1836 schrieb Büchner sein einziges Lustspiel „Leonce und Lena“, um damit an einem Wettbewerb teilzunehmen und seine Geldsorgen zu beheben. Leider verpasste er den Einsendeschluss. Danach überarbeitete Büchner sein Manuskript. In der Forschung gab es lange Zeit die Diskussion, ob dieses Lustspiel als „Rückfall in die bloße Literaturkomödie der Romantik“ 1 oder doch als bedeutendes literarisches Werk betrachtet werden kann. In dieser Hausarbeit möchte ich mich nicht an der Diskussion beteiligen. Auch den interessanten Aspekt der Intertextualität werde ich nur mit einbeziehen, nicht diskutieren. Bereits zu Beginn des Stückes werden zentrale Thematiken und Begriffe eingeführt, die ich zum Gegenstand dieser Arbeit machen möchte. Seinen Auftakt nimmt das Lustspiel mit der Vorrede, der Frage nach dem Ruhm und der Gegenfrage nach dem Hunger. 2 Sicherlich ist es nicht eindeutig, auf welche Gruppe sich die Thematik des Ruhmes beziehen kann, denn in dem Stück selbst verdient ihn sich keiner, noch scheint es überhaupt jemand darauf abgesehen zu haben. Doch der Hunger ist eindeutig das Problem des Volkes, das Büchner - wie z.B. „Der hessische Landbote“ belegt- am Herzen liegt. Die Frage nach dem Ruhm kann sich eher erlauben, wer keinen Hunger hat. Wenn also hier auch nicht eindeutig der Hinweis auf eine soziale Kluft belegt werden kann, so findet sich zumindest der Hinweis auf ein in der damaligen Gesellschaft bestehendes Problem. Auf der nächsten Seite erfolgt ein Zitat des Jacques aus „Wie es Euch gefällt“ von Shakespeare. „O wär‘ ich doch ein Narr!...“ 3 heißt es hier. Die Figur des Narren wird eingeführt, die meiner Meinung nach in dem Stück eine zentrale Rolle spielt. Die erste Person, die der Zuschauer sieht, ist Leonce. Mit dem Hofmeister beginnt er einen scheinbaren Dialog, der jedoch eher ein Monolog ist. [...]
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Langeweile und Müßiggang
Leonce und die Melancholie
Valerio oder Wer ist hier der Narr?
König Peter und das Volk
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung:
1836 schrieb Büchner sein einziges Lustspiel „Leonce und Lena“, um damit an einem Wettbewerb teilzunehmen und seine Geldsorgen zu beheben. Leider verpasste er den Einsendeschluss. Danach überarbeitete Büchner sein Manuskript. In der Forschung gab es lange Zeit die Diskussion, ob dieses Lustspiel als „Rückfall in die bloße Literaturkomödie der Romantik“[1] oder doch als bedeutendes literarisches Werk betrachtet werden kann. In dieser Hausarbeit möchte ich mich nicht an der Diskussion beteiligen. Auch den interessanten Aspekt der Intertextualität werde ich nur mit einbeziehen, nicht diskutieren.
Bereits zu Beginn des Stückes werden zentrale Thematiken und Begriffe eingeführt, die ich zum Gegenstand dieser Arbeit machen möchte.
Seinen Auftakt nimmt das Lustspiel mit der Vorrede, der Frage nach dem Ruhm und der Gegenfrage nach dem Hunger.[2] Sicherlich ist es nicht eindeutig, auf welche Gruppe sich die Thematik des Ruhmes beziehen kann, denn in dem Stück selbst verdient ihn sich keiner, noch scheint es überhaupt jemand darauf abgesehen zu haben. Doch der Hunger ist eindeutig das Problem des Volkes, das Büchner – wie z.B. „Der hessische Landbote“ belegt- am Herzen liegt. Die Frage nach dem Ruhm kann sich eher erlauben, wer keinen Hunger hat. Wenn also hier auch nicht eindeutig der Hinweis auf eine soziale Kluft belegt werden kann, so findet sich zumindest der Hinweis auf ein in der damaligen Gesellschaft bestehendes Problem.
Auf der nächsten Seite erfolgt ein Zitat des Jacques aus „Wie es Euch gefällt“ von Shakespeare. „O wär‘ ich doch ein Narr!...“[3] heißt es hier. Die Figur des Narren wird eingeführt, die meiner Meinung nach in dem Stück eine zentrale Rolle spielt.
