„Müssen Stars denn Menschen sein?“
Klaus Janke (1997). In: Schüler ’97, S. 82
Mit Beginn des kontinuierlichen Fernsehprogramms in Deutschland am 25.12.1952 begann die Entwicklung eines Massenmediums, dem man heute eine gesamtgesellschaftliche Wirkung zuschreibt. Der unterstellte Einfluss liegt darin begründet, dass das Medium immer, seit Anfang der 90er Jahre rund um die Uhr, in unserem häuslichen Leben präsent ist. Kaum eine Familie in der Bundesrepublik, die nicht einen Fernseher zu Hause hat. Geld spielt dabei keine Rolle mehr: Untersuchungen zeigen, dass gerade sozial schwächer gestellte Familien einen erhöhten Fernsehkonsum aufweisen. Entsprechend dem Fernsehprogramm werden Tagesabläufe koordiniert und Verabredungen getroffen, Sendungen mit hohen Einschaltquoten sind immer noch beliebte Gesprächsthemen – gerade in der jugendlichen peer group zählt, wer was regelmäßig schaut.
Schon allein die Quantität des Fernsehkonsums impliziert dessen möglichen Einfluss. Fernsehen gilt als meinungsbildendes Medium, nicht nur in der Politik, sondern vor allem im täglichen Umgang miteinander.
Die vorliegende Arbeit greift diese Thematik auf und beleuchtet die Einflussmöglichkeiten, die Fernsehen auf die Identitätsbildung von Rezipienten haben kann. Dabei wird es vorwiegend um das Fernsehprogramm als Ganzes, als Sonderaspekt aber um den Fernsehstar gehen. Zu diesem Zweck wir in Kapitel II eine Arbeitsdefinition des Begriffes „Fernsehstar“ vorgestellt, die die Definition von Werner Faulstich und Ricarda Strobel zur Grundlage hat und gleichzeitig erweitert. Der von Faulstich und Strobel vorgestellte Starbegriff beschränkt sich auf die Funktion des Fernsehstars im Gefüge der Fernsehwelt. Seine Funktion für den Rezipienten, dabei vor allen Dingen die Wirkung, die seine Bildschirmpräsenz auf uns haben kann, wird nicht berücksichtigt und soll hier ergänzt werden.
Inhaltsverzeichnis
I. Über das Erkenntnisinteresse
II. Der Begriff „Fernsehstar“
III. Medien und Identität
III. 1 Identität und Selbstkonzept
III. 2 Medienwirkung
IV. Der Fernsehstar als Sonderfall
V. Schlussbetrachtung
VI. Literatur
I. Über das Erkenntnisinteresse
„Müssen Stars denn Menschen sein?“
Klaus Janke (1997). In: Schüler ’97, S. 82
Mit Beginn des kontinuierlichen Fernsehprogramms in Deutschland am 25.12.1952[1] begann die Entwicklung eines Massenmediums, dem man heute eine gesamtgesellschaftliche Wirkung zuschreibt. Der unterstellte Einfluss liegt darin begründet, dass das Medium immer, seit Anfang der 90er Jahre rund um die Uhr, in unserem häuslichen Leben präsent ist. Kaum eine Familie in der Bundesrepublik, die nicht einen Fernseher zu Hause hat. Geld spielt dabei keine Rolle mehr: Untersuchungen zeigen, dass gerade sozial schwächer gestellte Familien einen erhöhten Fernsehkonsum aufweisen[2]. Entsprechend dem Fernsehprogramm werden Tagesabläufe koordiniert und Verabredungen getroffen, Sendungen mit hohen Einschaltquoten sind immer noch beliebte Gesprächsthemen – gerade in der jugendlichen peer group zählt, wer was regelmäßig schaut[3].
Schon allein die Quantität des Fernsehkonsums impliziert dessen möglichen Einfluss. Fernsehen gilt als meinungsbildendes Medium, nicht nur in der Politik, sondern vor allem im täglichen Umgang miteinander.
