Das Mädchen Betty ist die Bedienstete der Sara Sampson und damit die der Protagonistin zur Seite gestellte Nebenfigur. Diese erfüllen eher einen dramaturgischen Zweck als persönlich plastisch zu werden. Im Stück selbst gibt es nur wenig Auskunft über Betty. Sie tritt nicht oft oder lang auf. Der Zuschauer erfährt lediglich das sie seit „kurzen neun Wochen“ in den Diensten der Sara ist, seit diese mit Mellefont durchgebrannt ist. Dies wirft die Frage auf, braucht es diese Figur überhaupt in diesem Drama? Es wäre auch glaubwürdig, das Sara auf ihrer Flucht keine Bedienstete beschäftigt. Neben Betty gibt es noch weitere Nebenfiguren, die ihre Aufgaben erfüllen könnten.
Betty im Drama „Miss Sara Sampson“ – braucht es diese Nebenfigur?
Das Mädchen Betty ist die Bedienstete der Sara Sampson und damit die der Protagonistin zur Seite gestellte Nebenfigur. Diese erfüllen eher einen dramaturgischen Zweck als persönlich plastisch zu werden. Im Stück selbst gibt es nur wenig Auskunft über Betty. Sie tritt nicht oft oder lang auf. Der Zuschauer erfährt lediglich das sie seit „kurzen neun Wochen“1 in den Diensten der Sara ist, seit diese mit Mellefont durchgebrannt ist. Dies wirft die Frage auf, braucht es diese Figur überhaupt in diesem Drama? Es wäre auch glaubwürdig, das Sara auf ihrer Flucht keine Bedienstete beschäftigt. Neben Betty gibt es noch weitere Nebenfiguren, die ihre Aufgaben erfüllen könnten.
Ihren ersten Auftritt hat Betty zusammen mit ihrer Herrin im ersten Aufzug. Im vierten Auftritt dieses Aufzuges betritt sie den Saal des Gasthofes und trifft dort auf Mellefont und dessen Diener Norton. Sie antwortet schluchzend auf die Frage wie es ihrem Fräulein gehe und erzählt wie schlecht es Miss Sara in dieser Nacht ergangen ist. Sie berichtet von dem Albtraum und den körperlichen Anzeichen, die diese schreckliche Erfahrung bei Sara auslöste: „Plötzlich fuhr sie in die Höhe, sprang auf, fiel mir als Unglückliche in die Arme […] Sie zitterte, und ein kalter Schweiß floss ihr über das erblasste Gesicht.“2 Betty erfüllt hier gleich zwei Funktionen, zum einen ist dies ein Botenbericht, der eine sprachliche Darstellung von dem ist, was bereits in der Vergangenheit an einem anderen Ort der Bühnenhandlung geschehen ist. Um die Einheit von Ort, Zeit und Raum im Drama gewährleisten zu können sind solche Botenberichte oft unerlässlich. Denn Sara ist ja aus einem Albtraum erwacht und diesen kann sie nur in ihrem Zimmer, während der vorherigen Nacht gehabt haben.
Es gibt allerdings auch andere Möglichkeiten, dieses Ereignis was sich auf die Handlung auswirkt, sichtbar zu machen. Man hätte beispielweise einen anderen Boten wählen können. So hätte auch Norton seinem Herrn davon berichten können, dass er vor dem Zimmer der Miss in der Nacht beispielsweise ein wimmern und weinen gehört hätte. Doch diese Variante würde zu viele Fragen aufwerfen. Wieso war Norton in der Nacht in der Nähe vom Zimmer der Sara? Weshalb sollte ein wimmern oder ein Wehklagen mit einem Albtraum in Verbindung gebracht werden? Das Betty in der Nacht bei ihrer Herrin war, ist durchaus plausibel. Eine weitere Möglichkeit einen Boten sogar ganz zu umgehen, wäre ein Brief, der laut vorgelesen wird. So hätte Sara ihrem Mellefont auch von ihrem Albtraum, der aus ihrem schlechten Gewissen entsprang, schreiben können. Doch dies zeigt die zweite Funktion von Betty als Botin, die Glaubwürdigkeit. Wenn Sara diesen Brief geschrieben hätte und ihn Mellefont nun liest, so steht immer die Frage im Raum, ob es wirklich so war. Plagt sie das schlechte Gewissen aufgrund ihrer Tugendhaftigkeit oder will sie Mellefont mit diesem Kniff zur Hochzeit drängen? Indem Betty nun dieses Ereignis und die körperlichen Merkmale schildert, die nur dem Unterbewusstsein entsprungen sein können, bestätigt sie die Tugendhaftigkeit ihrer Herrin.
Erst im dritten Aufzug und dem dritten Auftritt tritt Betty wieder in Erscheinung. Allerdings spricht sie nur einen Satz zu Waitwell, dem Diener des Vaters von Sara, Sir William Sampson. Sie bringt ihn in das Zimmer von Sara. Damit endet ihr aktives Handeln in diesem Auftritt auch schon wieder. Sie bleibt nun stumm, während Waitwell den Brief seines Herrn an dessen Tochter übergibt. Da sie im späteren Verlauf erst von ihrer Herrin über diesen Brief informiert wird, ist davon auszugehen, dass sie die Bühne wieder verlässt. Sara kann aufgrund ihrer starken Tugendhaftigkeit die Vergebung ihres Vaters nicht annehmen. Erst als Waitwell mit ihr spricht, überzeugt er sie davon ebendies zu tun. Das Betty hier nicht zu Wort kommt, könnte daran liegen, dass sie dazu nichts beitragen kann. Nur Waitwell war dazu in der Lage Sara zu überzeugen. Dies hätte Betty nicht vermocht. Sie konnte die arme Sara schon in der Nacht nicht beruhigen und kann in diesem Auftritt nichts für die Handlung beisteuern.
