Die Ergebnisse empirischer Sozialforschung weisen schon seit einiger Zeit darauf hin, dass unsere westeuropäische Gesellschaft einem starken Wandlungsprozess unterworfen ist, der sich auch in dem Beziehungsgeflecht der Familie widerspiegelt. Je nach politisch-gesellschaftlicher Gesinnung der medialen Transformatoren, verursachen die statistischen Daten eine mehr oder weniger düstere Vorstellung des momentanen familiären Zusammenlebens in den Köpfen der Menschen.
Ist die Familie wie wir sie kennen vom Aussterben bedroht oder ist sie im Begriff, sich dem allgemeinen wirtschaftlichen Trend der Differenzierung hinzugeben und befindet sich somit nur in einer Umbau-, Renovierungs- oder Erneuerungsphase? Solche und ähnliche Fragen rücken immer stärker in das sozialwissenschaftliche Interesse.
Diese Arbeit betrachtet die aktuellen familiären Wandlungstendenzen unter dem Gesichtspunkt der Individualisierungstheorie von Ulrich Beck und seiner Ehefrau Elisabeth Beck-Gernsheim, ergänzt sie mit den Ansichten von Anthony Giddens, Richard Sennet und Oskar Negt und diskutiert dabei, ob mit Individualisierung ein Freiheitsgewinn oder eine neue Art gesellschaftlicher Zwänge einhergeht. Ziel ist es, unser westeuropäisches Familienideal auf Gegenwartsangemessenheit und Zukunftschancen zu analysieren und aufzuzeigen, inwieweit wir uns auf den Weg in die ,,postfamiliale Familie“ befinden.
Inhaltsverzeichnis:
1. Thematische Einführung
1.1. Ambitionen, Ziele und Vorgehensweisen der Arbeit
1.2. Definition des Begriffs ,,Familie“
1.3. Die Institution ,,Familie“ und ihre Funktionen
2. Die Entstehung der bürgerlichen Familie als familialer Normaltypus der Moderne
3. Ursachen und Konsequenzen der Individualisierung im postmodernen Kontext
3.1. Was bedeutet ,,Individualisierung“?
3.2. Tradition und Risiko
3.3. Wie die Individualisierung die Menschen freisetzt
3.3.1. Flexibilitätsideologie und Familie
3.3.1.1. Divergierende Zeitrhythmen und Aufenthaltsorte
3.3.2. Bindungs(un)fähigkeit des arbeitsmarkabhängigen Individuum
3.3.3. Scheidungen als Ausdruck der Interdependenz von Arbeitsmarkt, staatlicher Institutionen und Familie
3.3.3.1. Die Scheidungsspirale
3.3.4. Der Mensch auf der Suche nach dem Sinn
3.3.5. Konturen der ,,postfamilialen Familie“
4. Ein Blick auf die Ergebnisse empirischer Sozialforschung
5. Kritische Anmerkungen zur Individualisierungstheorie
6. Zusammenfassende Gedanken
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
1. Thematische Einführung
1.1. Ambitionen, Ziele und Vorgehensweise der Arbeit
Die Ergebnisse empirischer Sozialforschung weisen schon seit einiger Zeit darauf hin, dass unsere westeuropäische Gesellschaft einem starken Wandlungsprozess unterworfen ist, der sich auch in dem Beziehungsgeflecht der Familie widerspiegelt. Je nach politisch-gesellschaftlicher Gesinnung der medialen Transformatoren, verursachen die statistischen Daten eine mehr oder weniger düstere Vorstellung des momentanen familiären Zusammenlebens in den Köpfen der Menschen.
Ist die Familie wie wir sie kennen vom Aussterben bedroht oder ist sie im Begriff, sich dem allgemeinen wirtschaftlichen Trend der Differenzierung hinzugeben und befindet sich somit nur in einer Umbau-, Renovierungs- oder Erneuerungsphase? Solche und ähnliche Fragen rücken immer stärker in das sozialwissenschaftliche Interesse.
