Als durchaus positiv zu bewertender „Bibelchrist und Betefürst“ aber auch als jemand, den man zu den „gewaltsamen, zum Fanatismus neigenden Naturen“ zählen muss, wurde er schon bezeichnet: Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz (1559-1576) ist nicht nur aufgrund seiner facettenreichen Persönlichkeit für die Geschichtsforschung so interessant, sondern vor allem deshalb, weil er zu den bedeutendsten Landesfürsten im Zeitalter der Glaubenskämpfe gehört. Er nimmt unter den weltlichen Herrschern eine besonders herausragende Stellung ein, da er für einen Landesfürsten seiner Zeit eher untypisch - vor allem seiner tatsächlichen religiösen Überzeugung folgend handelte und seine politischen Interessen ganz nach seinem Glauben ausrichtete. So führte Friedrich III. als erster deutscher Landesfürst den Calvinismus in seinem Territorium ein und verfolgte ihn äußerst konsequent. Die wichtigste Quelle für das Leben dieses Herrschers bietet uns August Kluckhohn, der Friedrichs persönliche Briefe zusammengestellt und zwischen 1868 und 1872 veröffentlicht hat. Eine umfassende Lage der Forschungsliteratur zu diesem Kurfürsten, zu der besonders Volker Press mit seiner Studie „Calvinismus und Territorialstaat“ einen großen Teil beigesteuert hat, trägt ihr Übriges zu einer intensiven Untersuchung bei. Diese Voraussetzungen können helfen, Friedrichs Leben genau zu durchleuchten und seine politische Tätigkeit vor dem Hintergrund seiner tiefgläubigen Frömmigkeit konsequent nachzuvollziehen. Natürlich kann sich nur auf die wichtigsten Eckpfeiler im Leben des Herrschers beschränkt werden, um den Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht zu sprengen. Das Handeln des Kurfürsten, das nicht unmittelbar mit der Konfessionalisierung der Pfalz - also dem Hauptaugenmerk in Friedrichs Politik - in Verbindung steht, wird hier zugunsten einer näheren Betrachtung der pfälzischen Religionsproblematik nicht behandelt werden. Um die Politik des Kurfürsten richtig verstehen zu können, soll zunächst der Blick auf Friedrichs Person und dessen Einstellung gerichtet werden, bevor die politische Laufbahn genauer durchleuchtet werden wird. Auf diese Weise kann es gelingen, Friedrichs Handeln vor dem Spiegel seiner religiös-konfessionellen Überzeugung richtig einordnen zu können.
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Zur Person Friedrichs III. von der Pfalz
I. Überblick über Friedrichs Leben – Ein Leben im Zeichen der Religion
II. Der Einfluss der politischen und theologischen Berater
C. Die Politik Friedrichs III. von der Pfalz
I. Die Lage in der Kurpfalz zur Zeit von Friedrichs Amtsantritt
II. Der Abendmahlsstreit von 1559/1560
1. Der Verlauf der Auseinandersetzung
2. Folgen des Konflikts
III. Der Übergang vom Luthertum zum Calvinismus
IV. Die Fixierung des neuen Bekenntnisses
1. Der Heidelberger Katechismus
2. Die neue Kirchenordnung
V. Das rigorose Vorgehen zur Beseitigung des Widerstandes
1. Maßnahmen gegen den Widerstand
2. Ergebnisse der strengen Durchsetzung des Calvinismus
VI. Friedrich III. auf dem Augsburger Reichstag 1566
VII. Die Kirchenzuchtordnung von 1570
VIII. Friedrichs Einsatz in Westeuropa
IX. Der schriftliche Nachlass des Kurfürsten
D. Resümee
E. Quellen-, Literatur- und Abbildungsverzeichnis
I. Quellen
II. Literatur
III. Abbildungen
A. Einleitung
Als durchaus positiv zu bewertender „Bibelchrist und Betefürst“[1] aber auch als jemand, den man zu den „gewaltsamen, zum Fanatismus neigenden Naturen“[2] zählen muss, wurde er schon bezeichnet: Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz (1559-1576) ist nicht nur aufgrund seiner facettenreichen Persönlichkeit für die Geschichtsforschung so interessant, sondern vor allem deshalb, weil er zu den bedeutendsten Landesfürsten im Zeitalter der Glaubenskämpfe gehört. Er nimmt unter den weltlichen Herrschern eine besonders herausragende Stellung ein, da er – für einen Landesfürsten seiner Zeit eher untypisch – vor allem seiner tatsächlichen religiösen Überzeugung folgend handelte und seine politischen