Man stelle sich einmal die Aufgabe eines Kapitäns auf einem Kreuzfahrtschiff vor. Dies bedeutet die Verantwortung für eine Vielzahl von Entscheidungen zu tragen, die letztendlich alle dem Ziel dienen, dem Reisenden ein unvergessliches Reiseerlebnis zu bescheren. Damit eng verknüpft ist das Ziel, dass der Kreuzfahrtreisende bereit ist, dafür so viel Geld auszugeben, wie für die Erwirtschaftung sämtlicher Kosten der Reise, der Verwaltungs- und Vertriebskosten der Reederei und des Gewinns notwendig sind. Als Kapitän braucht man demnach viele Informationen, von den Wünschen der Reisenden über Informationen zur Reise-Route bis hin zu Daten über die Infrastruktur des Schiffes (z. B. Maschinen, Instrumente, Sicherheitssysteme), die erhoben und analysiert werden müssen.
Bedenkt man die heutige Größe (bezogen z. B. auf Schiffsgröße, Ausstattung, aber auch Personal) der Kreuzfahrtschiffe – man spricht schon von schwimmenden Städten -, wird einem die Komplexität der Aufgabe bewusst. Doch worauf soll der Kapitän achten, welche Informationen sind wirklich relevant zur Zielerreichung? Wie kann das Ziel, den Passagieren ein unvergessliches Reiseerlebnis zu bescheren, in allen Köpfen der Mitarbeiter verankert werden? Und auf der anderen Seite, wie kann der Kapitän erkennen, inwieweit sein Ziel erfüllt ist oder an welchen Stellen Gefahr droht, das Ziel zu verfehlen? Mit solchen Problemen sind sicherlich nicht nur die Kapitäne auf hoher See beschäftigt. Mit ähnlicher Komplexität und Fragestellung sehen sich auch die Lenker von Unternehmen tagtäglich konfrontiert. War früher häufig die Informationsversorgung ein Problem um diese Fragestellungen zu lösen, so sind heutzutage Entscheider eher einer Informationsüberflutung ausgesetzt. Grund hierfür ist v. a. die ständig zunehmende Nutzung der Computer und der damit verbundenen stark ausgeweiteten Datensammlung und –analyse.
Mit dem Konzept der Balanced Scorecard (BSC) wollen ihre Begründer Kaplan und Norton Lösungen für diese Probleme anbieten. Die BSC soll Unterstützung leisten bei der Aufgabe, Strategien im Unternehmen umzusetzen, den Blick auf die wesentlichen Größen zu lenken und die Strategie zu kommunizieren . Sie beschreibt ein System von erfolgsrelevanten Größen, die miteinander kausal verknüpft werden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Balanced Scorecard – ein Konzept entwickelt sich weiter
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Kennzeichen innovativer Anwendungen
3 Gegenstand und Wesen der Balanced Scorecard
4 Grundkonzept der Balanced Scorecard
4.1 Grundlegende Idee und Zielsetzung
4.2 Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard
4.2.1 Finanzperspektive
4.2.2 Kundenperspektive
4.2.3 Interne Prozessperspektive
4.2.4 Lern- und Entwicklungsperspektive
4.3 Ursache-Wirkungs-Beziehung
5 Unternehmensübergreifende Anwendungen der Balanced Scorecard
5.1 Stakeholder Scorecard
5.2 Netzwerk-Balanced Scorecard
5.3 Supply Chain Balanced Scorecard
5.4 Environmental Scorecard
6 Anwendungen der Balanced Scorecard auf Konzern- und Unternehmensleitungsebene
6.1 Balanced Chance- & Risk-Card
6.2 Value Scorecard
6.3 Sustainable Balanced Scorecard
6.4 Konzern Balanced Scorecard
6.5 Erfolgsfaktoren-basierte Balanced Scorecard
6.6 Reporting Balanced Scorecard
7 Anwendungen der Balanced Scorecard in betrieblichen Teilbereichen
7.1 Marketing-Balanced Scorecard
7.2 Balanced Scorecard für Internal Audit
7.3 Human Resources Balanced Scorecard
7.4 Logistik-Balanced Scorecard
7.5 IT-Scorecard
8 Weitere ausgewählte innovative Konzepte der Balanced Scorecard
9 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der vorgestellten Balanced Scorecard-Konzepte
10 Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
1 Beispiele für neue Formen der Balanced Scorecard
1.1 Kunden-Stakeholder-Scorecard
1.2 Balanced Chance- & Risk-Card
1.3 Balanced Scorecard für Internal Audit
1.4 Balanced Scorecard für die IT
2 Beispiele für neuartige Perspektiven
2.1 Gesellschaftsperspektive
2.2 Risikoperspektive
2.3 Lieferantenperspektive
3 Beispiele für Ursache-Wirkungsketten in neuen Anwendungen der Balanced Scorecard
3.1 Kausaldiagramm zu einer Marketing-Balanced Scorecard
3.2 Ursache-Wirkungskette der Logistik-Scorecard
4 Die Verbindung von Strategie- und Wertmodell
Eidesstattliche Erklärung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard
Abbildung 2: Die Kernkennzahlen der Kundenperspektive
Abbildung 3: Ursache-Wirkungskette in der BSC
Abbildung 4: Ursache-Wirkungs-Kette einer Netzwerk-BSC am Beispiel eines Altauto-Entsorgungsnetzwerkes
Abbildung 5: Beispielhafte Darstellung von Ursache-Wirkungszusammenhängen einer unternehmensübergreifenden BSC
Abbildung 6: Stakeholderansatz und Perspektiven der Environmental Scorecard
Abbildung 7: Exemplarische Value Scorecard einer Produktionseinheit (Prinzipdarstellung)
Abbildung 8: Grundstruktur der Sustainable Balanced Scorecard (SBS)
Abbildung 9: Führungsverständnis des Konzerns und Balanced Scorecard
Abbildung 10: Exemplarische Darstellung einer Erfolgsfaktoren-basierten Balanced Scorecard „Markenführung“
Abbildung 11: Integrative Reporting Balanced Scorecard
Abbildung 12: Marketing-Balanced Scorecard eines Gebäudedienstleisters
Abbildung 13: Die Human Resources-BSC
Abbildung 14: Logistikstrategie als inhaltliches und optisches Zentrum der Logistik-BSC
Abbildung 15: IT-Scorecard mit ausgewählten KPIs
Abbildung 16: Mobile Business Balanced Scorecard
Abbildung 17: Darstellung der BSC-Konzepte anhand verschiedener Kriterien
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Balanced Scorecard – ein Konzept entwickelt sich weiter
Man stelle sich einmal die Aufgabe eines Kapitäns auf einem Kreuzfahrtschiff vor. Dies bedeutet die Verantwortung für eine Vielzahl von Entscheidungen zu tragen, die letztendlich alle dem Ziel dienen, dem Reisenden ein unvergessliches Reiseerlebnis zu bescheren. Damit eng verknüpft ist das Ziel, dass der Kreuzfahrtreisende bereit ist, dafür so viel Geld auszugeben, wie für die Erwirtschaftung sämtlicher Kosten der Reise, der Verwaltungs- und Vertriebskosten der Reederei und des Gewinns notwendig sind. Als Kapitän braucht man demnach viele Informationen, von den Wünschen der Reisenden über Informationen zur Reise-Route bis hin zu Daten über die Infrastruktur des Schiffes (z. B. Maschinen, Instrumente, Sicherheitssysteme), die erhoben und analysiert werden müssen.
