Widukind von Corvey, Mönch und Geschichtsschreiber stammte so wie es der Name andeutet wahrscheinlich aus sächsischen Hochadel. „ Der nicht gerade häufige Name Widukind erlaubt vielleicht sogar, in d em Geschichtsschreiber einen Nachfolger des gleichnamigen Sachsenherzogs zu erblicken ...“ Gegenstand meiner Untersuchungen hinsichtlich der von Widukind beschriebenen Herrschertode, wird die um 967/968 verfasste Sachsengeschichte sein, die wie kaum ein anderes Geschichtswerk des Mittelalters, die Aufmerksamkeit der neueren Forschung auf sich zog. Da die Grundlagen zur Entstehung der deutschen Nation in den zeitlichen Bereich des von Widukind Geschilderten fallen, ist vor allem die Rezeption der Sachsengeschichte im Zeitalter des Nationalsozialismus erheblich angestiegen, was nur zu deutlich wird, begibt man sich auf Recherche nach Sekundärliteratur zum Wirken Widukinds. Hierin deutet sich eine grundsätzliche Unsicherheit in bezug auf die Glaubwürdigkeit Widukinds an, da neben der Tatsache, dass er seiner Herkunft aus sächsischen Hochadel wohl auch durch Wertung im Werk Ausdruck verlieh, auch durch die immer wieder auftauchenden dramatischannekdotischen Mittel der Eindruck entsteht, dass Widukinds Sachsengeschichte genauso intentional geschrieben, wie verstanden wurde.
„ Im Hinblick auf ihren Wert für ihre Faktengeschichte werden insbesondere die Schriften Widukinds von Corvey [...] stark kritisiert und damit marginalisiert, können die schreibenden Mönche doch wiederholt bei allerlei Unwahrheiten, verfälschten Erzählungen oder Geschichtskonstruktionen ertappt werden.“ Die aktuelle Forschungsdiskussion geht, auch ohne die Gültigkeit der eben dargestellten nötigen Vorsicht zur Glaubwürdigkeit historischer Fakten bei Widukind völlig zu leugne, dennoch von einem wahren Kern der widukindschen Geschichtsschreibung aus. Auch sei Widukinds Werk „kein Moment liudolfingischer Hausüberlieferung, trotz der Verhaftung in gentilen Traditionen und trotz des Stolzes auf den neuen Rang der sächsischen Völker und seiner Könige.“7
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung: Die widukindsche Geschichtsschreibung
II. 1. Der Tod Konrads I. und seine Darstellung bei Widukind von Corvey
II. 1. 1. Biographisches zu Konrad I.
II. 1. 2. Die Darstellung des Todes Konrads I. in der Sachsengeschichte Widukinds
II. 2. Der Tod Heinrichs I. und seine Darstellung bei Widukind von Corvey
II. 2. 2. Biographisches zu Heinrich I.
II. 2. 2. Die Darstellung des Todes Heinrich I. bei Widukind
III.1. Schluss: Werksimmanente und allgemeine Unterschiede der Todesdarstellungen
Konrads I. und Heinrich I. ( S. 18- 19)
I. Einleitung – Die widukindsche Geschichtsschreibung
Widukind von Corvey, Mönch und Geschichtsschreiber stammte so wie es der Name andeutet wahrscheinlich aus sächsischen Hochadel.