Interessen ganz nach seinem Glauben ausrichtete. So führte Friedrich III. als erster deutscher Landesfürst den Calvinismus in seinem Territorium ein und verfolgte ihn äußerst konsequent. Die wichtigste Quelle für das Leben dieses Herrschers bietet uns August Kluckhohn, der Friedrichs persönliche Briefe zusammengestellt und zwischen 1868 und 1872 veröffentlicht hat. Eine umfassende Lage der Forschungsliteratur zu diesem Kurfürsten, zu der besonders Volker Press mit seiner Studie „Calvinismus und Territorialstaat“ einen großen Teil beigesteuert hat, trägt ihr Übriges zu einer intensiven Untersuchung bei. Diese Voraussetzungen können helfen, Friedrichs Leben genau zu durchleuchten und seine politische Tätigkeit vor dem Hintergrund seiner tiefgläubigen Frömmigkeit konsequent nachzuvollziehen. Natürlich kann sich nur auf die wichtigsten Eckpfeiler im Leben des Herrschers beschränkt werden, um den Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht zu sprengen. Das Handeln des Kurfürsten, das nicht unmittelbar mit der Konfessionalisierung der Pfalz – also dem Hauptaugenmerk in Friedrichs Politik – in Verbindung steht, wird hier zugunsten einer näheren Betrachtung der pfälzischen Religionsproblematik nicht behandelt werden. Um die Politik des Kurfürsten richtig verstehen zu können, soll zunächst der Blick auf Friedrichs Person und dessen Einstellung gerichtet werden, bevor die politische Laufbahn genauer durchleuchtet werden wird. Auf diese Weise kann es gelingen, Friedrichs Handeln vor dem Spiegel seiner religiös-konfessionellen Überzeugung richtig einordnen zu können.
B. Zur Person Friedrichs III. von der Pfalz
I. Überblick über Friedrichs Leben – Ein Leben im Zeichen der Religion
Ein kurzer Einblick in das Leben des pfälzischen Kurfürsten soll – wie gesagt – als Grundlage dazu dienen, dessen politisches Wirken, das in dieser Arbeit noch näher in Augenschein genommen werden wird, nachvollziehen zu können. Natürlich muss dabei besonders Friedrichs Einstellung zur Religion genauer betrachtet werden.
Als Sohn des altgläubigen Pfalzgrafen Johann II. in das Haus Simmern hineingeboren gab Friedrich den Glauben des Vaters schon bald zugunsten des Luthertums, zu dem ihn seine protestantische Frau Maria von Brandenburg-Kulmbach bekehrte, auf.[3] Der dadurch entstandene Konflikt mit seinem Vater veranlasste ihn allerdings, sich erst später eindeutig zu seiner neuen Glaubensrichtung zu bekennen.[4] Dafür, dass es sich bei dem späteren pfälzischen Kurfürsten um einen sehr gläubigen Menschen handelte, spricht nicht nur sein Beiname – schließlich wird er auch Friedrich der Fromme genannt[5]. Er gilt als „religiös hochmotiviert“[6], was bereits im Amt des Statthalters in der Oberpfalz und als Fürst in Simmern offensichtlich wurde[7], aber sich erst in der Zeit als Kurfürst manifestierte. Als kurpfälzischer Herrscher gab er nämlich die lutherische Konfession auf, näherte sich stattdessen dem Calvinismus an und verfolgte diesen unbeirrt bis zu seinem Tod. Zur Zeit des Amtsantritts in Heidelberg hatte Friedrichs Frau bereits Angst, dass ihr Mann unter dem Einfluss der Calvinisten und Zwinglianer in konfessionell andere Bahnen gelenkt werden könnte. Trotz der Sorge um Friedrichs Seelenheil konnte sie allerdings nicht verhindern, dass sich ihre Befürchtungen bewahrheiteten und der pfälzische Kurfürst den Calvinismus annahm[8]. So trieb Friedrich III. die Reformation in der Pfalz, für die bereits seine Vorgänger Friedrich II. und Ottheinrich den Grundstein gelegt hatten, voran. Dabei ließ er sich stets von seinem Gewissen leiten[9] und versuchte konsequent seinen Glauben durchzusetzen. In der Forschung ist er als ein Mann gezeichnet, der der Familie einen hohen Stellenwert einräumte, bescheiden und durchaus großzügig war[10], oft wird auch seine Reife und Bildung hervorgehoben.[11] Trotz dieser positiven Bewertung von Friedrichs Charakter lassen sich – wie sich später noch zeigen wird – im Handeln des Pfälzers durchaus auch Eigenschaften ablesen, die als bedenklich einzustufen sind.
