Wenn ich mir einen Film des spanischen Regisseurs Pedro Almodóvar ansehe, erlebe ich einen filmischen Kosmos, der geprägt ist von Ambivalenz: schrill und überdreht, zugleich glanzlos nüchtern, melodramatisches Gefühlskino, zugleich kühl realistisch,
parodistisch, zugleich von einem bedrückenden Ernst. Nichts erscheint eindeutig.
Dieses trifft in besonderem Maße auf die Geschlechterordnung zu, die im Alltag so gesichert und naturgegeben wirkt und die bei Almodóvar auf den Kopf gestellt ist. Klischees werden durcheinandergewirbelt, alles scheint möglich zu sein: man begegnet Transsexuellen, Männern als Frauen und Frauen als Männer, der transsexuellen Schauspielerin Bibi Andersen in einer Mutterrolle, dem spanischen Star Miguel Bosé
in Frauenkleidern, Homosexualität und einer ganzen Schar hysterisch-exaltierter Frauenfiguren. Es liegt nahe, den Aspekt der Geschlechterordnung analytisch zu reflektieren und die Eindrücke, die die Rezeption der Almodóvarschen Filme hinterläßt,
wissenschaftlich zu beschreiben. Die These, daß in den Filmen Pedro Almodóvars eine eindeutige Geschlechterordnung dekonstruiert wird, soll in der vorliegenden Arbeit verifiziert werden. Die Argumentation orientiert sich dabei an folgenden
Fragen:
Welcher filmische Diskurs über Geschlechterkonstruktion findet sich in den Filmen Pedro Almodóvars? Durch welche filmischen und narrativen Elemente wird eine Eindeutigkeit von Geschlechterordnung bei Almodóvar dekonstruiert? Inwiefern spiegeln die Filme eine postmoderne Sichtweise auf Geschlechterordnung wider?
[...]
Inhaltsverzeichnis
Einführung
a.Gender-Studies
b. Was diese Arbeit nicht zu erreichen vermag
c. Was diese Arbeit zu leisten versucht
d. Der Aufbau
I. Die Ordnung der Geschlechter
1. Geschlecht als kulturelle Konstruktion
1.1. Biologisches Geschlecht und Geschlechtsidentität
1.2. ‘Becoming a gender’: Geschlechtsidentität als performativer Akt
1.3. ‘Kernidentität’ als kulturelles Konstrukt
1.3.1. ‘Identität’ als normatives Ideal
1.4. Revision des ‘biologischen Geschlechts’
1.5. Der kulturelle Rahmen der Identitätsbildung
1.5.1. Der patriarchalische Aspekt
1.5.2. Der zwangsheterosexuelle Aspekt
1.5.3. Die Familie
1.5.4. Kleidung als Ausdruck der Geschlechterdifferenz
2.„Die Gespenster der Diskontinuität und Inkohärenz“
2.1. Die Grenzen der Intelligibilität
2.1.1 Inkohärenz zwischen Körper und Geschlechtsidentität: Transsexualität..
2.1.2. Performanz der Geschlechtsidentität: Cross-Dressing
2.1.3. Geschlechtsidentität und Begehren: Homosexualität
2.2. Die Bedeutung des Inkohärenten innerhalb des kulturellen Systems
3. Emanzipation und Dekonstruktion
3.1. Die Konzeption Foucaults
3.1.1. Das Disparate und die Geschlechterordnung
3.1.2. Die Ambivalenz von Emanzipationsbewegungen
3.2. Judith Butlers Politik der Geschlechterunordnung
4. Genderund Film
Exkurs: Franquistisches und nachfranquistisches Spanien
1. Die politische Situation
2.La Movida
3. Der Regisseur Pedro Almodóvar
II. Die Filme Pedro Almodóvars
1. Identitätsdiskurse
1.1. Personenwechsel
1.2. Identität als Imitationsstruktur
1.3. Filmische Metaebene:imageundfigure
2. Repräsentation kultureller Kategorien
2.1. Transsexualität: Das Spiel mit den Körpern
2.1.1. Die Figur ‘Tina’
2.1.2. Die Schauspielerinnen Carmen Maura und Bibi Andersen
2.2. Homosexualität
2.3. Cross-Dressing
3. Das Geschlechterverhältnis
3.1. Die Familie
3.2. Frauenbilder
3.2.1. Mutterschaft
3.2.2. Berufstätigkeit
3.2.3. Sexualität
3.2.4. Vergewaltigung
3.2.5.Chica almodovariana
3.3. Die Inszenierung der Frauenfiguren
3.4. Männerbilder
3.4.1. Machismo
3.4.2. Schwache Männerfiguren
3.4.3. Differenzierte Männerfiguren
3.5. Almodóvar als ‘Regisseur der Frauen’?
4. DieÄsthetik
4.1. Die dramatische Organisation
4.1.1. Plots und Subplots
4.1.2. Genrevielfalt
4.2. Almodóvar und die Allgemeinkultur
4.3. Camp
Fazit: Der Almodóvarsche Kosmos - Ende der Eindeutigkeit
Literaturverzeichnis
Bildnachweis
Anhang
„Es gibt im Leben Augenblicke, da die Frage, ob man anders denken kann, als man denkt, und anders wahrnehmen kann, als man sieht, zum Weiterschauen oder Weiterdenken unentbehrlich ist.“
(Michel Foucault, Sexualität und Wahrheit, Bd.2: Der Gebrauch der Lüste, Frankfurt a.M. 1986, S.15.)
In diesem Sinne gilt mein besonderer Dank
Sandra Marschner, Christian Modersbach und Anke Hansing.
Einführung
Wenn ich mir einen Film des spanischen Regisseurs Pedro Almodóvar ansehe, erlebe ich einen filmischen Kosmos, der geprägt ist von Ambivalenz: schrill und überdreht, zugleich glanzlos nüchtern, melodramatisches Gefühlskino, zugleich kühl realistisch, parodistisch, zugleich von einem bedrückenden Ernst. Nichts erscheint eindeutig. Dieses trifft in besonderem Maße auf die Geschlechterordnung zu, die im Alltag so gesichert und naturgegeben wirkt und die bei Almodóvar auf den Kopf gestellt ist. Klischees werden durcheinandergewirbelt, alles scheint möglich zu sein: man begeg-net Transsexuellen, Männern als Frauen und Frauen als Männer, der transsexuellen Schauspielerin Bibi Andersen in einer Mutterrolle, dem spanischen Star Miguel Bosé in Frauenkleidern, Homosexualität und einer ganzen Schar hysterisch-exaltierter Frauenfiguren. Es liegt nahe, den Aspekt der Geschlechterordnung analytisch zu re-flektieren und die Eindrücke, die die Rezeption der Almodóvarschen Filme hinter-läßt, wissenschaftlich zu beschreiben. Die These, daß in den Filmen Pedro Almodó-vars eine eindeutige Geschlechterordnung dekonstruiert wird, soll in der vorliegen-den Arbeit verifiziert werden. Die Argumentation orientiert sich dabei an folgenden Fragen:
Welcher filmische Diskurs über Geschlechterkonstruktion findet sich in den Filmen Pedro Almodóvars? Durch welche filmischen und narrativen Elemente wird eine Eindeutigkeit von Geschlechterordnung bei Almodóvar dekonstruiert? Inwiefern spiegeln die Filme eine postmoderne Sichtweise auf Geschlechterordnung wider?
a. Gender-Studies
Als analytisches Instrument prädestiniert für die Beschreibung von Geschlechterord-nung und -dekonstruktion sind die Theorien der Geschlechterforschung, derGender-Studies. DieGender-Studieshaben sich in den 80er und 90er Jahren im anglo-amerikanischen Raum entwickelt. Die Wurzeln liegen in den Frauenstudien der 70er Jahre, denWomen’s Studies. Der Wandel von denWomen’s Studieszu denGender-Studieshat sich auf dem Hintergrund „eines theoretischen Paradigmawechsels“ voll-zogen, bedingt durch „ein neues poststrukturalistisches Text- und Subjektverständ-nis“[1] . Die Forschung begann, die Kategorie ‘Geschlecht’ nicht mehr als primär bio- logisch bedingte Differenz zu verstehen, sondern ihr Augenmerk auf die kulturelle Verfaßtheit dieser Differenz zu legen, mit dem Ziel, „die Formel ‘Biologie ist Schicksal’ anzufechten“[2] .
DieGender-Studiesverstehen sich als interdisziplinäre Forschung[3] , deren wachsende akademische Akzeptanz in Deutschland sich auch daran belegen läßt, daß 1997 an der Humboldt-Universität Berlin der Magisterstudiengang ‘Geschlechterstudien /Gender Studies’ eingerichtet wurde. Die Gründung eines entsprechenden Studien-ganges ist ebenfalls an der Universität in Potsdam, Bremen und Oldenburg geplant.[4] Die an dem Studiengang ‘Gender Studies’ an der Humboldt-Universität beteiligten, wissenschaftlichen Disziplinen veranschaulichen die Bedeutung des interdis-ziplinären Ansatzes derGender-Studies: Sozialwissenschaften, Erziehungswissen-schaft, Rechtswissenschaft, Medizin und Sexualwissenschaft, Literatur-, Sprach-, Kultur- und Kunstwissenschaft, Geschichtswissenschaften, Theologie und Philoso-phie.[5]
Als analytische Kategorien wird in denGender-Studieszwischen ‘biologischem Ge-schlecht’ und ‘kulturell geprägter Geschlechtsidentität’ unterschieden. Diese Unter-scheidung differenziert im Deutschen den umfassenderen Begriff ‘Geschlecht’. In der englischen Sprache wird zur Beschreibung des biologischen Geschlechts der Terminus sexverwendet, der an physische Eigenschaften geknüpft ist. Für die kultu-rell erworbene Geschlechtsidentität wird der Begriffgendergebraucht, welcher der Linguistik entlehnt ist und ursprünglich das grammatische Geschlecht bezeichnete.[6] Die Begriffe sexundgenderwurden im Englischen bis in die siebziger Jahre sprach-lich neutral und synonym verwendet und bezeichneten allgemein ‘das Geschlecht’. Während im Deutschen der allgemeine Begriff ‘Geschlecht’ sprachlich durch ‘biolo-gisches Geschlecht’ und ‘Geschlechtsidentität’ differenziert wird, wurden im Engli-schen im Rahmen derGender-Studieszwei schon vorhandene Begriffe, die einst dasselbe bezeichneten, mit neuer Bedeutung gefüllt[7] . Daraus ergibt sich für deutsche Autoren ein schwieriges praktisches Problem: es gibt keine adäquaten Übersetzun-gen der englischen Begrifflichkeiten. Die deutschen Übersetzungen ‘biologisches Geschlecht’ und ‘Geschlechtsidentität’ bleiben ungenau und verschärfen sich bei Begriffen wie ‘gender identity’oder ‘gendered identity’. Judith Butler bemerkt hier-zu:
„Mir wurde in der Reaktion auf [meine] Arbeit klar, daß ‘das Biologische’ im Deutschen und in den deutschsprachigen Kulturen eine Anzahl von Wertigkeiten getragen hat, die ich nicht vollends erfaßt hatte. Tatsächlich läßt schon die Schwierigkeit, eine angemessene Übersetzung für ‘gender’zu fin-den, deutlich werden, daß die Trennung vonsexundgenderin dieser Sprache nicht leicht ist.“[8]
Da sich die Begriffe ‘biologisches Geschlecht’ für ‘sex’und ‘Geschlechtsidentität’ für ‘gender’sowohl in den deutschen Übersetzungen der englischsprachigen Werke als auch in den Arbeiten deutschsprachiger Autoren und Autorinnen überwiegend durchgesetzt haben, werde auch ich in meinen Ausführungen diese Begriffe benut-zen. Für ein besseres Verständnis und um Mißverständnisse auszuräumen, werde ich an relevanten Stellen im deutschen Text die englischen Begriffe benutzen oder sie in Klammern dahintersetzen.
