Unsere Gesellschaft ist im Hinblick auf Sicherheitsleistungen, wie beispielsweise durch die ärztliche Versorgung oder den Beruf des Nachtwächters, seit dem Mittelalter mit dem Begriff der Schichtarbeit vertraut. Im Rahmen der Industrialisierung erfolgte ein Ausbau der unregelmäßigen Arbeitszeiten durch die Unternehmen. Hier stand vor allem eine hohe Kapazität- und Ressourcenauslastung der Maschinen des produzierenden Gewerbes im Vordergrund. Dabei waren die Arbeiter aus der Chemie- und Stahlindustrie am meisten betroffen. Innerhalb der letzten 15 Jahre stieg der Anteil der Schichtarbeiter unter den Erwerbstätigen von 9,7 auf 15,5 Prozent (Statistisches Bundesamt 2004). Neben der Schichtarbeit im produzierenden Gewerbe gewann die Schichtarbeit auch im Dienstleistungssektor immer mehr an Bedeutung. So findet man heute Schichtarbeit in öffentlichen Verkehrsbetrieben, Krankenhäusern sowie bei Freizeiteinrichtungen (Clubs, Restaurants, etc.). Innerhalb unserer Gesellschaft scheint es undenkbar die Versorgung der Menschen mit Gütern oder Dienstleistungen ohne Schichtarbeit sicherzustellen.
I. Inhaltsverzeichnis
II. Auswirkungen der industriellen Schichtarbeit auf die sozialen Lebensbereiche eines Schichtarbeiters
1. Einleitung
2. Grundlagen der Schichtarbeit
2.1. Der Begriff: Schichtarbeit
2.2. Formen der Schichtarbeit
3. Auswirkungen der Schichtarbeit auf die sozialen Lebensbereiche
3.1. Der Lebensrhythmus als Einflussfaktor
3.2. Soziales Umfeld
3.2.1. Familie und Partnerschaft
3.2.2. Außerfamiliäre Kontakte
3.3. Freizeitgestaltung
4. Schlussbemerkung
III. Literaturverzeichnis
II. Auswirkungen der industriellen Schichtarbeit auf die sozialen Lebensbereiche eines Schichtarbeiters
1. Einleitung
Unsere Gesellschaft ist im Hinblick auf Sicherheitsleistungen, wie beispielsweise durch die ärztliche Versorgung oder den Beruf des Nachtwächters, seit dem Mittelalter mit dem Begriff der Schichtarbeit vertraut. Im Rahmen der Industrialisierung erfolgte ein Ausbau der unregelmäßigen Arbeitszeiten durch die Unternehmen. Hier stand vor allem eine hohe Kapazität- und Ressourcenauslastung der Maschinen des produzierenden Gewerbes im Vordergrund. Dabei waren die Arbeiter aus der Chemie- und Stahlindustrie am meisten betroffen. Innerhalb der letzten 15 Jahre stieg der Anteil der Schichtarbeiter unter den Erwerbstätigen von 9,7 auf 15,5 Prozent (Statistisches Bundesamt 2004). Neben der Schichtarbeit im produzierenden Gewerbe gewann die Schichtarbeit auch im Dienstleistungssektor immer mehr an Bedeutung. So findet man heute Schichtarbeit in öffentlichen Verkehrsbetrieben, Krankenhäusern sowie bei Freizeiteinrichtungen (Clubs, Restaurants, etc.). Innerhalb unserer Gesellschaft scheint es undenkbar die Versorgung der Menschen mit Gütern oder Dienstleistungen ohne Schichtarbeit sicherzustellen.
Dass Schichtarbeit zu gesundheitlichen, sowie zu sozialen Problemen führen kann, ist der Grundgedanke dieser Arbeit. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Auswirkungen der Schichtarbeit im sozialen Leben eines Schichtarbeiters. Zwar liegen dieser Arbeit ausschließlich Literatur und Erkenntnisse aus dem Bereich der Industrie zu Grunde, jedoch sind die folgenden Ausführungen im weiteren Sinn auch auf den Dienstleistungssektor übertragbar.
