Lassen sich Hegels Religionsphilosophie und besonders sein Gottesbegriff noch mit der traditionellen christlichen Lehre verbinden? Oder nimmt Hegel vielmehr die Feuerbachsche Religionskritik vorweg? Das ist eine Problematik, die in der Rezeption schon immer und auch heute noch umstritten ist.
Florian König nimmt diese Ambivalenz zum Ausgangspunkt seiner Publikation. Wie formuliert und gewichtet Hegel theologische und anthropologische Aspekte in seiner Religionsphilosophie? Wie stellt er die christliche Religion sowie die Theologie dar? König erklärt Hegels spekulative Religionsphilosophie sowie deren Erkenntnis Gottes als Geist.
Seine Anthropologie formuliert Hegel im Rahmen der Philosophie des subjektiven Geistes. Er stellt die Religion als menschlich und damit als Unterschied zum Tier dar. Wie wäre der Mensch dementsprechend ohne Religion und Gott zu bewerten? Florian König setzt sich mit grundlegenden Fragen der Hegelforschung auseinander. Seine Publikation liefert eine leicht verständliche Einführung in Hegels Religionsphilosophie.
Aus dem Inhalt:
- Philosophie;
- natürliche Theologie;
- Erkenntniskritik;
- Vorlesungen über die Philosophie der Religion;
- spekulative Religionsphilosophie
Inhalt
1 Einleitung: Selbstwissen des Geistes als Wesen der Religion
Erster Teil: Das theologische Moment in Hegels Religionsphilosophie: Die Erkenntnis des Wahrhaften an und für sich
2 Begriffsklärung: Theologie als Erkenntnis Gottes
3 Hegels Kritik der ehemaligen natürlichen Theologie: Die Erkenntnis Gottes als Wesen
3.1 Urgemeinde und Kirchenväter: Von der Ausgießung zur Selbstauslegung des Geistes
3.2 Scholastik: Vom Glauben zu seinem Verständnis
3.3 Wolffsche Verstandesmetaphysik: Verstandesform und Abstraktion
3.4 Spinozismus: Identitätsphilosophie und Pantheismusvorwurf
4 Hegels Kritik an Kants Erkenntniskritik und der Theologie seiner Zeit:Das Moment der Subjektivität
4.1 Theologie der Aufklärung: Vernunfttheologie
4.2 Kant: Die Kritik des Erkenntnisvermögens
4.3 Räsonierende Theologie: Vernunfttheologie neuerer Zeit
4.4 Historische Theologie: Die Meinungen der anderen
4.5 Jacobi: Unmittelbares Wissen von Gott
4.6 Schleiermacher: Gefühlstheologie
5 Hegels spekulative Religionsphilosophie: Die Erkenntnis Gottes als Geist
5.1 Von der religiösen Vorstellung zum philosophischen Begriff
5.2 Vom Bewusstsein Gottes zum Selbstbewusstsein des absoluten Geistes
5.3 Gott als logische Idee im Zusammenhang von Hegels Systementwurf
6 Zwischenfazit: Von der Theologie zur Anthropologie
Zweiter Teil: Das anthropologische Moment in Hegels Religionsphilosophie: Die Erkenntnis des Wahrhaften des Menschen
7 Begriffsklärung: Anthropologie als Erkenntnis des Menschen als Natur- und Geisteswesen
8 Hegels Begründung der Geltung der Religion für den Menschen
8.1 Die Religion als Eigentümlichkeit des Menschen
8.2 Die Form der religiösen Vorstellung für alle Menschen
9 Hegels Interpretation des christlichen Menschenbildes
9.1 Die Vorstellung von der Natur des Menschen in der Schöpfungsgeschichte
9.2 Die Einheit der menschlichen und göttlichen Natur in der Lebensgeschichte Jesu
9.3 Der endliche und unendliche Geist im Menschen
10 Hegels Positionierung zum Menschen ohne Religion und Gott
10.1 Das Vergehen der Gemeinde als Realisierung des Glaubens
10.2 Die Freiheit zum Atheismus
11 Fazit: Von der Anthropologie zurück zur Theologie?
Siglen
Literatur
1 Einleitung: Selbstwissen des Geistes als Wesen der Religion
Der Titel dieser Masterarbeit lässt beim ersten Lesen möglicherweise ein religiöses Werk oder theologisches Traktat vermuten, vielleicht sogar eine spirituelle Abhandlung – die meisten mögen sich nämlich fragen, was der Geist Gottes heute noch in der Philosophie verloren habe. Doch nicht nur aufgrund dieses scheinbar unphilosophischen Themas, sondern auch des zu besprechenden Autors, dem noch immer der Ruf der Unverständlichkeit vorauseilt, sehe ich mich genötigt, vorab klarzustellen: Diese Untersuchung wird all jene Befürchtungen, die man aufgrund ihres Titels ihr gegenüber hegen könnte, nicht bestätigen. Hiermit lege ich eine dezidiert philosophische Untersuchung vor, d.h. eine sinnkritische Begriffsanalyse und argumentative Rekonstruktion einer philosophiehistorisch bedeutsamen Kontroverse. Korrekter ist es daher, den Titel in Anführungszeichen zu lesen. Denn einerseits ist damit signalisiert, dass in der Arbeit nicht die unmittelbare Ausführung und Verteidigung des Ausgedrückten beabsichtigt wird, sondern vielmehr aus einer gewissen Distanz der Sinn des Ausdrucks zur Diskussion gestellt wird; andererseits handelt es sich bei dem Ausdruck tatsächlich um ein Zitat, das sich wörtlich in einer Hegels Religionsphilosophie nahestehenden, aber im Grunde logisch motivierten Schrift finden lässt und, wie ich zu zeigen beabsichtige, Hegels religionsphilosophisches Anliegen pointiert zusammenfasst.
Der genannte Ausdruck fällt gegen Ende der fünften Sitzung seiner Vorlesungen über die Beweise vom Daseyn Gottes, in welcher Hegel behauptet,
„daß nicht die sogenannte menschliche Vernunft und ihre Schranke es ist, welche Gott erkennt, sondern der Geist Gottes im Menschen; es ist, nach dem vorhin angeführten spekulativen Ausdruck, Gottes Selbstbewußtseyn, welches sich in dem Wissen des Menschen weiß.“ (GW 18, 254)1
Zum einen wendet sich Hegel an dieser Stelle scharf gegen Kants Kritik der Gottesbeweise, welcher die transzendentalphilosophische Beschränkung der menschlichen Vernunft auf die Erkenntnis von Erscheinungen und den Bedingungen der Möglichkeit einer solchen Erkenntnis zugrunde liegt. Zum anderen formuliert er seine eigene spekulative, religionsphilosophische Deutung der menschlichen Gotteserkenntnis: Diese sei vielmehr als Gottes Selbsterkenntnis im Menschen auszulegen. Hegel gibt somit dem Verhältnis von Gott und dem Menschen eine Wendung, die in dieser Form bis dato noch nicht ausgearbeitet wurde.2 Daher ist es erstaunlich, dass Hegel weder Gott noch Mensch als philosophische Begriffe in einem strengen Sinne abhandelt: Keinen Teil seines letzten enzyklopädischen Systementwurfs oder wenigstens einen Unterabschnitt davon überschreibt er mit diesen Ausdrücken, vielmehr scheint er darin geradezu zu vermeiden, sich ihrer zu bedienen – und doch greift er an entscheidenden, im Folgenden erörterten Stellen in seinem Werk auf sie zurück. Da diese beiden Ausdrücke für das menschliche Selbstverständnis unverzichtbar waren und sind, habe ich mir zur Aufgabe gesetzt, die Stellung der beiden Begriffe in Hegels Religionsphilosophie zu untersuchen.
