Vorwort
Der Titel: „Gruppenarbeit mit chronisch psychisch Kranken“ ließe zu eine Buchreihe zu schreiben. Tatsächlich will ich mich aber auf einen Part des Themas beschränken. Ich werde über mein derzeitiges Arbeitsfeld berichten - einem Langzeitheim für chronisch psychisch Kranke, deren häufigste Diagnose ‘Schizophrenie’ lautet - und meine Aufgaben reflektieren. Ich will das Thema spezifizieren und eingehen auf „Gruppenarbeit mit chronisch Schizophrenen“. Das Spezielle an dieser Betrachtung ist, dass es hier um ein ‘chronisches’ Klientel geht. ‘Chronisch’ ist hier so zu verstehen, dass objektive Symptome über einen langen Zeitraum anhalten und der Betroffene mehrere akute Krankheitsphasen durchgemacht hat und/ oder Krisen immer wieder auftreten können.
Da es sich bei der Schizophrenie um eine Persönlichkeitsspaltung handelt, die sich durch mangelhafte Verbindung von Vorstellungen äußert, die unangemessene Gefühlsausdrücke und/oder Entfernung von der Wirklichkeit verursacht, sind chronisch psychisch erkrankte Menschen nicht ohne Einzelfallbetreuung zu einigermaßen normalem Leben fähig. Jedoch die Gruppen, in denen sie wohnen und interaktionisieren sind für sie als Lernfeld genauso wichtig.
Für die Heimbewohner, von denen ich hier spreche, wird die Betreuung von Psychiatern und Ärzten auf medizinischem Gebiet, von Psychologen, Psychotherapeuten auf psychischem Gebiet, Ergotherapeuten, Sozialpädagogen oder Erziehern sowie Sozialarbeitern auf lebenspraktischem Gebiet geleistet.
Diese umfassende Betreuung benötigen sie einerseits, andererseits macht sie sie auch unselbständig. Hier die richtige Dosis zwischen Hilfe und Überbehütung zu erspüren, ist wichtige Aufgabe des Sozialpädagogen bzw. Erziehers. Auch die chronisch Kranken habe gesunde Anteile, diese zu erkennen und zu fördern um eine gewisse Rehabilitation zu erreichen, ist das Ziel der Arbeit und wird in winzig kleinen Schritten auch immer wieder erreicht.
Inhalt :
Vorwort
Einleitung
Sozialpädagogik in der Psychiatrie
I. Theorieteil
1. Elemente einer klientenbezogenen Handlungskonzeption
2. Methoden sozialen Arrangements
II. Praxisteil
1. Einblick in die Welt einer Schizophrenen als Verständnis- Hintergrund für die Gruppenarbeit
2. Konzept
2.1. Das Projekt „Freizeitgruppe“:
2.2. Kurzer Bericht über die Akzeptanz der Freizeitangebote und pädagogische Hintergründe
3. Ausblick
III. Schluß
Literatur
Vorwort
Der Titel: „Gruppenarbeit mit chronisch psychisch Kranken“ ließe zu eine Buchreihe zu schreiben. Tatsächlich will ich mich aber auf einen Part des Themas beschränken. Ich werde über mein derzeitiges Arbeitsfeld berichten - einem Langzeitheim für chronisch psychisch Kranke, deren häufigste Diagnose ‘Schizophrenie’ lautet - und meine Aufgaben reflektieren. Ich will das Thema spezifizieren und eingehen auf „Gruppenarbeit mit chronisch Schizophrenen“. Das Spezielle an dieser Betrachtung ist, dass es hier um ein ‘chronisches’ Klientel geht. ‘Chronisch’ ist hier so zu verstehen, dass objektive Symptome über einen langen Zeitraum anhalten und der Betroffene mehrere akute Krankheitsphasen durchgemacht hat und/ oder Krisen immer wieder auftreten können.
Da es sich bei der Schizophrenie um eine Persönlichkeitsspaltung handelt, die sich durch mangelhafte Verbindung von Vorstellungen äußert, die unangemessene Gefühlsausdrücke und/oder Entfernung von der Wirklichkeit verursacht, sind chronisch psychisch erkrankte Menschen nicht ohne Einzelfallbetreuung zu einigermaßen normalem Leben fähig. Jedoch die Gruppen, in denen sie wohnen und interaktionisieren sind für sie als Lernfeld genauso wichtig.
Für die Heimbewohner, von denen ich hier spreche, wird die Betreuung von Psychiatern und Ärzten auf medizinischem Gebiet, von Psychologen, Psychotherapeuten auf psychischem Gebiet, Ergotherapeuten, Sozialpädagogen oder Erziehern sowie Sozialarbeitern auf lebenspraktischem Gebiet geleistet.
Diese umfassende Betreuung benötigen sie einerseits, andererseits macht sie sie auch unselbständig. Hier die richtige Dosis zwischen Hilfe und Überbehütung zu erspüren, ist wichtige Aufgabe des Sozialpädagogen bzw. Erziehers. Auch die chronisch Kranken habe gesunde Anteile, diese zu erkennen und zu fördern um eine gewisse Rehabilitation zu erreichen, ist das Ziel der Arbeit und wird in winzig kleinen Schritten auch immer wieder erreicht.