Die vorliegende Arbeit greift diese Thematik auf und beleuchtet die Einflussmöglichkeiten, die Fernsehen auf die Identitätsbildung von Rezipienten haben kann. Dabei wird es vorwiegend um das Fernsehprogramm als Ganzes, als Sonderaspekt aber um den Fernsehstar gehen. Zu diesem Zweck wir in Kapitel II eine Arbeitsdefinition des Begriffes „Fernsehstar“ vorgestellt, die die Definition von Werner Faulstich und Ricarda Strobel[4] zur Grundlage hat und gleichzeitig erweitert. Der von Faulstich und Strobel vorgestellte Starbegriff beschränkt sich auf die Funktion des Fernsehstars im Gefüge der Fernsehwelt. Seine Funktion für den Rezipienten, dabei vor allen Dingen die Wirkung, die seine Bildschirmpräsenz auf uns haben kann, wird nicht berücksichtigt und soll hier ergänzt werden.
Ausgehend von der entwickelten Arbeitsdefinition beleuchtet der Hauptteil (Kapitel III) die Frage nach Medien und Identität generell. Diesbezüglich wird ein kleiner Exkurs in die Soziologie notwendig sein, der die Grundvoraussetzungen für eine Identitätsentwicklung skizziert. Anschließend wird der Einfluss von Medien auf die Selbstkonzeptentwicklung von Kindern dargelegt. In diesem Zusammenhang werden auch die (Fernseh-) Wirkungsmöglichkeiten auf Erwachsene diskutiert.
Da die hier verwendete Literatur sich nicht explizit mit der Wirkung des Fernseh stars auseinandersetzt, werden in einem letzten Teil die gewonnenen Erkenntnisse auf den Sonderfall „nationaler Fernsehstar“ übertragen.
In der zusammenfassenden Schlussbetrachtung werden die Vor- und Nachteile kindlichen Fernsehkonsums auf dem Hintergrund des gesellschaftlichen Diskurses kritisch diskutiert. Darüber hinaus wird die Frage aufgeworfen, ob Mediensozialisation als solche überhaupt vermeidbar ist und welche Konsequenzen eine negative Beantwortung der Frage für unseren Umgang mit Fernseh-, aber auch Medienkonsum allgemein haben muss.
II. Der Begriff „Fernsehstar“
„Ein Fernsehstar ist, wer als solcher bezeichnet oder aufgefasst wird.“
Werner Faulstich/Ricarda Strobel. In: Faulstich (1994), S. 93
Ausgehend von der oben zitierten Feststellung entfalten Werner Faulstich und Ricarda Strobel ihre Vorstellung vom Fernsehstar als Person im Fernsehgeschehen. In ihrer relativ eng gefassten Definition sind Fernsehstars nur solche Personen, die genuin aus dem Medium Fernsehen kommen und nicht durch Film- oder Printmedien berühmt geworden sind[5]. Die Rolle des Fernsehstars umschreiben Faulstich und Strobel aus drei Perspektiven: konventionalistisch, medientheoretisch und funktionalistisch. Mit Hilfe dieser drei Ansätze kommen die Autoren zu dem Schluss, dass der Fernsehstar „primär Unterhaltungsstar“[6] ist, dass er in seiner Handlungsrolle als Star nur unter den Bedingungen des Fernsehens gleichzeitig als Produzent und in der Rolle des Informationsvermittlers auftreten kann und dass er in der Grauzone zwischen den Bereichen „fact“ und „fiction“ als Bindeglied agiert[7]. Darüber hinaus gehen Faulstich und Strobel von einem Fernsehstar aus Fleisch und Blut aus – eine Bedingung, die für die folgende Definition des Begriffes Fernsehstar nicht erfüllt sein muss.