Bedenkt man die heutige Größe (bezogen z. B. auf Schiffsgröße, Ausstattung, aber auch Personal) der Kreuzfahrtschiffe – man spricht schon von schwimmenden Städten -, wird einem die Komplexität der Aufgabe bewusst. Doch worauf soll der Kapitän achten, welche Informationen sind wirklich relevant zur Zielerreichung? Wie kann das Ziel, den Passagieren ein unvergessliches Reiseerlebnis zu bescheren, in allen Köpfen der Mitarbeiter verankert werden? Und auf der anderen Seite, wie kann der Kapitän erkennen, inwieweit sein Ziel erfüllt ist oder an welchen Stellen Gefahr droht, das Ziel zu verfehlen? Mit solchen Problemen sind sicherlich nicht nur die Kapitäne auf hoher See beschäftigt. Mit ähnlicher Komplexität und Fragestellung sehen sich auch die Lenker von Unternehmen tagtäglich konfrontiert. War früher häufig die Informationsversorgung ein Problem um diese Fragestellungen zu lösen, so sind heutzutage Entscheider eher einer Informationsüberflutung ausgesetzt. Grund hierfür ist v. a. die ständig zunehmende Nutzung der Computer und der damit verbundenen stark ausgeweiteten Datensammlung und –analyse.
Mit dem Konzept der Balanced Scorecard (BSC) wollen ihre Begründer Kaplan und Norton Lösungen für diese Probleme anbieten. Die BSC soll Unterstützung leisten bei der Aufgabe, Strategien im Unternehmen umzusetzen, den Blick auf die wesentlichen Größen zu lenken und die Strategie zu kommunizieren[1]. Sie beschreibt ein System von erfolgsrelevanten Größen, die miteinander kausal verknüpft werden[2]. Besonderheit der ausgewählten Größen ist die Tatsache, dass diese auch nicht-monetär und sowohl vergangenheits- als auch zukunftsorientiert sind. Beispiele für solche Größen sind der Cashflow, der Marktanteil, die Prozessdurchlaufzeit oder die Anzahl der von Mitarbeiter eingebrachten Verbesserungsvorschlägen. Diese Größen werden im Ursprungsmodell in vier Perspektiven unterteilt[3] und auf ca. zwanzig begrenzt[4]. Dadurch gelingt eine übersichtliche Darstellung.
Seit ihrer Veröffentlichung im Jahre 1992 im Harvard Business Review hat die BSC – ähnlich einem ins Wasser geworfenen Steins – weite Kreise in der Wissenschaft und vor allem auch in der betrieblichen Praxis gezogen. Dies belegen eine Vielzahl von Büchern, Aufsätzen und Praxisbeispielen. Dabei zeigt sich, dass sich die BSC weiter entwickelt. Die vormals starre Begrenzung auf die strategischen Geschäftseinheiten wird aufgelöst, so dass sich neuere BSCs auch auf den Konzern (z. B. Konzern BSC[5] ) oder sogar auf mehrere Unternehmen beziehen (z. B. die Supply Chain BSC[6] ). Neue Perspektiven finden Einzug (z. B. die Gesellschaftsperspektive[7] ). Aber auch Anpassungen der BSC an neue Herausforderungen der Unternehmen, wie beispielsweise dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich, finden statt (z. B. die Balanced Chance- & Risk-Card[8] ). Eine breite Auswahl dieser innovativen Anwendungen vorzustellen ist Aufgabe dieser wissenschaftlichen Arbeit.
1.2 Aufbau der Arbeit
Diese Arbeit gliedert sich in zehn Kapitel. Nach dieser Einleitung folgt in Kapitel zwei eine Abgrenzung des Begriffs Innovation. Kapitel drei beschreibt die BSC, zeigt ihre verschiedene Definitionen auf und legt die für diese Arbeit gültige Definition fest. Dem Grundkonzept der BSC widmet sich Kapitel vier. Hierbei wird kurz auf die Entstehungsgeschichte eingegangen und anschließend die Ziele dieses Konzeptes beschrieben. Zudem werden die vier Perspektiven und die Ursache-Wirkungskette als wesentliche Elemente der BSC vorgestellt.
Die Kapitel fünf bis sieben widmen sich der ausführlichen Vorstellung fünfzehn ausgewählter innovativer Anwendungen der BSC. Dabei wird untergegliedert in Anwendungen, die unternehmensübergreifend sind (® Kapitel 5), Anwendungen auf Konzern- oder Unternehmensleitungsebene (® Kapitel 6) und funktionsbezogener Anwendungen (® Kapitel 7). Um die Bandbreite der BSC-Anwendungen aufzuzeigen, werden in Kapitel acht in Kurzform noch einmal einige ausgewählte Konzepte vorgestellt. In Kapitel neun findet sich eine tabellarische Gegenüberstellung der fünfzehn ausführlich vorgestellten Anwendungen und eine Bewertung nach ihrem Innovationscharakter. Kapitel zehn wagt auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Arbeit einen Blick in die Zukunft der BSC.