In den reifsten Fassungen seiner Enzyklopädie konzipiert Hegel seine Religionsphilosophie als den vorletzten Abschnitt seiner Philosophie des Geistes. Doch schon in den ersten Paragraphen seiner Geistesphilosophie exponiert er die oben aufgeworfene Verhältnisbestimmung. Er leitet sie mit dem berühmten Spruch über dem Orakel von Delphi ein: Erkenne dich selbst! Hegel weist zunächst die Deutung zurück, dass diese Aufforderung sich an den Menschen hinsichtlich seiner Einzelheit richte und damit eine Erkenntnis des je eigenen Charakters gemeint sei. Seiner Auffassung nach verweist das genannte Gebot der Selbsterkenntnis vielmehr auf die Erkenntnis des Geistes. Diese bestehe genauer in der „Erkenntniß des Wahrhaften des Menschen, wie des Wahrhaften an und für sich, – des Wesens selbst als Geistes.“ (GW 20, § 377) Mit der ersten Wendung können im zeitgenössischen Sinne verstandene anthropologische Perspektiven eröffnet werden, d.h. im Sinne einer Erkenntnis des Menschen als solchen.3 Diese Auffassung ist von Hegels Anthropologie strikt zu unterscheiden. In dieser leistet Hegel zu Beginn seiner Geistesphilosophie, unter Rekurs auf die Natur als Voraussetzung des Geistes (vgl. GW 20, § 381), die Erkenntnis des Menschen als Naturwesen. Doch die Erkenntnis des Menschen als Menschen umfasst auch die Erkenntnis des Menschen als Geisteswesen, eine zeitgenössische Anthropologie mithin also den Gegenstandsbereich von Hegels gesamter Philosophie des Geistes. Mit dem ersten Moment der zweiten Wendung, der Erkenntnis des Wahrhaften an sich, d.i. des Wesens, bezieht sich Hegel auf das, was in der bisherigen natürlichen Theologie, einschließlich des Spinozismus, unter dem Begriff Gottes gedacht wurde (vgl. V 3, 33). Die zweite Wendung in ihrer Gänze, die Erkenntnis des Wahrhaften an und für sich, deute ich dahingehend, dass Hegel sowohl jene traditionelle Vorstellung Gottes als an-sich-seiendes, abstraktes Verstandeswesen als auch Spinozas Vorstellung Gottes als Substanz, welche nach dem Prinzip der Notwendigkeit gleichsam geometrisch die Welt und den Menschen hervorgehen lässt, durch die Bestimmung des Geistes, d.i. des Fürsichseins, dessen Wesen die Freiheit ist (vgl. GW 20, § 382), aufzuheben beabsichtigt. Mit dieser seiner zweifachen Deutung der Aufforderung zur Selbsterkenntnis führt Hegel am Anfang seiner Geistesphilosophie ein Vermittlungsverhältnis zwischen Anthropologie und Theologie ein, das sich am Ende dieses Teils seiner Philosophie, d.i. in seiner Religionsphilosophie, zuspitzt und von daher erhellt werden kann.
Hegels Religionsphilosophie bildet das erste umfangreich und systematisch ausgearbeitete Werk dieser Disziplin,4 ist jedoch keine Religionsphilosophie im heute geläufigen, gänzlich nachmetaphysischen, pragmatistischen oder auch kulturphilosophischen Sinne.5 Walter Jaeschke bezeichnet sie daher stets als spekulative Religionsphilosophie und deutet damit an, dass sie auch philosophische Theologie enthält.6 In erster Linie jedoch hat sie den Begriff der Religion sowie dessen Realisierung in den historischen Religionen zum Gegenstand. Gemeinhin gilt Religion als Verhältnis des Menschen zu Gott; dementsprechend bestimmt sie Hegel zunächst als Bewusstsein Gottes – im Sinne des menschlichen Bewusstseins von Gott. Er hat dabei jedoch auch den zweiten Aspekt des doppelsinnigen Genitivs im Blick: das Bewusstsein Gottes von sich selbst, d.i. in Hegels Terminologie das Selbstbewusstsein des absoluten Geistes. Die These meiner Arbeit besteht nun genauer darin, dass Hegel eine Vermittlung von Gott und Mensch im Begriff des Geistes vornimmt. Dabei stütze ich mich vor allem auf seine Behauptung: „Der Geist des Menschen, von Gott zu wissen, ist der Geist Gottes selbst.“ (GW 18, 302) Gott und der Mensch – Hegel verbindet diese beiden scheinbaren Extreme wie in einem logischen Schluss durch den Mittelbegriff des Geistes. Gott, der unendlicher Geist ist, und der Mensch, der endlicher Geist ist, sind beide: Geist. So wie Gott ohne den Menschen – Gott als Wesen – nicht treffend gedacht werden kann, kann der Mensch ohne Gott – der Mensch als bloßes Naturwesen – nicht begriffen werden. Ausführlicher formuliert Hegel seine Auffassung davon im ersten Paragraphen zur geoffenbarten Religion seiner Enzyklopädie von 1830:
„Was Gott als Geist ist, diß richtig und bestimmt im Gedanken zu fassen, dazu wird gründliche Speculation erfordert. Es sind zunächst die Sätze darin enthalten: Gott ist nur Gott insofern er sich selber weiß; sein Sich-wissen ist ferner sein Selbstbewußtseyn im Menschen, und das Wissen des Menschen von Gott, das fortgeht zum Sich-wissen des Menschen in Gott.“ (GW 20, § 564)
Dabei wird deutlich, dass es sich um ein Verhältnis des Wissens handelt. Hegel bestimmt das Selbstwissen des Geistes als Wesen der Religion.7 Die Gottesbeweise, welche jenes religiöse Wissen in einer theologischen, d.i. reflektierten, Form wiedergeben, untersucht Hegel unter einem logischen Gesichtspunkt. Er bettet deren Untersuchung jedoch wiederum in seine religionsphilosophische Deutung derselben als Erhebung des endlichen Menschengeistes zum unendlichen Geist Gottes ein (vgl. GW 18, 234). Dabei geschieht, was Hegel das Zeugnis des Geistes nennt. Diesen Ausdruck verstehe ich im Sinne von: Der Geist zeugt von sich selbst, er ist sein eigener Zeuge, er sagt über sich selbst aus. Der selbstbewusste Aspekt von Hegels Religionsphilosophie drückt sich in der Reflexion ihrer philosophischen Form aus: „Das Zeugnis des Geistes in seiner höchsten Weise ist die Weise der Philosophie, daß der Begriff rein als solcher aus sich ohne Voraussetzungen die Wahrheit entwickelt und entwickelnd erkennt und in und durch diese Entwicklung die Notwendigkeit der Wahrheit einsieht.“ (V 5, 183) Demnach gilt es, nicht auf Autorität hin zu glauben, wie es in der Religion geschieht, sondern die Notwendigkeit der Wahrheit selbst einzusehen. Diese höchste Weise des geistigen Selbstwissens ist Hegel zufolge die Aufgabe der Philosophie.