b. Was diese Arbeit nicht zu erreichen vermag
DieGender-Studiesoperieren nicht zuletzt wegen ihrer Interdisziplinarität mit einer ganzen Bandbreite an theoretischen Ansätzen, die zum Teil eine Menge fachlichen Vorwissens voraussetzen. Dadurch ist die Gefahr gegeben, sich bei solchen Vorbe-dingungen im Detail zu verlieren. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, soll das Augenmerk auf die Darstellung der zentralen Thesen liegen, ohne tiefer auf die vielfältigen Diskussionen innerhalb derGender-Studieseinzugehen. Durch diese fokussierende Vorgehensweise werden nicht alle Fragen beantwortet werden können. Die Interpretation der Almodóvarschen Filme bezieht sich auf dessen gesamte Fil-mographie, die bis dato 12 Filme umfaßt. In allen Filmen findet sich eine Vielzahl an Themen, so daß es unmöglich ist, eine umfassende Interpretation zu liefern. Viel-mehr soll ausschließlich auf die für die Geschlechterordnung relevanten Aspekte eingegangen werden. Dadurch mag der Eindruck entstehen, die Filme drehten sich nur um das Thema ‘Geschlecht’, was natürlich nicht der Fall ist. Diese Verengung auf einen Aspekt ist der Preis einer wissenschaftlichen Vorgehensweise. Werner Faulstich bemerkt hierzu:
„„Die analytisch fundierte, methodengesteuerte, reflektierte Interpretation eines Filmes ließe sich vielleicht mit einer ‘Brille’ vergleichen, die es uns gestattet, bestimmte Aspekte eines Films besser zu sehen oder Momente in den Blick zu bekommen, die uns vorher nicht sichtbar waren. Aber die Nut-zung dieser ‘Brille’ bringt auch Nachteile mit sich: beispielsweise den Nachteil, daß anderes verzerrt oder aus dem Blickwinkel verdrängt oder auch daß das Gesehene eingefärbt und damit verändert wird.“[9]
Desweiteren soll mit der vorliegenden Arbeit keine Filmanalyse im Sinne der herkömmlichen Analysemodelle vorgelegt werden. Da ich mich nicht auf einen einzelnen Film konzentriere, sondern vielmehr den Geschlechterdiskurs aus der gesamten Filmographie abstrahieren möchte, erscheinen mir Sequenzprotokolle wenig sinnvoll. Statt dessen findet sich im Anhang eine Liste der verwendeten Filme mit den Produktionsdaten; dieser Liste können auch die deutschen Titel der Filme und die in der Arbeit verwendeten Kürzel entnommen werden. Filmtechnische Aspekte wie Licht, Ton, Kamera und Schnitt werden bewußt zweitrangig behandelt und nur an für die Themenstellung relevanten Stellen untersucht.
c. Was diese Arbeit zu leisten versucht
Der Ansatz und das vorrangige Ziel dieser Arbeit liegen darin, mit Rückgriff auf die Theorien derGender-Studiesein Modell zu entwerfen, mit welchem die Filme Al-modóvars auf ihre Aussagen zu Geschlechterordnung und Geschlechterkonstruktion untersucht werden können. Wie schon angesprochen, beziehe ich mich dabei auf die gesamte verfügbare Filmographie Almodóvars, die im Anhang dieser Arbeit aufge-listet ist. Grundlage sind ausschließlich die spanischen Originalfassungen. Zur präzi- seren Erklärung bestimmter Aspekte werde ich mich an einigen Stellen auf Elemente der Filmtheorie von Umberto Eco und Stephen Heath beziehen. Um meine Ausfüh-rungen zu veranschaulichen, sind den einzelnen Kapiteln exemplarisch einige Abbil-dungen beigefügt.
Auffällig selten beziehen sich in den Filmwissenschaften konkrete Filminterpretati-onen auf die Theorien derGender-Studies. Die vorliegende Magisterarbeit soll des-halb auch ein Schritt sein, dieses Manko auszugleichen. Dabei stehen gleichzeitig die abstrakt-philosophischen Theorien derGender-Studiesauf dem Prüfstand, ob sie geeignet sind, sich konkret anwenden zu lassen und über „Seminargeschwätz“[10] hi-nausgehen.
Ein weitergehendes Ziel dieser Arbeit liegt darin, eine kritische Distanz zu kulturel-len Kategorien aufzuzeigen und das scheinbar ‘Natürliche’ zu hinterfragen. Da wir aber alle von den hegemonialen kulturellen Diskursen geprägt sind und nur in Kate-gorien denken können, die wir erlernt haben und die unserer Erfahrung entsprechen, stellt dieses Ziel mitunter ein schwieriges Unterfangen dar. Wir können nur Dinge in Worte fassen, indem wir ordnen, strukturieren und kategorisieren, und „die zwang-hafte Einschränkung [ist] gleichsam in das eingebaut, was von der Sprache als Vor-stellungshorizont möglicher Geschlechtsidentitäten festgelegt wird.“[11] Damit ist das Subjekt der jeweiligen Kultur beim Reden und Analysieren notwendigerweise selbst schon eingeschränkt. Trotz dieser Schwierigkeiten, die sich aus der Begrenztheit der Vorstellung und dem Umsetzen bestimmter Gedanken in Sprache ergeben, soll die vorliegende Arbeit anhand der Interpretation von Almodóvars Filmen ein möglichst kritisches Aufzeigen der kulturellen Mechanismen leisten.
d. Der Aufbau
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in zwei Hauptteile, die durch einen Exkurs verbunden sind.
Der erste Teil beschäftigt sich mit den Theoremen derGender-Studies, die wegen ihrer Komplexität entsprechend Raum in der Arbeit benötigen. Das Augenmerk liegt hierbei auf der These von der kulturellen Konstruktion der Kategorie ‘Geschlecht’, auf der Rolle, die der biologische Körper in diesem Prozeß einnimmt, auf ‘margina-le’ Identitäten und deren Bedeutung in der Geschlechterordnung und auf der Mög-lichkeit von Emanzipation und Dekonstruktion. In den Ausführungen möchte ich mich hauptsächlich auf die Arbeiten von Judith Butler und Michel Foucault bezie-hen, welche die Theoriebildung derGender-Studiesweitreichend beeinflussen. Die Ergebnisse des ersten Teils sollen dann als theoretische Basis für die Interpretation der Filme Almodóvars dienen.
Als nächstes sollen die Filme Almodóvars zeitlich verortet werden, um nicht in einem historischen Vakuum zu verharren. Die Kapitel, die sich mit der historischen Situation beschäftigen, werden als Exkurs präsentiert, da sie sich nicht unmittelbar auf die Fragestellung der Arbeit beziehen. Der Exkurs beschreibt einige Aspekte der Franco-Diktatur und die gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen, die sich aus dem Umbruch nach Francos Tod ergaben. Es soll eine Idee davon gegeben werden, wie 36 Jahre Franquismus, eng verzahnt mit der katholischen Kirche, die Wertvorstellungen und kulturellen Bilder der spanischen Gesellschaft geprägt haben und bis in die nachfranquistische Ära hineinwirkten.
Der zweite Teil widmet sich der Interpretation der Almodóvarschen Filme unter dem Aspekt der Geschlechterordnung und der Geschlechterdekonstruktion. Die filmischen Diskurse über Identität, die filmische Repräsentation kultureller Kategorien, der Geschlechterrollen und des Geschlechterverhältnisses sollen herausgearbeitet werden. Auch möchte ich kurz auf die Almodóvarsche Ästhetik und ihren Bezug zur Geschlechterrepräsentation eingehen.
Im Fazit sollen die Ergebnisse zusammengefaßt und die Theorien derGender-Studiesnoch einmal explizit zu den Filmen Almodóvars in Bezug gesetzt werden.
I. Die Ordnung der Geschlechter
1.Geschlecht als kulturelle Konstruktion
„[Alice erblickte] eine seltsam schattenhafte Erscheinung in der Luft. Im ersten Augen-blick wußte sie nicht, was das zu bedeuten hatte, nach näherer Beobachtung aber er-kannte sie, daß es das Grinsen der Grinsekatze war. - Jetzt habe ich wenigstens jemand, mit dem ich reden kann! dachte sie. ‘Na, wie wirst du mit dem Spiel fertig?’ erkundigte sich das Grinsen, nachdem es sich zum Katzenmaul vervollständigt hatte. Alice wartete, bis auch die Augen der Grinsekatze sichtbar wurden, und nickte zunächst nur, denn sie dachte: Ihr was zu sagen, hat noch keinen Zweck, bevor nicht auch Ohren da sind, zu-mindest eines davon erkennbar ist. Als kurz darauf der ganze Kopf sich zeigte, setzte sie ihren Flamingo zu Boden und verbreitete sich über das Spiel, sehr erfreut, eine Zu-hörerin zu haben. Die Grinsekatze war anscheinend der Meinung, daß mit dem Kopf genügend von ihr sichtbar war, jedenfalls ließ sie nicht mehr von sich sehen.“[12]
Lewis Carroll, „Alice im Wunderland“
1.1. Biologisches Geschlecht und Geschlechtsidentität
Eines der grundlegenden Unterscheidungsmerkmale und eine grundlegende Basis der Identität eines Menschen scheint die Kategorie des Geschlechtes zu sein. Mann oder Frau zu sein, ist ein elementares Unterscheidungsmerkmal, die scheinbar unverän-derliche und unvergängliche Grundsubstanz eines Individuums: „Männlich oder weiblich ist die erste Unterscheidung, die Sie machen, wenn Sie mit einem anderen menschlichen Wesen zusammentreffen, und Sie sind gewöhnt, diese Unterscheidung mit unbedenklicher Sicherheit zu machen.“[13] Das Geschlecht eines Menschen ist bestimmt durch den sexuell differenzierten Körper (sex) und der Bedeutung, die die-sem Körper zugeschrieben wird, nämlich die der Geschlechtsidentität (gender).[14] Jeder Mensch kommt unweigerlich mit einem sexuell ausdifferenzierten Körper zur Welt, welchen Simone de Beauvoir als „geschlechtlichen Körper“ bezeichnet und welcher für sie „konkreter Ausdruck der Existenz“ ist.[15] In der konventionellen Wahrnehmung folgt aus der physischen Beschaffenheit des Körpers, dem ‘biologischen Geschlecht’, kausal und zwangsläufig die Geschlechtsidentität eines jeden Menschen. Hierbei bestimmen die männlichen oder weiblichen Genitalien, welche Geschlechtsidentität dem Körper verliehen wird. Das jeweilige Geschlechtsorgan „als einziger Signifikant und als universales Signifikat“[16] wird zum konstituierenden Zeichen in der Bedeutungsbildung und dient gleichzeitig als naturalisierendes Zeichen, mit dem ein bestimmter Naturbegriff gerechtfertigt wird.
