fuchs & Schlicht, 2012, S. 1).
Doch könnte den betroffenen Personen von psychischen Erkrankungen durchaus auch mit Sport geholfen werden. Diese Maßnahmen, die im Rahmen einer bereits bestehenden psychischen Erkrankung durchgeführt werden, sind dann als Interventionsmaßnahmen zu verstehen.
So gab es in den vergangenen Jahren Metaanalysen zu Angststörungen, Depressionen und Schizophrenie, bei denen sich zusammenfassend gesagt eine deutliche Reduktion der Ängste und Depressionen durch Bewegung zeigte (Müller, 2018).
Die einzelnen Studien waren nicht groß genug, um signifikante Ergebnisse zu liefern. Doch der Psychiater Dr. Tobias Freyer ist sich sicher, dass Sport im Zusammenspiel mit einer medikamentösen Einstellung in Kliniken extrem wichtig sei. So fördere Sport beispielsweise die Stresstoleranz und stärke das Selbstvertrauen. Diese Faktoren sind von enormer Bedeutung, wenn man die emotionale Stabilisierung fördern möchte (Müller, 2018). Bei regelmäßigem Ausdauersport kommt es außerdem zu einer erhöhten Freisetzung von Neurotransmittern wie etwa Serotonin, Noradrenalin und Dopamin. Diese Botenstoffe spielen vor allem bei Depressionen eine wichtige Rolle (Malchow, 2014). Ursache einer Depression ist häufig ein aus dem Gleichgewicht geratener Hirnstoffwechsel, bei dem die Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin nicht mehr in optimaler Konzentration vorhanden sind. Die Verarbeitung von Sinneseindrücken kann dann nicht mehr richtig ablaufen.
Im Umkehrschluss bedeutet dass, dass Personen, die sich zu wenig bewegen ein erhöhtes Risiko aufweisen, an Depressionen zu erkranken.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass durch fehlende Bewegung kein adäquater Stressabbau erfolgen kann (Dopp, 2017). Diese indirekte Folge von Bewegungsmangel kann ebenfalls zu Depressionen oder Angstzuständen führen. Personen, die sich regelmäßig auch in Gruppen bewegen und sportlich aktiv sind, weisen ein gestärktes Selbstbewusstsein auf und wirken somit präventiv auf ihre Gesundheit ein. Auch das Erleben von Selbstwirksamkeit wirkt sich positiv auf die Psyche aus. Bleibt dieses Gefühl aus, besteht die Gefahr, dass sich Personen verstärkt zurückziehen. Es entsteht ein Dilemma, aus dem es schwierig ist, wieder herauszukommen.
Forscher aus den USA haben herausgefunden, dass beim Sport ein bestimmtes Gehirnareal wächst (Jakob, 2017).Die sogenannte Neurogenese, also die Bildung von Nervenzellen, finde demnach im Hypocampus statt. Der Hypocampus ist das Areal im Gehirn, welches für die Merkleistung und das Erinnern zuständig ist.
Daraus lässt sich schlussfolgern, dass sportlich aktive Menschen leistungsfähiger und konzentrierter sind und daher weniger Fehler machen als Menschen, die sich wenig bewegen. Kanadischen Forschern zur Folge zeigten Sport treibende Menschen eine gesteigerte geistige Leistungsfähigkeit auf. „Körperlich aktive Menschen haben demnach eine schnellere Informationsverarbeitung, eine schnellere Reaktionsgeschwindigkeit und weisen eine höhere kognitive Flexibilität auf. Sie machen schlicht weniger Fehler in ihren Arbeitsprozessen“, so Jakob (2017, S.1).
