Die Volksrepublik (VR) China erregt Aufsehen durch ihre enormen wirtschaftlichen Erfolge; so lag die jährliche Wachstumsrate (CAGR) ihres Bruttoinlandsprodukts zwischen 1999 und 2003 bei 9% (Tait, 2005, 4). Die vorliegende Arbeit richtet dagegen den Blick auf einen der reformbedürftigsten Bereiche von Chinas Wirtschaft, nämlich den Banken- und Finanzsektor, und betrachtet ihn im Kontext von Chinas Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation WTO.
Der von China lang ersehnte Beitritt in die WTO bringt nicht nur Chancen, sondern auch Gefahren mit sich; sie betreffen insbesondere marode Staatsbetriebe und Banken, die mit ihren faulen Unternehmenskrediten in einer Sackgasse stecken (Brahm, 2001, 4). So wird in einer aktuellen Bewertung der Finanzsektor im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen besonders pessimistisch eingeschätzt hinsichtlich der Einhaltung der WTO-Bestimmungen (Mertha / Zeng, 2005, 321).
Der mit dem Finanzsektor verwandte Versicherungssektor wird in der vorliegenden Arbeit ausgeklammert; es sei jedoch erwähnt, dass bei ihm die Herausforderungen bzgl. der WTO-Mitgliedschaft als deutlich niedriger eingeschätzt werden als beim eigentlichen Finanzsektor (vgl. Mertha / Zeng, 2005, 321). Auch die Rolle von Hongkong und Macau wird hier ausgeklammert. Nach den WTO-Regeln hätten auch chinesische Banken das Recht, verstärkt im Ausland aktiv zu werden, sie sind dazu aber nicht konkurrenzfähig genug (vgl. Stichele, 2004, 15); deshalb werden hier nur die Verhältnisse innerhalb Chinas betrachtet.
Die VR China wurde am 11.12.2001 in die WTO aufgenommen. China hatte sich zwar schon seit WTO-Gründung um eine Mitgliedschaft bemüht, war damit aber am Widerstand der USA gescheitert, die die Mitgliedschaft in internationalen Organi-sationen von der Einhaltung westlicher Menschenrechtsvorstellungen abhängig machten. Nachdem China sich immer mehr nach außen öffnete und der Handel zwischen den USA und China immer mehr wuchs, sah sich Präsident Clinton gezwungen, diese Verknüpfung mit der Menschenrechtsfrage aufzugeben und den Weg Chinas in die WTO freizugeben (Schweigler, 2004, 457f.). Wenn man berücksichtigt, dass China bereits 1986 zu Zeiten des WTO-Vorgängerabkommens GATT 47 einen Aufnahmeantrag gestellt hatte, handelt es sich mit 15 Jahren und 5 Monaten um den längsten Beitrittsprozess in der Geschichte der WTO (WTO-Dokument WT/ACC/10, 2001, 13).
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das Allgemeine Dienstleistungsabkommen GATS
3 Die Dokumente zu Chinas WTO-Beitritt
4 Notwendigkeit von Reformen in Chinas Bankensektor
4.1 Überblick über Chinas Banken- und Finanzsektor
4.2 Trennbankensystem und Aufsichtsbehörden
4.3 Problemkredite und institutionelle Reformen
4.4 Zinsregulierung
5 Engagement ausländischer Finanzinstitutionen in China
6 Auswirkungen des WTO-Beitritts
7 Diskussion und Fazit
8 Literatur
1 Einleitung
Die Volksrepublik (VR) China erregt Aufsehen durch ihre enormen wirtschaftlichen Erfolge; so lag die jährliche Wachstumsrate (CAGR) ihres Bruttoinlandsprodukts zwischen 1999 und 2003 bei 9% (Tait, 2005, 4). Die vorliegende Arbeit richtet dagegen den Blick auf einen der reformbedürftigsten Bereiche von Chinas Wirtschaft, nämlich den Banken- und Finanzsektor, und betrachtet ihn im Kontext von Chinas Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation WTO.
