Diese Hausarbeit befasst sich mit der Frage, welche Rolle Bilder im Ethik- und Philosophieunterricht spielen und, welche Bilder bereits Eingang in den Kanon gefunden haben. Das erste Kapitel setzt sich mit dem Begriff der Bilddidaktik auseinander. Welche Argumente existieren in der Diskussion? Welche Funktionen werden Bildern im Unterricht zugeschrieben oder eher abwertend zugebilligt? Dazu werden unter anderem die Positionen von Stefan Maeger, Volker Pfeifer, Bernd Rolf, Ekkehard Martens und Brigitte Wiesen hinzugezogen. Im zweiten Kapitel wird ein kurzer Blick auf den bereits existierenden, impliziten Bilderkanon geworfen, um im dritten Kapitel zu erörtern, inwiefern sich der Philosophie- und Ethikunterricht auf dem Weg zur Herausbildung eines Hybridkanons befindet.
Heutzutage wird nach Tom Mitchell von einem pictorial turn gesprochen – Bilder sind allgegenwärtig, begleiten Schülerinnen und Schüler schon von Kindesalter an und sind sowohl kognitiv als auch affektiv wirkmächtig. Doch auch abseits der Debatte um multimediale Reizüberflutung haben und hatten Bilder von jeher eine wichtige Rolle inne. Sie wurden geschätzt als Mittel verschiedenster Mnemotechniken, aber auch jahrhundertelang mit Geringschätzung gestraft. Besonders in der Wissenschafts-geschichte galten sprachliche Bilder (Metaphern) als "instrument of error and deceit". In Kreisen der Royal Society herrschte ein ausdrückliches Verbot von Bildsprache in wissenschaftlichen Publikationen. Doch um sprachliche Bilder soll es in diese Hausarbeit nicht vorrangig gehen. Vielmehr stehen präsentative, also nichtsprachliche Bilder im Fokus.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Bilddidaktik
2. Bilderkanon
3. Auf dem Weg zum Hybridkanon?
4. Literaturverzeichnis
Bilder waren wohl noch nie so mächtig wie heute. Sie werden immer mehr als eine eigene Wahrnehmungs-, Wissens- und Erkenntnisform verstanden. [...] Um zu verhindern, dass wir angesichts einer solchen multimedialen Überflutung zu hilflosen Bildanalphabeten werden, bedarf es einer genuin philosophischen Reflexion. (Volker Pfeifer)[1]
Einleitung
Im Sinne des vorangestellten Zitats wird heutzutage nach Tom Mitchell von einem pictorial turn gesprochen – Bilder sind allgegenwärtig, begleiten Schülerinnen und Schüler (SuS) schon von Kindesalter an und sind sowohl kognitiv als auch affektiv wirkmächtig. Doch auch abseits der Debatte um multimediale Reizüberflutung haben und hatten Bilder von jeher eine wichtige Rolle inne. Sie wurden geschätzt als Mittel verschiedenster Mnemotechniken, aber auch jahrhundertelang mit Geringschätzung gestraft. Besonders in der Wissenschafts-geschichte galten sprachliche Bilder (Metaphern) als „instrument of error and deceit“ (John Locke, zitiert nach Draaisma 1999: 30). In Kreisen der Royal Society herrschte ein ausdrückliches Verbot von Bildsprache in wissenschaftlichen Publikationen. Doch um sprachliche Bilder soll es in diese Hausarbeit nicht vorrangig gehen. Vielmehr stehen präsentative, also nichtsprachliche Bilder im Fokus.
Welche Rolle spielen Bilder im Ethik- und Philosophieunterricht? Welche Bilder haben bereits Eingang in den Kanon gefunden?
Im ersten Kapitel werde ich mich zunächst mit dem Begriff der Bilddidaktik auseinandersetzen. Welche Argumente existieren in der Diskussion? Welche Funktionen werden Bildern im Unterricht zugeschrieben oder eher abwertend zugebilligt? Dazu werde ich u.a. die Positionen von Stefan Maeger, Volker Pfeifer, Bernd Rolf, Ekkehard Martens und Brigitte Wiesen hinzuziehen. Im zweiten Kapitel werfe ich einen kurzen Blick auf den bereits existierenden, impliziten Bilderkanon, um im dritten Kapitel zu erörtern, inwiefern sich der Philosophie- und Ethikunterricht auf dem Weg zur Herausbildung eines Hybridkanons befindet.