Diese Arbeit betrachtet die aktuellen familiären Wandlungstendenzen unter dem Gesichtspunkt der Individualisierungstheorie von Ulrich Beck und seiner Ehefrau Elisabeth Beck-Gernsheim, ergänzt sie mit den Ansichten von Anthony Giddens, Richard Sennet und Oskar Negt und diskutiert dabei, ob mit Individualisierung ein Freiheitsgewinn oder eine neue Art gesellschaftlicher Zwänge einhergeht. Ziel ist es, unser westeuropäisches Familienideal auf Gegenwartsangemessenheit und Zukunftschancen zu analysieren und aufzuzeigen, inwieweit wir uns auf den Weg in die ,,postfamiliale Familie“[1] befinden.
Vor der Beantwortung dieser Frage, wird zunächst eine grobe Einordnung des Begriffs ,,Familie“ vorgenommen, dann die familiären Funktionen beleuchtet und schließlich ein Blick auf die Entwicklung der bürgerlichen Familie geworfen.
Obwohl es sich bei dieser Arbeit schwerpunktmäßig um eine soziologische handelt, werden dennoch individuelle und empirische Perspektiven mit einfließen. Gesellschaftliche Wandlungen zu betrachten ohne Individuen mit einzubeziehen bzw. Theorien aufzustellen ohne empirische Beweisführung, ist für die Überprüfung realer Zusammenhänge äußerst unangemessen.
1.2. Definition des Begriffs ,,Familie’’
Die Partnerschaft bzw. Ehe[2] zwischen zwei Menschen und die daran anschließende Kinderzeugung bzw. Familiengründung stellt die kleinste und älteste Integrationsstufe der Menschheit dar. Auf ihr bauen alle anderen Integrationsstufen, wie Stämme, Dörfer, Städte, Staaten, Nationen etc. auf.
Das Wort ,,Familie“ existiert im deutschen Sprachraum seit Ende des 18. Jahrhunderts (vgl. Lenz/Böhmisch 1997: 14) und entstammt dem lateinischen ,,familia“, was soviel wie Hausgenossenschaft oder Hausstand bedeutet, der die Dienerschaft sowie den gesamten Besitz umfasst. (vgl. Schäfer 2003: 81).
Weder in der frühen Neuzeit noch in der Gegenwart kann von ,,der Familie“ gesprochen werden – es war schon immer eine Vielfalt familiärer Lebensformen vorhanden. Aus diesem Grund existiert auch keine einheitliche Definition des Begriffs (vgl. Lenz/Böhmisch 1997: 12). Da das Wort mit der Entwicklung der bürgerlichen Familie einherging, wird darunter häufig eine Klein- bzw. Kernfamilie assoziiert, also ein Ehepaar, das ,,mit seinen eigenen oder angenommenen unmündigen oder unverheirateten Kindern zusammenlebt“ (Hettlage 1998: 19). Leben im selben Haushalt oder in nächster Umgebung die Großeltern oder weitere Verwandte im ständigen Kontakt miteinander, so trifft der Begriff der ,,Großfamilie“ zu. Die bis in die 1960er Jahre weit verbreitete Klein- oder Kernfamilie bzw. bürgerliche Familie, stellt inzwischen nur eine von vielen Lebensformen dar. Neben ihr stehen u.a. kollektive Lebensformen (z.B. Wohngemeinschaften), Alleinlebende, Alleinerziehende, dyadische Lebensweisen (Ehe), gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Nicht-Eheliche-Lebensgemeinschaften (NEL´s) (vgl. Nave-Herz 2004: 29).
1.3. Die ,,Institution Familie“ und ihre Funktionen
Um das Lebensmodell der Familie zu verstehen, bedarf es mehr als nur ein Wissen über die begriffliche Einordnung. Es ist notwendig etwas darüber zu erfahren, was Familie ist und welche Funktionen mit ihr verbunden sind.
Die Familie ist die älteste Institution[3] der Menschheit und beinhaltet (momentan) einige ,,Sub-Institutionen“ wie Ehe und Elternschaft (vgl. Fuchs 1978: 344). Ihre wichtigste Funktion bildet die biologische und soziale Reproduktion.
Die biologische Reproduktion dient in erster Linie zur Erhaltung der Menschheit. In früheren Zeiten besaß die Kinderlosigkeit[4] kein hohes Prestige und wurde durch starke soziale Kontrolle sanktioniert.
