In dieser Seminararbeit habe ich mich mit der Dialektrezeption unter Regensburger Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion auseinandergesetzt und unterschiedliche Sprachkompetenzen untersucht. Da ich in der Ukraine geboren bin und 1995 als jüdischer Kontingentflüchtling zusammen mit meiner Familie nach Deutschland kam, habe ich einen sehr guten Bezug zu den hier lebenden Ausländern und besonders zum bairischen Dialekt.
Schon seit meinen jungen Jahren in der Grundschule hat mich diese Vielfältigkeit der Ausdrucksformen fasziniert, warum sich beispielsweise die Sprache meiner ausländischen Freunde von der, die einheimisch waren, unterschieden hat. Als ich älter wurde, machte ich mir noch mehr Gedanken über diese Sprachvarietät, denn sie klang mir melodischer und auch gefühlvoller als die Schriftsprache. So habe ich diese Thematik bewusst gewählt und werde im ersten Teil über die historischen Ursachen referieren, die die Menschen dazu verleitet haben, für immer nach Deutschland zu emigrieren und welche rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen wurden. Dabei wird zunächst differenziert in Aussiedler deutscher Ethnie zum einen und zum anderen in jüdische Kontingentflüchtlinge. Zusätzlich stelle ich diese beiden Gruppen in einem Gesamtüberblick dar.
Im Hauptaugenmerk dieser Arbeit widme ich mich dann der sprachlichen Analyse und stelle Jugendliche von 18 bis 25 Jahren, Erwachsene von 30 bis 50 Jahren und Personen mittleren Alters ab 60 Jahren kritisch gegenüber. Dabei vergleiche ich diese Gruppen anhand der Kriterien Alter und Akademisierungsgrad und versuche daraus Schlüsse zu folgern, auf welchem Niveau Migranten des Dialektes mächtig sind und aufgrund welcher Faktoren sich diese Kompetenzen unterscheiden lassen. Unter dem Punkt 4 möchte ich schließlich kurz darüber erörtern, ob es notwendig ist, einen Bairisch-Sprachkurs für Interessierte einzuführen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Entwicklung der russischsprachigen Zuwanderung aus dem Gebiet der ehemaligen UdSSR in die Bundesrepublik Deutschland seit 1987
2.1 Historische Ursachen und rechtliche Voraussetzungen bis 2004
2.1.1 (Spat-)Aussiedler
2.1.2 Judische Kontingentfluchtlinge
2.2 Vergleichender Gesamtuberblick der Einwanderungszahlen
3. Statistische Analyse der Dialektrezeption unter Regensburgern mit russischsprachigem Migrationshintergrund
3.1 Vorgehensweise
3.2 Personen mittleren Alters (60 bis 70 Jahre)
3.2.1 Faktor Beruf
3.2.2 Faktor soziales Umfeld
3.3 Vergleich zwischen Jugendlichen (18-25 Jahre) und Erwachsenen (30-50 Jahre) anhand des Kriteriums Alter
3.3.1 Gemeinsamkeiten
3.3.2 Transferspezifische Besonderheiten unter Jugendlichen
3.3.3 Transferspezifische Besonderheiten unter Erwachsenen
3.3.4 Vergleichendes Gesamtbild der Altersrezeption
3.4 Vergleich unter Erwachsenen (30-50 Jahre) anhand des Kriteriums Akademisierungsgrad
3.5 Zusammenstellung aller erzielten Forschungsergebnisse und Fazit
4. Moglichkeit der Einfuhrung eines Bairisch-Sprachkurses
5. Literaturverzeichnis
6. Muster eines Fragebogens
1. Einleitung
In dieser Seminararbeit habe ich mich mit der Dialektrezeption unter Regensburger Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion auseinandergesetzt und unterschiedliche Sprachkompetenzen untersucht. Da ich in der Ukraine geboren bin und 1995 als judischer Kontingentfluchtling zusammen mit meiner Familie nach Deutschland kam, habe ich einen sehr guten Bezug zu den hier lebenden Auslandern und besonders zum bairischen Dialekt.