Der erste Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit einer Begriffsklärung zum Thema Schichtarbeit. Anschließend werden die Auswirkungen auf die sozialen Kontakte und das Freizeitverhalten der Schichtarbeiter betrachtet. Diesem Teil der Arbeit wird die Hauptursache für die Auswirkungen auf das soziale Leben vorangestellt. Die Arbeit schließt mit einem Resümee der vorangestellten Erkenntnisse.
2. Grundlagen der Schichtarbeit
2.1. Der Begriff: Schichtarbeit
Fast alle wissenschaftlichen Erklärungsansätze des Begriffs Schichtarbeit knüpfen an die um 1938 datierte Arbeitszeitordnung (AZO) an. Die AZO klärt zwar weniger den Begriff Schichtarbeit, jedoch enthält sie gesetzlich definierte Vorstellungen der Begriffe „Arbeitszeit“ und „Schichtzeit“. Dabei versteht man unter “Arbeitszeit“ die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit, wobei Pausen und Ruhezeiten unberücksichtigt bleiben. Im Gegensatz bedeutet „Schichtzeit“ die Summe der Arbeitszeit und Ruhepausen, also die Zeit der Anwesenheit eines Arbeiters im Betrieb (vgl. Schard 1987, S. 185f.).
Die AZO stellt auch für Schard die Grundlage für seine Definition des Begriffes Schichtarbeit dar:
Schichtarbeit liegt dann vor, wenn die Arbeitszeit eines Beschäftigten oder einer Arbeitsgruppe regelmäßig oder ständig hinsichtlich ihrer tageszeitlichen Lage und/oder ihrer Verteilung auf die Wochentage von der Normalarbeitszeit abweicht. (Schard 1987, S. 187)
Dabei steht die „Normalarbeitszeit“, welche tagsüber in der Zeit von 08.00 bis 16.00h ausgeübt wird, in Form der „Normalschicht“ dem Begriff Schichtarbeit gegenüber. Grundlegend etablierte sich in der Industrie das 3-Schichten-System. Dieses weist die Frühschicht (06.00 bis 14.00h), die Spätschicht (14.00 bis 22.00h) und die Nachtschicht (22.00 bis 06.00h) als Ausprägungen der Arbeitszeit auf. Neben der vorangestellten Definition des Begriffes Schichtarbeit von Schard, welche sich grundlegend auf die Arbeitszeit bezieht, soll ergänzend die Definition von Mikl-Horke angeführt werden:
Der Begriff Schichtarbeit soll verstanden werden als eine besondere Art des Arbeitszeitregimes, die dadurch charakterisiert ist, dass in zwei oder mehreren täglichen Zeitabschnitten, die sich im Grenzfall auf den gesamten 24- Stundentag erstrecken können, jeweils unterschiedliche Schichtbelegschaften an einem konstanten Betriebsmittelpotential zum Einsatz gelangen. (Mikl- Horke 1979, S. 8)
Mit den Definitionen von Mikl-Horke und Schard, lassen sich folgende Merkmale der Schichtarbeit ableiten. So ist Schichtarbeit dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Arbeiter an einen Arbeitsplatz arbeiten, wobei die Arbeiter zeitlich nacheinander ihre Tätigkeit ausüben. Weiterhin handelt es sich bei dem zeitlich verschobenen
Arbeitszeitrhythmus und der Einteilung des Personals auf den Arbeitsplatz um eine dauerhafte Einrichtung. Die Einteilung der Arbeiter auf die Arbeitsplätze erfolgt über den Schichtplan.