II. Der Einfluss der politischen und theologischen Berater
Wie selbstständig der Kurfürst seine Politik führte, war schon zu Friedrichs Lebzeiten ein lebhaftes Diskussionsthema und ist bis heute in der Forschung immer noch umstritten.[12] Im Allgemeinen wird der Einfluss der Berater auf Friedrich unter Historikern jedoch als sehr hoch eingeschätzt.[13] Dabei tauchen vor allem die Namen der Räte Thomas Erastus, Wenzel Zuleger und Christoph Ehem auf.[14] Der Oberrat als Ganzes hatte einen großen politischen Einfluss auf ihren Kurfürsten aufbauen können, weil dieser sich selbst seiner Unerfahrenheit in regierungsgeschäftlichen Angelegenheiten bewusst war: Er sei nach eigenen Angaben „den sachen nicht so verstendig, als es wol die notturft erfordert“[15].
Allerdings wird Friedrich aber auch als eigenständiger Landesfürst dargestellt, der alle Entscheidungen – vor allem wenn sie von theologischer Natur waren – selbst traf. So existiert auch heute noch, was die Selbstständigkeit des Herrschers betrifft, eine ambivalente Sichtweise: Für Volker Press etwa scheint es beim Kurfürsten mit der Eigenständigkeit „nicht sehr weit her gewesen zu sein“[16], während Ernst Friedrich und Peter Güß davon sprechen, dass er sich nie seiner religiösen wie politischen Verantwortung entzog und die anstehenden Entscheidungen immer selbst traf.[17] Natürlich steht außer Zweifel, dass er die Heidelberger Theologen – wie etwa Kaspar Olevian, Zacharias Ursinus oder Michael Diller[18] – zu beratenden Gesprächen hinzuzog. Auch die Grafen von Erbach scheinen einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Friedrich gehabt zu haben.[19] Hauptpfeiler aus Friedrichs Regierungszeit können jedoch als Beispiele für dessen Unabhängigkeit im politischen Prozess dienen: Was zum Bespiel den Abendmahlsstreit betrifft, wird oft darauf hingewiesen, dass Friedrich sich nicht auf die Meinung der Theologen verließ, sondern – ganz nach der Art eines „homo religiosus“[20] – selbstständig reflektierte, bevor er Entscheidungen traf.[21] Der Kurfürst selbst nahm sogar zu Zweifel an seiner Eigenständigkeit, die auch schon zu seinen Lebzeiten den Stoff für hitzige Diskussionen baten[22], Stellung: In einem Brief an Johann Friedrich den Mittleren weist er Vorwürfe zurück, er hätte sich in seiner Meinungsbildung von seinen Beratern beeinflussen lassen und versichert: „Ich hab aber die ding auß meynem kopf und hirn geschrieben, danck darum meynem lieben Gott.“[23] Seine Unabhängigkeit in religiösen Fragen zeigt auch die Tatsache, dass Friedrich eigenständig eine Korrektur im Heidelberger Katechismus vornahm; und das sogar an einer theologisch hochbrisanten Stelle.[24] Diese relativ große Selbstständigkeit in religiösen Angelegenheiten wird inzwischen in der Forschung als sicher betrachtet, wenn sie manche auch für übertrieben dargestellt halten.[25] Insgesamt bleibt also festzuhalten, dass – was den Grad von Friedrichs Unabhängigkeit betrifft – zwischen den theologischen und politischen Angelegenheiten ganz klar differenziert werden muss, auch wenn natürlich beide Gebiete im Zeitalter der Glaubenskämpfe sehr eng miteinander verknüpft sind. Der Kurfürst war aber wohl – was rein politische Fragen betrifft – sehr viel mehr von seinen Beratern abhängig als in theologischen Dingen.