Schon seit meinen jungen Jahren in der Grundschule hat mich diese Vielfaltigkeit der Ausdrucksformen fasziniert, warum sich beispielsweise die Sprache meiner auslandischen Freunde von der, die einheimisch waren, unterschieden hat. Als ich alter wurde, machte ich mir noch mehr Gedanken uber diese Sprachvarietat, denn sie klang mir melodischer und auch gefuhlvoller als die Schriftsprache. So habe ich diese Thematik bewusst gewahlt und werde im ersten Teil uber die historischen Ursachen referieren, die die Menschen dazu verleitet haben, fur immer nach Deutschland zu emigrieren und welche rechtlichen Voraussetzungen dafur geschaffen wurden. Dabei wird zunachst differenziert in Aussiedler deutscher Ethnie zum einen und zum anderen in judische Kontingentfluchtlinge. Zusatzlich stelle ich diese beiden Gruppen in einem Gesamtuberblick dar.
Im Hauptaugenmerk dieser Arbeit widme ich mich dann der sprachlichen Analyse und stelle Jugendliche von 18 bis 25 Jahren, Erwachsene von 30 bis 50 Jahren und Personen mittleren Alters ab 60 Jahren kritisch gegenuber. Dabei vergleiche ich diese Gruppen anhand der Kriterien Alter und Akademisierungsgrad und versuche daraus Schlusse zu folgern, auf welchem Niveau Migranten des Dialektes machtig sind und aufgrund welcher Faktoren sich diese Kompetenzen unterscheiden lassen.
Unter dem Punkt 4 mochte ich schlieRlich kurz daruber erortern, ob es notwendig ist, einen Bairisch-Sprachkurs fur Interessierte einzufuhren.
2. Die Entwicklung der russischsprachigen Zuwanderung aus dem Gebiet der ehemaligen UdSSR in die Bundesrepublik Deutschland seit 1987
Bei den Migrationsbewegungen aus der Sowjetunion nach Deutschland in der Zeit nach der deutschen Wiedervereinigung gibt es grundsatzlich, bis auf wenige Ausnahmen, zwei Bevolkerungsgruppen zu unterscheiden: Zum einen Aussiedler (seit 1993: Spataussiedler), die im Sinne von § 6 BVFG1 deutsche Volkszugehorige sind, und zum anderen Kontingentfluchtlinge judischer Nationalitat. Diese beiden Gruppen werden im Folgenden zunachst differenziert betrachtet.
2.1 Historische Ursachen und rechtliche.Voraussetzungen. bis. .2004
Seit den liberalisierenden Reformen in der kommunistisch regierten Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken durch den damaligen Generalsekretar Michail Gorbatschow bestand ab dem Jahr 1987 fur Ausreisewillige die Moglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen nach Deutschland auszureisen.
2.1.1 (SRa.t.-JAus.s.i.e.dler.
Aufgrund der damals sowohl wirtschaftlichen als auch gesellschaftlichen Umbruche entschlossen sich deshalb im gleichen Jahr 753 sowjetische Burger deutscher Ethnie diese Gelegenheit zu nutzen und in das Land ihrer Vater und Mutter zuruckzukehren.2 Diese Deutschen hatten zum GroRteil ihre Wurzeln im 18. Jahrhundert, da zu dieser Zeit weite Teile des Russischen Reiches noch unbesiedelt waren und die damals herrschende Zarin Katharina die GroRe (1729-1796) Arbeiter aus Nord- und Mitteleuropa zu sich einlud, um rohstoffreiche, landwirtschaftliche Flachen zu erschlieRen. Dabei bot sie den Interessierten als Ansporn Privilegien an wie das Recht auf freie Religionsausubung oder Reisegeld, jedoch blieb das Interesse vorerst gering. Die Auswanderungsrate stieg enorm an mit dem Einsatz von sogenannten „Lokatoren“3, die auf dem gesamtdeutschen Gebiet fur diese Arbeitsplatze gegen Provision vom russischen Staat warben. Zudem sahen viele Deutsche darin das mogliche Entkommen vor dem personlichen Niedergang durch die Folgen des Siebenjahrigen Krieges. Weitere groRere, eher unfreiwillige Wanderungsbewegungen fanden unter anderem in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg statt, in der vielen deutschen Kriegsgefangenen und Verschleppten die Moglichkeit verwehrt wurde, in ihre Heimat zuruckzukehren.
