Seit jeher steht im Zentrum der Massenkommunikationsforschung die Frage: Wie verhalten sich Medien und Realität zueinander? Diese Arbeit soll, ausgehend von der These, dass Massenmedien nur einen Interpretations- und Orientierungsrahmen für Ereignisse liefern2, die Sicherheit der medial vermittelten Fakten in Frage stellen. Ihr Einfluss soll als komplexer Prozess vorgestellt werden, in dessen Verlauf sich Wirklichkeitsentwürfe herausbilden, die letztendlich zu einer ganz eigenen Realität führen. Die Aussage, dass alles, was wir über die Welt zu wissen glauben, nur eine medial geprägte Konstruktion darstellen soll, erscheint zunächst befremdlich. In der Wissenschaft wird die naive Abbildposition in Bezug auf die Wahrnehmung der Wirklichkeit jedoch schon seit einiger Zeit nicht mehr vertreten. Der naive Empirismus, dessen Maxime die Anhäufung von Tatsachen ist, die am Ende zu einer Wahrheit addiert werden, ist in Bezug auf Massenmedien nicht mehr aktuell. Die radikalen Konstruktivisten kämpfen hier gegen die intuitive Auffassung breiter Bevölkerungsschichten. Den Verdacht, dass das medial vermittelte Wissen manipuliert wird, hat der Grossteil der Rezipienten von Massenmedien sowieso. Doch wirkt sich dieses Gegenwissen aus? Kann man sich im Bewusstsein dieser Manipulationsversuche gegen eine verfälschte Wahrnehmung der Wirklichkeit wehren? Ist die Welt an sich durch Medien überhaupt erfahrbar? Sind Medien nicht vielmehr selektiv und verzerren die eigenen Informationsmöglichkeiten schon von vornherein? Wird nicht vielmehr verschleiert als die Sicherheit der Fakten gewährleistet? Es scheint, als bilde sich unsere Auffassung von Realität durch medieneigene Gesetzmäßigkeiten. In den folgenden Ausführungen wird sich der Thematik durch eine Standortbestimmung von Systemtheorie und Konstruktivismus im Theorienspektrum der Medienwissenschaft genähert. Anschließend werden verschiedene kommunikationstheoretische Modelle vorgestellt, wodurch ersichtlich werden soll, dass sich Medienkommunikation nicht mehr als linearer Prozess verstehen lässt. Schließlich werden verschiedene Theorien vorgestellt, die die Selektivität und Subjektivität der Massenmedien verdeutlichen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Verortung der Medienwissenschaft
2.1 Theorienspektrum
2.2 Definitionen
2.2.2 Medien
2.2.3 Massenmedien
3 Kommunikation
3.1 Kommunikationstheoretische Modelle
3.1.1 Das klassische Paradigma
3.1.2 Die Lasswellformel
3.1.3 Das System der Massenkommunikation
3.2 Kommunikation der Massenmedien
4 Realität der Massenmedien
4.1 Die »ptolemäische« und die »kopernikanische« Auffassung
4.2 Nachrichtenfaktoren
4.3 Skandaltheorie
4.4 Realität zweiter Ordnung
4.5 Risikowahrnehmung
4.6 Systemgeheimnisse
4.7 Medienethik und Journalismus
5 Fazit
Literaturverzeichnis
„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“[1]
Niklas Luhmann
1. Einleitung
Seit jeher steht im Zentrum der Massenkommunikationsforschung die Frage: Wie verhalten sich Medien und Realität zueinander? Diese Arbeit soll, ausgehend von der These, dass Massenmedien nur einen Interpretations- und Orientierungsrahmen für Ereignisse liefern[2], die Sicherheit der medial vermittelten Fakten in Frage stellen. Ihr Einfluss soll als komplexer Prozess vorgestellt werden, in dessen Verlauf sich Wirklichkeitsentwürfe herausbilden, die letztendlich zu einer ganz eigenen Realität führen.