Unter Berufung auf das biologische Geschlecht werden bestimmte Geschlechtsiden-titäten als natürlich legitimiert und die Geschlechter in zwei entgegengesetzte, sich ausschließende Kategorien geordnet. Dabei wird eine scharfe biologische Trennung zwischen den beiden Geschlechtern postuliert. In Anbetracht des gegenwärtigen Standes der biologischen Forschung ist diese Annahme allerdings so nicht haltbar. Danach stellen die Geschlechter in einer eindeutigen physischen Ausprägung eher ideale Pole dar, denen sich die Individuen „je nach quantitativem Verhältnis von männlichen und weiblichen Realisatoren“[17] in unterschiedlichem Maßenähern. Gay-le Rubin bemerkt hierzu:
„…the idea that men and women are two mutually exclusive categories must arise out of something other than a nonexistent ‘natural’ opposition. Far from being an expression of natural differences, exclusive gender identity is the suppression of natural similarities.“[18]
[Die Vorstellung, daß Männer und Frauen zwei sich gegenseitig ausschließende Kategorien sind, muß aus etwas anderem als einem nichtexistierenden, ‘natürlichen’ Gegensatz entspringen. Weit davon entfernt, natürliche Unterschiede auszudrücken, ist eine ausschließende, geschlechtlich bestimmte Identität die Unterdrückung natürlicher Ähnlichkeiten.]
Die ‘Dualität der Geschlechter’ wird demzufolge eher auf einer kulturellen Grundla-ge instituiert als auf einer biologischen. Sie äußert sich in dem Sinne, daß ein Indivi-duum seine Bedeutung in Relation zu einer entgegengesetzten Bedeutung gewinnt. Oder konkreter ausgedrückt: Ein Mann oder eine Frau ist in dem Maße ein Mann oder eine Frau, wie er / sie nicht das andere ist. Die Definition erfolgt in Abgrenzung zum jeweiligen anderen. Irene Fast untermauert diese These aus psychoanalytischer Sicht, indem sie in der Geschlechtsentwicklung von Jungen eine frühe Phase postu-liert, „in der die Selbstrepräsentanzen des Jungen, die seine Vorstellungen von seinen sexuellen und ge-schlechtlichen Möglichkeiten verkörpern, noch nicht geschlechtlich differenziert sind. Differenzie-rungsprozesse setzen ein, sobald der Junge sich des Geschlechtsunterschieds bewußt wird. Dieses Bewußtwerden hat zur Folge, daß er die durch sein tatsächliches Geschlecht gesetzten Grenzen er-kennt, sein Erleben geschlechtsbezogen rekategorisiert, eine in seiner körperlichen Männlichkeit zentrierte männliche Identität entwickelt, auf Weiblichkeit (Femininität) als Möglichkeiten für sich selbst verzichtet und anerkennt, daß sie die Privilegien des anderen Geschlechts darstellen.“[19]
An späterer Stelle schließt Fast Mädchen in dieses Modell ein und schreibt:
„Die bei Kindern beobachtbare Intensivierung des Interesses an ihren Genitalien ist nicht auf körperliche Veränderungen zurückzuführen, sondern darauf, daß sie sie im Hinblick auf ihr Geschlecht zu kategorisieren beginnen.“[20]
Wenn also die Ausbildung einer geschlechtsspezifischen Identität nicht direkt von körperlichen Veränderungen oder der phänotypischen Struktur des Körpers ausgelöst wird, stellt sich die Frage, wodurch eine männliche oder weibliche Geschlechtsiden-tität konstituiert wird. Welchen Anteil hat der kulturelle Rahmen an der Ausbildung einer geschlechtsspezifischen Identität, und wie ist dieser kulturelle Prozeß vorstell-bar? Welchen Platz nimmt die Natur in diesem Prozeß der Identitätsbildung ein?
Diesen Fragen möchte ich in den nächsten Kapiteln nachgehen.
1.2. ‘Becoming a gender’: Geschlechtsidentität als performativer Akt
„[Man sagt uns], die Weiblichkeit sei ‘in Gefahr’, man ermahnt uns: ‘Seid Frauen, bleibt Frauen, werdet Frauen.’ Nicht jeder weibliche Mensch ist also zwangsläufig eine Frau; er muß an jener geheimnisvollen, bedrohten Realität, der Weiblichkeit, teilhaben. Wird diese von den Eierstöcken produziert?“[21]
Simone de Beauvoir
Simone de Beauvoir konstatiert mit dieser polemischen Frage, daß die biologischen Gegebenheiten scheinbar nicht immer zwangsläufig in einer intelligiblen Ge-schlechtsidentität münden. Die Vorstellungen darüber, wann und wie das biologische Geschlecht mit der Geschlechtsidentität korrespondiert, scheinen zu divergieren. Geschlechtsidentität ist unter dieser Prämisse eine kulturelle Dimension anstatt der bloße Ausdruck biologischer Gegebenheiten. In denGender-Studies wird Ge-schlechts-identität als etwas verstanden, das geprägt ist von dem herrschenden kultu-rellen Diskurs[22] , von der gesellschaftlichen Idee, was ‘männlich’ und was ‘weiblich’ ist. Es sind die „historisch gewachsene[n] und perpetuierte[n] Fiktionen von Weib-lichkeit und Männlichkeit“[23] , nach denen die Körper hergerichtet und wahrgenom-men werden. Der Körper ist in diesem Zusammenhang die „vorgängige Materialität“, auf der die Geschlechtsidentität als eine Art „Akt kultureller Einschreibung“[24] proji-ziert wird. Judith Butler begreift die Konstruktion der Geschlechtsidentität als einen Prozeß, als „die wiederholte Stilisierung des Körpers, ein Ensemble von Akten, die innerhalb eines äußerst rigiden regulierenden Rahmens wiederholt werden, dann mit der Zeit erstarren und so den Schein der Substanz bzw. eines natürlichen Schicksals des Seienden hervorbringen“[25] . In diesem Sinne ist die Geschlechtsidentität kein angeborenes Merkmal eines jeden Menschen, sondern vielmehr eine kulturelle, scheinbar statischeMarkierungdes Individuums. Sie formiert sich aus ständig sich wiederholenden Handlungen innerhalb eines normierten Rahmens:
„For each person […] subjectivity is an ongoing construction, not a fixed point of departure or arrival from which one then interacts with the world. […] The process is continuous, its achievement unending or daily renewed.“[26]
[Für jede Person […] ist Subjektivität eine fortlaufende Konstruktion, kein fester Punkt des Ausganges oder der Ankunft, von welchem man mit der Welt in Beziehung tritt. […] Der Prozeß ist kontinuierlich, seine Ausführung unendlich oder täglich erneuert.]
Der Wiederholungscharakter der Identitätsprozesse ist nicht unbedingt entzifferbar, da gerade die scheinbare Statik und scheinbare Substanz konstitutiv ist für eine Orientierung im herrschenden Diskurs.[27] Die Geschlechtsidentität (gender) ist somit quasi eine kulturelle Interpretation des biologischen Geschlechts (sex):
„Überall gilt Männlichkeit als eine Eigenschaft, die sich nicht mit der geschlechtlichen Reife von selbst einstellt, sondern errungen werden muß - in harten Prüfungen und zumeist unter Qualen. Und stets kann es schiefgehen; denn weder durch den Penis noch durch besondere Hormone oder Gene wird der Mann zum Mann, sondern die Kultur allein führt die Regie im Drama der Männlichkeit; die Natur liefert lediglich die Requisiten.“[28]
Und Simone de Beauvoir bemerkt hierzu:
„Um ihn [den Jungen] auf seinem schwierigen Weg zu ermutigen, redet man ihm ein, stolz auf seine Männlichkeit zu sein. Dieser abstrakte Begriff hat für ihn eine konkrete Gestalt: er verkörpert sich im Penis. Der Knabe ist nicht etwa spontan stolz auf sein indolentes kleines Glied; dieses Gefühl wird ihm erst über die Haltung seiner Umgebung vermittelt.“[29]
Die Geschlechtsidentität ist folglich nicht expressiv sondern performativ[30] , durch die sich ständig wiederholenden performativen Akte entstehen „Realitätseffekte“, „die wir schließlich als ‘Tatsachen’ fehldeuten“[31] . Judith Butler beschreibt die Ge-schlechtsidentität als „ein Tun, wenn auch nicht das Tun eines Subjekts, von dem sich sagen ließe, daß es der Tat vorangeht“[32] .