2.2. Formen der Schichtarbeit
Wie aus den obigen Definitionen hervorgeht, ist ein Merkmal der Schichtarbeit der personenbezogene Wechsel am Arbeitsplatz. Dieses Merkmal greift Schard nochmals spezifischer auf und bezeichnet diese Form der Schichtarbeit als Wechselschichtarbeit:
Wechselschicht ist dann gegeben, wenn ein Beschäftigter oder eine Arbeitsgruppe regelmäßig zwischen mindestens zwei Schichten wechselt, von denen mindestens eine die Merkmale der Schichtarbeit aufweist. (Schard 1987, S. 187)
Grundlegend lässt sich Schichtarbeit in die folgenden drei Formen unterteilen: Schichtarbeit existiert als nichtkontinuierliche Schichtarbeit, teilkontinuierliche Schichtarbeit und kontinuierliche Schichtarbeit. Alle drei Formen weisen den Aspekt der Wechselschichtarbeit auf.
Die nichtkontinuierliche Schichtarbeit ist geprägt durch mindestens zwei Schichten und einer Arbeitsunterbrechung am Ende des Arbeitstages sowie am Wochenende. Bei der teilkontinuierlichen Schichtarbeit handelt es sich um mindestens drei aufeinander folgende Schichten, wobei eine Arbeitsunterbrechung nur am Wochenende erfolgt. Mit der kontinuierlichen Schichtarbeit ist nunmehr die ununterbrochene Arbeitzeit gekennzeichnet, die sich somit auf 365 Tage im Jahr ohne Arbeitsunterbrechung am Ende des Tages oder am Wochenende beläuft. Dabei existieren mindestens drei ständig aufeinander folgenden Schichten (vgl. Corlett et al. 1989, S. 10).
Ferner bestehen in der Industrie noch weitere Formen der Schichtarbeit, wie zum Beispiel die permanente Schicht (Dauerschichtarbeit), welche sich überwiegend in den USA etabliert hat (vgl. Voigt 1986, S. 31), oder aber auch die Form von geteilten Schichten. Diese Sonderformen der Schichtarbeit werden in dieser Arbeit nicht weiter berücksichtigt. In der vorliegenden Arbeit wird Schichtarbeit unter dem Aspekt der Wechselschicht in Form der kontinuierlichen Schichtarbeit verstanden.
3. Auswirkungen der Schichtarbeit auf die sozialen Lebensbereiche
3.1. Der Lebensrhythmus als Einflussfaktor
Die „Kurve der psychologischen Leistungsbereitschaft“ (Mosbach 2003, S. 2) spielt eine zentrale Rolle in der gesamten Schichtarbeitsforschung. Vereinfacht beschreibt die Kurve, dass der menschliche Körper einem 24-Stunden-Rhythmus unterliegt, in dem er tagsüber auf Leistung und in der Nacht auf Erholung und Ruhe eingestellt ist. Dies bedeutet für einen Schichtarbeiter ständig ein Leben gegen die eigene innere Uhr zu führen. Zwar ist die Leistungskurve eines jeden Menschen individuell verschieden und auch die Belastungen, welche aus dem ständig wechselnden Arbeitszeitrhythmus entstehen können, sind bei jedem Schichtarbeiter unterschiedlich, trotzdem können hier gesundheitliche Beschwerden, wie zum Beispiel Schlafstörungen, Nervosität sowie Magen- und Kreislauferkrankungen, oft die Folge von Schichtarbeit sein (vgl. Mosbach 2003, S. 2). Schard kommt in seinem Aufsatz über Schichtarbeit sogar zu dem Ergebnis, dass sich der biologische Tagesrhythmus eines Menschen niemals der Schichtarbeit anpasst (vgl. Schard 1987, S. 201). Neben den gesundheitlichen Risiken, welche hier nur erwähnt bleiben, wirkt sich der unregelmäßige Arbeitsrhythmus eines Schichtarbeiters auch erheblich auf das soziale Leben eines Schichtarbeiters aus:
Wer unregelmäßig arbeitet, kann nicht mehr am sozialen Leben teilnehmen. Das wirkt sich unter Umständen negativ aus auf das zusammen sein mit der Familie, mit Freunden oder Kollegen, auf alle möglichen Kontakte und Freizeitaktivitäten. (Mosbach 2003, S. 2)
Dementsprechend entstehen für Personen unter Schichtarbeit extreme Abweichungen in der Lebensführung im Vergleich zu Personen, welche eine Beschäftigung unter der Normalschicht ausüben. Schichtarbeit kann den Ausschluss aus dem „normalen“ gesellschaftlichen Leben bedeuten, was nicht nur zu sozialen Problemen für den Schichtarbeiter selbst führt, sondern auch dessen Partner und Kinder betrifft.