Im sechsten Auftritt dieses Aufzuges kommt sie dann doch zu Wort. Gerade als sich Sara wieder setzen möchte, um an ihrem Brief für ihren Vater weiterzuschreiben, kommt Betty dazu. Es folgt ein Dialog der Beiden über den erfreulichen Brief von Sir William Sampson. In diesem Dialog wird die Erleichterung von Sara über die mögliche Versöhnung mit ihrem Vater deutlich. Sie spricht mit Betty über ihre Freude und die nächsten Schritte. Dabei handelt es sich um die Vertrautenrede. Auch diese ist ein oft gewähltes Mittel, um die Gedanken und Gefühle der Protagonisten aufzuzeigen. Dies ist auch in einem Monolog möglich, jedoch wäre es schwierig dafür zu sorgen das alle Hauptfiguren ständig die Möglichkeit bekämen in einem Monolog über ihre Gefühle und Motivationen zu sprechen. Doch gerade hier ist die Figur der Betty überflüssig oder? Nur zwei Auftritte zuvor hat Sara einen sehr glaubwürdigen Monolog, indem sie überlegt, was sie in dem Brief an ihren Vater schreiben könnte. Es wäre kein Problem nach Abgang der Marwood und Mellefont, diesen Monolog wieder aufzugreifen. Jedoch scheint Betty der Anstoß zu sein, dass Sara ihre Freude nun offenlegt und nicht mehr über ihre Entscheidung grübelt oder Furcht zeigt.
Im nächsten Aufzug betritt Betty im siebten Auftritt die Bühne und teilt Mellefont lediglich mit, dass unten ein Fremder ihn zu sprechen wünscht. Daraufhin gehen sie und Mellefont ab. Dieser kurze Auftritt ist zwar für die weitere Entwicklung der Handlung wichtig, da nun Sara und Marwood allein zurückbleiben und sich dadurch erst die Katastrophe anbahnen kann. Jedoch hätte auch ein anderer Bote diese Aufgabe übernehmen können.
Erst im fünften Aufzug wird die Bedeutung der Betty, neben ihrem Botenbericht zu Anfang, deutlich. Im ersten Auftritt unterhält sie sich mit der schwachen Sara. Diese war in Ohnmacht gefallen. Erst in diesem Dialog erfährt man durch Betty das diese, Sara eine Arznei eingeflößt hat. Auch das Marwood, die sich zu erkennen gab, solange blieb, bis dies geschah. Erst im Laufe des Aufzuges wird klar, dass es sich bei der Arznei um Gift handelte. Betty trägt somit viel dazu bei, die Katastrophe auszuführen. Ohne sie wäre es vielleicht nicht dazu gekommen. Denn wenn Marwood der ohnmächtigen Sara ihr Gift als Medizin eingeflößt hätte, so wäre keine Zeit mehr gewesen um zu fliehen. Oder der Verdacht wäre schon früher aufgekeimt.
Als Sara stirbt bittet sie darum, dass niemand Betty Vorwürfe machen solle: „Das arme Mädchen! Dass ihr ja niemand eine Unvorsichtigkeit vorwerfe, die durch ihr Herz ohne Falsch, und also auch ohne Argwohn der Falschheit, entschuldiget wird.“3 Dadurch das Sara ihr keine Schuld gibt, unterstreicht es ihren edlen Charakter und zeigt zusätzlich zum zerreißen des Briefes der Marwood, dass Sara nun doch zur Vergebung fähig ist. Die Vergebung die sie sich selbst so schwer vermochte.
Gegenüber der anfänglichen Skepsis beweisen der Botenbericht und die Mitschuld von Betty an der Katastrophe, dass auch diese Nebenfigur für das gesamte Drama und deren Verlauf sehr wichtig ist. In einigen Ausnahmen könnte diese Figur durchaus ersetzt werden, jedoch gewinnt das Stück mit ihr an Glaubwürdigkeit und erhält eine weitere Figur, die das Mitleid erwecken kann. Somit trägt auch Betty als Figur etwas zur Hauptabsicht eines bürgerlichen Trauerspiels bei. Sie ist ein Mädchen, das ein gutes Herz besitzt und ohne Absicht dazu beiträgt ihre Herrin zu töten. Trotz der fehlenden Ambivalenz ihres Charakters, bleibt sie authentisch und weckt so das Mitleid des Zuschauers. Betty ist somit neben Waitwell eine der wichtigsten Nebenfiguren in diesem Drama.
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1 Lessing, Miss Sara Sampson, S. 60
2 Ebd., S. 10
3 Ebd., S.104
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- Denise Gedicke (Autor), 2018, Betty im Drama "Miss Sara Sampson". Braucht es diese Nebenfigur?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/491450