Der Fernsehstar wird lediglich in seiner von der Fernsehindustrie konzipierten Rolle erfasst. Das Autorenduo erwähnt nur beiläufig, dass erst das Publikum ihn in den entsprechenden Status erhebt. Kirsten Mattern wird da konkreter: Fernsehstars existieren „lediglich theoretisch als Konstrukte des Senders, in der Funktion der zentralen Handlungsträger (…)“[8]. Dabei liefern die Sender Muster und Folien für das Bild, das jeder Rezipient vom Star konstruieren soll. Vorgegeben ist diese Konstruktion jedoch nicht. Michael Charlton und Klaus Neumann bekräftigen diese Auffassung. In ihrer, den gesamten Medienbereich als textliche Kommunikation auffassenden Theorie, betonen sie, dass Symbole ihre Bedeutung erst „aus dem assoziativen Zusammenhang (…) mit den persönlichen szenischen Erlebnissen“[9] des jeweiligen Rezipienten erhalten[10]. Auch Klaus Jensen und Jan-Uwe Rogge vertreten in ihrer von der Tübinger Vereinigung für Volkskunde in Auftrag gegebenen Untersuchung über den „Medienmarkt für Kinder in der Bundesrepublik“ die Auffassung, dass eine Bedeutungszuweisung vermittelter Inhalte (Jensen und Rogge sprechen von „Gegenstandsbedeutung“) erst im konkreten Situationskontext erfolgt[11]. In diesem Verständnis kommt dem Fernsehstar eine ganz besondere Funktion zu: die des ständigen Begleiters, der Bezugsperson, des Vorbildes.
Auch gesamtgesellschaftlich kann der Star diese Funktion erfüllen. Gottfried Korff betont in seinem Aufsatz über „Personenkult und Kultpersonen“, dass der italienische Diktator Mussolini versuchte, den im demokratischen System entstehenden politischen Bindungsverlust durch Kultformen zu kompensieren[12], kurz gesagt: einzelne Personen fungierten als Bindeglied zur Politik. Korffs Ansicht nach sind die in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts aufkommenden Neuen Medien die Triebkraft dieses unter funktionalistischen Aspekten betrachteten Starkults.
Das Phänomen Fernsehstar stellt sich zusammengefasst wie folgt dar: beim Fernsehstar handelt es sich um eine reale oder virtuelle Figur, die zwischen den Bereichen „fact“ und „fiction“ für Unterhaltung sorgt. Darüber hinaus ist sie regelmäßig auf dem Bildschirm präsent und spricht ein breites Publikum an. Im individuellen Leben des Rezipienten übernehmen Fernsehstars bestimmte Rollen, sie fungieren als Vorbild, als ständiger Begleiter oder einfach als Unterhalter.
Ich möchte diesen Abschnitt mit dem Hinweis auf ein interessantes Forschungsfeld abschließen. Die (Medien-) Geschichte zeigt, dass es Personenverehrung im Sinne von Starkult nicht erst seit Erfindung des Fernsehens gibt. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die nach der menschlichen Bedürfnislage. Sowohl Charlton und Neumann als auch Mattern betonen in ihren Untersuchungen, dass der Umgang mit Medien in der kindlichen Entwicklung wichtige Impulse für die Ausbildung der Persönlichkeit geben kann. Überträgt man diese Feststellung auf die gesamte Menschheit, ließe sich mit Korff überspitzt von einer „anthropologischen Konstante“[13] sprechen, einem mentalen Bedürfnis also, das befriedigt werden muss, um die menschliche Entwicklung voranzutreiben. Hier könnte vor allen Dingen ein Rekurs auf die Heiligenverehrung Erkenntnisse bringen.
[...]
[1] vgl. Behrens (1986), S. 294 ff
[2] vgl. Mattern (1999), S. 87
[3] vgl. Mattern (1999), S. 89
[4] vgl. Faulstich/Strobel. In: Faulstich (1994), S. 96 ff
[5] vgl. Faulstich/Strobel. In: Faulstich (1994), S. 93
[6] Faulstich/Strobel. In: Faulstich (1994), S. 94
[7] vgl. Faulstich/Strobel. In: Faulstich (1994), S. 94 ff
[8] Mattern (1999), S. 102
[9] Charlton/Neumann (1990), S. 43
[10] Von Symbolen kann hier gesprochen werden, da alle Kommunikation im konstruktivistischen Verständnis symbolisch ist, d.h. nur auf der Grundlage eines gesellschaftlichen Konsens’ über die Bedeutung der jeweiligen Symbole funktioniert. [SH]
[11] vgl. Jensen/Rogge (1980), S. 298
[12] vgl. Korff. In: Kerber (1997), S. 165
[13] Korff. In: Kerber (1997), S. 165
- Citation du texte
- Stefanie Huland (Auteur), 2003, Fernsehstars und Identität, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48942
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