3.2. Soziales Umfeld
3.2.1. Familie und Partnerschaft
Wie vorab erwähnt wurde, können sich die Auswirkungen von wechselnden Arbeitszeiten im familiären Bereich nicht nur auf den Schichtarbeiter sondern auch auf dessen Partner und Kinder übertragen. Die sozialen Belastungen eines Schichtarbeiters hängen von mehreren Faktoren ab: Schweflinghaus betont, dass wechselnde Arbeitszeiten vor allem bei jungen Schichtarbeitern den Aufbau einer langen Partnerschaft erschweren (vgl. Schweflinghaus 2005, S. 10). Hier stellt der Zeitmangel nicht nur ein Problem für die Entfaltung einer Partnerschaft dar, sondern wirkt sich auch negativ innerhalb einer bereits bestehenden Beziehung aus. Die Schichtarbeit schränkt die gemeinsamen Aktivitäten innerhalb einer Partnerschaft ernorm ein und stellt ein Hindernis für das Sexualleben dar (vgl. Wedderburn 2000, S. 33).
Die Probleme scheinen sich zu verdoppeln, wenn beide Partner im Schichtdienst beschäftigt sind und die Erziehung eigener Kinder hinzukommt. So erkennt Voigt: „Dem Alltag der Schichtarbeiterfamilie fehlt dadurch ein für alle verlässliches Ordnungsschema; Familienkontakte werden durch längeres Nichtsehen eingeengt“ (Voigt 1986, S. 74f.). Für Schichtarbeiter ist es somit schwieriger mit der Familie gemeinsame Aktivitäten auszuführen. Dies beginnt bereits beim Essverhalten in der Familie, da gemeinsame Mahlzeiten, wie zum Beispiel das gemeinsame Frühstück, eher seltener erfolgen. Weiterhin wird die Teilnahme an der Erziehung der Kinder für den Schichtarbeiter eingeschränkt und obliegt ausschließlich dem Ehepartner (vgl. Corlett et al 1989, S. 36). Dies kann zu einer Entfremdung zwischen Kindern und Eltern führen und zusätzlich einen Rollenverlust der Eltern bedeuten. Hierbei kommt der Vaterrolle durch die unregelmäßigen Arbeitszeiten kaum noch Bedeutung zu. Befindet sich die Ehefrau ebenfalls in einem beruflichen Beschäftigungsverhältnis, führt dies zu einer Konfliktsituation zwischen Mutter-, Hausfrauen- und Berufsrolle. Ein solches Rollendilemma der Schichtarbeiter betrifft in erhöhtem Umfang die Frauen:
Sind Männer, die Nacht oder Schichtarbeit leisten, in aller Regel weitestgehend von Arbeiten im Haushalt oder der Erziehung „freigestellt“, so gibt es für Frauen diese Entlastung meistens nicht. Insbesondere dann, wenn nachtarbeitende Frauen zugleich auch Mütter von Kindern im Vorschulalter sind, ergeben sich aus dieser Doppelrolle enorme Belastungen: Die Frauen sind (und bleiben auch über das Vorschulalter hinaus) die primäre Bezugsperson für die Kinder und werden in dieser Funktion, unabhängig von Schlaf- oder anderen Bedürfnissen auch in Anspruch genommen. (Windemuth 2001, S. 58)
Des Weiteren ist zu bemerken, dass die Kinder aus einer Schichtarbeiterfamilie viel seltener eine weiterführende Schule besuchen. Diese Tatsache wird auch als „soziale Vererbung geringerer Qualifikationschancen“ (Windemuth 2001, S. 55) bezeichnet. Dabei sind Kinder, dessen Eltern beide im Schichtdienst tätig sind, von einem bedeutend schlechteren Notendurchschnitt betroffen. Dieses Phänomen ist jedoch nicht auf ein geringeres Qualifikationsniveau, sondern eindeutig auf die unregelmäßigen Arbeitzeiten der Eltern zurückzuführen. Es ist jedoch zu bemerken, dass im Allgemeinen das Qualifikationsniveau der Schichtarbeiter viel geringer ist, als das der restlichen Erwerbstätigen (vgl. Windemuth 2001, S. 55f.).