Ein weiterer Aspekt ist eine erhöhte Gehirndurchblutung, die bereits bei geringer Bewegung wie etwa einem Spaziergang eintritt (Hollmann & Strüder, 2000). Mit Hilfe des Max-Planck-Instituts für Gehirnforschung konnte herausgefunden werden, dass in allen untersuchten Gehirnabschnitten eine deutliche Durchblutungssteigerung über den Ruhewert hinaus stattfand. Diese Durchblutungssteigerung findet statt, um produzierte Endorphine „so schnell wie möglich an periphere Zielorte zu transportieren“ (Hollmann & Strüder, 2000, S. 950). Durch die produzierten Endorphine ließ sich ein verringertes Schmerzempfinden der Probanden feststellen. Des Weiteren führt körperliche Aktivität im Gehirn zu einer erhöhten Serotoninsynthese, welche einen positiven Einfluss auf die Stimmung hat.
All die geschilderten Abläufe im Gehirn, die bei körperlicher Aktivität stattfinden, fehlen Menschen ohne ausreichend körperliche Bewegung. Folglich kommt es bei diesen Menschen nicht zu einer erhöhten Durchblutung des Gehirns, es findet keine Leistungssteigerung und auch keine Stimmungsaufhellung durch Serotonin statt. Bewegungsmangel wirkt sich also insgesamt negativ auf den psychischen Zustand eines Menschen aus.
3 Ursachen für das Fortschreiten von Bewegungsmangel
Im zweiten Kapitel wurde deutlich, dass die Zunahme von Personen mit Krankheiten, die durch Bewegungsmangel ausgelöst werden, erschreckend hoch ist.
Umso bedeutsamer ist es, sich bewusst zu machen, was das Fortschreiten von Bewegungsmangel begünstigt. Nur so lässt sich dem Phänomen entgegenwirken.
Der Mangel an Bewegung kann vielfältige Ursachen haben und lässt sich oftmals nicht auf einen einzigen Grund beschränken. Häufig ist es vielmehr eine Kombination aus mehreren Ursachen, die dazu führt, dass sich der Mensch weniger bewegt.
Fehlende Motivation, Angst, wenig Zeit oder psychische Hemmungen sind nur wenige Beispiele für mögliche persönliche Gründe.
Des Weiteren gibt es, wie bereits in Kapitel 1.1 beschrieben, immer mehr Arbeitsplätze in Büros und damit Tätigkeiten, die im Sitzen ausgeführt werden. Dieser Aspekt ist ein weiterer wichtiger Grund für den Bewegungsmangel unserer Gesellschaft. Um zu verstehen, wie der Energiehaushalt unseres Körpers mit dieser Entwicklung zusammenhängt, wie er arbeitet und was die Industrialisierung mit dem Fortschreiten von Bewegungsmangel zu tun hat, werden diese beiden Themen im folgenden Abschnitt näher erläutert.
3.1 Energiehaushalt des Körpers
Unsere Umwelt hat sich in den letzten Jahren enorm schnell verändert. Unser Erbgut ist jedoch das Gleiche geblieben. „Wir unterliegen heute denselben biologischen Gesetzen wie der Mensch vor Jahrtausenden. Ein Grundgesetz lautet: Struktur und Leistungsfähigkeit eines Organes werden bestimmt vom Erbgut, von der Qualität und Quantität seiner Beanspruchung“ (Hollmann, 1986, S. 4). Heute ist bekannt, dass die organische Kapazität mitunter durch rund 50% des Erbgutes beeinflusst wird.
Betrachtet man einmal unsere Vorfahren, so wird klar, dass wir im 21. Jahrhundert einen völlig konträren Lebensstil pflegen. So mussten unsere Vorfahren beispielsweise Feuer machen, sich die Nahrung selbstständig beschaffen und sich eigenhändig einen Unterschlupf bauen. Mitunter waren diese Tätigkeiten die Hauptbeschäftigungen und nahmen einen Großteil des Tages in Anspruch. Somit wird deutlich, dass der Körper unserer Vorfahren auf Bewegung ausgelegt war (Hollmann, 1986).