2 Kennzeichen innovativer Anwendungen
Das Wort Innovation findet seinen Ursprung in dem lateinischen Verb „innovare“, welches im Deutschen erneuern bedeutet[9]. Innovation steht daher laut Duden für die „Einführung von etwas neuem“[10] bzw. „Erneuerung“[11] und das Wort innovativ für „Innovationen schaffend“[12]. Im Brockhaus wird unter Innovation die „planvolle, zielgerichtete Erneuerung und auch Neugestaltung von Teilbereichen, Funktionselementen oder Verhaltensweisen im Rahmen eines bereits bestehenden Funktionszusammenhangs“[13] verstanden. Ziel ist dabei die Optimierung von bestehenden Verfahrensweisen oder die bessere Erfüllung von neu auftretenden oder veränderten Funktionsanforderungen[14].
In der Betriebswirtschaftslehre (BWL) finden sich eine Vielzahl von Innovationsdefinitionen. Exemplarisch sollen einige Definitionen hier genannt werden. Als Ausgangspunkt der Innovationsforschung gilt die Definition von Schumpeter, obwohl er noch nicht den Begriff der Innovation benutzte, sondern mit dem Wort Entwicklung arbeitete. Entwicklung findet aus seiner Sicht bei der „Durchsetzung neuer Kombinationen“[15] statt. Diese sind durch Diskontinuität und große Veränderungen gekennzeichnet[16]. Die Innovationen, die Schumpeter dabei im Sinn hatte, waren neue Produkte, Produktionsverfahren, Absatzmärkte, Bezugsquellen und Organisationsformen. Die starke Fokussierung auf die Produkte findet sich beispielsweise auch bei Schneck. Er bezeichnet Innovation als die „Entwicklung neuer Güter bzw. Dienstleistungen, Produktionsverfahren oder Organisationsformen durch die Unternehmung“[17].
Diese Definitionen werfen die Frage auf, woran man das „Neue“ festmachen kann, denn dieses stellt schließlich die Voraussetzung dafür da, etwas als innovativ anzusehen. Dies ist ein typisches Problem der Innovationsforschung, daher verlangt Hauschildt die Formulierung bestimmter Kriterien an denen das „Neue“ festgemacht werden kann[18]. Er selber definiert „Innovation“ als „neuartige Produkte oder Verfahren, die sich gegenüber dem vorangehenden Zustand merklich [...] unterscheiden“[19]. Neuartigkeit ist für Hauschildt dann gegeben, wenn diese Neuartigkeit wahrgenommen werden kann und Mittel und Zwecke in einer bisher nicht bekannten Form verknüpft werden[20]. Zudem muss diese Verknüpfung sich in der Praxis bewähren.
Im Gegenzug dazu steht die sehr weite Begriffsweisung von Roger. Aus seiner Sicht ist Innovation „an idea, practice, or object that is perceived as new by an individual or other unit of adoption […]. If the idea seems new to the individual, it is an innovation“[21]. Demnach stellt die Meinung eines Individuums nach Rogers Definition das einzige Kriterium zur Bestimmung von Innovationen da.
Grundlage dieser Arbeit soll die Definition von Hauschildt sein, da sie gewisse Mindestanforderungen an eine Innovation stellt, sich also nicht mit einer einzelnen subjektiven Aussage begnügt. Zudem betont sie auch den Aspekt der Anwendbarkeit von Innovationen. Innovative Anwendungen sind folglich dann gegeben, wenn es sich um neuartige Anwendungen handelt, die sich von ihren vorherigen Anwendungen merklich unterscheiden und diese Neuartigkeit sichtbar wird.
3 Gegenstand und Wesen der Balanced Scorecard
Es bieten sich mehrere Möglichkeiten an, sich der Balanced Scorecard inhaltlich zu nähern. Zuerst einmal liegt es nahe den Begriff Balanced Scorecard ins Deutsche zu übersetzen. Ein Blick in das Wörterbuch verrät, dass „balanced“[22] für ausgewogen und „scorecard“[23] für eine Punktekarte steht. Demnach stellt die Balanced Scorecard eine ausgewogene Punktekarte da.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, nach der Zuordnung der Balanced Scorecard in der Betriebswirtschaftslehre zu schauen. Dort wird die Balanced Scorecard den Kennzahlensystemen zugeordnet[24], worunter nach Reichmann eine „Zusammenstellung von quantitativen Variablen zu verstehen“[25] ist. Diese Variablen werden in der Wissenschaft Kennzahlen genannt und stellen jene Zahlen dar, „die quantitativ erfassbare Sacherverhalte in konzentrierter Form erfassen“. In einem Kennzahlensystem stehen Kennzahlen in einer sachlich sinnvollen Beziehung zueinander, ergänzen oder erklären einander und sind insgesamt auf ein gemeinsames übergeordnetes Ziel ausgerichtet[26]. Durch die übersichtliche Darstellung von Kennzahlen dienen die Kennzahlensysteme der Informationsversorgung für Entscheidungsträger. Hier zeigt sich eine gewisse Parallele zu einer Punktekarte, die beispielsweise zur übersichtlichen Darstellung der Ergebnisse im Sport eingesetzt wird[27].
