In Anbetracht der langen Zeitspanne, die in der Überlieferung mit seiner politischen Tätigkeit verbunden wird, wissen wir erstaunlich wenig Konkretes über die Biographie des Perikles und seine Rolle im Athen des 5. vorchristlichen Jahrhundert. Die insgesamt recht spärlich fließenden Quellen und die in ihnen zudem häufig zum Ausdruck kommenden tendenziösen Absichten stellen die moderne historische Forschung vor das Problem, objektivierbare Kriterien für die Beurteilung von Perikles’ Machtfülle und seinem Einflussvermögen auf die innen- und außenpolitischen Ereignisse seiner Zeit aufzufinden. Damit einhergehend ist es im einzelnen äußerst schwierig, Perikles’ persönliche Bedeutung für die athenische Verfassungsentwicklung, für den in seiner Zeit zu einem gewissen Abschluss kommenden Demokratisierungsprozess adäquat einzuordnen. So ist es nach dem Urteil von J. Bleicken kaum möglich, überhaupt eine Biographie über die schon in der Antike mystifizierte Gestalt des Perikles zu schreiben. Für ihn scheint Perikles „die ersten Jahrzehnte der Demokratie und damit die höchste Blüte Athens eher zu repräsentieren, als dass wir hinter den ihm zugeschriebenen Entscheidungen und Taten einen planenden und denkenden Politiker erkennen können“.
Diese grundsätzliche heuristische Problematik vor Augen bemüht sich die vorliegende Arbeit nichtsdestotrotz in einem überblicksartigen ersten Teil, die Figur des Perikles und ihr Wirken in den zeitgeschichtlichen Kontext einzuordnen. Als vorrangige Quellen dienten dem Verfasser dabei das Werk des Thukydides und die Perikles-Biographie des Plutarch. Im Anschluss daran wenden wir uns in einem zweiten Schritt den zentralen, zweifelsfrei mit der Person des Perikles zu verbindenden politischen Maßnahmen zu. Ausgehend von der durch Perikles veranlassten Dikastenentlohnung erfolgt ein strukturgeschichtlicher Überblick über die finanzielle Entschädigung für die verschiedenen der attischen Demokratie geleisteten bürgerlichen Dienste. Abschließend soll in einem letzten Kapitel das Bürgerrechtsgesetz von 451/0 diskutiert werden.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitende Bemerkungen
2. Perikles und die attische Demokratie
2.1 Zur Diskussion über eine mögliche Beteiligung des Perikles an der sog. Entmachtung des Areopags
2.2 Zur Siedlungs- und Kolonialpolitik der vierziger und dreißiger Jahre des fünften Jahrhunderts
2.3 Der Ostrakismos des Thukydides, Sohn des Melesias, und die innen- politische Kontroverse um die Finanzierung der Akropolisbauten
2.4 Zum Bild des Perikles in der attischen Komödie
2.5 Zur Verantwortung des Perikles am Ausbruch des Peloponnesischen Krieges
2.6 Zum Prozess gegen Perikles zu Beginn des Peloponnesischen Krieges
3. Die politischen Reformen des Perikles – Perikles’ Politik als Ausdruck einer demokratischen Konzeption?
3.1 Zur finanziellen Entschädigung der bürgerlichen Tätigkeit in der athenischen Demokratie bis 425 v. Chr
3.1.1 Die Besoldung der Geschworenen
3.1.2 Die Besoldung der Soldaten
3.1.3 Die Bezahlung der Ratsmitglieder und Beamten
3.1.4 Zur Finanzierung der Soldzahlungen
3.1.5 Ausblick auf das 4. Jahrhundert: Der Ekklesiastensold
3.2 Das Bürgerrechtsgesetz des Perikles
3.2.1 Zur historischen Wirkung des Gesetzes
3.2.2 Zur Begründung der Einführung des Gesetzes in der Athenaion Politeia
3.2.3 Zur Forschungsdiskussion über die Begründung des Bürgerrechtsgesetzes
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitende Bemerkungen
In Anbetracht der langen Zeitspanne, die in der Überlieferung mit seiner politischen Tätigkeit verbunden wird, wissen wir erstaunlich wenig Konkretes über die Biographie des Perikles und seine Rolle im Athen des 5. vorchristlichen Jahrhundert[1]. Die insgesamt recht spärlich fließenden Quellen und die in ihnen zudem häufig zum Ausdruck kommenden tendenziösen Absichten stellen die moderne historische Forschung vor das Problem, objektivierbare Kriterien für die Beurteilung von Perikles’ Machtfülle und seinem Einflussvermögen auf die innen- und außenpolitischen Ereignisse seiner Zeit aufzufinden. Damit einhergehend ist es im einzelnen äußerst schwierig, Perikles’ persönliche Bedeutung für die athenische Verfassungsentwicklung, für den in seiner Zeit zu einem gewissen Abschluss kommenden Demokratisierungsprozess adäquat einzuordnen. So ist es nach dem Urteil von J. Bleicken kaum möglich, überhaupt eine Biographie über die schon in der Antike mystifizierte Gestalt des Perikles zu schreiben. Für ihn scheint Perikles
„die ersten Jahrzehnte der Demokratie und damit die höchste Blüte Athens eher zu repräsentieren, als dass wir hinter den ihm zugeschriebenen Entscheidungen und Taten einen planenden und denkenden Politiker erkennen können“[2].