Weiterhin geht sie davon aus, daß es
„ kein Seiendes hinter dem Tun gibt, daß die ‘Täter’ also bloß eine Fiktion, die Tat dagegen alles ist. […] Hinter den Äußerungen der Geschlechtsidentität (gender) liegt keine geschlechtlich bestimmte Identität (gender identity). Vielmehr wird diese Identität gerade performativ durch diese ‘Äußerungen’ konstituiert, die angeblich ihr Resultat sind.“[33]
Die Äußerungen oder Akte sind die Performanzen jener Attribute, die kulturell als ‘männlich’ oder ‘weiblich’ definiert sind und die dann als ‘männliche’ oder ‘weibli-che’ Substanz konstruiert werden: „a performative understanding of gender as so-mething wedo, rather than as something weare“[34] [ein performatives Verständnis von Geschlecht als etwas, das wirtun, denn als etwas, was wirsind]. Nichtsdestotrotz wird aus den performativen Äußerungen eine scheinbar klar umris-sene, scheinbar mit Substanz gefüllte Figur von ‘Mann’ oder ‘Frau’ konstituiert. An dieser Stelle möchte ich auf das Eingangszitat aus ‘Alice im Wunderland’ verweisen, welches meiner Meinung nach als eine interessante Metapher zur ‘Sex-Gender-Theorie’ gelesen werden kann. Die Katze setzt sich schrittweise aus Attributen zu-sammen, die nacheinander in der Luft erscheinen. Alice verleiht der Erscheinung dadurch eine kulturell intelligible Bedeutung, daß sie von den freischwebenden, kul-turell als ‘Grinsekatze’ definierten Attributen auf eine Substanz schließt, die nicht vorhanden ist. Damit wird der konventionelle Prozeß, Attribute als Ausdruck einer Substanz zu deuten, umgekehrt: Es gibt keine Substanz, nur eine Erscheinung, die aufgrund der kulturellen Erfahrung interpretiert und als Substanz konstruiert wird. Die Materialisierung der Katze vollzieht sich also durch die Interpretation von ein-zelnen Attributen in der Imagination von Alice, indem sie den Attributen eine Sub-stanz zuweist.
Ausgehend von obigen Prämissen ist die Geschlechtsidentität also eine Repräsentati-on, eine Kumulation definierter und performativ vorgetragener Attribute. Damit ein-hergehend wird der biologische Körper mystifiziert, indem dieser als natürliche Ba-sis und Quelle der Geschlechtsidentität konstruiert wird: „It is the gender label that begins the process of elaboration and mysthification of the biological.“[35] [Es ist die Geschlechterbezeichnung, die den Prozeß der Ausarbeitung und Mystifizierung des Biologischen auslöst.] Der mit einer Geschlechtsidentität versehene Körper (the gen-dered body) ist dementsprechend eine Figur, die kulturell erschaffen wird und natür-lich erscheint. In diesem Sinne ist „Geschlecht keine natürlich-biologische Entität und weniger bindend und binär denn performativ und ‘theatralisch’“[36] .
Bei der Konstruktion der Geschlechtsidentität stehen dennoch nicht alle Wege und Möglichkeiten beliebig offen. Butler grenzt diesbezüglich ein :
„Denn wenn ich argumentierte, daß die Geschlechtsidentitäten performativ sind, konnte das heißen, ich stellte mir das so vor, daß jemand morgens erwache, den Schrank [closet] oder einen etwas offe-neren Raum auf eine Geschlechtsidentität eigener Wahl hin durchsehe, dann diese Geschlechtsidenti-tät für den Tag anlege und die Einkleidung abends wieder an ihren Platz zurücklege. Ein derart ab-sichtsvoll und instrumentell vorgehendes Subjekt, dasüberseine soziale Geschlechtsidentität ent-scheidet, hat fraglos nicht von Anfang an seine soziale Geschlechtsidentität und versäumt, sich klar-zuwerden, daß seine Existenz schon längstvonder sozialen Geschlechtsidentität entschieden ist.“[37] [Kursiv im Original]
Die Geschlechtsidentität ist also weder völlig ungebunden, noch ist sie unabänderlich determiniert. Vielmehr wird der Körper in Identitätsprozessen, die sich in dem hegemonialen kulturellen Rahmen vollziehen und sich an dessen Normen orientieren, hergerichtet und mit einer Geschlechtsidentität versehen. Während dieser Prozesse, die mehr als eine ritualisierte Produktion denn als vereinzelte Handlungen gedacht werden müssen[38] , werden Bedürfnisse und Wahrnehmungen des Körpers, die dem jeweils anderen Geschlecht zugeschrieben werden, vernachlässigt; andere, mit dem eigenen Geschlecht als deckungsgleich angesehene, werden gefördert und zur Identität verdichtet. Ursula Scheu formuliert es folgendermaßen:
„Der Mensch wird nicht als fertige ‘Persönlichkeit’ geboren - weder als ‘weibliches’ Wesen noch als ‘männliches’ Wesen. Menschen entwickeln sich in ihrer Ontogenese (Individualentwicklung), d.h. im Prozeß der aktiven Auseinandersetzung mit ihrer gesellschaftlichen, geschlechts- und klassenspezifi-schen Umwelt durch die Aneignung der spezifischen gesellschaftlichen Bedingungen, indem sie mit diesen in Form von gesellschaftlichen Erfahrungen, die in Dingen und Handlungen vergegenständ-licht sind, konfrontiert werden.“[39]
1.3. ‘Kernidentität’ als kulturelles Konstrukt
In den vorangegangenen Kapiteln wird die Geschlechtsidentität als kulturelles Konstrukt begriffen, welches sich durch unablässiges Zitieren kulturell definierter Attribute und durch das Stilisieren des Körpers konstituiert. Die Geschlechtsidentität als kulturell erworben zu denken und sie damit radikal zu entnaturalisieren, ist ein elementares Neudenken des gewohnten Ursache-Wirkung-Prinzips:
“It is epistemologically intolerable to many people -including many literary and cultural critics- that the ground should be a figure. That gender exists only in representation.“[40]
[Es ist epistemologisch untragbar für viele Leute -inklusive vieler Literatur- und Kulturkritiker-, daß die Grundlage eine Figur sein soll. Daß Geschlecht nur in der Repräsentation existiert.]
Diese Sichtweise wirft die Frage auf, ob sich jenseits der konstruierten Geschlechtsidentität eine natürliche und nicht kulturell geformte Männlichkeit oder Weiblichkeit verbirgt, die in den Prozeß der Identitätsbildung einfließt. Diese Frage soll im folgenden diskutiert werden.
Eine Vielzahl an wissenschaftlichen Disziplinen hat in unterschiedlichen Diskursen versucht, ein vorkulturelles, außerhalb der empirisch meßbaren Realität liegendes Phänomen zu bestimmen, es als ‘Ich’, ‘Kernidentität’, ‘Selbst’, ‘Inneres eines Sub-jekts / Individuums’ bezeichnet und mit Theoriegebäuden untermauert. Auch Simone de Beauvoir geht davon aus, daß es eine ‘Immanenz der Frau’, eine ‘Essenz der Existenz’ gibt, welche allerdings so eng mit der kulturellen Konstruktion der Identität, den Äußerungen und dem konkreten Handeln, verwoben ist, daß eine losgelöste Bestimmung nicht möglich ist:
„Ein Existierendes ist nichts anderes, als das, was es tut: das Mögliche geht nicht über das Wirkliche hinaus, die Essenz geht der Existenz nicht voraus, in seiner reinen Subjektivität ist der Mensch nichts.“[41]
Dennoch setzt die ‘Immanenz eines Individuums’ die Geschlechtsidentität permanent nach außen in Szene undwirdletztendlich die Geschlechtsidentität, ohne daß Beauvoir die ‘Essenz der Existenz’ mit der kulturellen Konstruktion gänzlich gleichsetzt; beide sind nie ganz miteinander identifizierbar.
Butler geht in dieser Frage einen provokanten Schritt weiter. Sie nimmt an, daß es kein ‘Ich’ gibt, welches vor der Bezeichnung existiert, sondern sieht es als imaginierte Kategorie der Diskurse an:
„In die repetitiven Praktiken dieses Bezeichnungsfeldes einzutreten, ist keine Wahl, weil das ‘Ich’, das hier angeblich eintritt, immer schon drinnen ist: Es gibt keine mögliche Tätigkeit oder Realität außerhalb der diskursiven Verfahren, die diesen Termini ihre Intelligibilität verleiht.“[42]
Es herrscht die paradoxe Situation, daß mit dem kulturellen Bezeichnungsmuster etwas angeblich Existierendes erfaßt werden soll, was aber nur möglich ist, indem es imaginiert wird, da es „keinen Ort vor der Sprache [gibt], der zugänglich und einholbar wäre“[43] . Somit wird das ‘Ich’ als ‘Kernidentität’ erst in einem Bezeichnungsprozeß produziert und etabliert. Das Bezeichnungssystem konstruiert ein Phänomen, welches angeblich nur beschrieben wird und seine Legitimität daraus zieht, daß es einfach als vorgängig vorausgesetzt wird:
„Die Bedingungen, die die Behauptung des ‘Ich’ ermöglichen, werden durch die Struktur der Bezeichnung bereitgestellt, d.h. durch die Regeln, die die legitime bzw. illegitime Berufung auf dieses Pronomen regulieren, oder durch die Verfahren, die die Intelligibilitätsnormen errichten, die die Zirkulation dieses Pronomens ermöglichen.“[44]
Butler wendet sich gegen die Idee eines „globalen und globalisierenden Subjekts, das sowohl seine eigene Verortung als auch die Bedingungen für eine lokale Intervention verschleiert“[45] . Demnach sind das ‘Ich’ als ‘Kernidentität’ und eine ‘ursprüngliche Geschlechtsidentität’ Konstrukte:
„[Die] Akte, Gesten und Begehren erzeugen den Effekt eines inneren Kerns oder einer inneren Sub-stanz; doch erzeugen sie ihn auf der Oberfläche des Körpers, und zwar durch das Spiel der bezeich-nenden Abwesenheiten, die zwar auf das organisierende Identitätsprinzip hinweisen, aber es niemals enthüllen. Diese im allgemeinen konstruierte Akte, Gesten und Inszenierungen erweisen sich insofern als performativ, als das Wesen oder die Identität, die sie angeblich zum Ausdruck bringen, vielmehr durch leibliche Zeichen und andere diskursive Mittel hergestellte und aufrechterhaltene Fabrikationen / Erfindungen sind. [...] Wenn diese Realität als inneres Wesen fabriziert / erfunden (fabricated) ist, erweist sich gerade die Innerlichkeit als Effekt und Funktion eines entschieden öffentlichen, gesell-schaftlichen Diskurses bzw. der öffentlichen Regulierung der Phantasie durch die Oberflächenpolitik des Körpers oder der Grenzkontrolle der Geschlechtsidentität, die das Innen vom Außen differenziert und so die Integrität des Subjekts stiftet.“[46]
Der Gedanke einer Identität als Kern eines Subjekts erweist sich in diesem Sinne als konstruiert. Es wird auf eine Bezeichnungspraxis zurückgegriffen, welche das ‘Ich’ als vordiskursiv voraussetzt, so daß es gar nicht mehr in Frage gestellt werdenkann. Eine ‘Kernidentität’ ist insofern ein kulturell erzeugtes, raffiniertes mythisches Konstrukt, eine ‘imaginäre’ Formation[47] , die nur dadurch als logische Gegebenheit existieren kann, daß sie als Prämisse konstruiert und naturalisiert ist. Butler sieht solche Konstrukte als „künstliche, philosophische Mittel, die [die] Prinzipien Einfachheit, Ordnung und Identität wirkungsvoll […] instituieren“[48] .