Das Merkmal der Übersichtlichkeit ist allerdings nicht allein der Balanced Scorecard vorbehalten, sondern findet sich auch in anderen Kennzahlensystemen wieder (z. B. Du Pont-Kennzahlensystem)[28]. Vielmehr kennzeichnet die BSC der Aspekt der Ausgewogenheit. Ausgewogen stellt sich die BSC laut ihren Begründern Kaplan und Norton unter anderem deswegen da, weil in ihr finanzielle, aber vor allem auch nicht-finanzielle Kennzahlen berücksichtigt werden[29]. Dies ist auch ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu den „alten“ Kennzahlensystemen, wie beispielsweise dem Du Pont-System oder dem RL-Kennzahlensystem, die sich nahezu ausschließlich auf finanzielle Kennzahlen konzentrieren[30]. Die Kennzahlen in der BSC sind zudem ausgewogen zwischen internen und externen Messgrößen, zwischen vergangenheits- und zukunftsorientierten Kennzahlen, aber auch zwischen leicht zu quantifizierenden und urteilsabhängigen Ergebniskennzahlen[31]. Typisch für die BSC ist zudem, die Einteilung der Kennzahlen in Perspektiven, wie sie Abbildung 1 zeigt. Im Ursprungsmodell von Kaplan und Norton sind dies insgesamt vier: die Finanz-, die Kunden-, die interne Prozess- und die Lern- und Entwicklungsperspektive[32].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard[33]
Nach dieser einführenden Hinführung zur BSC, sollen nun die in der Wissenschaft gebräuchlichen Definitionen der BSC näher betrachtet werden. Zunächst wird die Definition der BSC-Begründer Kaplan und Norton vorgestellt. Demnach ist die BSC ein „Instrumentarium, um die Unternehmensvision und –strategie in ein geschlossenes Bündel von Leistungsmessungsfaktoren zu übertragen“[34]. In dieser Definition zeigt sich schon, dass Kaplan und Norton in der BSC mehr als nur ein Kennzahlensystem sehen. So sprechen sie auch von der BSC als einem Managementsystem, da die BSC nicht nur Kennzahlen übersichtlich darstellt, sondern zudem die Vision und Strategie einer strategischen Geschäftseinheit in Ziele und Kennzahlen übersetzt[35]. Den strategischen und damit langfristigen Charakter der BSC unterstreicht auch die Definition von Horváth, der die BSC als eine „spezielle Art der Konkretisierung, Darstellung und Verfolgung von Strategien“[36] mit dem Ziel „die Umsetzungswahrscheinlichkeit der beabsichtigen Strategien zu erhöhen“[37] beschreibt.
Eine weitere Definition der BSC liefern Friedag und Schmidt. Sie sehen in der BSC ein „effektives und universelles Instrument für das Management zur konsequenten Ausrichtung der Aktionen einer Gruppe von Menschen (Organisationen, Unternehmen, Institutionen, ...) auf ein gemeinsames Ziel“[38]. Diese Definition betont sehr stark den Führungsaspekt der BSC, denn Führung stellt gerade denjenigen Prozess da, „der darauf gerichtet ist, das Verhalten der Mitarbeiter eines Unternehmens zielorientiert zu beeinflussen“[39]. In ähnliche Richtung geht die Definition von Ehrmann, der in der BSC ein „Management-System zur strategischen Führung eines Unternehmens mit Kennzahlen“[40] sieht. Auch hier wird der Führungsaspekt betont.
Morganski dagegen definiert die BSC als ein „ganzheitliches Managementsystem, mit dem Unternehmen strategie- und gewinnorientiert geführt und der Unternehmenswert gesteigert werden kann“[41]. Auffällig ist dabei, dass Morganski durch den Gebrauch der Begriffe „Gewinnorientierung“ und „Unternehmenswertsteigerung“ die Finanzperspektive stark in den Mittelpunkt rückt.
Den Berichtscharakter betont Schulte, indem er unter der BSC einen „Ansatz zur integrierten Darstellung von Unternehmenszielen, bei dem gleichzeitig traditionelle finanzwirtschaftliche Zielgrößen, kundenbezogene Ziele, unternehmensinterne Ziele sowie Innovations- und Wissensziele erfasst werden“[42].
Für diese Arbeit soll die Definition der BSC-Begründer Kaplan und Norton die Grundlage liefern. Bei dieser Definition wird die Aufgabe der BSC sehr deutlich, nämlich die Übertragung oder - wie Horváth es formuliert – die Übersetzung[43] der Vision bzw. Strategie in Leistungsmessungsfaktoren. In dieser Definition lassen sich vier maßgebliche Elemente der BSC gut herausarbeiten: die Vision und Strategie, die Leistungsmessungsfaktoren, die Bündelung dieser in Perspektiven und die Übertragungsfunktion als Bindeglied zwischen strategischem und operativem Geschäft. Diese Definition hat zudem den Vorteil weniger einzuschränken und damit die Einsatzmöglichkeiten der BSC nicht künstlich zu begrenzen, wie beispielsweise bei Morganski. Durch die starke Finanzorientierung in seiner BSC-Definition engt er den Wirkungsbereich auf Unternehmen ein und schließt damit Verwaltungen und Non-Profit-Organisationen als Einsatzfelder der BSC aus.
4 Grundkonzept der Balanced Scorecard
4.1 Grundlegende Idee und Zielsetzung
Der Anstoß zur Entwicklung eines modernen – und damit nicht nur auf finanzielle Kennzahlen beschränktem - Kennzahlensystems kam aus der betrieblichen Praxis[44]. Zwölf amerikanische Unternehmen arbeiteten dabei im Rahmen einer Studie mit dem Nolan Norton Institute, dem Forschungszweig der Wirtschaftsprüfung KPMG, zusammen. Anlass war die Erkenntnis der an der Studie Beteiligten, dass die reine Fokussierung auf monetäre Größen ein Hindernis für zukünftige wertschöpfende Tätigkeiten der Unternehmen darstellte.
Bei der Suche nach einem neuen Kennzahlensystem wurde zunehmend eine multidimensionale Scorecard favorisiert[45]. Diese zeichnete sich vor allem durch die bereits im Kapitel drei beschriebene Ausgewogenheit der Kennzahlen aus, die schließlich auch zum Namen Balanced Scorecard führte. Durch die Veröffentlichung der Erkenntnisse im Jahre 1992 im Harvard Business Review kam es zu weiteren Anwendungen der BSC in der betrieblichen Praxis, wodurch sich die BSC auch inhaltlich weiter entwickeln konnte. So erkannten zwei Geschäftsführer das Potential, welches die BSC bei der Umsetzung von Strategien besitzt und trugen damit wesentlich dazu bei, dass sich die BSC zunehmend als Managementsystem einen Namen machte.
Eines der Hauptziele der BSC ist es, die Vision und Strategie eines Unternehmens bzw. einer strategischen Geschäftseinheit messbar zu machen[46], so dass das Unternehmen konsequent an ihr ausgerichtet wird[47]. Das Messbarmachen geschieht durch den Gebrauch von Kennzahlen[48]. Damit wird ein weiteres Ziel der BSC unterstützt, nämlich die Komplexität im Unternehmen durch die Fokussierung auf erfolgsrelevante Größen zu reduzieren[49]. Die BSC soll zudem Unterstützung leisten bei der Kommunikation der Vision und Strategie[50].
