In diesem Essay möchte ich, von der "Akteur-Netzwerk-Theorie" und den von Markus Spöhrer gestellten theoretischen Konsequenzen der Cyborgisierung ausgehend, die gesellschaftliche Wirklichkeit betrachten. Dabei soll der Begriff Cyborg weniger in seiner tatsächlichen Bedeutung verwendet werden, sondern viel mehr als Metapher für den Menschen unserer Gesellschaft stehen und die Frage aufwerfen, ob wir uns schon heute in einer Art der transhumanen und cyborgisierten Gesellschaft bewegen.
Die durch diese Metapher permittierte "Cyborg-Perspektive" ermöglicht es den Menschen als Gruppe aus dem Zentrum der Betrachtung zu rücken und damit auch schwer zu beurteilende sowie umstrittene Begriffe wie Normalzustand oder Idealkörper. Vielmehr rücken subjektive menschliche Anliegen und Handlungen in den Mittelpunkt, welche mit Technologie vereinigt werden und so eine gegenseitige Kohärenz bilden.
Ob in Filmen, Serien, Videospielen oder Literatur; das Phänomen von Cyborgs und der Einfluss von immer innovativerer Technologie, welche schließlich mit dem menschlichen Körper verschmilzt, ist vor allem in der "Science-Fiction" seit geraumer Zeit ein Thema, das viele gar philosophische Fragestellungen aufwirft. Im Narrativ werden diese kybernetischen Hybride aus Organismus und Maschine in den negativen Extrema als dystopische Dehumanisationen des menschlichen Körpers dargestellt, aber auf der anderen Seite auch als Sehnsucht des Menschen seiner oft unzureichenden und zerbrechlichen Hülle zu entkommen. Dabei werden meistens die Thematiken reflektiert, an welchem Punkt Menschlichkeit beginnt und verloren geht, inwieweit es ethnisch tragbar ist, den Körper zu verändern oder wie die cyborgisierte Gesellschaft mit sich selbst umgeht.
Sind wir alle Cyborgs?
Ob in Filmen, Serien, Videospielen oder Literatur; das Phänomen von Cyborgs und der Einfluss von immer innovativerer Technologie, welche schließlich mit dem menschlichen Körper verschmilzt, ist vor allem in der „Science-Fiction“ seit geraumer Zeit ein Thema, das viele gar philosophische Fragestellungen aufwirft. Im Narrativ werden diese kybernetischen Hybride aus Organismus und Maschine1 in den negativen Extrema als dystopische Dehumanisationen des menschlichen Körpers dargestellt, aber auf der anderen Seite auch als Sehnsucht des Menschen seiner oft unzureichenden und zerbrechlichen Hülle zu entkommen. Dabei werden meistens die Thematiken reflektiert, an welchem Punkt Menschlichkeit beginnt und verloren geht, inwieweit es ethnisch tragbar ist, den Körper zu verändern oder wie die cyborgisierte Gesellschaft mit sich selbst umgeht. Markus Spöhrer führt in seinem Text „Wie ich zum Cyborg wurde – Das Cochlea Implantat und die Übersetzungen des transhumanen Körpers“, welcher in diesem Essay im Mittelpunkt stehen wird, ein Beispiel an, welches eben diese Entmenschlichung des Körpers und die heftige Kritik daran heute schon aufzeigt. Das Chochlea Implantat ist eine Neuroprothese für Schwerhörige oder Gehörlose, bei welcher Daten in Form von Schall, an eine externe Komponente eintreten und an einen internen Receiver, der unter der Haut liegt und damit innerhalb des Körpers sitzt, übertragen werden, welcher dann den Hörnerv so stimuliert, dass ein Übersetzen dieser Daten für den Menschen möglich wird.2
Durch dieses Implantat wird nicht nur das „normale“ Hörvermögen wieder hergestellt, sondern kann sogar über das des Menschen ohne Implantat hinauswachsen, wie zum Beispiel Enno Park zeigt.3 In diesem Essay möchte ich, von der „Akteur-Netzwerk-Theorie“4 und den von Markus Spöhrer gestellten theoretischen Konsequenzen der Cyborgisierung ausgehend, die gesellschaftliche Wirklichkeit betrachten. Dabei soll der Begriff Cyborg weniger in seiner tatsächlichen Bedeutung verwendet werden, sondern viel mehr als Metapher für den Menschen unserer Gesellschaft stehen und die Frage aufwerfen, ob wir uns schon heute in einer Art der transhumanen und cyborgisierten Gesellschaft bewegen. Die durch diese
Metapher permittierte „Cyborg-Perspektive“5 ermöglicht es den Menschen als Gruppe aus dem Zentrum der Betrachtung zu rücken und damit auch schwer zu beurteilende sowie umstrittene Begriffe wie Normalzustand oder Idealkörper. Vielmehr rücken subjektive menschliche Anliegen und Handlungen in den Mittelpunkt, welche mit Technolo gie vereinigt werden und so eine gegenseitige Kohärenz bilden.6 Genau dies geschieht in der bereits genannten Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT). Hierbei werden Personen innerhalb eines Netzwerkes beispielsweise mit Technik, aber auch mit jeglichen anderen möglichen Einflüssen in Verbindung gebracht und mit all diesen Entitäten gleichgestellt, wobei diese nichtmenschlichen Einflüsse der Person nicht untergeordnet werden, sondern sogar Handlungsmacht über den Menschen generieren können.7 Dabei stellen sie also kein bloßes passives Element da, welches der Mensch nach Belieben benutzen kann wie beispielsweise Werkzeuge oder Prothesen. Markus Spöhrer wendet dieses ANT auf