Die poststrukturalistische Denkweise geht aber davon aus, „daß Wirklichkeit vor-nehmlich diskursiv, d.h. durch sprachliche und bildliche Repräsentationen vermittelt wird“[49] . In diesem Rahmen ist es dann unerheblich, eine Grenze zwischen einem kulturellen Konstrukt und einer Kernidentität zu ziehen; es erweist sich beides letzt-endlich als Ergebnis des hegemonialen Diskurses und in diesem Sinne konstruiert:
„Der Leser mag sich nun fragen, wie ich Weiblichkeit definiere und wo ich die Grenze zwischen echter Weiblichkeit und der ‘Maskerade’ ziehe. Ich behaupte gar nicht, daß es diesen Unterschied gibt; ob natürlich oder aufgesetzt, eigentlich handelt es sich um ein und dasselbe.“[50]
Oder in den Worten von Jacqueline Rose:
„Und es gibt keine Weiblichkeit außerhalb der Sprache.“[51]
1.3.1 ‘Identität’ als normatives Ideal
Aus dem Standpunkt, daß Phänomene wie die ‘innere Substanz’ oder der ‘innere Kern’ eines Individuums Projektionen eines organisierenden Identitätsprinzips sind, ergeben sich notwendigerweise auch Konsequenzen für die Definition von ‘Identität’ und ‘Subjekt’.
Der Begriff ‘Identität’ wird im konventionellen Sinne verstanden als der kontinuier-liche, selbstidentische Status einer Person, eine Wesensgleichheit, die sich aus inhä-renten und kohärenzstiftenden Merkmalen der Person ergibt. Die Frage der post-strukturalistischen Sichtweise auf ‘Identität’ ist dagegen nicht die Frage nach dem inneren Merkmal, welches die Identität stiftet, sondern die Frage, inwieweit kulturel-le „Regulierungsverfahren“[52] Identität konstituieren. ‘Identität’ ist nach diesem Ver-ständnis kein deskriptives Merkmal der Erfahrung, sondern ein normatives Ideal, welches dem Individuum durch ständige Prozesse der Aneignung Kohärenz verleiht:
„’Kohärenz’ und ‘Kontinuität’ der ‘Person’ sind keine logischen oder analytischen Merkmale der Persönlichkeit, sondern eher gesellschaftlich instituierte und aufrechterhaltene Normen der Intelligibi-lität.“[53]
Aus dieser Definition von ‘Identität’ ergibt sich, daß die Kohärenz und Kontinuität einer Person mehr flexible und dynamische als starre Merkmale sind. Identität wird je nach gesellschaftlicher Konstellation ausgebildet und eingesetzt. Identität ist nicht mehr eine „zuvor errichtete Position oder eine einheitliche Entität, sondern […] Teil einer dynamischen Landkarte der Macht, in der Identitäten gebildet und/oder ausge-löscht, eingesetzt und/oder lahmgelegt werden“[54] . Machtwirkungen und Individuen stehen dabei nicht in einem antagonistischen Verhältnis, sondern gesellschaftliche Macht entfaltet sich in dem Prozeß der aktiven Aneignung und Reproduktion:
„The consequences of this are to conceptualize power as highly dispersed rather than concentrated in identifiable places or groups.“[55]
[Die Konsequenzen daraus sind, Macht eher als hochgradig verstreut denn als in identifizierbaren Orten oder Gruppen konzentriert zu konzipieren.]
Diese Sichtweise verändert die Definition des ‘Subjekts’ als erkennendes und han-delndes ‘Ich’: „das Subjekt als eine mit sich selbst identische Entität gibt es […] nicht mehr“[56] . Der Ausgangspunkt ist keine konstitutive Subjektivität, sondern es sind Machtwirkungen, die Subjekte als Subjekte konstituieren. Oder anders formu-liert: Das Subjekt wird nicht durch etwas ihm Inhärentem konstituiert, sondern viel-mehr durch vielfältige Macht- und Regulierungsverfahren in Prozessen der Identi-tätsbildung und Selbstkonstitution hervorgebracht[57] . Jackie Stacey faßt dieses Sub-jektverständnis wie folgt zusammen:
„The term ‘subject’ is used widely to indicate that our sense of self is a construction and that we are positioned by sets of ideas and practices, or discourses: the subject here is seen as an ‘effect of language’, as ‘positioned by discourse’.“[58]
[Der Begriff ‘Subjekt’ wird benutzt um darauf hinzuweisen, daß unsere Wahrnehmung als Selbst eine Konstruktion ist und daß wir durch eine Ansammlung von Vorstellungen und Praktiken, oder Diskur-se, positioniert werden: das Subjekt wird hier als ein ‘Effekt von Sprache’, als ‘vom Diskurs positioniert’ gesehen.]
1.4. Revision des biologischen Geschlechts
Die gegenwärtige Diskussion des ‘Sex-Gender-Modells’ dreht sich um die Bedeutung, die dem Körper in den Prozessen der Identitätsbildung zukommt. Bisher wurde das biologische Geschlecht als natürliche Gegebenheit, die in den kulturellen Diskurs eingebracht wird, begriffen. Die These war, daß das biologische Geschlecht an sich erst einmal keine kulturelle Bedeutung in sich trägt, sondern dem Körper eine geschlechtliche Bedeutung durch den herrschenden kulturellen Diskurs verliehen wird. Diese Vorstellung wird zunehmend kritisiert. Ein Kritikpunkt ist, daß die begriffliche Gegenüberstellung von biologischem Geschlecht (sex) versus kultureller Geschlechtsidentität (gender) auch von quasi ‘natürlichen Selbstverständlichkeiten’ ausgeht und so Herrschaftsverhältnisse naturalisiert.[59]
Einen wichtigen Beitrag zu dieser Diskussion leistet Judith Butler mit ihrer Publika-tion „Körper von Gewicht“. Sie unternimmt den streitbaren Versuch, die Kluft zwi-schen biologischem Geschlecht und der kulturell erworbenen Geschlechtsidentität zu schließen, indem sie auch das biologische Geschlecht entnaturalisiert. Sie beschreibt das biologische Geschlecht als etwas, was immer schon, wenn es gedacht, wahrge-nommen oder von ihm gesprochen wird, kulturell strukturiert ist, d.h. mit Bedeutung gefüllt ist. Einem Körper, von dem als biologisch männlich oder biologisch weiblich gesprochen wird, werden immer schon Zuschreibungen zugedacht, die kulturellen Ursprungs sind. Sie versteht Geschlecht somit als einen „Effekt diskursiver Praktiken und Machtstrukturen, die den vermeintlich natürlichen Körper nicht überformen, sondern diesen Körper - über Konzeptionen von Natur und Natürlichkeit beispiels-weise - überhaupt erst erschaffen“[60] . Sie geht von „kulturellen und kulturspezifischen Strukturen [aus], die die Transformation des biologischen Geschlechts in Geschlech-teridentität steuern, gleichzeitig aber auch auf unsere Wahrnehmung des geschlecht-lichen Körpers zurückwirken“[61] . Eine der Kultur vorgängige Materialität zu erfassen, ohne dabei schon in kulturellen Termini zu denken, beschreibt sie als unmöglich. Butler begreift den biologischen Körper als etwas, was immer schon nach kulturellen Geschlechtern differenziert vorgefunden wird; sie bestreitet, daß Körper unabhängig von der regulierenden Norm gedacht werden können:
„Die Unbestreitbarkeit des ‘biologischen Geschlechts’ oder seiner ‘Materialität’ ‘einzuräumen’ heißt stets, daß man irgendeine Version des ‘biologischen Geschlechts’, irgendeine Ausformung von ‘Ma-terialität’ anerkennt. Ist nicht der Diskurs, in dem und durch den dieses Zugeständnis erfolgt - und zu diesem Zugeständnis kommt es ja unweigerlich - selbst formierend für genau das Phänomen, das er einräumt?“[62]
Es gibt also keine Bezugnahme auf einen Körper, der nicht zugleich eine kulturelle Formierung dieses Körpers wäre. Die strikte Trennung zwischen biologischem Geschlecht und Geschlechtsidentität und damit die Trennung zwischen Natur und Kultur weist sie zurück, indem sie behauptet, daß die Natur immer auch eine soziale Geschichte hat.[63] Butler kommt zu dem Schluß, daß Materialität und Bezeichnung, also der ‘biologische Körper’ und wie er gedacht und in Sprache gefaßt wird, niemals „vollkommen identisch noch vollkommen verschieden“[64] sind. Trotzdem wendet sie sich gegen eine völlige Negierung der Materialität des Körpers, wenn sie sagt, daß die „theoretischen Optionen“ sich nicht darin erschöpfen, „einerseits Materialität vorauszusetzen und andererseits Materialität zu negieren. Ich möchte weder das eine noch das andere tun. Eine Voraussetzung in Frage zu stellen, ist nicht das gleiche wie sie abzuschaffen; vielmehr bedeutet es, sie von ihren metaphysischen Behausungen zu befreien, damit verständlich wird, welche politischen Interessen in und durch diese metaphysischen Plazierungen abgesichert wurden.“[65]
1.5. Der kulturelle Rahmen der Identitätsbildung
Die Konstruktion von Geschlechtsidentität vollzieht sich in einem rigiden, kulturellen Rahmen. Dieser ist „universelles Organisationsprinzip der Kultur als solcher“[66] und stellt Strukturen bereit, durch die Grenzen gezogen, Tabus errichtet und erlaubte und verbotene Felder aufgezeigt werden können:
„Die Vorstellungen vom Trennen, Reinigen, Abgrenzen und Bestrafen [haben] vor allem die Funktion, eine ihrem Wesen nach ungeordnete Erfahrung zu systematisieren. Nur dadurch, daß man den Unterschied zwischen Innen und Außen, Oben und Unten, Männlich und Weiblich, Dafür und Dagegen scharf pointiert, kann ein Anschein von Ordnung geschaffen werden.“[67]
Im folgenden soll der hegemoniale kulturelle Rahmen näher bestimmt werden. Dabei möchte ich das Patriarchat und die Zwangsheterosexualität als kulturelle Ordnungsprinzipien skizzieren, die Familie als ‘Produktionsapparat’ beschreiben und Kleidung als kulturelle Konvention der Geschlechterdifferenz darstellen.