„ Der nicht gerade häufige Name Widukind erlaubt vielleicht sogar, in dem Geschichtsschreiber einen Nachfolger des gleichnamigen Sachsenherzogs zu erblicken ...“[1] Gegenstand meiner Untersuchungen hinsichtlich der von Widukind beschriebenen Herrschertode[2], wird die um 967/968 verfasste Sachsengeschichte sein, die wie kaum ein anderes Geschichtswerk des Mittelalters, die Aufmerksamkeit der neueren Forschung auf sich zog.[3] Da die Grundlagen zur Entstehung der deutschen Nation in den zeitlichen Bereich des von Widukind Geschilderten fallen, ist vor allem die Rezeption der Sachsengeschichte im Zeitalter des Nationalsozialismus erheblich angestiegen, was nur zu deutlich wird, begibt man sich auf Recherche nach Sekundärliteratur zum Wirken Widukinds. Hierin deutet sich eine grundsätzliche Unsicherheit in bezug auf die Glaubwürdigkeit Widukinds an, da neben der Tatsache, dass er seiner Herkunft aus sächsischen Hochadel wohl auch durch Wertung im Werk Ausdruck verlieh, auch durch die immer wieder auftauchenden dramatisch-annekdotischen Mittel der Eindruck entsteht, dass Widukinds Sachsengeschichte genauso intentional geschrieben, wie verstanden wurde.[4]
„ Im Hinblick auf ihren Wert für ihre Faktengeschichte werden insbesondere die Schriften Widukinds von Corvey [...] stark kritisiert und damit marginalisiert, können die schreibenden Mönche doch wiederholt bei allerlei Unwahrheiten, verfälschten Erzählungen oder Geschichtskonstruktionen ertappt werden.“[5] Die aktuelle Forschungsdiskussion geht, auch ohne die Gültigkeit der eben dargestellten nötigen Vorsicht zur Glaubwürdigkeit historischer Fakten bei Widukind völlig zu leugne, dennoch von einem wahren Kern der widukindschen Geschichtsschreibung aus.[6] Auch sei Widukinds Werk „kein Moment liudolfingischer Hausüberlieferung, trotz der Verhaftung in gentilen Traditionen und trotz des Stolzes auf den neuen Rang der sächsischen Völker und seiner Könige.“[7]
Um diesen Ansatz für ein richtiges Verständnis auch der spezifischen Thematik dieser Arbeit zu vervollständigen, sei letztlich noch auf die Tatsache des causae scribendi verwiesen, die ebenfalls in die Beurteilung der Geschichtsschreibung Widukinds einfliessen muss.
„ Die Sachsengeschichte wurde also nicht für ein unbestimmtes Publikum, [ gemeint ist die mit Widmung versehene Fassung, wenngleich sich auch die ungewidmete Fassung doch an ein ausgewähltes, des Lesens fähiges Publikum richtet, was in herrschaftlichen Kreisen eher zu finden ist als im einfachen Volk MJ ] sondern für eine bestimmte Person und ihr Umfeld geschrieben.“[8]
Im Hinblick auf die für diese Arbeit ausgewählten Beschreibungen des Todes von Herrschern bei Widukind von Corvey dient die allgemeine Umschreibung der Vorbedingungen als immer wieder zu berücksichtigende Basis zum besseren Verständnis und zur besseren Einordnung des Geschilderten. Inwieweit dieses Ganze an Orientierungspunkten an den ausgewählten Stellen zu Tage tritt und inwiefern neue Elemente dazutreten, soll, wenn auch nicht unter der Prämisse jede Perspektive einzubeziehen, doch so weit es im Rahmen dieser Arbeit möglich ist, beleuchtet werden. Auch wird der letzte Teil die Thematik des Todes im Mittelalter im Allgemeinen kurz umreissen, um damit einen Vergleich des in dieser Zeit gewöhnlich Verbreiteten, zum speziell bei Widukind schriftlich Fixierten zu erstellen. Dies wird es neben den schon genannten Arbeitsschritten möglich machen, kritisch klärend die Herrschertode bei Widukind zu erläutern. Vor allem soll deutlich gemacht werden, wann dieser bei seiner Darstellung vom eigentlich für diese Zeit „normalen“ abweicht und was die Intention dahinter war. Folglich bezieht sich der Hauptteil dieser Arbeit auf eine die Quellen befragende Problemstellung. Methodisch wird durch die Abbildung des in der Sachsengeschichte Beschriebenen als Basis der Interpretation dann eben im Vergleich und in der kritischen Reflexion deutlich werden, wie Widukinds Geschichtsschreibung als Ausdruck des ihm eigenen Bewußtseins seiner Zeit zu verstehen ist.