Anfangs „war es selbstverstandlich, dass Spatheimkehrer (so die amtliche Bezeichnung) in den Ort zuziehen konnten, in dem ihre Angehorigen [einst] ansassig waren."4, doch mit jedem Jahr stiegen die Zuzugszahlen, bis die deutschen Behorden 1990 bei jahrlich circa 148.000 Einreisenden entschieden, die rechtlichen Bestimmungen mit der Verabschiedung des Aussiedleraufnahmegesetzes zu verscharfen und setzten einen zuvor erhaltenen Aufnahmebescheid sowie angemessene Deutschkenntnisse voraus. Des Weiteren wurde mit dem Kriegsfolgenbereinigungsgesetz des 01. Januar 1993 der Wortlaut „Aussiedler" zu „Spataussiedler" geandert und man grenzte nochmals die Zuzuge durch die sogenannte Kontingentierung ein, in dem man die Aufnahme auf maximal 220.000 Bescheide pro Jahr begrenzte.5 So reisten bis 2004 circa 2 Millionen Menschen im Rahmen des (Spat-)Aussiedlerzuzugs nach Deutschland ein.6
2.1.2 JudischeKontingentfluchtlinge,
Parallel zu den Spataussiedlern, umgangssprachlich auch Russlanddeutsche genannt, wurden, aufgrund von „steigende[m] Antisemitismus"7 und wirtschaftlichen Umbruchen in den aus den Ex-Sowjetrepubliken hervorgegangenen Nationalstaaten erste Rahmenbedingungen auch fur Juden geschaffen, um zunachst nach Ostdeutschland auszureisen.
Da jedoch wenige Monate spater, nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990, sich die ehemalige DDR der Bundesrepublik angegliedert hat, lud auch dieser fusionierte Staat judische Migranten ein, um einerseits die religiosen Gemeinden im Land zu starken und andererseits als eine Art „Verantwortung fur die Vergangenheit"8 bei den Angehorigen anzuknupfen. Zu letzterem wollte sich Deutschland indes gehend revanchieren als „eine Antwort der Deutschen auf den Holocaust, das dunkelste Kapitel ihrer Geschichte"9.
Ausschlaggebend fur diese Auflagen war ein Beschluss der Innenministerkonferenz vom 09. Januar 1991, der besagte, dass diese Bevolkerungsgruppe laut dem „Gesetz uber MaRnahmen fur im Rahmen humanitarer Hilfsaktionen aufgenommene Fluchtlinge" (HumHAG) ohne weitere Einschrankungen nach Deutschland einwandern durfe.10 Hierzu sollte man anmerken, dass der oben genannte Begrif f „Jude" nach sowjetischer Lesart, anders als in Deutschland, als eine Nationalitat im Sinne einer Volkszugehorigkeit galt und in den Ausweisdokumenten vermerkt war. Aufgrund des fur sozialistische Lander eher typischen atheistischen Weltbildes sagte somit diese Bezeichnung de facto nichts uber den Glauben der jeweiligen Person aus.11 Bis zum 31.12.2004 sind ungefahr 200.000 judischer Fluchtlinge nach Deutschland emigriert, solch eine Zahl an Einwanderern, zum Vergleich, war bei Russlanddeutschen jahrlich12 in der Periode von 1992 bis 1995 zu beobachten.13
2.2 Vergleichender Gesamtuberblick uber die Einwanderungszahlen
Das Statistische Bundesamt stellte 2011 in einem Mikrozensus fest, dass sich in dem Zeitraum von 1990 bis 2011 etwa 1,54 Millionen zugewanderte Russlanddeutsche aus der ehemaligen Sowjetunion befanden. Die Zahl ist mit der vorher genannten, den 2 Millionen, insofern zu vereinbaren, als dass viele wieder in ihr Herkunftsland zuruckgekehrt sind, wie mir durch ein zusatzliches Gesprach beim Interview erklart wurde. Analog dazu liegen die Zahlen der „judischen Fluchtlinge" vor, die ab 2005 durch ein reformiertes Zuwanderungsgesetz seitdem fast nicht mehr anstiegen. Dieses Gesetz traf nun auf alle kunftigen Einreisewilligen Anwendung und sollte damit laut §3 AufenthG die „Begrenzung des Zuzugs" sichern. So kann man sich an der oben genannten Zahl von insgesamt 200.000 gut orientieren.
