Sprachwandel gehört zu den Universalien jeder natürlichen Sprache. Ursachen und Gründe für diesen Wandel sind jedoch nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Die Sprachwandeltheorie von Rudi Keller bietet eine Erklärungsmöglichkeit für das Phänomen Sprachwandel. Sie wird in dieser Arbeit kurz vorgestellt.
Inhalt
1. Einleitung
2. Grundsätzliche Fragestellungen
2.1 Was wandelt sich in einer Sprache und wie schnell vollzieht sich dieser Wandel?
2.2 Wie lässt sich Sprachwandel beschreiben und warum findet er statt?
3. Die Sprachwandeltheorie Rudi Kellers
3.1 Grundannahmen und zentrale Begriffe
3.2 Grenzen der Theorie
4. Literatur
1. Einleitung
„Thomas ist ein Weichei. Der Dummkopf traut sich nicht mal, eine flotte Biene anzumachen.“
„Thomas ist der absolute Warmduscher. Der Hirni kriegt es nicht mal gebacken, die Schnecke da vorne anzugraben.“
Dies sind zwei Beispiele für so genannte Jugendsprachen. Das erste stammt etwa aus den frühen 1970er Jahren und das zweite ist durchaus aktuell. Beide haben denselben Inhalt, sie drücken nämlich aus, dass Thomas kein echter Kerl ist, weil er sich nicht traut, Kontakt zu einem bestimmten Mädchen aufzunehmen.
Unsere Großeltern würden, egal welches der beiden Beispiele sie hören, mit großer Wahrscheinlichkeit den Kopf schütteln, da sie den Inhalt nicht verstehen. Stellt man sich die Frage nach dem Grund dieses Nicht-Verstehens, so könnte man folgende Antwort geben:
Ältere Generationen verstehen die Jugend nicht mehr, weil sie „anders“ spricht, weil die „schönen alten Wörter“ sich heute nicht mehr im allgemeinen Sprachgebrauch befinden; mit anderen Worten ausgedrückt: Weil sich die Sprache gewandelt hat.
Daraus ergibt sich jedoch eine weitere Frage: Warum hat sich die Sprache verändert?
Wie anhand dieses Beispiels deutlich geworden ist, kann Sprachwandel nicht nur an alten Textfragmenten untersucht werden, sondern „ist auch unmittelbar erfahrbar als Nebeneinander verschiedener Generationensprachen ...“[1]
Diese Arbeit wird sich mit dem Sprachwandel und einem möglichen Erklärungsansatz beschäftigen. Grob skizziert werden soll Rudi Kellers Theorie „Sprachwandel – Von der unsichtbaren Hand in der Sprache“ (1990).
2. Grundsätzliche Fragestellungen
2.1 Was wandelt sich in einer Sprache und wie schnell vollzieht sich dieser Wandel?
Geht man grundsätzlich einmal davon aus, dass die Sprache ein Komplex von Teilsystemen ist, welche sich wiederum aus Einheiten und Regeln zusammen setzen, so dienen diese vor allen Dingen dazu, grammatische Korrektheit (phonologisch, morphologisch, syntaktisch, semantisch) und pragmatische Angemessenheit, also die angemessene Verwendung von Ausdrücken, zu garantieren.
Bei der Betrachtung von Texten aus früheren Jahrhunderten, erkennt man deutlich, dass sich die Sprachverwendungsregeln (pragmatische Regeln) geändert haben. Der Text ist zwar noch lesbar und in den meisten Fällen gut verständlich, da sich die grammatischen Regeln nicht oder nur wenig verändert haben, dennoch liest er sich etwas „merkwürdig“, da viele Ausdrücke anders verwendet wurden, als wir es heute tun oder aber weil sie bereits nicht mehr gebraucht werden.
Daraus ergibt sich folgendes Problem: „Ab wann ist etwas eine gültige Einheit, ist etwas die Regel und etwas anderes nicht mehr und hat sich somit die Sprache verändert?“ [2]
Dazu ein Beispiel aus dem alltäglichen Sprachgebrauch:
Das Wort weil wird in Grammatiken der deutschen Sprache als subordinierende Konjunktion geführt, welche Finitum - Endstellung im Teilsatz verlangt. Im Gegensatz dazu steht denn, welches Finitum – Zweit – Stellung verlangt: Das Glas ist zerbrochen, weil ich es fallen gelassen habe. ß à Das Glas ist zerbrochen, denn ich habe es fallen lassen.
Es gibt seit längerem im Deutschen die Tendenz, weil mit der Finitum – Zweit – Stellung zu benutzen: Das Glas ist zerbrochen, weil ich habe es fallen lassen.[3]
Scheinbar nimmt diese Tendenz immer weiter zu, obwohl sie in den meisten Fällen noch auf das Mündliche beschränkt ist und sich auch noch nicht in den Grammatiken wiederfindet. Dennoch wird sie im alltäglichen Sprachgebrauch nicht mehr unbedingt als falsch erachtet und auch nicht mehr, zum Beispiel bei Kindern, verbessert.
Nachdem nun festgestellt wurde, dass Sprachwandel stattfindet, ist auch die Frage nach der Geschwindigkeit dieses Wandels von Interesse.
Sprachwandel kann in zwei verschiedene Kategorien unterteilt werden, nämlich zum einen in schwachen Wandel und zum anderen in starken Wandel. Ein schwacher Wandel würde bedeuten, dass sich nur wenige Einheiten und Regeln ändern, ein starker Wandel demnach, dass sich viele Einheiten und Regeln ändern. In dieser Unterteilung wurde der Faktor Zeit allerdings noch nicht berücksichtigt, so dass man noch nicht von Geschwindigkeit sprechen kann. Lässt man die Zeit jedoch zusätzlich mit einfließen, kann man sagen:
„Eine Sprache wandelt sich schnell, wenn sich viele Einheiten und Regeln pro Zeiteinheit verändern, und langsam, wenn es nur wenige sind.“[4]
Auffällig dabei ist, dass einige Bereiche der Sprache wesentlich konstanter sind, als andere. So sind zum Beispiel grammatische Regeln konstanter als die Wortsemantik, stilistische Regeln oder Regeln der Wortverwendung, wobei die Beständigkeit einiger Regeln jedoch keines Falls willkürlich entstanden ist.
„Eine bestimmte Regel wird nicht beliebig durch eine bestimmte andere Regel abgelöst werden können; eine bestimmte Wortbedeutung kann sich nicht von heute auf morgen in eine beliebige andere Wortbedeutung wandeln, vielmehr geschieht wortsemantischer Wandel als Verengung, als Erweiterung, als Verschiebung ...“ [5]
[...]
[1] Linke, A. / Nussbaumer, M. / Portmann, P.: Studienbuch Linguistik. 3. unveränd. Auflage, Niemeyer Verlag, Tübingen 1996; S. 369.
[2] Studienbuch Linguistik, S. 371.
[3] ebd., S. 372.
[4] Studienbuch Linguistik, S. 373.
[5] ebd., S. 374.
- Citar trabajo
- Undine Seela (Autor), 2003, Von der unsichtbaren Hand in der Sprache - Die Sprachwandeltheorie von Rudi Keller, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48416
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