In meiner Masterarbeit möchte ich zum einen herausarbeiten, welche Stellung Hegel in seiner Religionsphilosophie zur bereits jahrtausendealten Disziplin der Theologie, d.i. zur Erkenntnis Gottes, einnimmt, und dabei der Frage nachgehen, warum er nicht selbst ein theologisches Werk verfasst hat.8 Zum anderen möchte ich untersuchen, welchen Stellenwert die Anthropologie im Sinne einer Erkenntnis des Menschen, wie sie erst in der Zeit nach Hegel zur Blüte gelangt, in seiner Religionsphilosophie innehat. Im Hintergrund dieser Untersuchung steht der philosophiehistorisch bedeutende Richtungsstreit der Hegel-Schule, der sich nach Hegels Tod gerade an der Interpretation seiner Religionsphilosophie als Theologie oder Anthropologie entfacht.9 Auf der einen Seite handelt es sich um eine Klärung der Disziplinen – wie sind jeweils Theologie, Anthropologie und Religionsphilosophie zu bestimmen?–, auf der anderen Seite um die Frage nach deren Gegenständen selbst – was ist Gott, der Mensch, Religion und Geist? Die Arbeit wagt den Spagat zwischen einer textnahen Rekonstruktion der Argumente Hegels unter Berücksichtigung des weiteren philosophisch-theologischen Diskurses seiner Zeit und einer sinnkritischen Analyse der Begriffe Gott, Mensch, Religion und Geist, die dem gegenwärtigen Bedürfnis nach Klarheit im Ausdruck Genüge zu leisten versucht.
Bezüglich dieser Begriffe möchte ich daher vorab einige populäre zeitgenössische Vorurteile, auf die man sich im Zweifelsfall bequemermaßen zurückzieht, in zugespitzter Weise aufgreifen, um sie im Laufe dieser Arbeit radikal infrage zu stellen: Gott ist ein alter Mann mit weißem Bart, der droben im Himmel thront und unser Schicksal bestimmt. Theologie ist von vorgestern. Religion ist Opium fürs Volk, Priesterbetrug und Legitimationsideologie für Krieg, Terror, Kindesmissbrauch und Frauenunterdrückung. Geist ist ein Hirngespinst, ein Gespenst, Gegenstand esoterischen Spiritualismus. Geisteswissenschaft ist von gestern. Der Mensch ist ein Tier und lässt sich naturwissenschaftlich erklären, das Zusammenleben der Menschen naturgesetzlich, ökonometrisch, algorithmisch vorausberechnen. Anthropologie ist eine Subdisziplin der Biologie. Hegels Philosophie ist dunkel und unverständlich, sein Systemzwang autoritär, reaktionär, regressiv. – Die Forderung nach einer Positionierung bezüglich der genannten Thesen ist nicht einfach dezisionistisch als persönliche Angelegenheit abzutun, etwa indem man sich auf seine bevorzugte Traditionslinie in der Philosophie bzw. Wissenschaftstheorie beruft. Sie verlangt vielmehr nach überzeugenden Argumenten. In dieser Arbeit soll gezeigt werden, dass gerade in der Auseinandersetzung mit Hegels Philosophie Entscheidendes zur Klärung dieser Themen beigetragen werden kann.
Daher möchte ich vorweg ein Wort zu meiner Lesart von Hegels Philosophie überhaupt verlieren. Den eingangs erwähnten Ruf der Unverständlichkeit trägt sie zum Teil zu Recht, ist sie doch zumindest als schwer verständlich zu klassifizieren. Neuerdings erwacht jedoch ein zunehmendes Verständnis seiner Philosophie, wozu ich meinen bescheidenen Beitrag zu leisten beabsichtige. Wie sich zeigen wird, lese ich Hegels Philosophie als eine Philosophie der Freiheit10 sowie als eine Analyse von Wissens- und Praxisformen.11 Es gilt demnach Hegels Systementwürfe nicht als ein starres System von inzwischen überholten Inhalten zu musealisieren, sondern seine methodologischen Verdienste zu würdigen und autonom weiterzuentwickeln. Daher unterscheide ich in meiner Arbeit drei Redeebenen: die religiöse Rede, Hegels religionsphilosophische Übersetzung und meinen Versuch einer Übertragung derselben in zeitgenössische Terminologie. Es ist unmöglich, Hegels Schriften ohne Weiteres zu verstehen; nicht nur die Sprache des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts ist uns fremd, Hegels Ausdrucksweise war dies damals schon. Die Arbeit wird sich daher auch zentraler Textstellen im Close-Reading-Verfahren annehmen, welches m.E. bei einer vernünftigen Hegel-Lektüre immer notwendig ist. Das Kunststück dabei besteht jedoch darin, das Ganze im Teil sowie das Teil im Ganzen, das Argument im Argumentationsgang zu sehen und nicht das eine über das andere zu vergessen. Doch jede vermeintlich bloße Rekonstruktion eines hegelschen Textes ist immer auch schon eine Interpretation desselben – das ist nicht zuletzt Hegels eigene Einsicht.
Grundlage meiner Untersuchung bilden Hegels Vorlesungen über die Philosophie der Religion, welche er in vier Kollegien zwischen 1821 und 1831 an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität hielt. Nachdem die „Freundesverein“-Ausgabe durch eine problematische Zusammenstellung von Nachschriften verschiedener Kollegien zu einem einheitlichen Text die Vorlesungen über lange Zeit entstellt wiedergegeben hat, macht inzwischen die kritische Ausgabe von Jaeschke jeweils das Manuskript und die Nachschriften der einzelnen Kollegien gesondert zugänglich, sodass Hegels Veränderung der Vorlesungen über die Kollegien hinweg nachvollziehbar wird. Aufgrund des Umfangs und Schwierigkeitsgrades des Textes bin ich gezwungen, meine Behandlung auf die Teile Einleitung, Der Begriff der Religion und Die vollendete Religion zu beschränken. Den mittleren Teil über Die bestimmte Religion klammere ich folglich aus meiner Betrachtung aus. Auch wenn alle relevanten Fassungen, d.i. das Manuskript und die Nachschriften von 1824 und 1827, berücksichtigt werden, kann in dieser Arbeit ihr entwicklungsgeschichtlicher Zusammenhang nicht in vollem Maße in Betracht gezogen werden. Es geht mir in meiner Untersuchung zur Vermittlung von Theologie und Anthropologie um ein generelles, inhaltliches Moment, das m.E. in allen Fassungen zur Geltung kommt, sodass ich nur gelegentlich auf Unterschiede in den verschiedenen Fassungen hinweise.
Der Argumentationsgang meiner Untersuchung speist sich aus mehreren von Hegels eigenen Bestimmungen, die ich in der Einleitung bereits angesprochen habe. Dabei entspricht die Entfaltung der Systematik im Groben auch der historischen Entwicklung vom altertümlichen Gottesglauben zur modernen Skepsis des eher religionslosen Menschen. Im ersten Teil über die Stellung der Theologie in Hegels Religionsphilosophie liegt folglich mein Fokus auf der Erkenntnis des Geistes Gottes, im zweiten Teil zur Anthropologie auf der des Geistes im Menschen. Ich beginne die beiden Teile jeweils mit einer Begriffsklärung der infrage stehenden Disziplin und schließe sie mit einer Überlegung zur Vermittlung der beiden Teile ab. Der erste Teil zum theologischen Moment fängt mit Hegels Kritik der theologischen Betrachtung Gottes ohne Rücksicht auf den Menschen, d.h. Gott als Wesen, an, geht über zu seiner Kritik an der subjektiven Selbstreflexion des Menschen, d.h. dem Menschen ohne Gott, und gelangt schließlich zur Einheit von Gott und Mensch in Hegels Diktum der Erkenntnis Gottes als Geist. Der zweite Teil zum anthropologischen Moment beginnt mit der Einheit von Gott und Mensch in Hegels Begründung der Geltung der Religion für den Menschen durch dessen Geistigkeit, geht über zu der Bestätigung dieser Einheit durch seine Interpretation des christlichen Menschenbilds und endet mit der Frage nach Hegels Positionierung zum Menschen ohne Religion und Gott.