In der Gegenwart ist die gesellschaftliche Diskriminierung kinderloser Ehen kein Thema mehr; gesetzliche Regelungen, die Bildungschancen der Frau, der allgemeine Wohlstand und der Zugang zu und der legale Gebrauch von Verhütungsmitteln fördern die Kinderlosigkeit und zudem die Pluralisierung der Lebensformen.
Die soziale Reproduktion bezieht sich auf die Eingliederung des Kindes in die Gesellschaft (Sozialisationsfunktion). Die Eltern haben die Aufgabe ihr Kind in die ,,Sprache, Rollen, Normen und Werte der Gesellschaft einzuführen“ (Geißler 2002: 401).
Durch das entsprechende Milieu wird dem Kind eine bestimmte gesellschaftliche Position vermittelt (Platzierungsfunktion), deren Fixierung nicht mehr wie früher staatlich oder religiös geregelt ist, aber auch heute trotz allem eine Wirkung auf den beruflichen Werdegangs des Kindes ausübt[5].
Die Solidarität, also das Zugehörigkeitsgefühl und die gegenseitige Unterstützung der Familiemitglieder war und wird wohl auch weiterhin eine bedeutende Funktion der Familie bleiben. Die Familie als Institution hat zudem die Aufgabe, den Rahmen dafür vorzugeben, was eine ,,richtige“ Familie ist und welche Verpflichtungen an die Mitglieder bestehen und dient somit auch wieder der Orientierung (vgl. Lenz/Böhmisch 34).
2. Die Entstehung der bürgerlichen Familie als familiärer Normaltypus der Moderne
Die häufigste Lebensform der Menschen auf vorindustriellen deutschem Gebiet, war die des ,,Ganzen Hauses“[6]. Es handelt sich dabei um eine ländliche[7], patriarchalisch-strukturierte Subsistenzgemeinschaft, dass heißt, eine dem Hausherren unterstehende, in erster Linie für den eigenen Bedarf produzierende Einheit aus Mägden, Knechten, Kindern und Ehefrau(n). Alle auf dem Hof lebenden Menschen wohnten unter einem Dach, meistens sogar nur in einem großen Zimmer. Die sogenannte Dreigenerationenfamilie war - durch die geringe Lebensdauer, das relativ späte Heiratsalter und aus ökonomischen Gründen (vgl. Nave-Herz 2004: 37) - so gut wie nicht vertreten[8]. Aufgrund der Tatsache, dass die Ökonomie das alles umfassende Prinzip darstellte, das auch die Heirat und die Kinderzeugung[9] bestimmte, war die graduelle Ausprägung der emotionalen Beziehungen der Ehegatten zueinander oder der Eltern zu ihren Kindern im wesentlichen geringer bzw. von anderer Art und Weise als heute. Alle emotionalen Beziehungen waren durch den Arbeitsprozess, den Zwang zum Überleben und den Besitz zu erhalten bestimmt (vgl. Geißler 2002: 44). Da viele Kinder bei der Geburt starben und von den Überlebenden die Hälfte das 10. Lebensalter nicht erreichten, hatten die Eltern einen weniger emotional bestimmten Zugang zu ihren Kindern[10]. Das bedeutet nicht, dass sich Eltern ihren Kindern gegenüber gleichgültig verhalten haben – aber das Verhältnis war wohl wesentlich sachlicher; Zuwendung bekam das Kind durchaus von anderen Haushaltsmitgliedern (vgl. Nave-Herz 2004: 42/43). Die Kinderbetreuung war die Aufgabe der ,,Kinderdirn“, der Mägde oder der älteren Schwestern. Ab dem 4. Lebensjahr konnten die Kinder bereits in den Arbeitsprozess integriert werden (vgl. Lenz/Böhmisch 1997: 16). Eine Art geschlechtsspezifische Arbeitsteilung war lediglich in geringem Ausmaß vorhanden. Die fehlende Trennung von Produktionsstätte und Haushalt bzw. Innen- und Außenbereich trug zu einer gewissen Gleichberechtigung von Mann und Frau bei. Beide arbeiteten, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, auf dem Acker oder im Handwerksbetrieb und im Haushalt (vgl. Nave-Herz 2004: 40).