Vergleicht man diese Lebensweise mit unserer heutigen, so wird klar, dass all diese Dinge nicht notwendig sind, beziehungsweise durch Maschinen und die Industrie ersetzt werden. Körperlich anstrengen müssen wir uns nicht mehr, um etwas zu essen zu erhalten oder ein warmes Dach über dem Kopf zu haben. Körperliche Betätigung ist heutzutage nicht mehr notwendig, um das Überleben zu sichern. Wir bewegen uns nur noch, wenn wir die Bewegung bewusst anstreben.
Zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems ist die ständige Beanspruchung großer Muskelgruppen oberhalb der Reizschwelle jedoch von großer Wichtigkeit (Hollmann, 1986).
Das Herz-Kreislauf-System ist für den Körper so wichtig, da die Energieversorgung des menschlichen Organismus durch dieses System gewährleistet und intakt gehalten wird. Auch das Blut spielt in diesem System eine wichtige Rolle. So sorgen die 4,5 bis 5,5 Liter Blut im Körper für den Stoffaustausch im Gewebe, sie transportieren Sauerstoff, Nährstoffe sowie Abwehrzellen zu den Orten, an denen sie benötigt werden und transportiert Produkte, die ausgeschieden werden sollen, zur Lunge und den Ausscheidungsorganen. Zudem werden Hormone und Botenstoffe über das Blut im Körper verteilt. So kann beispielsweise signalisiert werden, dass der Körper Energie benötigt und Nahrung aufgenommen werden muss. Auch eine gleichmäßige Wärmeverteilung im Körper erfolgt mit Hilfe des Blutes. Zudem werden Krankheitserreger mittels Abwehrzellen, die sich im Blut befinden, abgeblockt. Dem Blut wird in unserem Herz-Kreislauf-System also eine enorm wichtige Aufgabe zuteil (Abraham, 2007).
Im Folgenden wird vereinfacht beschrieben, wie dem Körper Energie in Form des Energiestoffwechsels zur Verfügung gestellt wird und wie der Energiehaushalt reguliert werden kann.Lebewesen benötigen eine chemische Energiebereitstellung, um die lebensnotwendigen Funktionen des Körpers gewährleisten zu können. Andere Energieformen wären beispielsweise Licht- oder Wärmeenergie.
Die vom Körper benötigte Energie wird nicht direkt aus der Nahrung gewonnen, sondern wird in Form von Adenosintriphosphat, kurz ATP, dem wichtigsten Energielieferanten, bereitgestellt. Dieser Vorgang läuft in den Mitochondrien der Zellen ab.
Bei der Nahrungsaufnahme findet mit Hilfe von Sauerstoff eine Spaltung statt, bei der Kohlenstoffdioxid, Wasserstoff, Wärme und ATP entstehen.
Von dem ATP wird dann eine Phosphatgruppe abgespalten, sodass Adenosindiphosphat und ein Phosphatrest entstehen. Dieser Vorgang setzt Energie frei.
Der Energieverbrauch des Menschen setzt sich aus den folgenden drei Grundkomponenten zusammen: Grundumsatz, nahrungsabhängige und bewegungsabhängige Thermogenese. Die Thermogenese meint dabei die Erzeugung von Wärme im Organismus. Unter dem Grundumsatz versteht man den Energieverbrauch im Ruhezustand des Menschen, bei dem lediglich die lebensnotwendigen Stoffwechselprozesse im Körpergewebe ablaufen. Insbesondere die Muskulatur sowie Organe mit hoher metabolischer Aktivität wie etwa das Herz, Leber, Nieren, Atmungsorgane und das Gehirn sind dabei maßgeblich für den Grundumsatzverbrauch verantwortlich, da sie permanent arbeiten. Der Grundumsatz mache zwischen 50% und 70% des Gesamtenergieverbrauchs am Tag aus (Hauner & Berg, 2000).