Frühzeitig Chancen und Risiken erkennen und damit als Frühwarnsystem agieren, ist ein weiteres Ziel der BSC[51]. Hierfür kommen insbesondere die Kennzahlen der dem finanziellen Bereich „vorgelagerten“ Perspektiven (z. B. die Lern- und Entwicklungsperspektive) zu tragen. Doch trotz der starken Betonung der nicht-monetären Größen in der BSC darf die Wichtigkeit der finanziellen Größen nicht unterschätzt werden[52], denn die Verknüpfung der Perspektiven durch Ursache-Wirkungsketten[53] zeigt, dass letztendlich jede Kennzahl der „vorgelagerten“ Perspektive dazu dienen soll, finanzwirtschaftliche Ziele zu erreichen. Die Arbeit mit Ursache-Wirkungsketten unterstützt die Suche der für das Unternehmen erfolgsrelevanten Größen, indem sich das Management mit der Frage auseinandersetzen muss, welche Größen Einfluss auf die Erreichung der finanziellen Ziele habe[54].
4.2 Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard
4.2.1 Finanzperspektive
Obwohl es eigentlich der innovative Charakter der BSC ist, den Fokus verstärkt auf die nicht-monetären Größen zu lenken, so spielt die Finanzperspektive dennoch eine herausgehobene Rolle[55]. Kaplan und Norton unterstreichen dessen Bedeutung in ihrer Arbeit über die BSC, denn sie sehen bei einer Vernachlässigung dieser Perspektive die Gefahr, dass es zu Verbesserungen im Unternehmen kommt, die sich finanziell nicht rechnen[56]. Auch Friedag und Schmidt mahnen wegen ihrer Bedeutung für die langfristige Überlebensfähigkeit eines Unternehmens die Wichtigkeit der Finanzperspektive an[57]. Aufgabe der Finanzkennzahlen ist es daher aufzuzeigen, inwieweit sich die Umsetzung einer Strategie positiv auf das Erfolgsziel ausgewirkt hat[58].
Bei der Ausgestaltung der Finanzperspektive empfehlen Kaplan und Norton eine Orientierung am Lebenszyklus[59]. Für die Wachstumsphase, die sich durch einen hohen Kapitalbedarf auszeichnet, empfehlen sich Kennzahlen, wie z. B. Cashflow, Umsatzwachstumsrate oder Liquiditätskennzahlen[60]. Die Erwirtschaftung einer guten Rendite steht im Mittelpunkt der Reifephase. Der Return on Investment (ROI), der Produkt-Deckungsbeitrag oder die Eigenkapitalrendite könnten mögliche Kennzahlen für diese Phase sein. In der Erntephase geht es dem Unternehmen dann darum, möglichst viel Cashflow zu erwirtschaften. Einsatz finden dabei Kennzahlen, wie der Cashflow, Return on Investment, Umsatzwachstum je Mitarbeiter oder die Tilgungsbereitschaft.
4.2.2 Kundenperspektive
Ziel der Kundenperspektive ist die Identifikation der Kunden- und Marktsegmente, in denen das Unternehmen konkurrenzfähig sein soll[61]. Die Kennzahlen dieser Perspektive sollen die Sicht des Kunden auf das Unternehmen wiedergeben[62]. Dabei unterscheidet man in der Literatur zwei Arten von Kennzahlen: die Kernkennzahlen und die Wertangebote[63].
Der Gruppe der Kernkennzahlen ordnen Kaplan und Norton die Kennzahlen Marktanteil, Kundentreue, Kundenakquisition, Kundenzufriedenheit und Kundenrentabilität zu[64]. Diese stehen wie Abbildung 2 zeigt in einem Abhängigkeitsverhältnis.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Die Kernkennzahlen der Kundenperspektive[65]
Kernkennzahlen sind eher vergangenheitsorientiert und in ihrer Grundform in jedem Unternehmen einsetzbar[66]. In diesen Punkten unterscheiden sie sich von den Wertangeboten, denn sie stellen die Vorläufer der Kernkennzahlen da (daher werden sie bei anderen Autoren auch Frühindikatoren genannt[67] ) und variieren sehr stark in Abhängigkeit vom Unternehmen. Kaplan und Norton unterteilen sie in drei Kategorien:
- den Produkt- und Serviceeigenschaften,
- den Kundenbeziehungen und
- dem Image und der Reputation[68].
Im Bereich der Produkt- und Serviceeigenschaften wird mit Kennzahlen wie beispielsweise dem Anteil der vollständigen Lieferungen an den Lieferungen gesamt, der Reparaturquote oder der Serviceverfügbarkeit gearbeitet[69]. Wartezeit an den Kassen, Reaktionszeit auf Kundenreklamationen oder Umsatzanteil mit der Kundenkarte könnten Kennzahlen für die Kategorie Kundenbeziehung sein. Für Image und Reputationen kann das Unternehmen mit Größen, wie der Entwicklung des Werbeetats, der Anzahl von Artikel in der Fachpresse oder die Anzahl gesponserter Veranstaltungen arbeiten.
4.2.3 Interne Prozessperspektive
Aufgabe der Prozessperspektive ist die Identifikation derjenigen Prozesse, die für die Erreichung der Ziele innerhalb der Kunden- und der Finanzperspektive am kritischsten sind[70]. Kaplan und Norton unterscheiden dabei in drei Hauptgeschäftsprozessen: den Innovations-, den Betriebs- und den Kundendienstprozess.
Im Rahmen des Innovationsprozesses geht es um die Erforschung der Kundenwünsche und die Entwicklung von Produkten oder Dienstleistungen, die diese befriedigen[71]. Doch Friedag und Schmidt mahnen an, dass sich die Erforschung der Kundenwünsche nicht nur auf die Produkte und Dienstleistungen beschränken sollte, sondern beispielsweise die verbesserte Gestaltung des Empfangsbereichs oder die Möglichkeit einer Internetbestellung untersucht werden sollte[72]. Mögliche Kennzahlen für die Prozessperspektive sind die Ideenverwertungsrate, die Zeit bis zur Marktreife oder die Anzahl der Stunden an denen der Kunde telefonisch eine Bestellung tätigen kann[73]. Die Produktion und Auslieferung der Produkte und Dienstleistungen steht im Mittelpunkt des Betriebsprozesses[74]. Hierbei wird mit Kennzahlen, wie Durchlaufzeiten, Fehlerquoten oder Ausschuss, gearbeitet[75]. Im Kundendienstprozess dreht sich alles um die Serviceleistungen, die für Kunden nach dem Kauf des Produktes bzw. der Dienstleistung angeboten werden[76]. Beispielhafte Kennzahlen sind der Anteil nachbetreuter Kunden, die Reaktionszeit bei Anfragen oder die Dauer des Rechnungszeitraums.