1.5.1. Der patriarchalische Aspekt
Simone de Beauvoir zeichnete in den 50er Jahren ein Bild der patriarchalischen Gesellschaft, in der es in allen gesellschaftlichen Bereichen eine klare Hierarchie und männliche Hegemonie gab[68] : Der Mann stellt in der Gesellschaft das Absolute dar und verfügt über Macht, die Frau wird immer in Bezug auf den Mann determiniert und als das Andere, das Machtlose und Passive, definiert.
Unter dem Einfluß der Frauenbewegung traten in den 60er und 70er Jahren epochale Veränderungen ein, die heute das Beauvoirsche Bild des Patriarchats differenzieren. Auf der einen Seite gibt es die rechtliche Gleichstellung, den Frauen wurde der Zu-gang zur Bildung ermöglicht und die rigiden Normen in der Sexualität lockerten sich.[69] Auf der anderen Seite gibt es neben der benachteiligenden Schieflage auf dem Arbeitsmarkt und in der sozialen Sicherung auch eine „Rhetorik der Gleichheit“, ohne den „Worten Taten folgen zu lassen“[70] :
„Die in den siebziger Jahren geforderte (und geförderte) Integration der Frau in den Beruf folgt ungebrochender‘geschlechtsständischen Gesetzmäßigkeit’der umgekehrten Hierarchie: Je zentraler ein Bereich für die Gesellschaft (definiert) ist, je mächtiger eine Gruppe, desto weniger sind Frauen vertreten; und umgekehrt: als je randständiger ein Aufgabenbereich gilt, je weniger einflußreich eine Gruppe, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß Frauen sich in diesen Feldern Beschäftigungsmöglichkeiten erobert haben.“[71] [Kursiv im Original]
Die traditionellen Rollenzuweisungen für Männer und Frauen büßen heutzutage an Kraft ein; was früher selbstverständlich und „stumm vollzogen wurde, muß nun beredet, begründet, verhandelt, vereinbart und kann gerade deswegen immer wieder aufgekündigt werden. Alles wird ‘diskursiv’“[72] . Die sich wandelnde Stellung der Frau in der Gesellschaft wurde laut Beck durch die gesellschaftlichen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte möglich:
„In allem - demographische Freisetzung, Dequalifizierung der Hausarbeit, Empfängnisverhütung, Scheidungsrecht, Bildungs- und Berufsbeteiligung - drückt sich zusammengenommen der Grad der Freisetzung der Frauen aus den Vorgaben ihres modernen, weiblichen Ständeschicksals aus, die nicht mehr revidierbar ist.“[73]
Das heutige Bild der Geschlechterordnung ist gespalten: Einerseits gibt es zuneh-mende Partizipation und Emanzipation der Frauen und eine Auflösung der traditio-nellen Rolle, andererseits ist das von Beauvoir entworfenen Bild des Patriarchats als kulturelle Wurzel in Teilen immer noch intakt. Eine nach Geschlechtern differenzie-rende Gesellschaftsordnung benötigt in jedem Fall die eindeutig voneinander abge-grenzten, gegensätzlichen Kategorien und Identitäten ‘Mann’ und ‘Frau’ als diffe-renzierende Ordnungsprinzipien, um gesellschaftliche Rollen zu definieren, den In-dividuen einen entsprechenden Platz im Gesellschaftssystem zuweisen zu können und das System zu erhalten und zu reproduzieren. Beck bemerkt hierzu:
„Die vorgegebenen Geschlechtsrollen sindBasisder Industriegesellschaft und nicht etwa ein traditionales Relikt, auf das zu verzichten ein leichtes wäre. Ohne Trennung von Frauen- und Männerrolle keine traditionale Kleinfamilie. Ohne Kleinfamilie keine Industriegesellschaft in ihrer Schematik von Arbeit und Leben. […] Die Industriegesellschaft ist insofern auf die ungleichen Lagen von Männern und Frauen angewiesen.“[74] [Kursiv im Original]
Binäre Geschlechtsidentitäten sind somit gleichzeitig Effekt und Voraussetzung der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung, die sich durch das Hervorbringen von ‘Männern’ und ‘Frauen’ reproduziert und stabilisiert.
1.5.2. Der zwangsheterosexuelle Aspekt
Die Beziehung der binären Geschlechtsidentitäten zueinander ist durch die ‘hetero-sexuelle Aktivität’ definiert[75] . Neben dem Ziel der Fortpflanzung, die die Reproduk-tion und den Erhalt des Systems durch Nachkommen garantiert[76] , positioniert das heterosexuelle Prinzip die Körper präzise zueinander. Körper und Sexualität können im Sinne des Erhalts und der Kontinuität der binären Geschlechterordnung reguliert und kontrolliert werden. Die körperlichen Lüste und Begehren werden griffig inter-pretierbar; die „Vielfalt disparater, unverbundener Sexualfunktionen [wird] verstellt und künstlich vereinheitlicht“[77] . Diese Einheit und Eindeutigkeit ist nur möglich, indem andere Formen des Begehrens ausgeschlossen werden. Heterosexualität wird mit Rückgriff auf einen Naturbegriff als einzige Form des Begehrens legitimiert, institutionalisiert und als „die selbstverständliche natürliche Ordnung der Dinge“[78] konstruiert. Monique Wittig und Judith Butler sprechen in diesem Zusammenhang von dem ‘heterosexuellen Vertrag’[79] . Adrienne Rich bezeichnet es als ‘Zwangshete-rosexualität’, welche sie als politische Institution begreift[80] , die das Begehren und das Verhältnis von Menschen zueinander durch gesellschaftliche und kulturelle Gesetzmäßigkeiten strukturiert, lenkt und kontrolliert:
„Women have been convinced that marriage and sexual orientation toward men are inevitable, even if unsatisfying or oppressive components of their lives. The chastity belt; child marriage; erasure of lesbian existence (except as exotic and perverse) in art, literature, film; idealization of heterosexual romance and marriage - these are some fairly obvious forms of compulsion, the first two exemplifying physical force, the second two control of consciousness.“[81]
[Frauen wurden überzeugt, daß Heirat und eine sexuelle Orientierung zu Männern unvermeidlich seien, selbst wenn es unbefriedigende und unterdrückende Komponenten ihres Lebens sind. Der Keuschheitsgürtel; Kindesheirat; Auslöschung lesbischer Existenz (außer als exotisch und pervers) in der Kunst, Literatur, Film; Idealisierung heterosexueller Romanzen und Heirat - dieses sind einige ziemlich offensichtliche Formen des Zwanges; die ersten beiden veranschaulichen körperliche Gewalt, die zweiten Kontrolle des Bewußtseins.]
Das zwangsheterosexuelle Prinzip schafft allumfassende Strukturen, nach denen die Körper strukturiert und positioniert werden:
„These discourses of heterosexuality oppress us in the sense that they prevent us from speaking unless we speak in their terms.“[82]
[Die Diskurse der Heterosexualität unterdrücken uns in dem Sinne, daß sie uns am Sprechen hindern, solange bis wir in ihren Worten sprechen.]
Durch die Ordnungsprinzipien des Patriarchats und der Zwangsheterosexualität wer-den kulturell intelligible Subjekte produziert; hierbei muß es, damit „die Körper eine Einheit bilden und sinnvoll sind, […] ein festes Geschlecht geben, das durch eine feste Geschlechtsidentität zum Ausdruck gebracht wird, die durch die zwanghafte Praxis der Heterosexualität gegensätzlich und hierarchisch definiert ist.“[83]
1.5.3. Die Familie
Die Einteilung in zwei Geschlechter als Basis der gesellschaftlichen Ordnung wird über vielfältige gesellschaftliche Diskurse reguliert und konkret vermittelt. An diesem Prozeß sind Sozialisationsagenturen wie z.B. die Schule, gesellschaftliche Institutionen und Gruppen, Medien und Kultur beteiligt. Die zentrale Rolle spielt allerdings die Familie als primäre Sozialisationsinstanz:
„Auch den außerfamiliären Institutionen wie Kindergarten und Vorschuleinrichtungen sowie gleichaltrigen Spielgefährten, nichtfamiliären erwachsenen Bezugspersonen und schließlich den verschiedensten Medien (allen voran dem Fernsehen) kommt ein sehr wichtiger Einfluß auf die Geschlechtsidentitätsentwicklung von Kindern zu. Sie sind jedoch eher als Verstärker einzuschätzen, das heißt, ihre wesentlichste Bedeutung gewinnen sie erst zu einem Zeitpunkt, an dem die Geschlechtsidentität bereits vorgeformt und ansatzweise entwickelt ist.“[84]
Die Familie ist der Ort der Erfahrungsgewinnung und Begriffsbildung, wobei Erfah-rung keine Objektivität ist, sondern die Interpretation von Ereignissen und Sachver-halten darstellt. In der Familie werden den Individuen kulturelle Konventionen ver-mittelt, zu denen sie sich auf irgendeine Weise verhalten: durch Anpassung und Ü-bernahme, gleichzeitig aber auch Transformation und Widerstand, so daß das vermit-telte Bild einerseits bestärkt, ihm andererseits aber auch neue Aspekte hinzugefügt werden.
Foucault bezeichnet die bürgerliche Familie als ‘Brutstätte der Sexualität’[85] , er sieht die Eltern und Eheleute in der Familie als „die Hauptagenten eines Sexualitätsdispo-sitivs“[86] . Habermas definiert die gesellschaftliche Funktion der Familie wie folgt:
„Vor allem dient sie [die Familie], als Agentur der Gesellschaft, der Aufgabe jener schwierigen Vermittlung, die beim Schein der Freiheit die strenge Einhaltung der gesellschaftlich notwendigen Forderungen dennoch herstellt.“[87]
In der Familie als primären Sozialisationsinstanz werden die Individuen mit einer gesellschaftlich definierten Geschlechterordnung konfrontiert, die von den Individuen in Prozessen der Identitätsbildung aktiv angeeignet und reproduziert wird:
„Erst im intimisierten und inzestuösen Raum der Familie und verbunden mit der Streckung der Phase der Kindheit, lernen Menschen, systematisch Ich zu sich zu sagen, lernen sie, dauerhafte, emotional hoch aufgeladene Identifikationen, als Voraussetzung für das, was sich dann stabile Identität nennt, aufzubauen.“[88]
Auf die Bedeutung der Familie bei der Ausbildung der Geschlechtsidentität weisen auch Whicker und Kronenfeld hin, die das auf Geschlechterdifferenz abzielende Verhalten von Eltern gegenüber ihren Kindern beschreiben:
„Sex role socialization begins shortly after birth. Parents quickly impose their differential expectations, based on gender differences, on their newborn offspring. Social psychologists have documented how early and how much parents treat girl and boy babies differently. […] Parents of girls reported their babies to be softer, smaller, and less attentive than did parents of boys. Physical examinations of the babies, however, found no objective differences. […] Some studies find that parents elicit motor behavior more from boys than girls.“[89]
[Die Sozialisation der Geschlechterrollen beginnt schon kurz nach der Geburt. Eltern drängen ihre differentiellen Erwartungen, welche auf den Geschlechterunterschieden beruhen, ihrem neugeborenen Nachwuchs auf. Sozialpsychologen haben dokumentiert, wie früh und in welchem Ausmaß Eltern weibliche und männliche Babies unterschiedlich behandeln. […] Eltern von Mädchen berichteten über ihre Babies, daß sie sanfter, kleiner und weniger aufmerksam seien als dieses von Eltern von Jungen geschah. Körperliche Untersuchungen der Babies haben jedoch keine objektiven Unterschiede ergeben. […] Einige Studien haben herausgefunden, daß Eltern motorisches Verhalten bei Jungen mehr als bei Mädchen fördern.]