II. 1. Der Tod Konrads I. und seine Darstellung bei Widukind von Corvey
II. 1. 1. Biographisches zu Konrad I.
Konrad I. stammte aus der Familie der Konradiner, die ihren Machtbereich im späten 9. Jahrhundert von ihrem Eigengut im Lahngebiet bis nach Mainfranken, Hessen, dem Gebiet des Mittelrheins, Niederrhein, Lothringen und Thüringen ausdehnte. Konrad I. selbst wurde zwischen dem 7. und 11. November 911 in Forchheim zum ostfränkischen König gewählt. Ging er bei Herrschaftsantritt von einem homogenen Machtgebilde aus, so sollte sich das von seinem Vater Konrad den Älteren ererbte Reichsgebiet im Laufe der Regierungszeit Konrad I. immer mehr zu einem in sich instabilen Reich wandeln. Verantwortlich dafür waren, neben dem Abfallen Lothringens ans Westreich, dem Ungarneinfällen, auch die Aufstände in Bayern und Alamanien und vor allem in Sachsen. Letztlich sah sich Konrad I. in seinem politischen Wirken beschränkt auf sein Stammland. Entscheidend für diese Arbeit ist die nach sächsischer und hier im speziellen widukindscher Überlieferung erwünschte Übergabe der Königsherrschaft an den Sachsenherzog Heinrich.[9]
„ Seine folgenreichste Entscheidung hat Konrad I. auf dem Sterbebett getroffen. Vor seinem Bruder, Verwandten und fränkischen Großen empfahl er, um keinen Zwiespalt im Reich aufkommen zu lassen, den Sachsenherzog Heinrich zu seinem Nachfolger zu wählen. Ihm sollte Eberhard [der Bruder Konrads I. MJ] Zepter, Krone und die übrigen Insignien überbringen und mit ihm ein Freundschaftsbündnis schließen.“[10]
Genau dieses Szenario der Äußerung Konrads I., Heinrich solle König des ostfränkischen Reiches werden, findet in der Sachsengeschichte Widukinds Eingang. Welche Art der Darstellung und inwiefern diese mit dem in der Einleitung kurz angedeuteten Hintergrund zur widukindscher Geschichtsschreibung im Allgemeinen zu verstehen ist, soll im Folgenden geklärt werden. Dabei werde ich zunächst Textstellen nach Widukind zitieren und interpretieren. In Verbindung dazu wird an den einzeln behandelten Textausschnitten ein Vergleich zur aktuellen Geschichtsschreibung hinsichtlich der von Widukind geschilderten Vorgänge gezogen werden. Dieser soll es dann ermöglichen, die Beschreibung der Herrschertode bei Widukind im Ganzen, als ein Spezifikum der mittelalterlichen, sächsischen Geschichtsschreibung zu verstehen.
II. 1. 2. Die Darstellung des Todes Konrads I. in der Sachsengeschichte Widukinds
Um die Stellung des widukindschen Berichts deutlich in seiner Wichtigkeit zu erkennen, sei verweisen auf die Tatsache, dass „ für den Herrschaftsübergang von den Karolingern auf die neue sächsische Dynastie[...] bisher Widukind der „Kronzeuge“ der historischen und rechtshistorischen Forschung [ ist MJ].“[11]
Widukind erwähnt den letzten Feldzug Konrads I. gegen die aufständischen Bayern. Dieser scheiterte und infolgedessen wurde der Bruder Konrads I., Eberhard aus Bayern vertrieben und Konrad I. selbst, trug die Verletzung davon, an der er dann am 23. Dezember 918 auch starb.
„ Der König aber zog nach Bayern und kämpfte mit Arnulf, wurde hier -wie einige berichten- verwundet und kehrte in seine Heimat zurück.“[12]
Durch die bei Widukind aufzufindende Einschränkung hinsichtlich der Verwundung Konrads[13] und der sofortigen Betonung, nicht alleine Krankheit, sondern das Dahinschwinden des anfänglichen Glücks[14], wird ersichtlich welcher inneren Kausalität mit festgelegtem Ziel Widukind folgt. Denn primär die Einsicht vom Verlust des Glücks, nicht das Leid, lässt Konrad den Entschluss fassen, die Königsherrschaft an Heinrich abzugeben. Glück muss hier und dies zeigt sich in der darauffolgenden Rede Konrads, als Symbol göttlichen Zuspruchs gedeutet werden. Für einen König, als Bindeglied zwischen Gott und Volk, bedeutet dieser Verlust des Zuspruchs Gottes , dann folglich auch den Verlust des Anspruches auf die Königsherrschaft. Explizit wird dies von Widukind geschildert, indem er Konrad sagen lässt, daß „ wir [ Konrad und sein Bruder Eberhard ] können, Bruder, Truppen und Heere aufbieten
und anführen, wir haben Burgen und Waffen nebst den königlichen Insignien und alles was
die königliche Würde erheischt, außer Glück und Befähigung.“[15]
Sehr deutlich wird hieran Widukinds christliche Auffassung des königlichen Herrschaftsanspruches. Besitzt Konrad lediglich Waffen und Burgen, als äußere Faktoren und Garanten seiner Macht, fehlt ihm also die göttliche Segnung, dann wird die königliche Würde im Sinne einer gerechtfertigten Tat nicht erlangt, sondern erheischt. Gerade der Glückliche der mit Gott geht und durch diesen mit dem höchsten Gut belohnt wird, hat alleinigen Anspruch auf das Königtum. Diese Bindung des eigentlich aktiven Handelns an Gott, wie es auch die Verwendung des Begriffs „Befähigung“ ausdrückt, da eben Konrad alles zukommt außer eben Glück und Befähigung, betont zusätzlich die Passivität Konrads. Nicht die Fähigkeiten, sondern die Befähigung, das Erlangen der Fähigkeiten durch Gott, fehlt Konrad. Ihm bleibt angesichts seiner Machtlosigkeit an diesem Zustand etwas ändern zu können, nichts anderes übrig als den Schluss zu ziehen, den von Gott „Befähigteren“ und mit mehr Glück ausgestatteten sächsischen Herzog Heinrich die Königswürde zuzuschreiben.