Arbeitskraft, Zuverlässigkeit, Gebärfähigkeit und Mitgift stellten die Auswahlkriterien für die Partnerwahl eines Mannes dar (vgl. Peuckert 2004: 21). Eine Frau war bis zur Verheiratung der Besitz des Vaters, danach der des Mannes. Da eine Heirat ökonomische Auswirkungen auf die ganze Herkunftsfamilie des Mannes hatte, bestimmte diese bei der Ehepartnerwahl mit (vgl. Nave-Herz 2004: 44). Das Individuum richtete sich nach dem Kollektiv. Die gesellschaftliche Struktur besaß, mangels einer ausreichenden Emanzipation von der Natur eine viel höhere Wirkungskraft auf das Individuum. Die Einbettung in Familie, Verwandtschaft und Dorfgemeinschaft bildete das identitätsstiftende Moment. ,,Ohne Einbindung in eine Familie, in Verwandtschaft und Dorfgemeinschaft war der Mensch nahezu ein Nichts, ein Ohnmächtiger und dazu noch ein sozial Degradierter ...“ (Borscheid, P. zitiert in Beck/Beck-Gernsheim 1994: 120). Die Fähigkeiten des Einzelnen wurden nur in Bezug auf ihre Nützlichkeit in der Gemeinschaft bewertet. Die vorindustrielle Familie ist aus heutiger Sicht eher als ,,Notgemeinschaft“ zu bezeichnen, deren Kohäsion aus einem höheren ,,Zwang“ zur Solidarität[11] resultierte (vgl. Beck/Beck-Gernsheim 1994: 120).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Alltag in der vorindustriellen Zeit (gilt partiell auch für die industrielle) nur dadurch bewältigt werden konnte, da ,,man sich an haltgebenden Rahmenbedingungen (Heiratsstrategien, Namensgebung, Festtage, um nur einiges zu nennen) hielt. So wurde das durchwegs bedrohte Menschenleben mit einem Sinn versehen. Diese Bewusstseinsstrukturen schufen ein mentales Gehäuse, das dem Alltag Form gab. Die Normen mussten nicht dauernd reflektiert werden. Man war an sie gebunden, aber sie verliehen auch Sicherheit. Man dachte institutionell und wurde von den Institutionen ,,gehalten“. (Hettlage, R.1998: 51)
Mit der Ausbreitung der kapitalistischen Produktionsweise im 19. Jahrhundert bzw. im Verlauf der Industrialisierung, der dadurch einsetzenden Urbanisierung und der damit verbundenen Trennung von Arbeits- und Wohnstätte, verlor die Lebensform des ,,Ganzen Hauses“ allmählich ihr Privileg[12] (vgl. Peuckert 2004: 22). Es bildeten sich zwei neue Familientypen - die bürgerliche und die proletarische Familie. Der proletarische Familientypus belegte statistisch gesehen zwar den ersten Rang, dennoch konnte sich die bürgerliche Familie bis ins 20. Jahrhundert hinein quantitativ und normativ durchsetzen (vgl. Nave-Herz 2004: 49). Das bürgerliche Familienideal forderte eine ,,legale, lebenslange, monogame Ehe zwischen einem Mann und einer Frau [...], die mit ihren gemeinsamen Kindern in einem Haushalt leben und in der der Mann Haupternährer und Autoritätsperson und die Frau primär für den Haushalt und die Erziehung der Kinder zuständig ist“ (Peuckert 2004: 30).