Zu einem ähnlichen Ergebnis, welches die Rolle der Eltern und der Familie in der Konstruktion von Geschlechtsidentität unterstreicht, kommt Karin Désirat:
„Erfahrungen mit Intersexuellen, bei denen die Ausbildung des äußeren Genitals doppeldeutig war und zu unterschiedlicher Geschlechtszuschreibung unmittelbar nach der Geburt führte, haben gezeigt, daß diese Zuschreibung und die in der Regel damit verbundene geschlechtstypische Erziehung für die Entwicklung der Geschlechtsidentität und die Annahme der Geschlechtsrolle entscheidend waren.“[90]
Die Familie in ihrer traditionellen Form als Kleinfamilie unterliegt heute starken Veränderungen, die sie an Bedeutung und Einfluß verlieren lassen. Ulrich Beck weist darauf hin, [91] daß eine elementare Verbindung zwischen den Geschlechterrollen und der Kleinfamilie besteht und im Zuge der Individualisierung Männer und Frauen aus den traditionellen Rollen freigesetzt werden, was wiederum zu Auflösungserscheinungen in der traditionellen Form der Familie führt:
„Noch in den sechziger Jahren besaßen Familie, Ehe und Beruf als Bündelung von Lebensplänen, Lebenslagen und Biographien weitgehend Verbindlichkeit. Inzwischen sind in allen Bezugspunkten Wahlmöglichkeiten und -zwänge aufgebrochen.“[92]
In diesem Sinne ergibt sich ein differenziertes Bild in Bezug auf die Familie. Einerseits führen Auflösungserscheinungen der traditionellen Kleinfamilie zu einem Bedeutungs- und Einflußverlust, andererseits ist die Familie - wenn auch in steigendem Maße in Form von ‘wilder Ehe’, Scheidungsfamilien, Mann-Kind / Frau-Kind-Familie - immer noch eine intakte Sozialisationsinstanz; die ‘Agentur der Gesellschaft’, durch die kulturelle Leitbilder vermittelt werden. Diese werden ihrerseits durch ein geändertes Familien- und Geschlechterrollen-Bild modifiziert, so daß auch die Institution ‘Familie’ eine dynamische Größe darstellt:
„Man muß […] davon ausgehen, daß die vielfältigen Kraftverhältnisse, die sich in den Produktionsapparaten, in den Familien, in den einzelnen Gruppen und Institutionen ausbilden und auswirken, als Basis für weitreichende und den gesamten Gesellschaftskörper durchlaufende Spaltungen dienen. Diese bilden dann eine große Kraftlinie, die die lokalen Konfrontationen durchkreuzt und verbindet -aber umgekehrt bei diesen auch Neuverteilungen, Angleichungen, Homogenisierungen, Serialisierungen und Konvergenzen herbeiführen kann.“[93]
1.5.4. Kleidung als Ausdruck der Geschlechterdifferenz
„There is much to support the view that it is clothes that wear us and not we them.“
[Es spricht viel für die Vorstellung, daß es die Kleidung ist, die uns trägt, und nicht wir sie.] Virginia Woolf[94]
Ein Ausdruck fester Geschlechtsidentitäten ist geschlechtsspezifische Kleidung. Der kulturelle Wunsch bzw. die Notwendigkeit, im patriarchalisch-heterosexuellen Sys-tem zu unterscheiden, geht einher mit dem Bedürfnis, diesen Unterschied auch -öffentlich- zu sehen. Die kulturelle Wahrnehmbarkeit wird in großem Maße durch die geschlechtsspezifische Kleidung erreicht: „Clothing powerfully defines sex ro-les.“[95] [Kleidung definiert wirksam Geschlechterrollen.] In ihrer Kategorisierung in männlich und weiblich sind diedress-codeswichtige und unerläßliche kulturelle Zeichen, welche den jeweiligen Körpern eine männliche oder weibliche Identität zuschreiben; dadurch werden die Körper mittels der Kleidung kulturell einordbar. Die optimale Funktion von Kleidung besteht darin, daß aus ihr neben der sozialen Gruppenzugehörigkeit das Geschlecht zweifelsfrei gelesen werden kann[96] . Insbeson-dere Frauen wird abverlangt, daß sie sich durch Make-up und Kleidung ‘herauszu-putzen’ und „in stärkerem Maße Geschlechtsidentifikations-Signale aussenden“[97] . Laura Mulvey bemerkt hierzu:
„This perfect image, this mask of visibility (which, composed of make-up, clothes and so on, has an indexical relationship to the woman’s body) is furthermore a symbolic sign. It represents the concept of woman in a given social formation […].“[98]
[Dieses perfekte Bild, die Maske der Sichtbarkeit (welche, bestehend aus Make-up, Kleidung und so weiter, eine indexikale Verbindung zum Körper der Frau hat) ist darüber hinaus ein symbolisches Zeichen. Es repräsentiert das Konzept von Frau in einer gegebenen sozialen Formation […]]
Obwohl die geschlechtsspezifische Kleidernorm heutzutage Auflösungserscheinungen unterliegt, nimmt die Kleidung bei der Manifestierung und Regulierung kultureller Standards immer noch einen hohen Stellenwert ein. Als soziale Norm trägt sie dazu bei, unsere Vorstellungen von ‘Mann’ und ‘Frau’ zu strukturieren. Das subversive Potential, welches Kleidung in sich birgt und mit dem Kategorien wie Hierarchie undgenderkritisiert werden können, soll in Kapitel 2.1.2. im Zusammenhang mit Cross-Dressing zur Sprache kommen.
2. „Die Gespenster der Diskontinuität und Inkohärenz“
2.1. Die Grenzen der Intelligibilität
In der Matrix der[99] kulturellen Intelligibilität sind die konstitutiven Elemente der Iden-titätsbildung die Kohärenz und die Kontinuität zwischen dem biologischen Ge-schlecht, der Geschlechtsidentität, dem Begehren und der sexuellen Praxis. Für die-sen Prozeß ist eine Übereinstimmung mit dem Naturbegriff maßgeblich, die Körper werden binär und asymmetrisch naturalisiert, die Geschlechtsorgane fungieren als naturalisierendes Zeichen. Die Identität und die Intelligibilität des Subjekts werden also durch die Konzepte biologisches Geschlecht, Geschlechtsidentität und Sexuali-tät errichtet und stabilisiert.
Diese gültigen Kategorien stoßen an ihre Grenzen, wenn Individuen auftauchen, die nicht mehr in die herrschende Matrix eingeordnet werden können, die vor dem Hin-tergrund der Intelligibilität inkohärent und diskontinuierlich sind. Hier eröffnet „das Fremde, Inkohärente, das, was ‘herausfällt’, für uns einen Weg, die als selbstver-ständlich hingenommene Welt der sexuellen Kategorisierung als eine Konstruktion, die im Grund auch anders konstruiert sein könnte, zu verstehen“[100] . Den Charakter der Zwangsordnung, die nur bestimmte Identitäten als intelligibel konstituiert, möch-te ich im folgenden an drei Beispielen sichtbar machen: Transsexualität, Cross-Dressing und Homosexualität.
[...]
[1] Sabine Sielke, Why Gender Matters: Zur Bedeutung der Geschlechterforschung für die Amerikastu-dien, in: Gender Matters - Geschlechterforschung und Amerikastudien, hg. dies., Berlin 1997, S.2.
[2] Judith Butler, Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt a.M. 1991, S.22.
[3] Zum interdisziplinären Ansatz derGender Studiesvgl. André Kieserling, Konstruktion als interdisziplinärer Begriff - Zum Theorieprogramm der Geschlechterforschung, in: Konstruktion von Geschlecht, hg. Ursula Pasero und Friederike Braun, Pfaffenweiler 1995, S.89-114.
[4] Vgl. Martina Kretschmann, „Raus aus dem Ghetto“, in: Der Tagesspiegel, Nr.15876 (29.April 1997), S.36.
[5] Vgl. Studienordnung für den Magisterteilstudiengang ‘Geschlechterstudien/Gender Studies’, ent-nommen der Homepage des Studienganges ‘Gender Studies’, im Internet unter http://www2.rz.hu-berlin.de/zif/studor.htm.
[6] Zur Geschichte des Begriffes ‘gender’ vgl. u.a. Sielke, Why Gender Matters, S.1f.
[7] Vgl. Sabine Wolf, Ökonomie und ‘Geschlechterverhältnis’, Pfaffenweiler 1996, S.42.
[8] Judith Butler, Körper von Gewicht - Die diskursiven Grenzen des Geschlechts, Berlin 1995, S.9.
[9] Werner Faulstich, Die Filminterpretation, Göttingen 1988, S.13.
[10] Gert Mattenklott in einem Gespräch mit Catrin Phischkowsky, „Wie marktgerecht ist Gender? -Der Literaturwissenschaftler Gert Mattenklott über Gender Studies und gesellschaftliche Modernisierung“, in: Jungle World, Nr.26 (24.Juni 1998), S.5.
[11] Butler, Unbehagen der Geschlechter, S.27.
[12] Lewis Carroll, Alice im Wunderland, Berlin 1968, S.136. Die Relevanz dieses Zitates soll in den nächsten Kapiteln deutlich werden.
[13] Sigmund Freud, Die Weiblichkeit, in: Gesammelte Werke, Bd.15: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, Frankfurt a.M. 1940, S.120.