Die Aussage, dass alles, was wir über die Welt zu wissen glauben, nur eine medial geprägte Konstruktion darstellen soll, erscheint zunächst befremdlich. In der Wissenschaft wird die naive Abbildposition in Bezug auf die Wahrnehmung der Wirklichkeit jedoch schon seit einiger Zeit nicht mehr vertreten. Der naive Empirismus, dessen Maxime die Anhäufung von Tatsachen ist, die am Ende zu einer Wahrheit addiert werden, ist in Bezug auf Massenmedien nicht mehr aktuell. Die radikalen Konstruktivisten kämpfen hier gegen die intuitive Auffassung breiter Bevölkerungsschichten. Den Verdacht, dass das medial vermittelte Wissen manipuliert wird, hat der Grossteil der Rezipienten von Massenmedien sowieso. Doch wirkt sich dieses Gegenwissen aus? Kann man sich im Bewusstsein dieser Manipulationsversuche gegen eine verfälschte Wahrnehmung der Wirklichkeit wehren? Ist die Welt an sich durch Medien überhaupt erfahrbar? Sind Medien nicht vielmehr selektiv und verzerren die eigenen Informationsmöglichkeiten schon von vornherein? Wird nicht vielmehr verschleiert als die Sicherheit der Fakten gewährleistet?
Es scheint, als bilde sich unsere Auffassung von Realität durch medieneigene Gesetzmäßigkeiten. In den folgenden Ausführungen wird sich der Thematik durch eine Standortbestimmung von Systemtheorie und Konstruktivismus im Theorienspektrum der Medienwissenschaft genähert. Anschließend werden verschiedene kommunikationstheoretische Modelle vorgestellt, wodurch ersichtlich werden soll, dass sich Medienkommunikation nicht mehr als linearer Prozess verstehen lässt. Schließlich werden verschiedene Theorien vorgestellt, die die Selektivität und Subjektivität der Massenmedien verdeutlichen.
2 Verortung der Medienwissenschaft
Im folgenden Kapitel soll durch Aufzeigen der vielfältigen relevanten Theorien und wichtiger Definitionen eine Standortbestimmung der Massenmedien erreicht und ein Verständnis für die in dieser Arbeit vorgenommene Betrachtungsweise ermöglicht werden.
2.1 Theorienspektrum
Um die Vielfalt der Theorien, die in den Medienwissenschaften Anwendung finden, abzubilden, stellt Stefan Weber im Jahre 2003 sein Modell vom »Theorien-Raum der Medienwissenschaft« (Abbildung 1) zur Diskussion. Dabei werden alle gegenwärtig verfügbaren Theorien für die Medienwissenschaft in einem dreidimensionalem Raum positioniert. Auf der x-Achse wird die Dimension »(techno-)pessimistisch/ (techno-)optimistisch«, auf der y-Achse die Dimension »Komplexität und Abstraktionsgrad niedrig/ Komplexität und Abstraktionsgrad hoch« und auf der z-Achse die Dimension »Einzelmedientheorie/ Theorie für viele Medien« dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Theorien-Raum der Medienwissenschaft[3]
Die Systemtheorie und der radikale Konstruktivismus sind als hochkomplexe Theorien mit hohem Abstraktionsgrad erkennbar. Auch wenn Weber einen Theorien-Pluralismus vertritt[4], kommt man um eine Erwähnung der Sonderstellung beider Theorien nicht umhin: Sie erheben Anspruch auf die Abdeckung des gesamten Bereiches der Wirklichkeit.[5] Durch diesen Totalisierungsanspruch spricht man auch von Supertheorien oder Universaltheorien.[6] Ziel dieser Arbeit ist es, die Konstruktion der Wirklichkeit durch die Medien vorrangig auf Grundlage dieser Theorien zu untersuchen.
2.2 Definitionen
Im Folgenden werden die grundlegenden Begrifflichkeiten »Medien« und »Massenmedien« definitorisch abgegrenzt, da die weiterführenden Betrachtungen auf ihrer Basis erfolgen wird. Durch eine einheitliche Terminologie soll die Verständigung über den Gegenstand dieser Arbeit erleichtert werden.
2.2.1 Medien
Unter Medien werden in der Regel alle visuellen, auditiven und audiovisuellen Kommunikationsmittel zusammengefasst, die im Bereich der öffentlichen oder privaten Kommunikation genutzt werden.[7] Dazu zählen beispielsweise Presse, Fernsehen, Rundfunk und Telefon.