1. Bilddidaktik
Eine erste Definition zur Annäherung an den Begriff der Bilddidaktik für den Philosophieunterricht könnte nach Maeger wie folgt lauten:
Unter „ philosophischer Bilddidaktik“ wird [...] der Einsatz von Bildern im Unterricht der Philosophie verstanden [...]; zusätzliche Anforderung ist, dass dieser Einsatz philosophisches Nachdenken unterstützt, philosophische Probleme aufwirft oder philosophische Themen in anschaulicher Form präsentiert. (Maeger 2013: 15)
Ausgehend von dieser Definition können wir bereits festlegen, was Bilddidaktik nicht bedeutet. Der Einsatz von Bildern als Zierde oder beiläufigem Konsuminhalt, auf die SuS nicht mehr als einen flüchtigen Blick werfen, kann und sollte nicht Inhalt einer philosophischen Bilddidaktik sein. Vielmehr geht es um das bewusste Reflektieren von Bildern, das Erschließen von Mehrdeutigkeit und das Erlernen eines „langsamen, entdeckenden Sehens“, das diametral entgegengesetzt ist zum alltäglichen Bilderkonsum. (vgl. Wiesen 2007: 91 f.) Der eigentümliche Bereich des Schwer-Sagbaren kann mithilfe von Bildern als „Verlängerungen des Gedankens“ zugänglich und erfahrbar gemacht werden. (vgl. Wiesen 2007: 91; Information Philosophie) In welcher Form genau Bilder in den Unterricht eingebettet werden können, wird gleich Gegenstand der Klärung sein. Zuerst aber ist erklärungsbedürftig, weshalb der Text als seit Jahrtausenden genutztes Instrumentarium, SuS didaktisch an philosophisches Denken heranzuführen, von Bildern womöglich abgelöst oder doch zumindest ergänzt werden sollte. Hierfür lassen sich zahlreiche Argumente anführen. Zunächst können Bilder eines nicht leisten: sie können unterschiedliche philosophische Positionen und deren Argumentationsgänge nicht derart sichtbar machen, dass sie Texte gänzlich ersetzen. Dieser diskursive Nachteil gegenüber dem Text kann jedoch zu einem Vorteil gewendet werden. Bilder sind durch eine Offenheit und Mehrdeutigkeit gekennzeichnet, die einen Spielraum für das eigenständige Philosophieren eröffnen. (vgl. Maeger 2013: 24 f.) Neben diesem symboltheoretischen Argument kann ein lerntheoretisches Argument benannt werden. SuS sind in verschiedensten Dimensionen eine heterogene Gruppe. Um den unterschiedlichen Voraussetzungen, Interessen, aber auch dem Anspruch ihnen bestmöglich Kompetenzen beizubringen, gerecht zu werden, eignet sich eine Medien- und Methodenvielfalt. Martens „integratives Methodenparadigma“ fordert eine Methodenkomplexität, die das Hinzuziehen von Bildern als fruchtbare Ergänzung gelten lässt. (vgl. Maeger, Information Philosophie; Martens 2007: 14 f.) Zudem könne eine ganzheitliche Herangehensweise erzielt werden, indem zu dem auf Rationalität und Kognition verkürzten Bildungsbegriff affektiv-emotionale Aspekte hinzutreten. Darüber hinaus könne im Umgang mit Bildern auch die konstruktiv-kreative Kompetenz bei den SuS angeregt und gefördert werden. (vgl. Pfeifer, Information Philosophie)
Ein weiteres Argument lässt sich aus der Gedächtnistheorie beziehen. So wird Gesehenes gegenüber Gelesenem besser behalten (30% vs. 10%). (vgl. Peters/Rolf 2007: 118) Werden Text und Bild miteinander kombiniert, ergibt sich außerdem durch die sogenannte „Doppelcodierung” eine signifikant höhere Gedächtnisleistung. (vgl. Maeger 2013: 26)
Trotz all dieser „guten“ Argumente tut sich die Frage auf, wie Bilder in den Unterricht eingebettet werden sollen. Gerade der Philosophieunterricht, der begrifflich-argumentativ und abstrakt verfährt, scheint unvereinbar mit sinnlich-anschaulichem, konkretem Bildermaterial. Dass dieser Einspruch zu kurz greift, zeigt Martens anhand des sokratischen Philosophierens. Dieses umfasst fünf Methoden: die phänomenologische Methode, die hermeneutische Methode, die analytische Methode, die dialektische Methode sowie die spekulative oder intuitiv-kreative Methode.[2] Diese Art Philosophieren trennt keineswegs das anschauliche, konkrete Denken vom abstrakten Philosophieren. Vielmehr werden diese miteinander vernetzt. Mithilfe von Bildern und einem phänomenologischen Zugang können Konkretes und Abstraktes aufeinander bezogen werden und je nach Bedarf die Begriffsbildung oder die Anschauung gestärkt werden. (vgl. Martens 2007: 14)