Die erste Person, die der Zuschauer sieht, ist Leonce. Mit dem Hofmeister beginnt er einen scheinbaren Dialog, der jedoch eher ein Monolog ist. In ironischer Weise beschreibt der Prinz seinen Tagesablauf, fragt, ob er ein Müßiggänger sei, die Antwort kennt er. Kurz darauf erwähnt er seine Melancholie, die er auf das Ziehen der Wolken zurückführt:
„Daß die Wolken schon seit drei Wochen von Westen nach Osten ziehen. Es macht mich ganz melancholisch.“[4]
In seinem Monolog nachdem der Hofmeister sich entfernt hat, beklagt Leonce Müßiggang und Langeweile.[5]
Damit werden vier zentrale Begriffe gleich zu Beginn eingeführt: Gesellschaftskritik, der Narr, die Melancholie und die Langeweile. In meiner Arbeit möchte ich das Stück auf diese Themen und deren Zusammenhang hin untersuchen.
euung von Langeweile darstellt.er Prinz Langeweile und Müßiggang
Langeweile und Müßiggang sind zentrale Themen des Stückes und werden von unterschiedlichen Charakteren vorgestellt, die jeweils unterschiedlich darauf reagieren. Leonce eröffnet das Stück "halb ruhend auf einer Bank"[6]. Trotz dieser Position ist es ihm möglich allerhand Tätigkeiten auszuüben, die ihn daran hindern, sich auf einen Beruf vorzubereiten. Dabei handelt es sich um völlig sinnlose Unterfangen wie 365 Mal auf einen Stein zu spucken etc, also "Zeiträuber". Gleichzeitig betitelt er sich als Müßiggänger, was "traurig ist"[7], aber wohl doch nicht traurig genug, um es zu ändern. Auch diesen Monolog scheint Leonce aus Langeweile zu halten. Wieder allein beklagt er die Situation von Müßiggang und Langeweile, die unter "den Leuten"[8] herrscht. Leonce wähnt sich also in guter Gesellschaft und tatsächlich, kaum ausgesprochen, taucht Valerio auf, der zweite Müßiggänger des Stückes. Valerio gehört einem niedrigeren Stand der Gesellschaft an, ist arm und rühmt sich seines Müßigganges. Er ist stolz darauf und glücklich damit, hat aber auch, im Gegensatz zu Leonce, eine Beschäftigung gefunden, die ihm Müßiggang gestattet, ohne sich dabei zu langweilen, nämlich das Wortspiel, von dem Leonce seltener Gebrauch macht und das ihm nicht seine Langeweile nehmen kann. Es handelt sich also um zwei Müßiggänger, von denen sich nur der eine langweilt, weil er es so wählt. Aufgrund dieses Unterschiedes von Langeweile und Nicht-Langeweile nehmen beide Figuren unterschiedliche Rollen in dem Stück ein, was in weiteren Kapiteln aufgezeigt werden wird.
Noch häufig stolpert man über die Thematik der Langeweile, die auch Aufschluss gibt über herrschende Zustände und das Umfeld. Während Leonce und Valerio der Müßiggang gemeinsam ist, scheint die Langeweile und deren umständliche Zerstreuung hier dem Adel vorbehalten. So verdeutlicht die Anfangsszene mit Leonce und dessen sinnlosen Tätigkeiten die Situation des entlasteten und entmachteten Adels des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Der Adel darf auf keinen Fall sein Privileg des Nicht-Arbeitens aufgeben, woraus eine unerträgliche Langeweile entsteht. Um diese zu bekämpfen, wird nach Zeitvertreib gesucht, der „nicht nur sinnlos sein darf, sondern auch sein muss, um nicht als Arbeit zu gelten“[9]. Einen weiteren Hinweis darauf liefert die Ankleidezeremonie von König Peter[10], die eine Parodie auf die vielen Zeremonien zur Zerstreuung von Langeweile darstellt. Mit diesen Zeremonien und mit Denken füllt der zerstreute König seine Zeit aus, was jedoch zu nichts führt.
Auch in der Szene mit Leonce und Rosetta[11] wird die Langeweile thematisiert. Stellt Leonce zu Beginn des Stückes fest, dass die Leute sich aus Langeweile verlieben[12], so ist es genau das, wovor Rosetta sich fürchtet. Doch Leonce geht auf ihre Frage nicht ein, treibt Wortspiele mit ihr und bekennt am Schluß seine Liebe zur Langeweile.[13] Welchen Nutzen zieht Leonce aus seiner Langeweile? Warum möchte er kein „nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft“[14] werden?
Um diese Fragen zu klären, möchte ich auf Leonce und ein weiteres zentrales Thema eingehen.
Leonce und die Melancholie
„Wer sich aus langer Weile sehnt,
mit offnem Maul nach Sehnsucht gähnt,
Und melancholisch-lustig lacht,
Den Tag verschläft, die Nacht durchwacht,
Dem ist der Weiber hold Geschlecht
Wie dir, Don Ponce, ja nimmer recht.
(Brentano)
Leonce beklagt seine Melancholie gleich zu Beginn des Stückes: "Es macht mich ganz melancholisch"[15]. Es gilt nun herauszufinden, worauf sich diese Melancholie begründet, wie sie sich äußert und wie ernst sie zu nehmen ist. Dazu muss der Begriff der Melancholie geklärt werden.
Dieser kann aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden.