Der von China lang ersehnte Beitritt in die WTO bringt nicht nur Chancen, sondern auch Gefahren mit sich; sie betreffen insbesondere marode Staatsbetriebe und Banken, die mit ihren faulen Unternehmenskrediten in einer Sackgasse stecken (Brahm, 2001, 4). So wird in einer aktuellen Bewertung der Finanzsektor im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen besonders pessimistisch eingeschätzt hinsichtlich der Einhaltung der WTO-Bestimmungen (Mertha / Zeng, 2005, 321).
Der mit dem Finanzsektor verwandte Versicherungssektor wird in der vorliegenden Arbeit ausgeklammert; es sei jedoch erwähnt, dass bei ihm die Herausforderungen bzgl. der WTO-Mitgliedschaft als deutlich niedriger eingeschätzt werden als beim eigentlichen Finanzsektor (vgl. Mertha / Zeng, 2005, 321). Auch die Rolle von Hongkong und Macau wird hier ausgeklammert. Nach den WTO-Regeln hätten auch chinesische Banken das Recht, verstärkt im Ausland aktiv zu werden, sie sind dazu aber nicht konkurrenzfähig genug (vgl. Stichele, 2004, 15); deshalb werden hier nur die Verhältnisse innerhalb Chinas betrachtet.
Die VR China wurde am 11.12.2001 in die WTO aufgenommen. China hatte sich zwar schon seit WTO-Gründung um eine Mitgliedschaft bemüht, war damit aber am Widerstand der USA gescheitert, die die Mitgliedschaft in internationalen Organi- sationen von der Einhaltung westlicher Menschenrechtsvorstellungen abhängig machten. Nachdem China sich immer mehr nach außen öffnete und der Handel zwischen den USA und China immer mehr wuchs, sah sich Präsident Clinton gezwungen, diese Verknüpfung mit der Menschenrechtsfrage aufzugeben und den Weg Chinas in die WTO freizugeben (Schweigler, 2004, 457f.). Wenn man berücksichtigt, dass China bereits 1986 zu Zeiten des WTO-Vorgängerabkommens GATT 47 einen Aufnahmeantrag gestellt hatte, handelt es sich mit 15 Jahren und 5 Monaten um den längsten Beitrittsprozess in der Geschichte der WTO (WTO- Dokument WT/ACC/10, 2001, 13).
2 Das Allgemeine Dienstleistungsabkommen GATS
Innerhalb des WTO-Vertragswerks werden Finanzdienstleistungen als ein Teilbereich des Allgemeine Dienstleistungsabkommen (GATS) betrachtet.
Das Regelwerk der WTO wird insgesamt folgendermaßen grob unterteilt (vgl. Beise, 2001, 10):
- allgemeingültige Vorschriften: Grundprinzipen (Präambel, Nichtdiskriminierung / Reziprozität, Minimierung von Handelseingriffen), Vorschriften über Entwicklungs- länderpräferenzen und Vorschriften bzgl. Handel und Umwelt (TREM)
- die drei materiellrechtlichen Säulen
- Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT) bzgl. Warenhandel
- Dienstleistungsabkommen (GATS) bzgl. Dienstleistungshandel
- Übereinkommen über geistiges Einkommen (TRIPS) bzgl. Schutz geistiger Eigentumsrechte
Daneben gibt es sektorübergreifende Regeln zur Rechtsdurchsetzung, nämlich einen Überwachungsmechanismus (TPRM) und Streitbeilegungsmechanismus (DSU).
Das “General Agreement on Trade in Services” (GATS) steht als vollständiges Rechtssystem gleichberechtigt neben dem GATT. Es ist mehrstufig strukturiert und unterscheidet zwischen Verpflichtungen, die sich unmittelbar aus dem Abkommen ergeben und für alle WTO-Mitglieder verbindlich sind, und speziellen Liberalisierungsverpflichtungen, zu denen sich Mitgliedstaaten eigens verpflichten können (vgl. Beise, 2001, 115f. und Stichele, 2004, 2).
In sektorspezifischen Anhängen des GATS sind wesentliche Ergänzungen und Ausnahmen enthalten für in den Verhandlungen besonders umstrittene Bereiche, so auch für den Bereich der Finanzdienstleistungen.