Dass Bilder ideengeschichtlich eine facettenreiche Tradition aufweisen, beweist Maeger. Ein kurzes Beispiel soll herausgegriffen werden. Cesare Ripa präsentiert in seinem Handbuch „Iconologia“ im Jahre 1593 bildliche Personifikationen, die abstrakte Ideen und Begriffe veranschaulichen. Der Katalog ist alphabetisch geordnet und enthält Personifizierungen von Tugenden, Lastern, Wissenschaften, geistigen Tätigkeiten, Affekten uvm. Über die Personifikation konnte eine emotionale Resonanz mit sonst unbelebten, abstrakten und unansprechbaren Dingen erlebt werden. Neben der gedächtnisförderlichen Anschaulichkeit boten diese Bilder jedoch vor allem Anlässe zur vertieften Reflexion. (vgl. Mager 2013: 35 f.) Maeger konstatiert: „Die Auseinandersetzung mit Personifikationen konnte in einer regelrechten philosophischen Begriffsanalyse münden.“ (Maeger 2013: 37)
Vor diesem ideengeschichtlichen Hintergrund erscheint der moderne Einwand, Bilder seien „nur“ sinnlich-konkret, unzureichend.
Die Einbettung von Bildern in den Unterricht kann auf vielfältige Weise und mit je unterschiedlichen Funktionen geschehen. Sie können als niedrigschwelliger Einstieg ins Thema gewählt werden, aber auch zur Erarbeitung eines Themas selbst eingesetzt werden. Sie können zur Problematisierung und Sensibilisierung genutzt, aber auch zur Ergebnissicherung verwendet werden. Auch ein Ausblick mithilfe von Bildern ist denkbar. (vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München[3] ; Wiesen 2007: 93 f.) In der Regel werden Bilder nicht isoliert betrachtet, vielmehr sind sie eingebettet in ein gemeinsames Unterrichtsgespräch, das den verschiedenen Perspektiven und Aspekten, die das Bild aufwirft, begegnen kann. (vgl. Mager 2013: 27) Daher stehen sich Philosophie und Bilder nicht widersprüchlich entgegen. So wie die Textlektüre in ein reflektierendes Unterrichtsgespräch mündet, können auch Bilder zum gemeinsamen Philosophieren genutzt werden. Die Vielfalt eines handlungstheoretischen Umgangs mit Bildern im Ethik- und Philosophieunterricht stellt Wiesen in einer offenen Liste zusammen. Nur einige Beispiele seien genannt: Schreibgespräch zum Bild, Bilderreihen erstellen, Bilder und Bildtitel einander zuordnen, eine Geschichte zu einem Bild erzählen, kontrastierende/affirmative Bilder um einen Text arrangieren, Bildszenen als Standbild nachstellen, kritische Auseinandersetzung mit Bildinterpretationen, Collagen erstellen. (vgl. Wiesen 2007: 99-101) Gerade in schriftdominierten Fächern sollte Bildlichkeit nicht in den Bereich der Kinderwelt oder der bloßen Motivationshilfe zur Annäherung an die monomodale Schriftkultur verbannt werden. Diskontinuierliche Texte, darunter Grafiken und Bilder, sind längst Bestandteil verschiedenster Fächer, ohne dass spezifische didaktische Heranführungen existierten. Um den Umgang mit Bildern zu erlernen, müssen diese explizit thematisiert werden und das implizite Selbstverständnis jener Fächer hinterfragt werden. (vgl. Gretsch 2016: 21f.)
[...]
[1] https://www.information-philosophie.de/?a=1&t=2948&n=2&y=1&c=66 (nachfolgend Information Philosophie)
[2] für die Definitionen der jeweiligen Methoden siehe Martens 2007: 13-14; eine Übersicht über die sokratischen Methode angewandt auf die Bilddidaktik findet sich ebenda bei Wiesen 2007: 97-98.
[3] Bilder im Ethikunterricht: https://www.isb-gym8-lehrplan.de/contentserv/3.1.neu/g8.de/index,php?StoryID=27170
- Citar trabajo
- Henrike Vogel (Autor), 2018, Bilder im Philosophie- und Ethikunterricht. Die Begründung einer philosophischen Bilddidaktik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/491585
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