Erster Teil: Das theologische Moment in Hegels Religionsphilosophie: Die Erkenntnis des Wahrhaften an und für sich
2 Begriffsklärung: Theologie als Erkenntnis Gottes
In allen Fassungen von Hegels Religionsphilosophie lassen sich Stellen finden, in denen er behauptet, der Zweck der Philosophie sei, Gott zu erkennen, Philosophie überhaupt sei Theologie (vgl. V 3, 4, 63 f., 334 f.; V 5, 175, 269). Dagegen steht die klare Abgrenzung seiner Religionsphilosophie von der Theologie, besonders von der von ihm als ehemalig betitelten natürlichen Theologie (vgl. V 3, 33, 96, 162; V 5, 101 ff., 186). Aus diesen sich widersprechenden Bestimmungen ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, wie das Verhältnis der Disziplinen einwandfrei zu bestimmen ist. Darüber herrscht seit der Rezeption der hegelschen Religionsphilosophie Uneinigkeit, welche seinerzeit letztlich zur Spaltung der Hegel-Schule in ein links- und ein rechtshegelianisches Lager geführt hat. Im Hintergrund dieses ersten Teils meiner Untersuchung steht daher das philosophiehistorische Interesse, zu erforschen, inwieweit die orthodoxe Lesart der Rechtshegelianer gerechtfertigt ist, mit welcher sie die Vereinbarkeit von Hegels Religionsphilosophie mit der kirchlichen Lehre zu zeigen versuchen. Meine Arbeitshypothese hingegen lautet: Hegels Religionsphilosophie ist keine Theologie, aber enthält ein theologisches Moment.
Im Zuge einer ersten Annäherung an Hegels Auffassung von Theologie bietet es sich an, eine eher beiläufige Aussage von ihm heranzuziehen, in welcher er annimmt, „die Erkenntnis, das Wissen Gottes Theologie überhaupt [zu; F. K.] nennen“ (V 3, 38). Die Bedeutung von Wissen, Erkenntnis und Gott sowie der Genitiv, der beide Gegenstände grammatikalisch miteinander verknüpft, bedarf der weiteren Klärung. Hegel unterscheidet im Zuge einer ausführlichen Formanalyse kognitiver Fähigkeiten ausdrücklich das Wissen vom Erkennen:
„Wissen drückt die subjektive Weise aus, in der etwas für mich, in meinem Bewußtsein ist, so daß es die Bestimmung hat eines Seienden. […] Erkennen ist schon ein reicheres Wissen. ›Erkennen‹ sagen wir, wenn wir etwas Allgemeines von einem Allgemeinen wissen, und dies Allgemeine zugleich nach seiner besonderen Bestimmung fassen.“ (V 3, 169)
Entscheidend für unsere Fragestellung ist, dass Hegel Wissen als den umfänglicheren Ausdruck bestimmt, Erkennen fällt als besonderer Fall darunter. Demnach kann man sich auf alles, was in seinem Bewusstsein ist, wissend beziehen.12 Die Formulierung „etwas hat die Bestimmung eines Seienden“ bedeutet zunächst nur, dass es sich um einen propositionalen Gehalt handelt – es muss nicht schon etwas real Existierendes gemeint sein, es kann auch bloß in meiner Vorstellung bzw. Phantasie vorhanden sein. Weiterhin verweist die Rede von der „subjektiven Weise“ auf das Ich im Satz, wenn ich formuliere, dass ich etwas weiß; damit ist noch keine Allgemeingültigkeit für alle Menschen impliziert – freilich auch nicht ausgeschlossen –, aber die Geltung ist zunächst auf meine Einzelheit beschränkt. Für Hegel sind Glaube, Gefühl und Vorstellung kognitive Fähigkeiten, deren propositionalen Gehalt man auch als Wissenssätze ausdrücken kann. Das heißt z.B., der Satz „Ich fühle, dass ich Schmerzen habe“ ist mit „Ich weiß, dass ich Schmerzen habe“ äquivalent. Laut Hegel bezieht sich eine Erkenntnis jedoch auf etwas Allgemeines und fasst dieses dabei zugleich hinsichtlich seiner Allgemeinheit und Besonderheit.13 So sagen wir etwa, dass wir erkannt haben, dass Wale im Wasser lebende Säugetiere sind; Letzteres weiß ich zwar auch; aber beim erstgenannten Beispiel klingt es unpassend, zu behaupten, es handele sich um eine Erkenntnis. In Bezug auf den Gegenstand Gott folgt aus all dem, dass das Wissen Gottes ein weniger bestimmter Ausdruck ist als die Erkenntnis Gottes. Neben dieser zählt Hegel auch Gefühl, unmittelbares Wissen sowie die Vorstellung von Gott und darüber hinaus auch die verstandesmäßige und vernünftige Erkenntnis von Gott zum Wissen von Gott.
Doch wenn Hegel Religion als solche unter den Aspekt des Wissens von Gott ordnet,14 stellt sich die Frage, wodurch sich die Theologie von der Religion unterscheidet. Für Hegel ist die Religion in ihrer am höchsten ausgebildeten Form Theologie, Theologie sei mithin wissenschaftliche Religion (vgl. V 5, 185). Unter Theologie sei daher, laut Hegel, genauer Folgendes zu verstehen: „Theologie ist nicht nur das Religiöse als solches in der Form des religiösen Inhalts, sondern das Begreifen des religiösen Inhalts“ (V 3, 247). Aus dieser Bestimmung geht zum einen hervor, dass Theologie selbst religiös ist: Der Gegenstand der Theologie sind die religiösen Inhalte, vor allem Gott als solcher. Zum anderen deutet Hegel hier den Formunterschied an, den er, wie später noch genauer zu betrachten ist, schärfer zwischen Religion und Philosophie zieht: Die „Form des religiösen Inhalts“ ist für ihn die Vorstellung, „das Begreifen“ gilt ihm hingegen als Form der Philosophie. Die zitierte Textstelle gibt an, dass die Theologie auch die der Religion eigentümliche Form der Vorstellung enthält, letztlich aber zum Begreifen ihres Gegenstandes überzugehen hat, sonst bleibt sie in Hegels Sinne mangelhaft. Hegel ist sich dessen gewahr, dass es auch Theologen gibt, die dem wissenschaftlichen Begriff, d.i. der vernünftigen Argumentation, nicht nachkommen und, wie er sagt, bei anderen Wissensformen stehenbleiben, etwa der des Glaubens oder des Gefühls (vgl. V 5, 186). Hegel polemisiert gegen sie, sie sollten dann nicht verurteilen, was sie nicht zu beurteilen vermögen, nämlich das begriffliche Erfassen des religiösen Inhalts (vgl. V 3, 247 f.). Mit seiner Religionsphilosophie beabsichtigt Hegel ferner für Theologen ein Bewusstsein dafür zu schaffen, mit welchen Denkformen sie die religiösen Inhalte eigentlich behandeln (vgl. V 5, 187 f.).
In der Religion überhaupt ist das Wissen von Gott nicht notwendigerweise weiter bestimmt: Ich kann unbestimmt von Gott wissen, dass er ist, aber weiter nichts; oder mein Wissen von Gott besteht in einem Gefühl, was schon ausreicht, um ein religiöser Mensch zu sein. Doch in der Regel bleibt man nicht dabei stehen, denn man macht sich seine Gedanken darüber. Das Reflektieren der religiösen Vorstellungen führt laut Hegel zunächst zur verstandesmäßigen Erkenntnis Gottes und damit zum Aufkommen der Theologie als wissenschaftliche Disziplin:
„Die Theologie hat zunächst diesen Sinn, daß es darum zu tun sei, Gott als den nur Gegenständlichen, Absoluten zu erkennen, der schlechterdings in der Trennung gegen das subjektive Bewußtsein bleibt, so ein äußerlicher Gegenstand – zwar in Gedanken“ (V 5, 101).