GATS unterscheidet 4 Arten der Dienstleistungserbringung (“modes”) je nachdem, in welchem Land und durch wen die Dienstleistung erfolgt (Senti, 2003, 97):
1) “Cross-border supply”: Erbringung einer Dienstleistung durch eine Person oder eine Unternehmung im Land A für einen Kunden im Land B
2) “Consumption abroad”: Erbringung einer Dienstleistung im Land A bei gleichzeitiger Nutzung durch einen Dienstleistungsnachfrager aus dem Land B
3) “Commercial presence”: Erbringung einer Dienstleistung durch einen Anbieter des Landes A im Land B durch eine kommerzielle Präsenz
4) “Presence of natural persons”: Erbringung einer Dienstleistung durch einen Anbie- ter des Landes A im Land B über die Präsenz natürlicher Personen im Land B
Bei der Errichtung von Bankfilialen im Ausland handelt es sich um “mode” 3, bei der Entsendung von Bankmanagern in eine ausländische Filiale um “mode” 4.
Beim WTO-Beitritt kann ein Land entscheiden, welche (Sub-)Sektoren von Dienstleistungen es für welche der “modes” liberalisiert und kann Freistellungen von GATS-Regeln aufführen. Diese Ausnahmen werden in eine länderspezifische Negativliste (“Services schedule”) eingetragen. In GATS gilt das Meistbegünstigungsprinzip, d.h. von einem Land eingeräumte Marktöffnungen gelten gegenüber allen WTO-Mitgliedern gleichermaßen, und das Prinzip der Transparenz, wonach alle WTO-Mitglieder von allen relevanten Maßnahmen und Gesetzen Kenntnis erhalten können. (vgl. Senti, 2003, 96-107 und Stichele, 2004, 2f.)
Für Finanzdienstleistungen gibt es ein weiteres separates GATS-Dokument, nämlich das “Understanding on commitments in financial services” (WTO/Understanding, oJ), das jedoch nur für die Unterzeichnerstaaten verpflichtend ist. Es möchte praktisch alle Handelsbarrieren bzgl. Finanzdienstleistungen beseitigen; so verlangt es die Zulassung jeder neuen Finanzdienstleistung (Part B.7) und die Erlaubnis des Austauschs und der Verarbeitung von Finanzdaten (Part B.8). Das Dokument wurde von 30 Staaten unterzeichnet; darunter befinden sich alle Industrieländer, aber nur sehr wenige Entwicklungsländer (Stichele, 2004, 5). China hat es nicht unterzeichnet (vgl. Contreras / Yi, 2004, 2).
3 Die Dokumente zu Chinas WTO-Beitritt
Die WTO-Beitrittsbedingungen Chinas sind in folgenden Dokumenten niedergelegt (WTO, 2001a):
- “Protocol of accession”: WT/L/432
- “Working party report”: WT/MIN(01)/3 (ersetzt WT/ACC/CHN/49 + Corr.1) mit 2 Anhängen:
- “Goods schedule”: WT/MIN(01)/3/Add.1 (ersetzt WT/ACC/CHN/49/Add.1)
- “Services schedule”: WT/MIN(01)/3/Add.2 (ersetzt WT/ACC/CHN/49/Add.2)
Diese Dokumente werden ergänzt durch eine Reihe von “Notifications” zu Einzel- themen (WTO, 2001b); neben allgemeinen Notifications wie S/C/N/213 - 215 mit den Regeln für ausländische Kapitalunternehmen bzw. der ausländischen Beteiligung (foreign-funded) an chinesischen Unternehmen sind folgende Notifications speziell für die Thematik der Finanzdienstleistungen von besonderer Relevanz:
- S/C/N/222 “Rules for Establishing Foreign-Invested Fund Management Compa- nies” enthält Regeln für ausländische Investmentfonds.
- S/C/N/223 “Proclamation by the People's Bank of China on the Related Issues of Foreign-Funded Financial Institutions' Market Access” listet auf, welche Finanz- geschäfte in der ersten Phase der WTO-Mitgliedschaft ab dem 11.12.2001 erlaubt sind.
- S/C/N/225 “Measures for Administration of Representative Offices of Foreign Capital Financial Institutions in China” enthält Regeln für Antragstellung und Betrieb von Geschäftsstellen ausländischer Finanzinstitutionen.
Das “Protocol of accession” WT/L/432 enthält im Anhang 5A eine Liste erlaubter Subventionen; dazu gehören auch Subventionen in Form günstiger Kredite durch die drei großen staatlichen politikorientierten Banken (state policy banks) (S.77).