Zur Ermittlung des nötigen Grundumsatzes bedient man sich laut Römer (2018) der Mifflin-St. Jeor-Formel (MSJ-Formel) aus dem Jahr 1990, die folgendermaßen lautet: GU (Grundumsatz) (kcal/24h)=10 * Gewicht (kg) + 6,25 * Größe (cm) - 5 * Alter (Jahre) + s
Der Faktor „s“ berücksichtigt dabei die Geschlechter. So wird bei Männern ein Wert von 5 eingesetzt, bei Frauen von -61. Die aufgeführte Formel ist jedoch auch nur als Näherungswert zu betrachten. Eine exakte Berechnung des Grundumsatzes ist schwierig, da auch Einflüsse wie Muskelmasse, Fettanteil oder der Gesundheitszustand einer Person Auswirkungen auf die benötigte Energie haben (Römer, 2018).
Die nahrungsabhängige Thermogenese, also ein Stoffwechselanstieg aufgrund von Nahrungszufuhr, macht im Vergleich zum Grundumsatz nur rund 10% des Energieverbrauchs aus (Hauner & Berg, 2000).
Der Energieverbrauch, der am stärksten schwankt und vom Aktivitätsgrad des Körpers bestimmt wird, ist nach Hauner und Berg die bewegungsabhängige Thermogenese. Dieser Bereich macht zwischen 20% bis 40% des Energieverbrauchs aus. Demnach haben körperlich aktive Menschen auch im Ruhezustand einen erhöhten Grundumsatz um etwa 10%, da die Muskelmasse größer ist, als bei inaktiven Menschen und demnach mehr Energie benötigt.
Aufgrund der verschiedenen Aspekte des Energiehaushaltes wird deutlich, dass zum Grundumsatz noch nahrungs- und bewegungsabhängige Komponenten hinzuaddiert werden müssen, um den Kalorienbedarf für den gesamten Tag zu ermitteln. Um diese Faktoren einzubeziehen, nutzt man die Physical Activity Level-Faktoren, kurz PAL-Faktoren, um dem entsprechenden körperlichen Aktivitätslevel Gewicht zu verleihen. Demnach werden sehr niedrigen Aktivitätsgraden in Form von ausschließlichem Sitzen oder Liegen Werte von 1 zugeordnet. Schreibtischtätigkeiten erreichen einen Wert von 1,5 sowie stehende Tätigkeiten, die mit 1,8 bis 1,9 bewertet werden. Schwere körperliche Anstrengung wird mit einem PAL-Faktor von 2 bis 2,4 angesetzt (Römer, 2018).
Kommt es jedoch dazu, dass dem Körper mehr Energie bereitstellt wird, als er benötigt, kann es beispielsweise zu Übergewicht kommen. Der Energiehaushalt des Körpers sollte also nicht permanent durch Nahrungsaufnahme gespeist, sondern auch durch körperliche Aktivität vollkommen ausgenutzt werden.
Nur so ist sichergestellt, dass es nicht zu einer langfristig positiven Energiebilanz und somit zu Übergewicht, weiteren Krankheiten und Folgeschäden kommt.
3.2 Industrialisierung und technischer Fortschritt
In unserem täglichen Leben ist es immer seltener notwendig, sich körperlich aktiv zu betätigen, da uns Menschen durch technische Hilfsmittel sehr viel Arbeit abgenommen wird. Der Großteil der heute nötigen Arbeitsschritte ist automatisiert und wird uns beispielsweise im produzierenden Gewerbe durch programmierte Maschinen abgenommen. Im Haushalt gibt es Küchengeräte, die das Zerkleinern von Lebensmitteln übernehmen, Staubsauger, die selbstständig saugen oder Rasenmäher, die von allein den Rasen mähen. Das Treppensteigen wird ersetzt durch Rolltreppen oder aber Fahrstühle. Doch die vermutlich prägnanteste Veränderung unseres Alltags bietet das Auto.
Fuhren Kinder früher mit dem Fahrrad zur Schule oder bewältigten den Schulweg zu Fuß, werden sie heute zumeist mit dem Auto zur Schule gebracht. Die Parkhäuser in den Städten bieten häufig zu wenige Parkplätze, da sich der überwiegende Teil der Bevölkerung mit dem Auto fortbewegt. Einer Umfrage zur Folge nutzen im Jahr 2018 rund 45,8% der deutschsprachigen Bevölkerung ab dem 14. Lebensjahr täglich oder fast täglich ein Auto als Fahrer oder Mitfahrer (VuMA, o.D.).