Entscheidend ist die Partikel „zunächst“, die anzeigt, dass für Hegel Theologie durchaus noch mehr sein kann. Der vorläufigen Bestimmung nach wird hier jedoch der Genitiv im Ausdruck Erkenntnis Gottes als genitivus objectivus ausgelegt: Gott ist das Objekt menschlicher Erkenntnis. Nach Hegels Ansicht bleibt die Theologie bis zu seiner Zeit – man kann hinzufügen: und auch darüber hinaus – der religiösen Form der Vorstellung von Gott verhaftet, insofern sie Gott verstandesmäßig als äußeren Gegenstand vorstellt. Damit ist angezeigt, was Hegel unter der Erkenntnis Gottes als Wesen versteht. „Zunächst“ ist Theologie also die Erkenntnis Gottes als Wesen, darüber hinaus dann aber auch im Sinne Hegels die Erkenntnis Gottes als Geist, Erkenntnis hier verstanden als spekulative Vernunfterkenntnis: „Denn ›Gott erkennen‹ heißt, ihn nach seinen Bestimmungen kennen“ (V 5, 265 f.). Die Erkenntnis Gottes als Geist ist also noch bestimmter, denn „›Erkennen‹ enthält näher das Moment, daß der Gegenstand bestimmt sei für mich, ein in sich bestimmter und für sich selbst bestimmter sei.“ (V 3, 208) In Bezug auf Gott, der als Erkenntnisgegenstand als etwas Allgemeines angesehen werden muss, folgt daraus: Für mich ist er etwas Allgemeines, nämlich im Denken; in sich ist er etwas Allgemeines, d.h. als konkretes Allgemeines in sich unterschieden; für sich ist er ein Allgemeines, sofern er sich selbst zum Gegenstand seines Wissens hat. Dabei wird ersichtlich, dass Hegel in seiner Religionsphilosophie die Erkenntnis Gottes sowohl im Sinne des genitivus objectivus als auch des genitivus subjectivus auslegt – dann ist auch Gott ein Erkenntnissubjekt, sofern er sich selbst erkennt. Hegel komprimiert dieses komplexe Verhältnis in seinem enzyklopädischen Ausdruck von der Erkenntnis „des Wahrhaften an und für sich, – des Wesens selbst als Geistes.“ (GW 20, § 377)
Näher zum eingangs als problematisch aufgeworfenen Verhältnis der Theologie zur Philosophie stellt Hegel fest, dass die Theologie entweder auf der Seite der Philosophie steht oder sich von dieser abgrenzt, insofern sie sich als Theologie im näheren Sinn gibt (vgl. V 3, 38). In diesem Zusammenhang spricht Hegel auch von einem „Interesse der Theologie“ (V 3, 47) als Disziplin, welche, um ihre eigene Existenz zu wahren, sich in neuerer Zeit von der Philosophie abgrenzt. Seit der Trennung von Vernunft und Glauben zu Zeiten der Reformation sind Theologie und Philosophie in einen Gegensatz zueinander geraten; daher kommt es, dass „die Theologen oft meinen, daß die Philosophie auf den Inhalt der Religion verderbend, zerstörend und entheiligend wirke.“ (V 3, 64). Es ist Hegels ausgesprochene Absicht, Philosophie und Theologie wieder zu verknüpfen, d.h. zu zeigen, dass Philosophie Theologie ist. Er begründet seine These, dass Philosophie und Theologie dasselbe seien, damit, dass sie inhaltlich gesehen denselben Gegenstand haben: Gott bzw. das Absolute (vgl. V 3, 63 f.). In geschichtlicher Hinsicht führt Hegel aus, dass beide Disziplinen in der Scholastik identisch gewesen seien. In seinem dritten Kolleg von 1827 deutet Hegel die Zeichen seiner Zeit dahingehend, dass es Begünstigungen für eine erneute Verknüpfung gibt – und er dieser mit seiner Religionsphilosophie Vorschub leisten kann.
Beim Aufbau meiner Untersuchung der Stellung der Theologie in Hegels Religionsphilosophie orientiere ich mich an mehreren Quellen. Zum einen systematisch an seiner Entwicklung des Begriffs der Religion: Der abstrakte Begriff Gottes als Substanz, das Verhältnis des Menschen zu Gott im Wissen Gottes sowie deren Einheit im Kultus. Zum anderen an der von Hegel immer wieder ansatzweise angedeuteten historischen Entwicklung des Verhältnisses von Theologie und Philosophie, welche ich durch seine chronologische Einteilung des Christentums in Entstehen, Bestehen und Vergehen der Gemeinde sortiere und ergänze. Ich bette somit in die grob strukturierende Systematik eine kleine Geschichte der Theologie ein, da sich laut Hegel die Entfaltung des Geistigen in der Geschichte realisiert. Im ersten Schritt ist demnach Hegels Einschätzung der Erkenntnis Gottes als Wesen zu untersuchen, welches dem Geist des Menschen als etwas ihm Fremdes erscheint (2.). Im zweiten Schritt steht der historische Bruch damit im Zentrum der Betrachtung, also vor allem Hegels Sicht auf Kants Kritik der Gotteserkenntnis überhaupt sowie der Versuch der nachfolgenden Theologie sich als Disziplin, auch ohne Vernunfterkenntnis Gottes, zu erhalten (3.). Zwar sei das Verdienst der neueren Theologie, das subjektive Moment hervorgehoben zu haben, nicht zu gering einzuschätzen, doch kommt Hegel angesichts der Mängel der Theologie seiner Zeit auf die vormalige natürliche Theologie zurück. Zuletzt ist daher Hegels Aufhebung des Mangels aller bisherigen Theologie – sie hatte allein Gott als solchen zum Gegenstand – in seiner spekulativen Religionsphilosophie nachzuvollziehen: Gott als Geist, d.i. Gott in seiner Gemeinschaft mit dem Menschen, zu denken (4.). Es ist jedoch zu bemerken, dass Gott bei Hegel Wesen bleibt und darüber hinaus als Geist gedacht wird; die Stufen der Entwicklung bleiben im Resultat bewahrt.
3 Hegels Kritik der ehemaligen natürlichen Theologie: Die Erkenntnis Gottes als Wesen
„Im Anfang ist man beim Unmittelbaren“ (V 3, 265), behauptet Hegel in der einleitenden Passage zum Begriff der Religion nach der Fassung von 1827. Dementsprechend macht er den Anfang im Begriff Gottes mit dem am wenigsten bestimmten Begriff Gottes: Es wird von der Bestimmung Gottes als Substanz ausgegangen. Darunter sei die absolute Identität Gottes zu verstehen.15 Damit ist Gott an sich, Gott als solcher, ausgesprochen, der in der Weise der Metaphysik – als metaphysischer, reiner bzw. abstrakter Begriff – als Wesen vorgestellt wird. Wir haben bereits gesehen, dass Hegel der Theologie zunächst diesen Sinn zuschreibt, „Gott als den nur Gegenständlichen, Absoluten zu erkennen, der schlechterdings in der Trennung gegen das subjektive Bewußtsein bleibt, so ein äußerlicher Gegenstand“ (V 5, 101). Aus Hegels Sicht besteht gerade darin die Mangelhaftigkeit dieser Gotteserkenntnis, Gott als ausschließlich etwas dem menschlichen Geist Äußeres, Fremdes, Unbekanntes, aber Mächtiges, als etwas Jenseitiges, Transzendentes aufzufassen (vgl. V 3, 98). Zunächst jedoch tritt die Theologie noch ungetrennt von der Religion und ganz in der Form der religiösen Vorstellung auf (vgl. V 3, 291 f.), dann mithilfe der Verstandeserkenntnis, die abstrahiert, trennt und Identitäten setzt, aber das Unterschiedene nicht zu einer Einheit vermittelt: Gott als abstraktes Verstandeswesen bildet die Spitze der Erkenntnis Gottes als Wesen, in der von Hegel als „ehemalig“ betitelten natürlichen Theologie. Bezüglich des Streites der Disziplinen ist festzuhalten, dass hier die Theologie generell als auf der Seite der Philosophie stehend begriffen wird.