Unterstützt wurde dieses Ideal durch das Aufkommen der romantischen Liebe, die in literarischen Kreisen[13] (die ,,Romanze“ entstand zu dieser Zeit) einen ihrer Ursprünge besaß und von nun ab die Liebe als einzig gültigen Heiratsgrund postulierte. Sie basiert auf einer psychischen und erotischen Verschmelzung beider Partner, und ist durch Dauerhaftigkeit und Exklusivität gekennzeichnet (vgl. ebd.: 22/23). Die Ehe entwickelte sich somit zu einer privaten und intimen Angelegenheit zweier sich liebender Partner. Die Trennung zwischen Innen- und Außenbereich hatte eine Polarisierung der Geschlechterrollen zur Folge. Während dem Mann die Rolle des Ernährers zuteil wurde, hatte sich die Frau ganz auf die Aufgaben des Haushaltes bzw. der Sicherung des familiären Zusammenlebens zu konzentrieren. ,,Die Frau wurde abhängig vom Verdienst des Mannes; er wiederum brauchte, um funktionsfähig und einsatzbereit zu sein, ihre alltägliche Arbeit und Versorgung. Der Zwang zur Solidarität setzte sich in modifizierter Form fort“ (Beck/Beck-Gernsheim 1994: 121).
Familie wurde als Gegenwelt zur Gesellschaft empfunden. In der kapitalistischen Produktionsweise besteht zwischen den Arbeitern und dem Gegenstand der Produktion keine emotionale Bindung. Die Familie dient daher zur Kompensation. Der Stress und die Anstrengungen des Alltags wurden durch die emotionale Zuwendung der Familie ausgeglichen. Auch die emotionale Zuwendung zum Kind und vor allem zum Säugling wurde ein zentrales sinnstiftendes Moment. Die neue Einstellung zum Kind führte zur ,,Entdeckung der Kindheit“ und zu einem Wandel des Erziehungsstils. Die Familie war von nun an eine exklusive Gemeinschaft für Erziehung, Konsum, Freizeit und Entspannung (vgl. Geißler 2002: 45).
Die Funktionen der Kranken- und Altenpflege, partiell auch der Erziehung, übernahm im Laufe der Zeit der (Wohlfahrts-)Staat und trug so dazu bei, die Familie als reines emotionales Bündnis zu etablieren.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es im Laufe der Moderne zu einer Enttraditionalisierung der ständisch geprägten Ehe bzw. Familie und Lebensläufe kam. Damit zusammenhängend wurden Individualisierungstendenzen vor allem in den männlichen, bürgerlichen Biographien sichtbar. Die Individualisierung setzte sich in der Postmodernen weiter fort und betrifft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch den Lohnarbeiter und vor allem das weibliche Geschlecht, so dass Konflikte durch das Aufeinanderprallem zweier Individuallagen vorprogrammiert sind. Welche Ursachen und Wirkungen diese (familiären) Konflikte haben, versucht die Individualisierungstheorie zu erörtern.
[...]
[1] Von ,,postfamiliärer Familie“ sprich Leopold Rosenmayr in seinem Artikel ,,Showdown zwischen Alt und Jung?“ in der Wiener Zeitung 26.6.1992, S. 1. Publik wurde der Begriff durch den Beitrag: ,,Auf dem Weg in die postfamiliale Familie“ von Elisabeth Beck-Gernsheim, abgedruckt in: Beck/ Beck-Gernsheim (Hrsg.)1994: Riskante Freiheiten. 1. Auflage, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main.
[2] Unter Ehe wird eine, häufig zeremoniell vollzogene, rechtlich geregelte und staatlich anerkannte Beziehung zwischen zwei Partnern verstanden (vgl. Schäfer 2003: 52). Sie ist vorgesehen als ,,Rahmen für die Geburt von gemeinsamen Kindern und damit für die Familienbildung“ (ebd.)
[3] Wie z.B. A. Gehlen gezeigt hat, leidet der Mensch unter relativer Instinktarmut und benötigt deshalb ein konstruiertes Orientierungssystem, nach welchen er seine Handlungen ausrichtet, und die nur dadurch einen Sinn ergeben. Die Institutionen bilden solch ein System. Sie dienen dem Menschen dazu, einen Zugang über die eigene Kultur zur Welt zu bekommen. Stabilisiert werden Institutionen durch tradierte soziale Normen, die durch das Zusammenspiel von äußeren und verinnerlichten Zwängen ihre Wirkung entfalten (vgl. Hettlage 1998: 27/28). Die Orientierungs- und Verhaltenssicherheit durch Institutionen ist allerdings immer nur relativ erreichbar; die Stabilität einer naturhaften Ordnung, in Form von Instinkten wird ein menschliches Konstrukt nie erlangen (vgl. Lenz/ Böhnisch 1997: 34).