Das Lexikon liefert die Übersetzung: Schwermut, Trübsinn, Traurigkeit (griech. Schwarzgalligkeit)[16]
Das klinische Wörterbuch gibt die medizinische Definition: Schwermütigkeit, endogene Depression,... (Entstehungsursache unbekannt); Symptome: Schlafstörungen..., Stimmungstief am Morgen..., Devitalisierung, autoaggressive Impulse (Suizidgefahr), hypochondr. Wahnideen, Krankheits-, Verarmungs- u. Versündigungswahn, depressives Syndrom, exzessive Selbstanklagen, massives Schulderleben. Plötzliche u. motivierende Aufhellung der Depression möglich, nicht selten seel. od. körperl. Auslöser.[17]
Freud äußerte sich über die Melancholie folgendermaßen: „Die Melancholie ist seelisch ausgezeichnet durch eine tief schmerzliche Verstimmung, eine Aufhebung des Interesses für die Außenwelt, durch den Verlust der Liebesfähigkeit, durch die Hemmung jeder Leistung und die Herabsetzung des Selbstwertgefühls, die sich in Selbstvorwürfen und Selbstbeschimpfungen äußert und bis zur wahnhaften Erwartung von Strafe steigert.“[18]
In der Antike begründete Hippokrates die Säfte- oder Temperamentenlehre, die im Melancholiker einen Überschuss an schwarzer Galle vermutet.[19]
Aristoteles betrachtete Melancholie nicht als Krankheit, sondern als Natur. Er sah eine enge Verknüpfung von Melancholie und Genie.[20]
R.K. Merton bezieht sich in seinen Formulierungen über die Melancholie hauptsächlich auf den theologischen Begriff der „acedia“ – einer Todsünde, nämlich Faulheit und Betäubung der im Mittelalter geprägt wurde. Merton betrachtet das Rückzugsverhalten, das er als Passivität verstanden haben möchte, als Hauptsymptom der Melancholie. Es kommt zur Handlungsfurcht und zum Verlust der Zielorientierung. Die Ursache liegt für ihn in einem Ordnungsverlust der Gesellschaft.[21]
Auf den astralen Einfluß, die saturnische Melancholie verweist Ficino, den H. Böhme zitiert. Ausdruck dieser Melancholie sind unter anderem eine immer währende Unruhe und Subjektzentrierung:
Diese Unruhe ist das Gefühl des Mangels, ausgeschlossen zu sein von der Glückseligkeit, auf die das Wünschen des Körpers ebenso wie die Sehnsucht des Geistes zielen.e Sehnsucht des Geistes zielen
es zielem
usgeschlossen zu sein von der Glückseligkeit, auf das Wünschen des Körpers eb[22]
[...]
... die Subjektzentrierung birgt die Gefahr des Weltverlustes; der Rückzug von Gesellschaft und Praxis weckt die Gefahr der Umdüsterung und Einsamkeit; das ständige Spekulieren über ideelle Objekte kann in Phantasterei umschlagen; die göttliche Begeisterung, die der Lohn der Entkörperung ist, trägt in sich den Keim der Manie; die Erhöhung des Selbst zu Gott enthält die Kehrseite: den Absturz in Depression.[23] agen; die göttliche Begeitserun
Vor diesem Hintergrund möchte ich nun Leonces Gefühlszustand näher betrachten.
[...]
[1] F. Gundolf: Georg Büchner, zuerst in: Ders., Romantiker. Berlin-Wilmersdorf 1929, zitiert nach: Sabine Kubik, "Krankheit und Medizin im literarischen Werk Georg Büchners“, Stuttgart 1991, S. 29
[2] Die folgenden Büchner - Zitate beziehen sich alle auf die Münchner Ausgabe: „Georg Büchner Werke und Briefe“, 8. Aufl., herausgegeben von Pörnbacher, Schaub, Simm, Ziegler, München 2001, und werden in der weiteren Arbeit mit LL für Leonce und Lena, Akt, Szene und Seitenzahl angegeben, in diesem Fall: LL S.160
[3] LL, 1; S. 161
[4] LL, 1;1, S. 161
[5] LL, 1;1 S 162
[6] LL, 1;1, S. 161
[7] ebd. euung von Langeweile darstellt.er Prinz
[8] LL, 1;2, S. 162
[9] W. Lepenies: „Melancholie und Gesellschaft“, Frankfurt, 1969: S. 206
[10] LL, 1;2, S. 164/165
[11] LL, 1;3, S. 165-168
[12] LL, 1;1, S. 162
[13] LL, 1;3, S. 166
[14] LL, 1;4, S. 172
[15] LL, 1;1, S. 161
[16] G. Wahrig (Hrsg.): „Fremdwörter-Lexikon“, Gütersloh, 1974: S. 392
[17] W. Pschyrembel (Hrsg.): „Pschyrembel Klinisches Wörterbuch“, 256. Aufl., Berlin, 1990: S. 1040; 338
[18] ebd., S. 211
[19] ebd., S. 1652 u. Lepenies: S. 27
[20] Lepenies, S. 27
[21] ebd., S 16 - 20
[22] H. Böhme: „Albrecht Dürer Melencolia I“, Frankfurt a. Main, 1989, S. 64
[23] ebd., S. 67/68
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