Damit ist im Wesentlichen die Stufe der Gotteserkenntnis bezeichnet, welche Hegel in seiner Religionsphilosophie zu überwinden sich vornimmt. Jedoch nicht in dem Sinne, sie zu verwerfen, sondern im hegelschen Sinne der Aufhebung. Erst der Unterschied, die Unterscheidung seiner mit sich selbst, bringt die geistige Dimension hervor. Anders gesagt: Das Subjekt konstituiert sich, indem sich die Substanz selbst zum Gegenstand wird. Doch dadurch verliert sie nicht ihre Substanzialität: „Das absolute Subjekt, der Geist bleibt auch Substanz; aber er ist nicht nur Substanz, sondern in sich auch als Subjekt bestimmt.“ (V 3, 272 f.)
Im Hinblick auf die Folgen eines solchen Gottesbezugs für den Kultus bezeichnet Hegel die Erkenntnis Gottes als Wesen als ein ungeistiges Verhältnis zu Gott (vgl. V 3, 98). Ungeistig in dem Sinne, dass der Mensch mit Gott nicht verbunden ist, er nicht an ihm – wie noch zu erklären sein wird – als einem gemeinsamen Menschheitsprojekt des Wissens und der Freiheit teilnimmt. Dies führe laut Hegel zum beschränkten Kultus – Gott als Substanz ist eine Macht, die den Menschen determiniert. Dagegen setzt der Kultus auf dem Gebiet der Freiheit16 das geistige Verhältnis der Menschen zu Gott voraus, dass also Gott selbst als Geist gedacht wird: Gott ist frei und der Mensch ihm gegenüber genauso; der Mensch kann sich somit auch selbst für oder gegen Gott und seine Freiheit entscheiden.
3.1 Urgemeinde und Kirchenväter: Von der Ausgießung zur Selbstauslegung des Geistes
Zu Beginn des Christentums während der Entstehung der christlichen Gemeinde wird Gott im Menschen gewusst, nämlich in der Vorstellung von der Menschwerdung Gottes in der Gestalt Jesu. Hegel interpretiert dieses Wissen Gottes folgendermaßen: „Dies ist das Zeugnis des Geistes, daß Gott einen Sohn hat, […], was er noch nicht begriffen hat, sondern unmittelbar aus seiner Natur, gleichsam instinktartig bezeugt.“ (V 5, 161) Es handelt sich hier also noch nicht um begriffliches Wissen, sondern um ein natürliches, daher gleichsam instinktartiges, unmittelbares Wissen. Die historisch einmalige Erscheinung des Gottmenschen wird in der Vorstellung von der Ausgießung des heiligen Geistes verallgemeinert, sodass Gott als in der Gemeinde präsenter Gott gewusst wird. Dieses Wissen Gottes im Fühlen, Glauben und Vorstellen hat noch nicht die Form der reflektierten Verstandeserkenntnis der Theologie, ebenso wenig die der begrifflichen Vernunfterkenntnis der Philosophie. Hegels Ausdruck zufolge legt sich der Geist in den religiösen Praktiken und Texten selbst aus (vgl. V 3, 238). Der Geist nimmt sich dabei als eigene Legitimation, auch wenn er als etwas Fremdes erscheint, insofern er sich als gegenständliches Wesen vorstellt. Mit der Rede von der Selbstauslegung des Geistes zeigt Hegel an, wie Religion als solche funktioniert: In ihr erkennt sich der Geist in der Form der Vorstellung. Das Begreifen dieser Vorstellung kann erst im Nachhinein geleistet werden. Das Charakteristikum in diesem frühen Stadium besteht daher darin, dass Theologie als wissenschaftliche Religionsauslegung von der Religionsausübung selbst noch kaum unterschieden ist; tritt sie expliziter auf, ist sie noch stark in der Form der Vorstellung befangen. Doch ist dies an sich unproblematisch, denn laut Hegel gilt: „Gott ist für den Menschen zunächst in der Form der Vorstellung; [diese ist] ein Bewußtsein von etwas, das man als Gegenständliches vor sich hat.“ (V 3, 291 f.) Hegels „zunächst“ lässt eine Entwicklung der Form erwarten.
In der folgenden Zeit wird darum gerungen, den spekulativen Inhalt der Religion, d.h. die zentralen Dogmen des Christentums, wie die Trinität und Menschwerdung Gottes, in der Form der Vorstellung angemessen darzustellen, d.h. aber: noch nicht selbstbewusst am Begriff des Geistes orientiert. Hegel jedoch schätzt den Einfluss der Philosophie in diesem frühen Stadium als enorm wichtig ein. Er geht bei den Kirchenvätern explizit von einer Einheit von Philosophie und Theologie aus. Er behauptet, die frühe Theologie habe ihre Dogmatik von der Philosophie erhalten, besonders einflussreich seien dabei die neupythagoreische, neuplatonische und neuaristotelische Philosophie gewesen (vgl. V 3, 64 f.). Es ist m.E. hier noch die unmittelbare Religion selbst, in welcher der spekulative Inhalt in der Form der Gewissheit lebt, welche die ersten theologischen Selbstverständigungsversuche hervorruft.
3.2 Scholastik: Vom Glauben zu seinem Verständnis
Zur Zeit der Scholastik befindet sich die christliche Gemeinde Hegels kirchengeschichtlicher Einordnung zufolge in der Phase des Bestehens, d.h. die Religion hat ihre Grundsätze und Lehrsätze fest aufgestellt und nun geht es ihr darum, diese zu erhalten und zu durchdringen. Im Hinblick auf die Wahrung der positiven Lehre der Kirche spricht Hegel sogar von einer „Philosophie der Kirche“ (V 3, 48). Laut Hegel ist die Theologie der Scholastik noch eins mit der Philosophie. Der Geist macht schließlich bestimmte Bedürfnisse geltend, die er an die religiösen Inhalte stellt: Er will die Glaubensvorstellungen verstehen, wie es Anselm in seinem Proslogion formuliert. Diese Stufe kann m.E. daher als Übergang von der religiösen Vorstellung zum theologischen Verstand interpretiert werden.
Für den Verstand ist die Idee, d.i. der spekulative Inhalt der Religion, ebenso ein Geheimnis, ein Mysterion, wie für die sinnliche Vorstellung. Der Verstand traktiert diesen spekulativen Inhalt mit endlichen Kategorien der Reflexion und heftet Gott sogenannte Prädikate als seine Eigenschaften an, wie etwa Weisheit, Gerechtigkeit, Güte (vgl. V 5, 119). Als problematisch erweist sich dabei das Prinzip des Verstandes der „abstrakten Identität mit sich“; demnach „sind das eine und das andere selbständig für sich, und ebenso beziehen sie sich aufeinander.“ (V 5, 208) Hegels konkrete Identität hingegen nimmt an, „daß diese Unterschiede in einem sind“ (V 5, 208), in einer Einheit aufgehoben. Im Verstandesdenken jedoch geraten die Prädikate schließlich in Widerspruch – z.B. die Gerechtigkeit mit der Güte – und führen letztendlich zur Problematik der Theodizee: Wie kann Gott angesichts des Bösen in der Welt gerechtfertigt werden? Die folgenden Formen der natürlichen Theologie erscheinen lediglich als Zuspitzungen desselben Prinzips. Hegel setzt dem entgegen, dass Gott als Geist selbst als das Setzen und Auflösen der Widersprüche begriffen werden muss; das Leben ist widersprüchlich, dialektisch im hegelschen Sinne (vgl. V 5, 196).