Die Bedeutung des Autos als Fortbewegungsmittel zeigt sich auch in der Verdopplung der gemeldeten PKW in Deutschland. Waren es im Jahr 1980 noch rund 23,2 Millionen, so sind es im Jahr 2018 bereits 46,5 Millionen PKW (KBA, o.D.).
Zurückzuführen ist diese Entwicklung wohl vor allem auf die Industrialisierung, die der Grundstein für unseren heutigen Wohlstand war. In Entwicklungsländern wie etwa Bangladesch kann man solch ein Phänomen von Bewegungslosigkeit hingegen nicht beobachten, da dort die Industrialisierung noch auf sich warten lässt. Der Grund, warum man Bewegungsmangelkrankheiten auch Wohlstandskrankheiten nennt ist, dass sie sich eben zumeist in wohlhabenden Gesellschaften und Ländern beobachten lassen.
Durch den andauernden Fortschritt der Technik wird außerdem ein Gefühl von „schneller, besser, weiter“ vermittelt. Die Arbeit, die Menschen erledigen wird nicht mehr von Hand, sondern überwiegend mit dem Computer erledigt und muss möglichst schnell fertig sein, denn Zeit kostet Geld. Der Großteil der Büroangestellten konzentriert sich also auf die Arbeit am Schreibtisch und leistet lediglich Anstrengung in Form von Denken. Der Körper wird dabei jedoch gar nicht bis kaum bewegt und gefordert.
Betrachtet man die Verteilung der Wirtschaftssektoren so fällt auf, dass mit fortschreitendem Wirtschaftswachstum der tertiäre Sektor, welcher Dienstleistungen umfasst, in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist. Es hat ein umfassender Strukturwandel zwischen den Sektoren stattgefunden. So entfallen in hochentwickelten Ländern wie Deutschland, rund 70% der Beschäftigungsanteile auf den tertiären Sektor (Kulke, 2017). Auch diese Entwicklung trägt dazu bei, dass die Zahl an Büroarbeitsplätzen weiter zunimmt und Bewegungsmangel damit immer allgegenwärtiger wird.
4 Kosten für die Wirtschaft
In diesem Kapitel wird auf die enormen Kosten eingegangen, die sowohl für die Krankenkassen durch vermehrte Arbeitsunfähigkeitstage entstehen, als auch für die Unternehmen, da diese unter anderem Produktionsverluste hinnehmen müssen. Darüber hinaus lassen sich jedoch noch weitere Auswirkungen für Unternehmen und die Wirtschaft festmachen, welche im folgenden Abschnitt erläutert werden. Diese gliedern sich auf in Fehlzeiten der Mitarbeiter und in den Präsentismus.
4.1 Fehlzeiten und Absentismus
Fehlzeiten beziehen sich auf die Tage, an denen ein Mitarbeiter nicht am Arbeitsplatz anwesend ist. Dies kann zum einen darin begründet sein, dass der Mitarbeiter beispielsweise krankheitsbedingt ausfällt, Zusatzurlaub beantragt hat oder sich auf einer Fortbildung befindet. Die Ursache kann jedoch auch in einem motivationalen Verhalten liegen.
Ist motivationales Verhalten die Ursache für das Fehlen, bezeichnet man dies als Absentismus. In diesem Kapitel liegt der Fokus auf den krankheitsbedingten Gründen sowie dem Absentismus. Sonstige Gründe für Fehlzeiten sind zum Beispiel das Fehlen aufgrund von Weiterbildungen und Seminaren, die der Mitarbeiter besucht. Die sonstigen Gründe werden in dieser Arbeit außer Acht gelassen, da sie keinen Bezug zum Bewegungsmangel oder dem Gesundheitsverhalten der Mitarbeiter haben.