Der “Working party report” WT/MIN(01)/3 weist in Punkt 6 darauf hin, dass die Rolle der Zentralbank geändert wurde: Die Zentralbank konzentriert sich inzwischen auf Regulierung und Überwachung im Finanzwesen, führt aber keine eigenen kommer- ziellen Operationen mehr durch (S.2). In Punkt 26 wird die Liberalisierung bei der Festlegung von Zinssätzen und der Aufbau eines modernen Geschäftsbanken- systems zugesichert (S.5). Eine Reihe von Mitgliedern der “Working Party” bemängelten, dass chinesische Banken, insbesondere solche in Staatsbesitz, durch politisch motivierte zu niedrige Zinssätze in die Wirtschaft eingreifen (Punkt 173, S.34f.).
In WT/MIN(01)/3/Add.2, S.34-38 sind die Beschränkungen für Banken und sonstige Finanzdienstleistungen und der Zeitplan ihrer weitgehenden Aufhebung aufgelistet. Sie betreffen vor allem “mode” 3 (“Commercial presence”). Danach muss China die bisher bestehenden Beschränkungen für Banken innerhalb von 5 Jahren nach dem WTO-Beitritt, d.h. bis Ende 2006 abbauen; sie betreffen Geschäfte in der Landeswährung Yuan für chinesische Kunden:
- Es gibt geographische Beschränkungen, die in mehreren Schritten innerhalb von 5 Jahren zurückgenommen werden (S.34).
- Nach 2 Jahren werden Geschäfte mit chinesischen Unternehmen zugelassen, nach 5 Jahren Geschäfte mit allen chinesischen Kunden (S.35), d.h. das Führen von Privatkonten in Yuan für Chinesen wird ab 2007 erlaubt.
- Die Lizenzierung ausländischer Banken wird nach 5 Jahren nur noch an wirt- schaftliche Kriterien wie z.B. ihre Kapitalausstattung geknüpft, nicht mehr an Kriterien wie eine quantitative Beschränkung von Lizenzen oder der ökonomischen Notwendigkeit (S.35f.).
Außerdem gilt:
- Für Finanzgeschäfte in ausländischen Währungen bzw. Finanzgeschäfte mit Ausländern in China gibt es keine geographischen oder zeitlichen Beschränkungen (S.34f.).
- Die Fahrzeugfinanzierung durch Nicht-Banken wird zugelassen (S.36).
- Ausländische Beteiligung an Vermögensverwaltungsfirmen ist bis zu einer Höhe von 49% erlaubt (nach einer Übergangszeit von 3 Jahren mit 33%) (S.38).
- 3 Jahre nach WTO-Beitritt ist die ausländische Beteiligung an Firmen mit Lizenz zur Emission von auf Yuan lautenden A-Aktien erlaubt, in einer maximalen Höhe von einem Drittel der Firma (S.38). (Der Markt für auf Dollar lautende B-Aktien ist bereits länger geöffnet.)
- Für Bankdienstleistungen und für Fahrzeugfinanzierung durch Nicht-Banken gibt es bei “mode” 1 Einschränkungen bzgl. Finanzsoftware und Übertragung von Finanzdaten sowie bzgl. ergänzender Finanzdienstleistungen wie Investmentberatung und Portfolio-Analyse (S.34 und 37).
Diesen branchenspezifischen Aussagen vorangestellt sind die für alle Branchen gültigen “Horizontal Commitments” (S.2-4); dort sind bzgl. “mode” 3 allgemeine Regelungen über Gemeinschaftsunternehmen (joint ventures) enthalten sowie die Festlegung, dass sich Grund und Boden in Staatseigentum befindet; bzgl. “mode” 4 gibt es Bestimmungen über die Aufenthaltsdauer ausländischer Mitarbeiter. Die für Finanzdienstleistungen spezifischen Bestimmungen nehmen beim “mode” 4 (“Presence of natural persons”) explizit auf die “Horizontal Commitments” Bezug, bei den übrigen “modes” nicht.
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- Arbeit zitieren
- Bernhard Stengel (Autor:in), 2005, Die VR China als WTO-Mitglied: Der Banken- und Finanzsektor, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48069
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