Bei näherer Betrachtung erweist sich die Rekonstruktion der in seinen religionsphilosophischen Vorlesungen verstreuten geschichtlichen Bemerkungen als schwierig, sofern seine Charakterisierung von Epochen, Strömungen und Vertreter nicht immer exakt sind und unserem heutigen Wissenstand entsprechen. Neben Anselm nennt Hegel in seinen Vorlesungen aus dieser Epoche nur Abälard und Meister Eckhart ausdrücklich, nicht einmal Thomas von Aquin erwähnt er hier. So kommt Hegel etwa immer wieder auf den sogenannten ontologischen Gottesbeweis zu sprechen und differenziert dabei zwischen dessen verschiedenen Versionen, wobei er auch die Form berücksichtigt, in welcher ihn Anselm ursprünglich entwickelt hat. Er behauptet, die Metaphysik habe den einfachen Gedanken Anselms „jenem Formellen des Schließens unterworfen und ihm damit seinen wahrhaften Sinn und Inhalt genommen.“ (V 5, 10) In diesem Zusammenhang ist auch die Bemerkung Hegels zu verorten, dass man die natürliche Theologie als dazu fähig angesehen hat, ein Subjekt zur Religion bewegen zu können, einen Atheisten tatsächlich von der Existenz Gottes zu überzeugen; dagegen behauptet Hegel, dass die Philosophie voraussetzen muss, „daß das Subjekt soweit mit sich fertig geworden“ (V 3, 10) ist – und Gottes Existenz anerkennt. Was und wer bei Hegel unter dem Label Metaphysik oder natürlicher Theologie läuft ist daher nicht immer eindeutig identifizierbar.
Als erklärungsbedürftig erweist sich auch Hegels Einordnung des sogenannten Mystikers Meister Eckhart. Seine Wertschätzung für ihn geht so weit, dass er dessen Worte in seiner Vorlesung folgendermaßen zitiert:
„»Das Auge, mit dem mich Gott sieht, ist das Auge, mit dem ich ihn sehe; mein Auge und sein Auge ist eins. In der Gerechtigkeit werde ich in Gott gewogen und er in mir. Wenn Gott nicht wäre, wäre ich nicht; wenn ich nicht wäre, so wäre er nicht. Dies ist jedoch nicht Not zu wissen, denn es sind Dinge, die leicht mißverstanden werden und die nur im Begriff erfaßt werden können.«“ (V 3, 248)
Darin wird Hegels eigene Auffassung der Erkenntnis Gottes als Geist ersichtlich, sofern von der Gemeinschaft Gottes mit dem Menschen, ja, deren mystischer Einheit, der „unio mystica“, dem Selbstgefühl Gottes im Subjekt (vgl. V 5, 260), gesprochen wird; fraglich bleibt, inwieweit Hegel selbst diese Bestimmungen in Meister Eckharts Worte hineinlegt.
3.3 Wolffsche Verstandesmetaphysik: Verstandesform und Abstraktion
Als die letzte Spitze der natürlichen Theologie – der theologia naturalis, wie Hegel sie bezeichnet, um ihre Antiquiertheit zum Ausdruck zu bringen – fasst Hegel die wolffsche Verstandesmetaphysik. Zentral für seine Kritik daran ist die Abstraktionstätigkeit des Verstandes, d.i. die Trennung der Begriffe, ohne dass er deren zugrundeliegende Einheit berücksichtigen würde. Gott wird als solcher, als ens, Wesen oder Ding, als ein Seiendes im endlichen Sinne gedacht. Als ein solches abstraktes Verstandeswesen steht er in keinerlei Beziehung zu den Menschen (vgl. V 3, 161 f.). Entscheidend ist, dass es sich bei der Verstandesform nach Hegels Interpretation um eine inadäquate Form handelt, mit der die spekulativen Inhalte der Religion untersucht werden.17 Der Verstand missversteht die Form der Vorstellung und verfehlt so ihren spekulativen Gehalt; z.B. erhebt er die sinnliche Form zur Hauptsache und macht die bildlichen oder analogen Ausdrücke zu ganz bestimmten, endlichen Verhältnissen. Weiterhin zerteilt der Verstand in der Theologie die religiösen Inhalte schematisch; etwa wird in der natürlichen Theologie erst vom Begriff Gottes, dann von seiner Existenz, dann von seinem Wesen gehandelt. Laut Hegel reflektiert der Verstand lediglich seine Gegenstände, er begreift sie nicht auf vernünftige Weise. Reflexion wird dabei als eine Verhältnisbestimmung verstanden, so etwa das Verhältnis von Identität und Differenz. Hegel kritisiert daran, dass der Verstand Voraussetzungen der Endlichkeit absolut gelten lässt. Sein vernichtendes Urteil: „Verstandesmetaphysik, natürliche Theologie, hat gar nichts vom spekulativen Inhalt der Religion in sich deswegen haben können.“ (V 3, 162) Die Beziehung zur positiven Religion ist nur noch über die theologische und philosophische Tradition vermittelt vorhanden, ihr Inhalt wird nicht mehr durch Nachvollzug des religiösen Kultus selbst gewusst.
3.4 Spinozismus: Identitätsphilosophie und Pantheismusvorwurf
Die folgende Position ist noch eine Stufe abstrakter als die natürliche Theologie Wolffs, sofern hier allein die abstrakteste Bestimmung, die Identität, zu Grunde gelegt wird. Hegel handelt sie unter den Schlagworten Identitätsphilosophie, Spinozismus und Pantheismus ab (vgl. V 3, 246, 272 ff.). Der Spinozismus hat keine selbst ernannten Vertreter, vielmehr wurde bestimmten philosophischen Positionen vorgeworfen, spinozistisch zu sein, um sie in Misskredit zu bringen; denn Spinozismus wird gemeinhin als Pantheismus aufgefasst. Der Term Identitätsphilosophie wiederum weist auf Schelling hin, welchen Hegel in einer Notiz in seinem Manuskript als Spinozisten kritisiert: „[D]as Logische ist an sich ihre [Natur und Geist; F. K.] Identität; in ihrer Identität sind sie aber nicht, was sie in ihrer Qualität sind. Spinozismus, Schellingsche Philosophie.“ (V 3, 135) Der Spinozismus missachte demnach die eigene Qualität von Natur und Geist und lasse nur die Bestimmung der Identität, d.i. die Substanz, gelten. Hegel äußert sich über Spinozas Philosophie selbst im Zusammenhang seiner Diskussion des ontologischen Gottesbeweises folgendermaßen:
„Diese Voraussetzung [der Einheit von Begriff und Sein; F. K.] nun ist allenthalben auch bei Spinoza; er definiert Gott oder die absolute Ursache gar nicht anders. Er sagt, die Substanz ist das, was nicht gedacht werden kann ohne Existenz, dessen Begriff die Existenz in sich schließt, d.h. die Vorstellung Gottes ist unmittelbar verknüpft mit dem Sein.“ (V 3, 329)
Hegel merkt an, dass Spinoza im Hinblick auf den ontologischen Gottesbeweis nichts anderes sage als Anselm – und zwar das, was auch Jacobi mit dem unmittelbaren Wissen von Gott zum Ausdruck zu bringen beabsichtigt: die unmittelbare Verknüpfung der Vorstellung Gottes mit dem Sein.