Trotz negativer Auswirkungen der Schichtarbeit auf die Familie und Partnerschaft kommt dem Familienleben eine hohe Bedeutung für den einzelnen Schichtarbeiter zu. Dies ist darin begründet, dass die sozialen Kontaktmöglichkeiten mit der „normalen“ Gesellschaft sehr stark beeinträchtigt sind und somit die Familie viel stärker im Vordergrund steht (siehe Kapitel 3.2.2.). Steht jedoch die Familie ausschließlich im Vordergrund, kann dies langfristig zu Problemen führen. So hat eine österreichische Studie ergeben, dass die Kompatibilität der Partner im Laufe der Zeit abnimmt. Die Frage, ob es bei Schichtarbeiterfamilien häufiger zu Scheidungen oder Trennungen kommt, bleibt jedoch offen, da dies bisher noch nicht ausreichend untersucht wurde (vgl. Wedderburn 2000, S. 34).
3.2.2. Außerfamiliäre Kontakte
Eine wichtige Bedeutung für den Aufbau von sozialen Kontakten ist die aktive Mitarbeit in Vereinen oder sonstigen Organisationen. Diese Grundlage für das Bestehen von außerfamiliären Kontakten ist bei Schichtarbeitern nur erschwert möglich (siehe Kapitel 3.3).
Windemuth sieht bei Schichtarbeitern eine allgemeine Verringerung der sozialen Kontakte. Durch den unregelmäßigen Arbeits- und Lebensrhythmus stehen soziale Kontakte der Schichtarbeiter zu Vorgesetzten und Kollegen viel stärker im Vordergrund als bei Nichtschichtarbeitern (vgl. Windemuth 2001, S. 57). Grundlegend existiert bei Schichtarbeitern die Gefahr der sozialen Isolation oder sogar der Desintegration aus der Gesellschaft. Wolf schreibt den sozialen Kontakten von Schichtarbeitern eine große Rolle zu, um der gesellschaftlichen Isolation entgegenzuwirken. Er kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass Schichtarbeiter deutlich weniger Freunde haben als Nichtschichtarbeiter (vgl. Wolf 1985, S. 68f.). Auch Corlett et al. schreiben, „dass die Schichtarbeiter im Laufe der Jahre zunehmend weniger Freunde außerhalb der Arbeitswelt haben“ (Corlett et al. 1989, S. 38).
Voigt sieht durch die reduzierten Kontaktmöglichkeiten mit anderen Menschen sogar einen Verlust der eigenen sozialen Rolle:
Schichtarbeit führt bei den Betroffenen zu einer Verarmung der Rollenstruktur und zu einem Rückzug auf die Familie. Schichtdienstleistende können sich weniger im Ausfüllen sozialer Rollen üben, ihre persönliche Rollenstruktur verkümmert, und ihre Bereitschaft, neue Rollen zu lernen, versiegt gleichermaßen wie Ihre Fähigkeit, tradierten Rollenanforderungen zu entsprechen. (Voigt 1986, S. 75)
Grundlegend bedeutet dies, dass die Kontakte von Schichtarbeitern zu Freunden und Bekannten weniger häufig sind, als die von Normalarbeitern. Auch die Häufigkeit von gemeinsamen Unternehmungen mit Freunden und Verwanden ist bei Schichtarbeitern weniger präsent.