[4] Kinderlosigkeit wurde hauptsächlich medizinisch verursacht, galt als unnatürlich und abweichend und war die alleinige Schuld der Frau (vgl. Nave-Herz 2004: 79/80). Die Ehe verwies zwangsläufig – aufgrund gesellschaftlichem und religiösem Druck sowie dem fehlenden Zugang zu Verhütungsmitteln - auf Kinder und somit auf Familie.
[5] Im Zuge der elterlichen sowie gesellschaftlichen Erziehung (Sozialisation) verankern sich milieuspezifische Denk- und Verhaltensstile in der Identität des Kindes, von denen es sich im Laufe seines Lebens kaum befreien kann. Sie wirken auf seine berufliche Karriere sehr differenzierend und festigen die soziale Ungleichheit (vgl. Hettlage 1998: 34).
[6] Trotzdem gab es eine außerordentlich große Vielfalt familiärer Lebensformen, die mit der heutigen Pluralität vergleichbar sein dürfte. Zu unterscheiden sind nur die Gründe für diese Vielfalt. Zum einen entstanden sie durch die Unterschiedlichen Existenzformen (Kleinbauer, Großbauer, Bettler, Lehrlinge, Landarbeiter etc.) und zum anderen durch den frühzeitigen Tod eines der Gatten und die eventuelle Widerverheiratung des noch lebenden Partners.
Die Lebensform des Adels und vereinzelten anderen Schichten werden hier bewusst ausgeklammert, da sie nur eine Minorität der Bevölkerung darstellten.
[7] Vom Hochmittelalter bis zum ausgehenden 18.Jahrhundert, waren 80% der deutschen Bevölkerung im primären Sektor beschäftigt (vgl. Lenz/ Böhnisch 1997: 13)
[8] Im 19. Jahrhundert kam es zu einem Anstieg der Dreigenerationenfamilie. Aus diesem Jahrhundert stammt auch der Mythos der vorindustriellen Großfamilie. Zwischen dem 16. und 19.Jahrhundert umfasste ein kaum beachtenswerter Prozentsatz der bäuerliche Hausgemeinschaften drei Generationen (vgl. Lenz/Böhmisch 1997: 15).
[9] Arbeitskraft, Hofexistenzsicherung und Kranken- und Altenpflege waren die wichtigsten Gründe der Kinderzeugung
[10] Generell war das Verhältnis der Menschen zum Tod ein durchaus anderes. Geburt und Tod waren aufgrund der Räumlichkeit, öffentliche, also auch gesellige Ereignisse. ,,Jedermann, auch die Kinder, wusste, wie das aussah; und da es jeder wusste, sprach man auch relativ unbefangen davon, im geselligen Verkehr wie in Gedichten“ (Elias 1982: 38).
[11] Solidarität ist ein angeborenes menschliches Bedürfnis, aber ihr damaliger lebensnotwendiger Ausprägungsgrad war wohl deutlich höher als heute. Die Bedingungen der Möglichkeiten für Einzelne sich aus dem Kollektiv zu lösen waren kaum vorhanden; man könnte von daher von einem Zwang sprechen.
[12] Dahinter steht die zunehmende Kontrolle des Menschen über die Natur
[13] Die bei den Litaraten beschriebene romantische Liebe ist ein Symptom des Zerbrechens der gewohnten Bindungen. Romane, Bücher etc., kompensieren nicht verankerte Bedürfnisse. Die Phantasie ersetzt die Realität. Das ist wohl das Hauptdilemma. Wenn man seinen Liebespartner wählen muss, muss man sich mit den Problem der menschlichen Beziehungen bewusst auseinandersetzen. Die Möglichkeit der Wahl bedeutet, dass weniger emotionale Bindungen von vornherein vorhanden sind. Sie ist einerseits ein Privileg und anderseits auch eine Qual.
- Citation du texte
- Christoph Egen (Auteur), 2005, Auf dem Weg der postfamilialen Familie - Ausdruck neuer Freiheit oder Konsequenz gesellschaftlicher Zwänge, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48429
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