4.2.4 Lern- und Entwicklungsperspektive
Die Ziele der Lern- und Entwicklungsperspektive stellen nach Kaplan und Norton die treibenden Faktoren für die Zielerreichung der anderen drei Perspektiven da[77]. Innerhalb dieser Perspektive soll diejenige Infrastruktur identifiziert werden, die für die Organisation notwendig ist, um langfristiges Wachstum zu sichern[78]. In drei Feldern muss das Unternehmen hierfür Investitionen leisten:
1. in die Mitarbeiter,
2. in Informationssysteme und
3. in Motivation, Empowerment und Zielausrichtung.[79]
Für den ersten Bereich – die Mitarbeiter – findet man in der Literatur ähnlich der Kundenperspektive eine Unterteilung in Früh- und Spätindikatoren[80]. Als Frühindikatoren gelten dabei Kennzahlen, die sich mit der Mitarbeiterfortbildung, der Mitarbeitermotivation und der informellen Infrastruktur auseinandersetzen. Die Kennzahlen Mitarbeiterzufriedenheit, -treue und –produktivität gelten dagegen als Spätindikatoren.
Im Bereich der Informationssysteme gilt es dafür Sorge zu tragen, dass jeder Mitarbeiter schnell, genau und termingerecht Informationen über Kunden, interne Prozesse und die finanziellen Konsequenzen erhält[81]. Informationen sind heutzutage ein entscheidender Wettbewerbsvorteil und werden von ihrer Bedeutung den klassischen Produktionsfaktoren gleichgestellt[82]. Kennzahlen in diesem Bereich könnten sein: Schnelligkeit von Abschlussberichten, Abrufbarkeit verfügbarer Auswertungen oder die die Anzahl der DV-Nutzungsstunden durch das Management.
Für wichtig halten Kaplan und Norton zudem den Bereich der Mitarbeitermotivation, der in ihren Augen eine Grundvorrausetzung für den Unternehmenserfolg darstellt[83]. Als beispielhafte Kennzahlen nennen sie die Anzahl der von Mitarbeitern eingebrachten Verbesserungsvorschläge, Anzahl der Projekte, an denen mehr als eine Geschäftseinheit mitwirkt, oder Anzahl der tatsächlich umgesetzten Verbesserungsvorschläge.
4.3 Ursache-Wirkungs-Beziehung
Das Konzept der Balanced Scorecard zeichnet sich vor allem durch den ausgewogenen Charakter seiner Kennzahlen aus. Doch ein weiterer innovativer Ansatz der BSC sollte nicht vernachlässigt werden: die Ursache-Wirkungsketten[84]. Sie bildet die Verknüpfung zwischen den Perspektiven und verdeutlicht anschaulich, welche Größen letztendlich Einfluss auf die Erreichung der finanziellen Ziele haben.
Abbildung 3 beschreibt beispielhaft eine Ursache-Wirkungskette. Ausgangspunkt ist die Frage nach den maßgeblichen Einflussgrößen auf die Kapitalrendite (Finanzperspektive). In diesem Beispiel von Kaplan und Norton ist dies die Kundentreue (Kundenperspektive)[85]. Diese wiederum ist stark abhängig von der Lieferpünktlichkeit (Kundenperspektive). Beeinflusst wird die Lieferpünktlich zum einen von der Prozessqualität (Prozessperspektive) und zum anderen von der Prozessdurchlaufzeit (Prozessperspektive). Um in diesen Feldern gute Werte zu erreichen bedarf es eines hohen Fachwissens der Mitarbeiter (Lern- und Entwicklungsperspektive).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Ursache-Wirkungskette in der BSC[86]
Dieses Beispiel veranschaulicht, dass die Arbeit mit Ursache-Wirkungsketten für das Management die Chance bietet, erfolgsrelevante Größen im Unternehmen zu erkennen und anschließend transparent zu machen. Die Ursache-Wirkungsketten leisten somit auch einen Beitrag bei der Strategiefindung.
5 Unternehmensübergreifende Anwendungen der Balanced Scorecard
5.1 Stakeholder Scorecard
Unternehmen stehen in enger Verbindung zu einer Reihe von Anspruchsgruppen[87]. Diese in der BWL auch Stakeholder genannten Gruppen haben ein Interesse an der Unternehmung und stellen daher meist auch Ansprüche an diese. Fünf Anspruchsgruppen stehen dabei besonders im Fokus: die Kapitalgeber, die Kunden, die Mitarbeiter, die Lieferanten und der Staat und die Gesellschaft. Während sich in der Wissenschaft und Praxis mit den ersten beiden bereits intensiver auseinandergesetzt wurde, gewinnen zunehmend auch die anderen drei Anspruchsgruppen an Bedeutung.
Dieser Tatsache trägt das Konzept der Stakeholder Scorecard Rechnung. Sie stellt eine BSC da, die die oben genannten Anspruchsgruppen betrachtet, Ziele für die einzelnen Gruppen definiert und daraus eine passende Scorecard mit den dazugehörigen Kennzahlen entwickelt[88]. Bischof schlägt sogar vor für jede Gruppe eine eigene Stakeholder Scorecard zu entwerfen (siehe als Beispiel für eine Kunden-Stakeholder Scorecard im Anhang 1.1)[89]. In seinen Augen soll die gruppenspezifische Stakeholder Scorecard eine Gegenüberstellung der spezifischen Investitionen und Leistungen der Anspruchsgruppe und des Unternehmens abbilden.
Kaplan und Norton weisen daraufhin, dass die Stakeholder Scorecard aber nicht zur Beschreibung der Strategie einer Organisation ausreicht, da die Identifikation von Erfolgstreibern nicht stattfindet[90]. Allerdings stellt diese Ausprägung der BSC häufig einen ersten Schritt auf dem Weg zu einer strategieorientierten Scorecard da, weil durch die Arbeit immer wieder die Frage nach dem Weg zur Erreichung der Ziele aufgeworfen wird.