Einleitung
Sozialpädagogik in der Psychiatrie
In allgemeinster Form läßt sich das sozialpädagogische Ziel als soziale Rehabilitation, als Verbesserung der Auseinandersetzungschancen des Klienten mit seiner sozialen Umwelt definieren, soziale Erfahrungen als Minimum. - Ich vermeide hier den Begriff ’Soziales Lernen’ als möglichen sozialpädagogischen Gegenbegriff zu ‘Therapie’, da er ein relativ komprimiertes pädagogisch strukturiertes Programm impliziert, dem sich psychisch Kranke in der Regel entziehen. -
Als allgemeine Ziele für den Sozialpädagogen in psychiatrischen Einrichtungen erkenne ich:
a) Sozialpädagogik als Hilfe zur Veränderung sozialer Situationen,
b) Sozialpädagogik als Hilfe zum Abbau psychosozialer Handlungs- und Wahrnehmungsverzerrungen.
Daraus ergeben sich drei Dimensionen von Handlungsprinzipien für die Arbeit mit psychisch Kranken:
Politisch- gesellschaftliche Dimension
Sozialpädagogik als Integrationspraxis : Wiedereingliederung psychisch Kranker in ‘normale’ gesellschaftliche Bezüge und Funktionszusammenhänge.
Ethische Dimension
Sozialpädagogische Anstalt als Humanisierung der Unterbringungs- und Ausgrenzungspsychiatrie: Auch gegenüber solchen Patienten, deren Wiedereingliederung aussichtslos erscheint, kann ein Programm sozialer Rehabilitation dazu beitragen, langfristig ein Leben in einer offenen, nicht klinischen Umgebung zu ermöglichen.
Pädagogische Dimension
Sozialpädagogik als Verbesserung der Auseinandersetzungschancen des Subjekts mit seinem sozialen Umfeld: Sozialpädagogisches Handeln folgt hierbei genuin pädagogischen Zielvorstellungen.[1]
Für das Klientel bedeutet das Wohnen in einem Heim eine prinzipiell veränderte soziale Situation, die bereits als solche Anpassungsleistungen der Klienten fordert und insbesondere eine aggressiv-passive Opferposition des Betreuten, der Bevormundungen gleichermaßen erleidet wie genießt.
Das Problem bei Schizophrenen ist, dass sie in einer anderen Wirklichkeit leben, krankheitsbedingt eine reizarme Umgebung benötigen und auch wünschen und das Heimleben gleichzeitig auch noch eine dem normalen Leben ferne Situation darstellt. Es kommt hinzu, dass Hilfsbedürftigkeit durch institutionelle Routinebetreuung in Hilflosigkeit umschlagen kann.
Insofern kann eine sozialpädagogische Einrichtung lediglich eine institutionsspezifische Realität bieten. Hier bemißt sich die Qualität der Einrichtung, inwieweit es gelingt, gesellschaftliche Wirklichkeit in ihr abzubilden und das Leben mit ihr zu trainieren. Trainingsfeld ist die Gruppe, der die Bedeutung an sich zukommt.
Da es gerade die funktionalen Normen konventioneller Existenz sind, deren Ansprüche der psychisch Kranke nicht hat erfüllen können und auf die sie - freilich unangemessen- mit der Produktion psychotischer Symptome als regressive Defensive, reagierten, müßte ein sozialpädagogisches Konzept „im Prinzip nicht notwendigerweise auf eine Anpassungspädagogik hinauslaufen und kleinbürgerliche Lebensideale verfolgen“.[2] So gesehen wäre die Suche nach adäquaten Lebensformen eine zumindest theoretische Alternative zur Pädagogik als Befähigung zum Standhalten. Ein hohes Maß an Gespür für Realisierbares ist notwendig, um neue, gangbare Wege gemeinsam mit dem Klienten zu suchen.
Sozialpädagogik als Hilfe zur Veränderung sozialer Situationen muß sich an der Behandlung konkreter Alltagsprobleme festmachen. Sie hat mit der gemeinsamen Analyse von Unbehagen im Hier und Jetzt des sozialen Feldes der Einrichtung zu beginnen und sich vor allen Dingen an der Authentizität sozialer Erfahrungen zu orientieren.
In der Einzel- aber auch besonders in der Gruppenarbeit geht es darum, wie gesagt, das vorhandene Potential ‘gesunder‘ Persönlichkeitsanteile zu entdecken und angemessen zu fördern, sowie die Möglichkeiten der institutionellen Rahmenbedingungen auszuschöpfen. Die wichtigste Rolle spielt dabei immer wieder die Gruppe.
In der Pädagogik gibt es keine Rezepte im Sinne, es liegt folgender Fall vor, man behandele ihn so und so Der Sozialpädagoge hat es mit Individuen zu tun, die vor dem Hintergrund ihrer Lebensgeschichte wahrnehmen und Wirklichkeit erleben, deshalb kann seine Arbeit nur erfolgreich sein, wenn er klientenzentriert arbeitet. Die allgemeine Orientierung sollte dabei eine persönliche Verständigung in Sinne des Verstehens der subjektiven Wirklichkeit des anderen sein.