Niklas Luhmann, der als Weiterentwickler und Vollender der soziologischen Systemtheorie gilt, unterscheidet Medien aus der speziellen Sicht sozialer Systeme. Seiner Auffassung nach dienen Medien als Voraussetzung für Kommunikation, sind aber selbst kein Teil von Kommunikation. Das unterscheidet den systemischen Medienbegriff von konventionellen Definitionen.[8] Luhmann grenzt folgende Kommunikationsmedien gegeneinander ab:
- Sprache,
- Verbreitungsmedien und
- Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien/ Erfolgsmedien.
Sprache ist dabei die Voraussetzung für das Entstehen von Verbreitungsmedien, wie Schrift, Druck und elektronische Medien. Sprache und Verbreitungsmedien sind auch diejenigen, die „die Kommunikation einer Gesellschaft generell bestimmen“[9]. Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien beziehungsweise Erfolgsmedien hingegen sind nach Luhmann spezielle Felder und bestimmte Probleme in ausdifferenzierten Gesellschaften. Dazu zählt er unter anderem Wahrheit, Liebe und Macht.[10]
2.2.3 Massenmedien
Neben Schrift, Druck und elektronischen Medien zählt man auch die Massenmedien zu den Verbreitungsmedien (Kapitel 2.2.2). Ihre Funktion ist nach Luhmann die Bereitstellung von Orientierungswissen über die Realität. Die Gesellschaft hat sich im Laufe ihrer Evolution immer weiter ausdifferenziert und dabei zahlreiche Subsysteme ausgebildet, die in der Systemtheorie »Funktionssysteme« genannt werden. Die Besonderheit an den Massenmedien ist, dass sie neben Wissenschaft, Recht, Kunst, Wirtschaft, Erziehung, Religion und Politik als eigenes Funktionssystem innerhalb der Gesellschaft existieren. Sie operieren als soziales System autopoietisch und erzeugen und verbreiten Kommunikationen. Kommunikationen in Form von Informationen sind dabei die Elemente des Systems, die binär (informativ/nicht-informativ) codiert werden.[11] Weiterhin grenzen sich Massenmedien von anderen Medienformen dadurch ab, dass sie auf keine Interaktion von Sender und Empfänger angewiesen sind und ihre Verbreitung in der Regel nur durch technische Vervielfältigungsapparaturen möglich ist.[12]
3 Kommunikation
Kommunikation wird in der Wissenschaft recht unterschiedlich konzeptualisiert. Allein im Soziologie-relevanten Kontext konnte Klaus Merten im Jahre 1977 160 verschiedene Definitionen von Kommunikation identifizieren.[13]
3.1 Kommunikationstheoretische Modelle
Um die Unterschiede in der Komplexität einzelner Ansätze zu verdeutlichen, werden exemplarisch drei Kommunikationsmodelle vorgestellt.
3.1.1 Das klassische Paradigma
Ein oft gebrauchtes Modell zur Beschreibung des Kommunikationsprozesses ist das klassische Stimulus-Response-Modell (Abbildung 2):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Klassisches Stimulus-Response-Modell[14]
Dieses einfache und grundlegende Modell dominiert noch immer das Verständnis von Kommunikation. Unter anderem lässt sich hier Kritik am Nicht-Beachten der Themenselektion durch Rezipient und Medium und die Vernachlässigung des Einflusses von dispositionalen und situativen Faktoren üben.
[...]
[1] Luhmann 1996, S. 9
[2] Vgl. Schmidt 1994, S. 17
[3] Weber 2003, S. 334
[4] Vgl. Weber 2003, S. 335
[5] Vgl. Luhmann 1987, S. 33
[6] Vgl. Krause 2001, S. 225
[7] Vgl. Schaub 2004, S. 380
[8] Berghaus 2004, S. 115
[9] Berghaus 2004, S. 117
[10] Vgl. Luhmann 1984, S. 220ff.
[11] Vgl. Krause 2001, S. 210
[12] Vgl. Schützeichel 2004, S. 279
[13] Schützeichel 2004, S. 19
[14] Merten 1999, S. 54
- Arbeit zitieren
- Marcel Bohnert (Autor:in), 2005, Die Konstruktion der Wirklichkeit durch die Massenmedien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48434
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