Schweflinghaus betont im Hinblick auf die sozialen Kontakte der Schichtarbeiter, dass diesen Personen eine besondere Unterstützung und ein besonderes Verständnis entgegengebracht werden muss:
Nur mit Entgegenkommen des sozialen Umfeld können Schichtarbeiter ihr Bedürfnis nach Hobbys, Zusammensein mit Freunden und Familie, Kultur, Weiterbildung und gesellschaftlichen Engagement stillen wie Menschen mit Regelarbeitszeit. (Schweflinhaus 2005, S. 17)
Für die Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte eines Schichtarbeiters sehen Corlett et al. eine Entschärfung des Problems der sozialen Integration dann gegeben, wenn sich eine Gruppe von Schichtarbeitern darum bemüht gemeinsame soziale und berufliche Aktivitäten zu entwickeln. Dabei sind jedoch die Kontakte ausschließlich auf eine Berufsgruppe beschränkt. Somit sind Schichtarbeiter überwiegend vom sozialen Leben ausgeschossen und laufen darüber hinaus ständig Gefahr sich weiter davon zu distanzieren (vgl. Corlett et al. 1989, S. 39).
3.3. Freizeitgestaltung
Die unregelmäßigen Arbeitszeiten der Schichtarbeiter beeinflussen nicht nur das Familienleben sowie die Beziehung zu Freunden und Bekannten, sondern prägen gleichermaßen die Freizeitaktivitäten eines Schichtarbeiters:
Der Umfang der Freizeit von Schichtarbeitern unterscheidet sich nur wenig von dem der Tagarbeiter. Jedoch gibt es vor allem auf Grund der tageszeitlich unterschiedlichen Zugängigkeit von gesellschaftlichen Dienstleistungen erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. (Schard 1987, S. 224)
Somit ist die regelmäßige Zugänglichkeit zu den Freizeiteinrichtungen in den Bereichen Kultur, Bildung, Politik und Sport für einen Schichtarbeiter nicht immer gegeben und schränken dadurch die Freizeittätigkeiten ein. Windemuth resümiert hierüber:
Die meisten dieser Aktivitäten lassen sich zeitlich überwiegend in den sozial wertvollen Tageszeiten ansiedeln, und eine Teilhabe hieran ist durch die Arbeitszeiten der Nacht- und Schichtarbeiter nur unregelmäßig oder gar nicht möglich. (Windemuth 2001, S. 57)
Ferner bemerkt Windemuth, dass Schichtarbeiter diesbezüglich weniger in Verbänden, Parteien oder Kirchen repräsentativ organisiert sind, da hierfür eine regelmäßige Teilnahme an den Veranstaltungen notwendig ist (vgl. Windemuth 2001, S. 57). Zwar ist der Besuch von Vereinstreffen sowie Musik- oder Sportveranstaltungen möglich, aber immer von den wechselnden Arbeitszeiten der Schichtarbeiter abhängig. Folglich führt dies dazu, dass Schichtarbeiter vorrangig individuellen Tätigkeiten und Hobbys nachgehen, welche tageszeitunabhängig und alleine ausgeübt werden können. Als Beispiele lassen sich Spazierengehen, Lesen, Arbeiten im Haus oder im Garten anführen (vgl. Schard 1987, S. 225). Hierbei kann auch eine gemeinsame Ausgestaltung der Freizeit mit Arbeitskollegen, welche den gleichen Schichtplan unterliegen eine hohe Bedeutung zukommen (siehe 3.2.2). Jugel et al. berichten, dass das Lesen - vorrangig Belletristik aber auch Fachliteratur - schon die zweite Stelle der Freizeitgestaltung ausmacht (vgl. Jugel et al.1978, S. 85). Betrachtet man ebenfalls, dass das Fernsehen eine individuelle Freizeitgestaltung darstellt, findet sich in der Literatur vermehrt folgende Aussage von Schichtarbeitern aus Interviews wieder:
Sehen Sie, das Fernsehen scheint Schichtarbeit nicht zu kennen! Wenn da mal eine Serie läuft, kann ich ein oder auch zwei Folgen sehen. Dann legen sie
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- Quote paper
- Carsten Becker (Author), 2005, Auswirkungen der industriellen Schichtarbeit auf die sozialen Lebensbereiche eines Schichtarbeiters, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47737
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