3. Statistische Analyse der Dialektrezeption unter Regensburgern mit russischsprachigem Migrationshintergrund
3.1 Vorgehensweise
Im Zeitraum vom September bis Oktober 2013 wurden im Rahmen dieser Seminararbeit 31 Personen im Alter von 18 bis 70 Jahren befragt, die drei wesentliche Grundkriterien erfullen sollten: Sie wurden in einem Land des (post-)sowjetischen Gebietes geboren, sahen Russisch als ihre Muttersprache an und wiesen einen festen Wohnsitz im Regensburger Stadtgebiet seit mindestens 12 Jahren vor.
Da ich ebenso im September 1995 mit meiner Familie als judischer Kontingentfluchtling aus der Ukraine in die Bundesrepublik Deutschland emigrierte, stehe ich besonders mit vielen russischsprachigen Leuten in Kontakt und habe aufgrund der Ortspraferenz einen guten Bezug zur deutschen und auch zur bairischen Sprache. Dadurch gelang es mir relativ schnell, viele potenzielle und auch interessierte Probanden fur meine Forschung zur einzelnen Dialektrezeption zu finden. So habe ich gleich telefonisch oder per Mail ein zeitnahes Treffen organisiert, diese Person dann bei sich zuhause besucht und in einem kurzen Vorgesprach daruber aufgeklart, was das Ziel dieser statistischen Erhebung sei und womit sie im weiteren Dialogverlauf konfrontiert werde. Daraufhin fing nun das zweiteilige Interview an: Im ersten Teil wurde dem Befragten das bairische Gedicht „A Draam vom Fliang“14 von Ingrid Hoft vorgespielt, das zuvor von einem Regensburger Mundartsprecher aufgenommen wurde. Dies diente zum einen der Lockerung des Gesprachs, zum anderen jedoch sollte es hauptsachlich schon zu Beginn aufzeigen konnen, ob jegliche Kompetenzen der Mundart bei der jeweiligen Person vorherrschen und dem Hauptaugenmerk des Interviews, namlich dem zweiten Teil, dienen konnten. An diesem Punkt wurden die beteiligten Personen so nach geeigneter Relevanz sortiert und die Befragung ist bei den Leuten, die den groben Inhalt des Gedichts erfassen konnten, fortgesetzt worden. Im zweiten Teil wurden dann in einem eigens dafur zusammengestellten Fragenkatalog sowohl Worter als auch Ausdrucke der Hochsprache, auch Standarddeutsch genannt, vorgegeben, die dann ins Bairische ubersetzt werden sollten.
[...]
1 § 6 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) - Gesetz uber die Angelegenheiten der Vertriebenen und Fluchtlinge
2 vgl. Alfred Eisfeld, (Spat-)Aussiedler in Deutschland, 2013
3 Jan Schneider, Die Geschichte der Russlanddeutschen, 2005
4 Alfred Eisfeld, (Spat-)Aussiedler in Deutschland, 2013
5 vgl. Alfred Eisfeld, (Spat-)Aussiedler in Deutschland, 2013
6 vgl. Bundesamt fur Migration und Fluchtlinge (BAMF): Migrationsbericht 2006 und 2010
7 Zentralrat der Juden in Deutschland, Regelung bis 2004
8 vgl. Stefan Daniel, geplante Desintegration, 2009
9 Klaus J. Bade, Jochen Oltmer, Flucht und Asyl seit 1990
10 vgl. Stefan Daniel, geplante Desintegration, 2009
11 Diese Information erhielt ich von zahlreichen Menschen, die ich im Rahmen dieser Arbeit interviewt habe.
12 personlich hervorgehoben
13 vgl. Bundesamt fur Migration und Fluchtlinge (BAMF): Migrationsbericht 2010
14 Ingrid Hoft, A Draam vom Fliang, erschienen auf http://www.e-stories.de
- Citar trabajo
- Alexander Schneider (Autor), 2014, Dialektrezeption unter Regensburger Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/489698
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