C. Die Politik Friedrichs III. von der Pfalz
I. Die Lage in der Kurpfalz zur Zeit von Friedrichs Amtsantritt
Ottheinrich ließ bei seinem Tod die Kurpfalz als einen „religiösen Krisenherd“ zurück. Er hatte in seiner kurzen Regierungszeit zwar die reformatorische Bewegung in der Pfalz in Gang gesetzt, konnte aber die Neuerungen bis zu seinem Tod nicht stabilisieren.[26] Die konfessionelle Verwirrung, die dabei entstand, beschränkte sich allerdings nicht nur auf die Pfalz. Innerhalb des gesamten Reiches stellte sich die Situation ähnlich dar: Aufgrund differenter Versionen der Confessio Augustana etwa erreichte die religiöse Orientierungslosigkeit auch außerhalb der Kurpfalz ihren Höhepunkt, innerhalb des Protestantismus entstanden Meinungsverschiedenheiten.[27] Gerade in der Kurpfalz als geopolitischer Brennpunkt des Reiches[28] kamen diese Probleme unter anderem dadurch verstärkt ans Tageslicht, dass ihre geographische Lage zur Anhäufung verschiedenster Konfessionen beitrug.[29] Andreas Wirsching gelingt es, die Lage in der Pfalz ganz prägnant auf den Punkt zu bringen: „Kurz, beim Regierungsantritt Friedrichs III. war die theologisch-konfessionelle Landschaft der Kurpfalz noch von tiefen Gegensätzen zerklüftet und ohne spezifisches Profil.“[30] Diese Gesamtsituation muss als Grundlage für die reformierte Konfessionalisierung in der Pfalz betrachtet werden.[31]
II. Der Abendmahlsstreit von 1559/1560
1. Der Verlauf der Auseinandersetzung
So stand Friedrich bei seinem Amtsantritt 1559 mehreren religiösen Parteien gegenüber, die ihre jeweiligen Lehren aufrechterhalten wollten. Neben vielen kleineren Konflikten wurde vor allem die Auseinandersetzung zwischen den Lutheranern und Calvinisten immer mehr evident.[32] Beispielhaft und gleichsam Höhepunkt der Differenzen dieser beiden Parteien wurde der Abendmahlsstreit, der im Jahre 1559 entbrannte. Die Protagonisten dieses Streites waren zum einen der lutherische Generalsuperintendent Tilemann Heshusius[33], zum anderen der vom Calvinismus beeinflusste Heidelberger Diakon Wilhelm Klebitz.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Einer der Hauptkontrahenten im Abendmahlsstreit: Tilemann Heshusius
[...]
[1] Zeeden, S.72
[2] Ebenda.
[3] Vgl. Schaab: Kurpfalz, S.35
[4] Der genaue Zeitpunkt, ab wann sich Friedrich offiziell zum Luthertum bekannte, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Vgl. Götz, S.6
[5] Vgl. Scheible, S.182
[6] Schindling/Ziegler, S.24
[7] Vgl. Press: Calvinismus, S.223
[8] Vgl. Press: Kurfürsten, S.26 Auch hier kann der genaue Zeitpunkt für den Wechsel der Ansichten nicht festgemacht werden. Vgl. dazu Götz, S.8
[9] Vgl. Press: Calvinismus, S.223
[10] Ebenda., S.224
[11] Vgl. Henss, S.8
[12] Vgl. Press: Calvinismus, S.224
[13] Vgl. Wolgast, S.33
[14] Vgl. Joestel, S.127
[15] zitiert nach: Press: Calvinismus, S.225
[16] Press: Calvinismus, S.223
[17] Vgl. Friedrich/Güß, S.61
[18] Vgl. Joestel, S.127
[19] Vgl. Press: Grafen, S.672-683
[20] Wirsching, S.379
[21] Vgl. Ebenda.
[22] Vgl. Wolgast, S.34
[23] zitiert nach: Wolgast, S.34
[24] Vgl. Koch, S.287
[25] Vgl. Joestel, S.127
[26] Vgl. Friedrich/Güß, S.61
[27] Vgl. Wirsching, S.377
[28] Vgl. Edel, S.161-164
[29] Vgl. Wirsching, S.377
[30] Ebenda., S.378
[31] Ebenda.
[32] Vgl. Joestel, S.126
[33] In der Forschungsliteratur wird der Name von Tilemann Heshusius in keiner einheitlichen Schreibung widergegeben. Die vorliegende Arbeit folgt daher der Schreibweise in der Theologischen Realenzyklopädie (Vgl. Barton, S.256-260). Auch bei den Namen von Kaspar Olevian (Vgl. Goeters, S.237-239) und Zacharias Ursinus (Vgl. Klueting, S.445-450) wird im Folgenden auf die gleiche Weise verfahren.
- Quote paper
- Annette Schießl (Author), 2004, Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz als früher Exponent des Calvinismus im Reich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48934
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