die Thematik der Implantate an und versucht so fundamentale Charakteristika der Cyborgisierung zu akquirieren, welche die Metapher des Cyborgs auf viele Lebensbereiche in unseren Alltag anwendbar werden lässt. Dabei ist wichtig zu beachten, dass eine Metaphorisierung von Begriffen wie Cyborg, die einem anderen Fachjargon entspringen, grundlegend für dessen Gebrauch ist, um Bildbrüche zu vermeiden.8 Die Frage, ob wir schon heute in einer cyborgisierten Gesellschaft leben, in welcher wir einen transhumanen Möglichkeitsraum anstreben, scheint dabei vielleicht zuerst weit hergeholt, ist aber durchaus berechtigt. Dazu werden Spöhrers Charakteristika9 mit der progressiven Inklusion von Technologie und insbesondere Smartphones in unseren Alltag verglichen. Wollen wir die Anwendbarkeit dieser Deduktionen auf den Alltag der Menschen heute untersuchen, muss zuerst unser Verhalten an dem Beispiel Smartphones, veranschaulicht werden. Studien zufolge benutzen Jugendliche bis zu fünf Stunden am Tag ihr Smartphone10, wobei in westlichen Ländern bis zu 98 % dieser Generation ein Smartphone besitzt und dieses täglich in Verwendung ist. Die Tendenz dieses Trends ist seit Jahren ansteigend.11 Implantate sind im Gegensatz zu passiven Elementen nicht auf die einseitige Einstellung durch den Menschen angewiesen, sondern setzen diesen auf eine bestimmte Weise Grenzen und leisten Widerstand, sobald diese modifiziert werden. So verhält es sich auch für Smartphones. Diese haben durch ihre Programmierung und ihre Hardware Schutzmechanismen gegen Hacker und ungewollte Modifizierungen. So bieten sie nur die von den Herstellern/innen bewusst gegebenen Funktionen, auch wenn durch eine andere Programmierung oder Modifizierung die bestehenden Möglichkeiten ausgeweitet werden könnten. Die Beteiligten dieses Netzwerkes besitzen dadurch bestimmte Kompetenzen und Funktionen und sind dadurch bestimmten Aushandlungsprozessen unterworfen. Dabei muss zum einen das Implantat vom menschlichen Körper akzeptiert werden, was im Falle des Smartphones natürlich nicht gegeben ist, da es ein externes Gerät ist. Auf der anderen Seite muss das Implantat seinen zugedachten Zweck erfüllen; sich also auch an die Netzwerkpartner/innen anpassen. Im Falle des Smartphones wäre dies, dass es die erwarteten Ansprüche erfüllt und die Lebenswelt des Trägers deshalb zu eigenen Gunsten übersetzt.12 Also beispielsweise das Funktionieren bestimmter Apps, ob sich das Gerät angenehm bedienen lässt oder die eingebaute Hardware bis hin zur Kamera ausreichend ist. Obwohl beim Smartphone im Gegensatz zum Implantat die Trennung zwischen organischen und technischen Komponenten noch außer Frage steht, kann man dennoch von einer beginnenden Hybridität des Menschen und des Smartphones sprechen, wenn man sich die beiden Entitäten mithilfe der Akteur-Netzwerk-Theorie vorstellt. Vor allem der Aushandlungsprozess und die bedingte wechselseitige Beziehung bei welchen jede/r Beteiligte einen individuellen Prozess erfährt, sind nach Spöhrer wichtige Elemente der Cyborgisierung. Im Falle des Smartphones wäre dies, welche Funktionen genutzt werden, welche Kompetenzen abgegeben werden, inwieweit jemand bereit ist, das Gerät zu modifizieren oder welche Rolle dieses für sein eigenes Leben einnimmt. Also zum Beispiel, ob man über dieses kommuniziert, es als Informationsquelle benutzt, als Navigationssystem, als Arbeitsutensil oder zum Entertainment. Die unzähligen Möglichkeiten machen eben diesen individuellen Aushandlungsprozess zwischen Körper und Technik möglich, wobei wie bei Spöhres „Cyborgisierungskonzept“ subjektive Körper Technik Beziehungen entstehen.13
Auch wenn wir in unserem heutigen Alltag noch weit davon entfernt sind ein Cyborg im konventionellen Sinne zu sein, werden die Menschen durch die stetig zunehmen de Technologisierung immer mehr individuelle Resultate verschiedener Akteur-Netzwerk Beziehungen. Das Beispiel Smartphones lässt sich dabei natürlich auf viele weitere Technologien und Einflüsse ausweiten. Dabei müssen durch neue Technik oder neue Einflüsse die Netzwerkbeziehungen immer wieder neu produziert werden und so ist der Begriff der Cyborgisierung unter diesen Merkmalen zumindest metaphorisch ein Ansatz, um Dualismen entgehen zu können, Individualität zu begründen und bestehende Ansätze wie konstruierte Normalität zu hinterfragen.
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1 Harraway 1995, 248.
2 Spöhrer 2015, S. 309.
3 Spöhrer 2015, S. 318 – 322.
4 Spöhrer 2015, S. 323.
5 Spöhrer 2015, S. 322.
6 Spöhrer 2015, S. 323.
7 Spöhrer 2015, S. 323.
8 Erll 2011, S. 110.
9 Spöhrer 2015, S. 324.
10 https://www.heise.de/newsticker/meldung/Studie-Smartphone-Benutzer-machen-sich-immer-abhaengiger-3716208.html.
11 Heeg 2018, S. 6.
12 Spöhrer 2015, S. 324.
13 Spöhrer 2015, S. 326.
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- Adrian Karmann (Autor), 2019, Sind wir alle Cyborgs? Die transhumane Gesellschaft, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/484153