[14] Ich folge hier Gesa Lindemann, die „Körper als ein Zeichen und das Geschlecht als dessen Bedeutung“ versteht. Gesa Lindemann, Geschlecht und Gestalt: Der Körper als konventionelles Zeichen der Geschlechterdifferenz, in: Konstruktion von Geschlecht, hg. Ursula Pasero und Friederike Braun, Pfaffenweiler 1995, S.118.
[15] Simone de Beauvoir, Das andere Geschlecht - Sitte und Sexus der Frau, Reinbek bei Hamburg 1992 [11951], S.70.
[16] Michel Foucault, Sexualität und Wahrheit, Bd.1: Der Wille zum Wissen, Frankfurt a.M. 1977, S. 184.
[17] Kerrin Christiansen, Biologische Grundlagen der Geschlechterdifferenz, in: Konstruktion von Geschlecht, a.a.O., S.15.
[18] Gayle Rubin, The Traffic in Women - Notes on the ‘Political Economy’ of Sex, in: Toward an Anthropology of Women, hg. Rayna R. Reiter, New York 1975, S.180.
[19] Irene Fast, Von der Einheit zur Differenz - Psychoanalyse der Geschlechtsidentität, Berlin 1991, S.65. Obwohl Fast meiner Meinung nach bei der Verwendung von Ausdrücken wie ‘körperliche Männlichkeit’, ‘tatsächliches Geschlecht’ oder auch ‘Geschlechtsunterschied’ die kulturelle Determination dieser Termini zu wenig beachtet und sie dadurch unkritisch verwendet, finde ich ihre Ergebnisse in diesem Zusammenhang trotzdem konstruktiv.
[20] Ebd., S.93.
[21] Beauvoir, S.9.
[22] Den Begriff ‘Diskurs’ werde ich im Foucaultschen Sinne verwenden, als „Menge von Aussagen, die einem gleichen Formationssystem zugehören“. Thomas Lemke, Eine Kritik der politischen Vernunft - Foucaults Analyse der modernen Gouvernementalität, Hamburg 1997, S.45.
[23] Sielke, Why Gender Matters, S.6.
[24] Butler, Unbehagen der Geschlechter, S.214.
[25] Ebd., S.60.
[26] Teresa de Lauretis, Alice doesn’t - Feminism, Semiotics, Cinema, Bloomington 1984, S.159.
[27] Vgl. Butler, Körper von Gewicht, S.249.
[28] Stefan Storz, „Das Ende der Zärtlichkeit“, in: Spiegel special, Der deutsche Mann, Nr.7 (1997), S.130.
[29] Beauvoir, S.338.
[30] Judith Butler definiert eine ‘performative Äußerung’ in Anlehnung an die Sprechakttheorie als „diejenige diskursive Praxis, die das vollzieht oder produziert, was sie benennt“. Butler, Körper von Gewicht, S.36.
[31] Butler, Unbehagen der Geschlechter, S.172.
[32] Ebd., S.49.
[33] Ebd.
[34] Johannes von Moltke, „Camping in the Art Closet: The Politics of Camp and Nation in German Film“, in: New German Critique, Nr.63 (Herbst 1994), S.90.
[35] Mary Crawford und Roger Chaffin, The Reader’s Construction of Meaning - Cognitive Research on Gender and Comprehension, in: Gender and Reading - Essays on Readers, Texts, and Contexts, hg. Elizabeth A. Flynn und Patrocinio P. Schweickart, Baltimore 1986, S.13.
[36] Sabine Sielke, Engendering the Body: Kostümierung, Camouflage und Cross-Dressing als feministische Praxis?, in: Gender Matters, a.a.O., S.74.
[37] Butler, Körper von Gewicht, S.14.
[38] Vgl. ebd., S.133.
[39] Ursula Scheu, Wir werden nicht als Mädchen geboren - wir werden dazu gemacht, Frankfurt a.M. 1977, S.41.
[40] Marjorie Garber, Vested Interests - Cross-Dressing and Cultural Anxiety, New York 1992, S.374.
[41] Beauvoir, S.323.
[42] Butler, Unbehagen der Geschlechter, S.217.
[43] Jacqueline Rose, zit. nach ebd., S.90.
[44] Butler, Unbehagen der Geschlechter, S.211.
[45] Ebd., S.217.
[46] Ebd., S.200.
[47] Vgl. Monique Wittig, „One is not Born a Woman“, in: Feminist Issues, Nr.2 (Winter 1981), S.48.
[48] Butler, Unbehagen der Geschlechter, S.43.
[49] Sielke, Why Gender Matters, S.8.
[50] Joan Riviere, Weiblichkeit als Maskerade, in: Weiblichkeit als Maskerade, hg. Liliane Weissberg , Frankfurt a.M. 1994, S.38f.
[51] Rose, zit. nach Butler, Unbehagen der Geschlechter, S.90.
[52] Butler, Unbehagen der Geschlechter, S.38.
[53] Ebd.
[54] Butler, Körper von Gewicht, S.161. Zu dieser Definition von ‘Identität’ vgl. auch Butler, Unbehagen der Geschlechter, S.37ff.
[55] Sylvia Walby, zit. nach Ann Brooks, Postfeminisms: Feminism, Cultural Theory and Cultural Forms, New York 1997, S.6.
[56] Butler, Körper von Gewicht, S.303.
[57] Zu diesem Subjektverständnis vgl. u.a. Michel Foucault, Überwachen und Strafen - Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a.M. 1976, S.39ff, und Judith Butler, The Psychic Life of Power - Theories in Subjection, Stanford 1997, S.1-30 und S.83-105, und Ebd., Subjects of Desire - Hegelian Reflections in Twentieth-Century France, New York 1987, S.175ff.
[58] Jackie Stacey, Feminist Theory: Capital F, Capital T, in: Introducing Women’s Studies, hg. Victoria Robinson und Diane Richardson, New York 1997, S.55.
[59] Vgl. Regine Gildemeister und Angelika Wetterer, Wie Geschlechter gemacht werden - Die soziale Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit und ihre Reifizierung in der Frauenforschung, in: Traditionen-Brüche, hg. Gudrun-Axeli Knapp und Angelika Wetterer, Freiburg i.Br. 1992, S.201ff.
[60] Sielke, Why Gender Matters, S.10.
[61] Ebd., S.11.
[62] Butler, Körper von Gewicht, S.33.
[63] Vgl. ebd., S.24f.
[64] Ebd., S.100.
[65] Ebd., S.54.
[66] Butler, Unbehagen der Geschlechter, S.123.
[67] Mary Douglas, Reinheit und Gefährdung, Frankfurt a.M. 1988, S.15f.
[68] Zum Folgenden vgl. Beauvoir, S.12ff.
[69] Zum Folgenden vgl. Ulrich Beck, Freiheit oder Liebe - Vom Ohne-, Mit- und Gegeneinander der Geschlechter innerhalb und außerhalb der Familie, in: Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim, Das ganz normale Chaos der Liebe, Frankfurt a.M. 1990, S.23f.
[70] Ebd., S.24.
[71] Ebd., S.28.
[72] Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim, Einleitung: Riskante Chancen - Gesellschaftliche Individualisierung und soziale Lebens- und Liebesformen, in: Das ganz normale Chaos der Liebe, a.a.O., S.15.
[73] Beck, Freiheit oder Liebe, S.45f.
[74] Ebd., S.36.
[75] Vgl. Beauvoir, S.31.
[76] Ich beziehe mich hier auf Butler, die die Reproduktion der Gattung als Reproduktion von Reproduktionsverhältnissen versteht. Vgl. Butler, Körper von Gewicht, S.223.
[77] Butler, Unbehagen der Geschlechter, S.143.
[78] Tim Carrigan et. al., Ansätze zu einer neuen Soziologie der Männlichkeit, in: Kritische Männerforschung - Neue Ansätze in der Geschlechtertheorie, hg. BauSteineMänner, Berlin 1996, S.55.
[79] Vgl. Wittig, „One is not Born a Woman“, S.53 und Butler, Unbehagen der Geschlechter, S.219f.
[80] Vgl. Adrienne Rich, Compulsory Heterosexuality and Lesbian Existence, in: Powers of Desire -The Politics of Sexuality, hg. Ann Snitow et.al., New York 1983, S.182. Da ich Richs Bezeichnung ‘Zwangsheterosexualität’ in Bezug auf die Geschlechterordnung präziser finde, werde ich im folgenden auf diesen Begriff zurückgreifen.
[81] Ebd., S.185.
[82] Monique Wittig, „The Straight Mind“, in: Feminist Issues 1 (Sommer 1980), S.105.
[83] Butler, Unbehagen der Geschlechter, S.220.
[84] Karin Désirat, Die transsexuelle Frau, in Reihe: Beiträge zur Sexualforschung, hg. Martin Dannecker et.al., Bd.60, Stuttgart 1985, S.14.
[85] Vgl. Foucault, Wille zum Wissen, S.131.
[86] Ebd., S.133.
[87] Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Frankfurt a.M. 1991, S.111.
[88] Wolfgang Hegener, „Aufstieg und Fall schwuler Identität - Ansätze zur Dekonstruktion der Kategorie Sexualität“, in: Zeitschrift für Sexualforschung, Nr.2 (1993), S.143.
[89] Marcia Lynn Whicker und Jennie Jacobs Kronenfeld, Sex Role Changes - Technology, Politics, and Policy, New York 1986, S.13.
[90] Désirat, S.13.
[91] Zum Folgenden vgl. Ulrich Beck, Risikogesellschaft - Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a.M. 1986, S.208ff und Beck, Freiheit oder Liebe, S.38ff.
[92] Ebd., Freiheit oder Liebe, S.25.
[93] Foucault, Der Wille zum Wissen, S.115.
[94] Zit. nach: Sandra M. Gilbert, Costumes of the Mind - Transvestism as Metaphor in Modern Literature, in: Gender Studies - New Directions in Feminist Criticism, hg. Judith Spector , Bowling Green State University Popular Press 1986, S.70.
[95] Ebd., S.71.
[96] Vgl. Garber, Vested Interests, S.26.
[97] Nancy M. Henley, Körperstrategien - Geschlecht, Macht und nonverbale Kommunikation, Frankfurt a.M. 1988, S.202.
[98] Laura Mulvey, Images of Women, Images of Sexuality: Some Films by J.L. Godard, in: Visual and Other Pleasures, hg. dies., London 1989, S.55.
[99] Entliehen einer Formulierung Judith Butlers. Vgl. Butler, Unbehagen der Geschlechter, S.38.
[100] Ebd., S.164.
- Quote paper
- Arendt Röskens (Author), 1999, Dekonstruktion von eindeutiger Geschlechterordnung in den Filmen Pedro Almodóvars, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48551
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