Die stärkere Beachtung von Anspruchsgruppen auch in der Ursprungs-BSC mahnt Waldkirch an[91]. So schlägt er vor, die vier Perspektiven BSC um eine Gesellschaftsperspektive zu erweitern (Beispiel siehe im Anhang 2.1). Als Grund nennt er die in der BSC von Kaplan und Norton unzureichende Beachtung der Interessen der Gesellschaft und deren Macht das Image und die Reputation eines Unternehmens zu beeinflussen. Vor allem bei Großunternehmen sieht er eine starke Abhängigkeit von den zunehmenden Ansprüchen der Gesellschaft. Waldkirch favorisiert dabei eine Einordnung der Gesellschaftsperspektive als dritte Perspektive zwischen der Kunden- und der internen Prozessperspektive.
5.2 Netzwerk-Balanced Scorecard
Eine Netzwerk-Balanced Scorecard stellt eine BSC da, die in „wechselseitigen Beziehungen zu den von den Netzwerkunternehmen intern genutzten Balanced Scorecards steht“[92]. Die Verknüpfungen zwischen den BSCs der einzelnen Unternehmen finden dabei an den einzelnen Perspektiven statt[93]. Kennzeichen der Netzwerk-BSC ist, dass sämtliche Perspektiven auf das gesamte Netzwerk ausgerichtet sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Ursache-Wirkungs-Kette einer Netzwerk-BSC am Beispiel eines Altauto-Entsorgungsnetzwerkes[94]
Die Netzwerk-BSC hat mehrere Aufgaben zu erfüllen. Eine der Hauptaufgaben besteht darin als zentrales Kommunikations- und Lerninstrument für das integrierte Controlling zu fungieren[95]. Unter dem integrierten Controlling verstehen Lange, Schaefer und Daldrup einen „auf die (unternehmensinternen) Geschäftsprozesse sowie auf die (unternehmensübergreifenden) Wertschöpfungskette bezogenen, IT-gestützten Führungssubprozess zur Koordination von Führungsaktivitäten auf allen Entscheidungsebenen des Unternehmens sowie zur Koordination der Führungsaktivitäten mit denen der Partner im strategischen Unternehmensnetzwerk“[96]. Das Erkennen und Nutzen von Synergien stellt eine weitere Aufgabe dieser Form der BSC da[97]. Die Netzwerk-BSC bildet durch die Festlegung von Zielvereinbarungen und Verantwortungen eine Art Kooperationsmodell, dem alle in dem Netzwerk angeschlossenen Unternehmen sich verpflichten. Durch die Arbeit mit Ursache-Wirkungsketten, wie Abbildung 4 am Beispiel eines Altauto-Entsorgungsnetzwerkes verdeutlicht, werden die Erfolgsfaktoren für die Zusammenarbeit herausgearbeitet und die Netzwerkpartner können zudem nachvollziehen, an welchen Stellen sie Einfluss auf den Erfolg der Kooperation haben.
Ähnliche Intention hat auch die X-Balanced Scorecard, die Horvath in der Zeitschrift Controlling vorstellt[98]. Das vorangestellte „X“ im Namen steht dabei für „crossing boundaries between organisations“[99], folglich für eine Zusammenarbeit über die Unternehmensgrenzen hinaus. Die X-BSC soll dabei die Strategie eines Netzwerkes in einen Aktionsplan umwandeln, vom dem aus die Ziele und Maßnahmen für die beteiligten Unternehmen abgeleitet werden[100].
5.3 Supply Chain Balanced Scorecard
Unternehmensgrenzen überwinden steht auch im Mittelpunkt des Supply Chain Managements, welches sich mit der „unternehmensübergreifenden Gestaltung [...] der gesamten Wertschöpfungskette“[101] auseinandersetzt. Die Supply Chain Balanced Scorecard dient dabei als Instrument zum Controlling der Supply Chains[102]. Sie eignet sich hierfür besonders gut aufgrund:
- der Ausgewogenheit zwischen quantitativen und qualitativen Kennzahlen[103],
- der ausgewogenen Abbildung der Perspektiven, die eine bessere Erfassung der Komplexität erlaubt, welche sich aus der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit ergibt[104] und
- des hohen Bekanntheits- und Umsetzungsgrades in der Praxis[105].
Die verschiedene Ansätze für eine Supply Chain-BSC unterscheiden sich von der eigentlichen BSC v. a. in der Auswahl der Perspektiven. So findet man in dem Konzept von Jahns statt einer Kunden- eine Lieferantenperspektive[106]. Diese soll die Fragen nach der Qualität der Lieferanten und nach dem Funktionieren der Zusammenarbeit beantworten. Als Kennzahlen schlägt Jahns u. a. das Beschaffungsvolumen pro Lieferant, der Anteil der Fehllieferungen oder den Lieferbereitschaftsgrad vor. Die Kundenperspektive soll nach seinen Vorstellungen in die Prozessperspektive integriert werden. Jahns sieht die Aufgaben der Supply Chain-BSC vorwiegend in der Hilfe bei der Strategieumsetzung, in der Optimierung der Prozesse innerhalb der Wertkette und in der Identifikation der Ursache-Wirkungs-Beziehungen im Supply Chain Management.
Größere Unterschiede zum BSC-Grundmodell weist das Modell von Weber, Bacher und Groll auf[107]. In ihrer Supply Chain-BSC werden gleich zwei Perspektiven (die Kunden- und die Lern- und Entwicklungsperspektive) ersetzt. Dafür kommen Kooperationsqualität und –intensität als neue Perspektiven hinzu, die allerdings wie im BSC-Grundmodell auch mit den anderen Perspektiven in einem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang stehen. Abbildung 5 zeigt dies beispielhaft.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Beispielhafte Darstellung von Ursache-Wirkungszusammenhängen einer unternehmensübergreifenden BSC[108]
Die Frage nach der Verbesserung der Zufriedenheit und des Vertrauens zwischen den an der Supply Chain beteiligten Unternehmen steht im Mittelpunkt der Kooperationsqualitätsperspektive[109]. Hierbei geht es um die weichen Faktoren, daher kommen Größen wie ein Zufriedenheitsindex oder die Anzahl der unkooperativ gelösten Konflikte als Kennzahlen in Frage. Um die harten Faktoren dreht es sich dagegen bei der Perspektive Kooperationsintensität. Sie zielt darauf ab, die Intensität der Kooperation zwischen den Supply Chain Partnern zu verbessern. Als Beispiel für eine Kennzahl schlagen Weber, Bacher und Groll die Quantität und Qualität ausgetauschter Datensätze vor.