„ Das Glück, Bruder, ist mit der hervorragendsten [ gerade die Verendung von hervorragend bzw. alternativ dazu herrliche in Verbindung mit Befähigung, betont nochmals den beschriebenen göttlichen Charakter des Befähigt-seins MJ ] Befähigung an Heinrich übergegangen, die Entscheidung über das Reich liegt bei den Sachsen.“[16]
Scheinbar ohne Widerstand, nur unter Tränen, die sich jedoch angesichts der Situation am Sterbebett des eigenen Bruders auch als Ausdruck der persönlichen Trauer deuten lassen, nimmt Eberhard den Auftrag Konrads an alle Insignien der Macht und damit den Anspruch auf das Königtum Heinrich zu übergeben.
[...]
[1] Beumann, H., Widukind von Corvey, Untersuchungen zur Geschichtsschreibung und Ideengeschichte des 10. Jahrhunderts, Weimar, 1950, S.,3
[2] Im speziellen der Tod Konrads I. und Heinrich I.
[3] Gerade deshalb auch weil sie die einzige Quelle aus dem 10 Jhd. darstellt.
[4] Vgl. dazu: Althoff, G., Widukind von Corvey in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 9, München, 1998, S., 76
[5] Schneidmüller, B., Widukind von Corvey, Richer von Reims und der Wandel des politischen Bewußtseins im 10. Jahrhundert, (= Sonderdruck zu: Beiträgen zur mittelalterlichen Reichs- und Nationsbildung in Deutschland und Frankreich), München, 1997, S., 85
[6] Vgl. Keller, Hagen, Widukinds Bericht über die Aachener Wahl und Krönung Ottos I., in: Frühmittelalerliche Studien , Bd. 29, 1995, S.440: „Die neue Rekonstruktion „entlarvt“ Widukinds keineswegs einfach als Fabulierer, dessen „blühende Phantasie“ Fakten produzierte, die ganze Generationen von Forschern irregeführt haben.“
[7] Schneidmüller, B., Widukind von Corvey, Richer von Reims, München, 1997, S., 88
[8] Althoff, G., Widukind von Corvey in: Lexikon des Mittelalters, Bd., 9, München, 1998, S. 76, 77
[9] Vgl. dazu: Goetz, H.-W., Konrad I., in : Lexikon des Mittelalters, Bd.5., München, Zürich, 1991, S. 1337 – 1338
[10] Beumann, Helmut, Die Ottonen, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz, 1987, S. 30
[11] Keller, Hagen, Widukinds Bericht über die Aachener Wahl und Krönung Ottos I., 1995, S. 396
[12] Widukind von Corvey, Res gestae Saxonica, Die Sachsengeschichte (Hrsg. Schneidmüller, Bernd, Rotter, Ekkehart), Ditzingen, 1992, I. Buch, 25. Kap., S. 67: Rex autem profectus in Baioariam dimicavit cum Arnulfo, ex ibi, ut quidam tradunt, vulneratus revertitur in patriam, suam.
[13] Ebd., I. Buch, 25. Kap., S. 67,: wie einige berichten =... ut quidam tradunt...
[14] Ebd., Und da er fühlte , daß er krank war und sein anfängliches Glück dahinschwand [...] =Cumque se morbo sensisset laborare pariter cum defectione primae fortunae, [...]
[15] Lohmann, Hans, Eberhard, Die Sachsengeschichte, Hannover, 1935, I. Buch, S.38 f.:Sunt nobis, frater, copiae exercitus congregandi atque ducendi, sunt urbes et arma cum regalibus insigniis et omne quod decus regium deposcit preter fortunam atque mores.
[16] Widukind von Corvey, Res gestae saxonicae, ( Hrsg., Schneidmüller, Bernd) , Darmstadt, 1992, I. Buch, Kap.25., S. 67: Fortuna, frater, cum nobilissimis moribus Heinrico cedit, rerum publicarum secus Saxones summa est.
- Citation du texte
- M.A. Mirko Jungkunz (Auteur), 2003, Herrschertode bei Widukind von Corvey Konrad I. und Heinrich I., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48612
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