Hegel schlägt vor, die genannte Position angemessener als „Vorstellung der Substantialität“ (V 3, 272) zu bezeichnen. Unter Substantialität sei „die an und für sich seiende Allgemeinheit“ (ebd.) zu verstehen; diese Allgemeinheit wird isoliert von den Momenten der Besonderheit und Einzelheit vorgestellt. Daher ist Hegel zufolge der Pantheismusvorwurf gegenüber dieser Position – alles, d.i. jedes einzelne Ding, sei Gott – dahingehend zu berichtigen, dass der Ausdruck Akosmismus zutreffender sei (vgl. V 3, 274). Demnach wird nämlich der Welt als Aggregat der Einzeldinge keine eigene Wirklichkeit zugestanden. Im Allgemeinen begegnet Hegel dieser Position mit seinem schon genannten Verdikt: „Das absolute Subjekt, der Geist bleibt auch Substanz; aber er ist nicht nur Substanz, sondern in sich auch als Subjekt bestimmt.“ (V 3, 272 f.) Hier wird jedoch bei der Substantialität stehengeblieben und die Einheit nicht weiter in sich bestimmt. In Rücksicht auf die oben zitierte Stelle aus dem Manuskript ist festzustellen, dass in Hegels Systementwurf Natur und Geist unabhängige Gestalten der Idee, d.i. des Logischen, bilden, er aber zugleich ihre Einheit im Geist bewahrt.18 Dementsprechend schlägt Hegel einen konstruktiven Sinn einer Philosophie der Einheit vor:
„Spricht man aber von Identitätsphilosophie, so bleibt man bei der abstrakten Identität, Einheit überhaupt stehen und sieht von dem ab, worauf es allein ankommt, nämlich von der Bestimmung dieser Einheit in sich, ob sie als Substanz oder als Geist bestimmt ist. Die ganze Philosophie ist nichts anderes als ein Studium der Bestimmung der Einheit; ebenso ist die Religionsphilosophie nur eine Reihenfolge von Einheiten, wo immer die Einheit, aber diese Einheit immer weiter bestimmt wird.“ (V 3, 276)
[...]
1 Ich zitiere Hegels Werke durchgängig nach der kritischen, von Walter Jaeschke herausgegebenen Ausgabe. Die Auflösung der Siglen sowie die genaue Literaturangabe befinden sich in den entsprechenden Verzeichnissen am Ende der Arbeit. Die Zahl nach dem Komma gibt i.d.R. die Seitenangabe wieder; Paragraphenangaben sind durch das entsprechende Zeichen gekennzeichnet.
2 Hegel selbst stellt den sogenannten Mystiker Meister Eckhart als seinen Vordenker dar; siehe unten S. 16.
3 Vgl. das Motto des 31. Internationalen Hegel-Kongresses von 2016 in Bochum.
4 Vgl. Historisches Wörterbuch der Philosophie, Stichwort „Religionsphilosophie“, Bd. 8, S. 748 ff.
5 Dies führt dazu, dass Hegels Religionsphilosophie in der zeitgenössischen Religionsphilosophie weniger rezipiert wird als in der philosophischen Theologie. Vgl. zu dieser Einschätzung: Hans Julius Schneider, Religion, Berlin 2008; Henning Tegtmeyer, Gott, Geist, Vernunft. Prinzipien und Probleme der Natürlichen Theologie, Tübingen 2013; Holm Tetens, Gott denken. Ein Versuch über rationale Theologie, Stuttgart 2015.
6 Vgl. Walter Jaeschke, Die Vernunft in der Religion. Studien zur Grundlegung der Religionsphilosophie Hegels, Stuttgart-Bad Cannstatt 1986; ders.: Hegel-Handbuch. Leben – Werk – Schule, Stuttgart, Weimar 2010, S. 455.
7 Von der Seite des Menschen ausgehend drückt Hegel dieses Verhältnis in seinen Vorlesungen über die Beweise vom Daseyn Gottes folgendermaßen aus: „[D]er Mensch weiß nur von Gott, insofern Gott im Menschen von sich selbst weiß; dies Wissen ist Selbstbewußtsein Gottes, aber ebenso ein Wissen desselben vom Menschen, und dies Wissen Gottes vom Menschen ist Wissen des Menschen von Gott.“ (GW 18, 302)
8 Auch wenn Hegel den größten Teil der damals bekannten Religionen in seine Untersuchung miteinbezieht, liegt sein Fokus – und demnach auch der Fokus meiner Masterarbeit – auf dem Christentum. Dennoch bildet das Christentum nicht das Fundament der Philosophie Hegels, sondern ist Gegenstand seiner Religionsphilosophie. Folglich rekurriere ich in dieser Masterarbeit mit dem Ausdruck Theologie in der Regel auf die Theologie des Christentums und mit Philosophie auf die Philosophie des Abendlandes.
9 Vgl. Jaeschke, Hegel-Handbuch, a.a.O., S. 505 ff.
10 Unter diesem Gesichtspunkt bearbeitet etwa Andreas Arndt Hegels Geschichtsphilosophie; in: Andreas Arndt, Geschichte und Freiheitsbewusstsein, Berlin 2015.
11 Die Inhalte menschlichen Wissens und menschlicher Praktiken können sich schnell ändern, die Formen derselben hingegen bleiben stabil. Vgl. Pirmin Stekeler-Weithofer, Philosophie des Selbstbewußtseins. Hegels System als Formanalyse von Wissen und Autonomie, Frankfurt am Main 2005.
12 Hegel differenziert zwischen Wissen und Bewusstsein dahingehen, dass Letzteres einen näheren Gegenstandsbezug aufweist (vgl. V 3, 170).
13 Hegels Wendung „sagen wir, wenn wir“ kann, nebenbei bemerkt, in Anlehnung an Wittgensteins Methode als Gebrauchsanalyse von Worten gedeutet werden.
14 Dies ist offensichtlich, da er im Zuge der Bestimmung des Begriffs der Religion das Wissen von Gott abhandelt. Analog dazu bestimmt er auch den Begriff der Religion folgendermaßen: „Dieser Begriff [der Religion; F. K.] aus der Vorstellung [entnommen; F. K.] – wissen wir zunächst, daß Religion Bewußtsein von Gott überhaupt; dies Bewußtsein habe nun die Form von Gefühl, Vorstellung, Erkenntnis, Begriff, Wissen, oder welche es sonst wäre.“ (V 3, 95)
15 M.E. spricht Hegel hier von Substanz und Identität und nicht von Wesen und Einheit, weil jenes die besonderen Termini sind, die bei Spinoza und im Spinozismus, d.i. hier in der Identitätsphilosophie des frühen Schellings, gebraucht werden, welche er an der genannten Textstelle zu kritisieren beabsichtigt, um sich davon abzugrenzen.
16 In diesem Zusammenhang ist Hegels negativ formulierte Freiheitsdefinition erhellend: „Freiheit ist, abstrakt [genommen], das Verhalten zu einem Gegenständlichen als nicht zu einem Fremden“ (V 5, 106).
17 Eingehender und vor allem unter einem logischen Gesichtspunkt setzt sich Hegel mit der natürlichen Theologie in seinen Vorlesungen über die Beweise vom Daseyn Gottes auseinander, die jedoch hier keine weitere Berücksichtigung finden können.
18 Siehe unten, S. 39 ff.
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- Florian König (Autor), 2019, Hegels Religionsphilosophie als Vermittlung von Theologie und Anthropologie. Der Geist Gottes im Menschen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/489365
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