Aufgrund des fortschreitenden Phänomens von Bewegungsmangel in der Gesellschaft kommt es vermehrt zu Folgeerkrankungen, wie in Kapitel 2.2 beschrieben wurde. Nach Meyer, Wenzel und Schenkel (2018) lag der Krankenstand in 2017 bei rund 5,3%, was keine Veränderung zu den beiden Vorjahren darstellt. Die Daten basieren auf den Arbeitsunfähigkeitsmeldungen von rund 13,3 Millionen AOK-Versicherten, welche die Krankenkasse mit dem größten Marktanteil ist. Demnach waren die Versicherungsnehmer durchschnittlich 19,4 Kalendertage arbeitsunfähig.
In 2017 betrug die Anzahl an bei der AOK versicherten Personen, die mindestens einen Tag arbeitsunfähig waren, 53,4%. Die nachstehende Tabelle 1 verdeutlicht auch den Unterschied zwischen ost- und westdeutschen Bundesländern.
Tabelle 1
Krankenstandskennzahlen 2017 im Vergleich zum Vorjahr
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(eigene Darstellung nach Meyer, Wenzel & Schenkel, 2018, S. 336)
Es wird deutlich, dass der Krankenstand im osten Deutschlands um 0,5% höher liegt, verglichen mit dem Westen.
Auch die Arbeitsunfähigkeitstage der östlichen Bundesländer liegen um 191,2 Tage höher als die AU-Tage in den westdeutschen Bundesländern. Insgesamt lässt sich aber auf Bundesebene feststellen, dass die AU-Fälle sowie AU-Tage im Vergleich zum Vorjahr 2016 leicht zurückgegangen sind.
Vergleicht man diese Werte mit vorherigen Jahren, so fällt auf, dass der Krankenstand der AOK-Mitglieder im Jahr 2012 bei 3,76 % und somit deutlich unter dem aktuellen Niveau lag. Sicherlicht wird der Krankenstand in Deutschland von einer Reihe Indikatoren beeinflusst. Der Mangel an Bewegung ist nicht allein Ursache für einen erhöhten Krankenstand. Jedoch lässt sich Bewegungsmangel als einer der Auslöser von vielen Begleitkrankheiten festmachen, was zuvor im zweiten Kapitel erläutert wurde. Durch hohe Krankenstände kommt es sowohl zu Kosten für die Krankenkassen als auch zu Kosten, die beim Arbeitgeber, durch fehlende Arbeitskraft, entstehen. Das schlägt sich unter anderem in Produktionsausfällen und Wertschöpfungsverlusten nieder.
Joachim Grifka, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie, wies in einem Pressegespräch bereits 2008 darauf hin, dass Unfälle, die durch Sport geschehen zwar auch Geld kosten, die Kosten von Bewegungsmangel jedoch vielfach höher seien (Schnack, 2008). Somit könnte angenommen werden, dass beispielsweise Krankenkassen alle Maßnahmen ergreifen, die möglich sind, um die Gesundheit der Versicherten zu erhalten und die Bewegungsaktivitäten zu fördern, um die Folgekosten von Bewegungsmangelkrankheiten möglichst gering zu halten. Als Negativbeispiel ist laut Steinacker und Reißnecker (2002) anzubringen, dass unter anderem die rund 600 in Deutschland existierenden Herzsportgruppen in das Visier der Krankenkassen geraten, da diese oft nicht gewillt sind, beispielsweise Wiederholungsverordnungen zu übernehmen. Häufig werden den Betroffenen nur Folgeverordnungen zugesprochen, die für einen Zeitraum von sechs Monaten gelten. In Bezug auf Herzerkrankungen sei dieser Zeitraum jedoch zu kurz und sollte laut Steinacker und Reißnecker auf drei Jahre ausgeweitet werden.
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- Arbeit zitieren
- Janika Richter (Autor:in), 2019, Bewegungsmangel. Die Auswirkungen auf Körper und Psyche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/492467
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