I. Theorieteil
1. Elemente einer klientenbezogenen Handlungskonzeption
Hier geht es um einen subjektorientierten Ansatz. Das Primärziel dieses Theorieansatzes ist die individuelle Entfaltung gegenüber den Hemmungen. Insofern ist dieser Ansatz als humanistisch zu erkennen.
Das Ziel ist es, dem Klienten „ in seinem Zweifel über sich selbst und seine Verhaltensweisen derart beizustehen, dass er sich selbst für andere und neue Verhaltensweisen entscheiden kann. Die Methoden [... ] sind darauf gerichtet, die Beziehung des Klienten zu sich selbst zunächst verständlicher zu machen. Einsicht und Klärung der persönlichen Lebensschwierigkeiten stehen dann im Mittelpunkt.“[3] „Die Änderung der Einstellung ist anzustreben, indem die gestörten [¼] neurotischen Fixierungen aufgelöst und die Abwehrmechanismen durchsichtiger werden, dass er seine Angst strukturierender angeht und ihm dazu verholfen wird, seine Ideen freier auszudrücken, bevor sie sich in neues Verhalten umsetzen.“[4]
Helmut Junker sieht die Grenze der individuellen Entwicklung erst dann erreicht, wenn andere in die Gefahr geraten ernsthaft geschädigt zu werden. „Diese Grenze muß und kann definiert werden“[5], erklärt Junker. „Die Abweichung von der gesellschaftlichen Norm ist prinzipiell unwichtig und wird erst an der Grenze der Sozialschädlichkeit bedeutungsvoll.“[6] (Daß ich ihn für die Arbeit mit Schizophrenen für sehr geeignet ansehe, die ja wie erwähnt in einer eigenen Wirklichkeit leben und an den normalen Ansprüchen gescheitert sind, versteht sich von selbst.)
Eine andere Einsicht drängt sich aber auch auf: Dieser subjektorientierte Ansatz kommt aus der psychologischen Beratung bzw. Therapie. Neben der medizinischen Hilfe durch Psychopharmaka sowie Verhaltenstherapie und Psychoanalyse, die Lust und Einsicht miteinander verbinden, sind ‘Systemtheorien’ die Normalität nicht mehr als Merkmal eines Individuums, sondern als Zustand eines Bezugs- und Kommunikationssystems verstehen, aus sozialpädagogischen Handlungsfeldern nicht wegzudenken.
Das sozialpädagogische Studium sieht den benötigten Einblick in andere Wissenschaften vor, insbesondere in die Psychologie mit Schwerpunkt: Klientenzentrierte Gesprächsführung und partentiell auch der Psychiatrie. Es ist also nicht einzusehen, warum der Sozialpädagoge sich diese Kenntnisse in seiner Arbeit nicht nutzbar machen sollte. Allerdings ist hier der schmale Grad der fachlichen Standortbestimmung zu beachten. „Dennoch können seine fundierten Kenntnisse beispielsweise klientenzentrierter Gesprächsführung nach Rogers (1972) oder von Übertragungs- und Gegenübertragungsprozessen in einer Beratungssituation eine sinnvolle, wenn auch sicher nicht hinreichende Bedingung professionellen sozialpädagogischen Handelns sein.“[7]
Die Transformation kann dann folgendermaßen aussehen:
„Abwendung von der einseitigen Beschäftigung mit der innerpsychischen Struktur des Klienten und Zuwendung zum ‘Ich’, als Anpassungsorgan und Vermittler mit der Realität, d.h. der sozialen Umwelt des Klienten.
Die Hilfe richtet sich auf das Hier und Jetzt der täglichen sozialen Realität des Klienten. Der Sozialpädagoge arbeitet auf der bewußten evtl. vorbewußten Ebene mit dem Klienten.
Übertragungsphänomene in der Beziehung Sozialpädagoge und Klient werden wohl anerkannt, aber nicht interpretiert und vor allem nicht gefördert, wie es die psychoanalytische Behandlung vorsieht. (vgl. Zeller 1971, zit. nach Meinhold /Guski 1984, 272).
Die sozialpädagogische Beratung läßt sich nicht auf psychische Dimensionen reduzieren, sondern ist zuallererst eine sachbezogene Lebensberatung.
[...]
[1] Vgl. Spaltmann, Horst: Dissertation im Bereich Pädagogik: Perspektiven eines sozialpädagogischen Handlungsansatzes in der Arbeit mit psychisch Kranken, Universität der Bundeswehr in München, 1985, S.44.
[2] A.a.O.,S.42.
[3] Junker, Helmut in Hornstein, Walter u.a.: Beratung in der Erziehung, Fisch Taschenbuchverlag, Frankfurt/M.,1977,S.292.
[4] ebd.
[5] ebd.
[6] ebd.
[7] Vgl. Spaltmann, Horst, S. 196.
- Arbeit zitieren
- Dipl.Soz.päd. Antje-Marianne Di Bella (Autor:in), 1997, Gruppenarbeit mit chronisch psychisch Kranken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48816
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