[...]
[1] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 11
[2] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 28
[3] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 9
[4] vgl. Weber/Schäfer (2000), S. 22
[5] vgl. Bark/Kötzle (2001), S. 344
[6] vgl. Weber (2002), S. 226
[7] vgl. Waldkirch (2002), S. 323
[8] vgl. Reichmann (2000), S. 189
[9] vgl. Langenscheidt (2001b), S. 653
[10] vgl. Duden (1997), S. 363
[11] vgl. Duden (1997), S. 363
[12] vgl. Duden (1997), S. 364
[13] Brockhaus (2005), S. 2771
[14] vgl. Brockhaus (2005), S. 2771
[15] Schumpeter (1926), S. 100
[16] vgl. hier und im Folgenden Schumpeter (1926), S. 100 f.
[17] Schneck (1994), S. 317
[18] vgl. Hauschildt (1993), S. 4
[19] Hauschildt (1993), S. 4
[20] vgl. hier und im Folgenden Hauschildt (1993), S. 4
[21] Rogers (1983), S. 11
[22] Langenscheidt (2001a), S. 25
[23] Langenscheidt (2001a), S. 236
[24] vgl. Link (2000), S. 37; vgl. auch Gladen (2003), S. 208
[25] Reichmann (2001), S. 23
[26] vgl. hier und im Folgenden Reichmann (2001), S. 23 f
[27] vgl. Friedag/Schmidt (2002), S. 29
[28] vgl. Reichmann (2001), S. 25 f.
[29] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 8
[30] vgl. Ehrmann (2003), S. 61
[31] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 10
[32] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 9
[33] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 9
[34] Kaplan/Norton (1997), S. 23
[35] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 10
[36] Horváth (2001), S. 9
[37] Horváth (2001), S. 9
[38] Friedag/Schmidt (2002), S. 11
[39] Olfert/Steinbuch (1999), S. 235
[40] Ehrmann (2003), S. 16
[41] Morganski (2003), S. 11
[42] Schulte (1996), S. 57
[43] vgl. Horváth (2001), S. 13
[44] vgl. hier und im Folgenden Kaplan/Norton (1997), S. VII
[45] vgl. hier und im Folgenden Kaplan/Norton (1997), S. VIII
[46] vgl. Friedag/Schmidt (2002), S. 30
[47] vgl. Greischel (2003), S. 5
[48] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 11
[49] vgl. Friedag/Schmidt (2002), S. 23
[50] vgl. Weber/Schäffer (2000), S. 17
[51] vgl. hier und im Folgenden Greischel (2003), S. 12
[52] vgl. Weber/Schäffer (2000), S. 7
[53] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 29
[54] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 29
[55] vgl. Friedag/Schmidt (2002), S. 184
[56] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 31
[57] vgl. Friedag/Schmidt (2002), S. 184
[58] vgl. Gladen (2003), S. 206
[59] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 47
[60] vgl. hier und im Folgenden Morganski (2003), S. 104 ff.
[61] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 62
[62] vgl. Friedag/Schmidt (2002), S. 113
[63] vgl. Kaplan/Norton (1997) S. 66, 71
[64] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 66
[65] Kaplan/Norton (1997), S. 66
[66] Friedag/Schmidt (2002), S. 116
[67] vgl. Morganski (2003), S. 64
[68] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 71
[69] vgl. hier und im Folgenden Morganski (2003), S. 65 ff.
[70] vgl. hier und im Folgenden Kaplan/Norton (1997), S. 89
[71] vgl. Weber/Schäffer (2000), S. 10
[72] vgl. Friedag/Schmidt (2002), S. 141
[73] vgl. Morganski (2003), S. 94 f.
[74] vgl. Weber/Schäffer (2000), S. 10
[75] vgl. Morganski (2003), S. 97 f.
[76] vgl. hier und im Folgenden Friedag/Schmidt (2002), S. 147
[77] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 121
[78] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 27
[79] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 121
[80] vgl. hier und im Folgenden Friedag/Schmidt (2002), S. 166
[81] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 130
[82] vgl. Link (2004), S. 152
[83] vgl. hier und im Folgenden Kaplan/Norton (1997), S. 131 ff.
[84] vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 28
[85] vgl. hier und im Folgenden Kaplan/Norton (1997), S. 28 f.
[86] Kaplan/Norton (1997), S. 29
[87] vgl. hier und im Folgenden Link (2004), S. 1 f.
[88] vgl. Kaplan/Norton (2001), S. 93
[89] vgl. hier und im Folgenden Bischof (2002), S. 168
[90] vgl. hier und im Folgenden Kaplan/Norton (2001), S. 93 f.
[91] vgl. hier und im Folgenden Waldkirch (2002), S. 323 f.
[92] Lange/Schaefer/Daldrup (2001), S. 81
[93] vgl. hier und im Folgenden Lange/Schaefer/Daldrup (2001), S. 81
[94] Lange/Schaefer/Daldrup (2001), S. 80
[95] vgl. Lange/Schaefer/Daldrup (2001), S. 81
[96] Lange/Schaefer/Daldrup (2001), S. 78
[97] vgl. hier und im Folgenden Lange/Schaefer/Daldrup (2001), S. 82
[98] vgl. Horváth (2003b), S. 375
[99] Champy (2002), S. 2
[100] vgl. Horváth (2003b), S. 375
[101] Weber (2002), S. 185
[102] vgl. Weber (2002), S. 222
[103] vgl. Jahns (2004), S. 278
[104] vgl. Weber (2002), S. 222
[105] vgl. Weber (2002), S. 222
[106] vgl. hier und im Folgenden Jahns (2004), S. 278 f.
[107] vgl. hier und im Folgenden Weber/Bacher/Groll (2002), S. 138
[108] Weber/Bacher/Groll (2002), S. 139
[109] vgl. hier und im Folgenden Weber/Bacher/Groll (2002), S. 138
- Quote paper
- Martin Rudolph (Author), 2005, Innovative Anwendungen der Balanced Scorecard, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47736
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