Diese grundsätzliche heuristische Problematik vor Augen bemüht sich die vorliegende Arbeit nichtsdestotrotz in einem überblicksartigen ersten Teil, die Figur des Perikles und ihr Wirken in den zeitgeschichtlichen Kontext einzuordnen. Als vorrangige Quellen dienten dem Verfasser dabei das Werk des Thukydides und die Perikles-Biographie des Plutarch. Im Anschluss daran wenden wir uns in einem zweiten Schritt den zentralen, zweifelsfrei mit der Person des Perikles zu verbindenden politischen Maßnahmen zu. Ausgehend von der durch Perikles veranlassten Dikastenentlohnung erfolgt ein strukturgeschichtlicher Überblick über die finanzielle Entschädigung für die verschiedenen der attischen Demokratie geleisteten bürgerlichen Dienste. Abschließend soll in einem letzten Kapitel das Bürgerrechtsgesetz von 451/0 diskutiert werden.
Zuvor jedoch noch einige Anmerkungen zum Perikles-Bild in der antiken Überlieferung: Der Zeitgenosse Herodot erwähnt Perikles nur ein einziges Mal, in einem Nebensatz in Zusammenhang mit seiner Geburtslegende[3]. Durch Thukydides erfahren wir nur etwas über die letzten Lebensjahre des Perikles[4]. Seine Schilderung Perikles’ Wirkens beschränkt sich auf die Jahre 432-430. In seiner Pentekontaetie taucht Perikles nur dreimal auf und das ausschließlich in Zusammenhang mit militärischen Aktionen[5]. Erst im Winter 432/1 kommt er selbst das erste mal zu Wort, im Sommer 430 wird es ihm schon wieder entzogen[6]. Für das Bild des Perikles, wie es sich der Nachwelt darbot, ist von besonderem Interesse die idealisierte Würdigung seiner Person in II, 65 im direkten Anschluss an die sogenannte ,Trostrede’. Hier zeichnet Thukydides das Bild eines weisen, weitsichtigen und gerechten Politikers, der Athen zuallererst zu dessen herausragenden Machtstellung geführt hat. „Denn solang er die Stadt leitete im Frieden, führte er sie mit Mäßigung und erhielt ihr ihre Sicherheit, und unter ihm wurde sie groß [...].“ Sein Kriegsplan hätte Athen den Sieg gebracht. „Denn er hatte ihnen gesagt, sie sollten sich nicht zersplittern, die Flotte ausbauen, ihr Reich nicht vergrößern während des Krieges und die Stadt nicht aufs Spiel setzen, dann würden sie siegen.“ Seine Nachfolger aber „taten von allem das Gegenteil [...]“. Er hatte „die Masse in Freiheit [gebändigt], selber führend, nicht von ihr geführt, weil er nicht, um mit unsachlichen Mittel die Macht zu erwerben, ihr zu Gefallen redete, sondern genug Ansehn hatte, ihr wohl auch im Zorn zu widersprechen. [...]. Es war dem Namen nach eine Volksherrschaft, in Wirklichkeit eine Herrschaft des Ersten Mannes.“
Der Grundtenor dieser Glorifizierung blieb lange Zeit prägend für das Perikles-Bild, erkennbar schon bei Plutarch, vor allem aber in der Moderne[7]. Zu Lebzeiten Perikles’ widmeten sich seiner Person darüber hinaus vor allem die Komödiendichter, die ihn beleidigendem Spott und heftigster politischer Kritik aussetzten[8].
Im 4. Jahrhundert wird Perikles nur noch selten erwähnt. Die wenigen Bemerkungen bei Platon stellen einen Höhepunkt der Perikles-Kritik dar[9]. Auch Aristoteles schenkt ihm nur an ein paar Stellen in seinem Werk Aufmerksamkeit. In der Politik wird Perikles nur ein einziges Mal, im Zusammenhang mit der als demagogisch beurteilten Einführung der Geschworenenentlohnung, erwähnt[10]. Die Athenaion Politeia ordnet ihn zwar in die Phase derjenigen Verfassungsänderung ein, in der die „meisten Fehler“ gemacht worden seien[11], setzt den Wendepunkt zum Schlechten aber erst mit dem Aufstieg des Kleon[12]. Interessanterweise fällt das endgültiges Urteil der Athenaion Politeia über Perikles erstaunlich positiv aus: „Solange nun Perikles das Oberhaupt des Volkes war, stand es mit dem Staat ziemlich gut, aber nach seinem Tode (wurde es) viel schlimmer.“[13]
Erst Plutarch aber widmet sich seiner Person ausführlich[14]. Dessen mehr als ein halbes Jahrtausend später entstandene Biographie ist allerdings mit dem Manko behaftet, dass seine Informationen sämtlich aus zweiter Hand sind. Plutarch standen mit Sicherheit Quellen zur Verfügung, die heute verloren sind[15]. Dazu zählen insbesondere die attischen Komödien, die er an verschiedenen Stellen zitiert. Das macht ihn als Quelle besonders wertvoll. Man merkt Plutarch allerdings an, dass er versucht hat, Perikles in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen. Bemerkenswerterweise gelingt es ihm jedoch nicht, die negative Sicht und die abschätzigen Bemerkungen und Vorwürfe früherer Autoren gegen Perikles zu entkräften und ein durchweg positives Bild von dessen Persönlichkeit zu zeichnen[16]. So würdigt zwar Plutarch Perikles: „So verdient dieser Mann unsere Bewunderung wegen seiner Milde und freundlichen Sanftmut, die er sich mitten im Sturm der Geschäfte oder gehässiger Anfeindungen bewahrte, aber auch wegen seiner edlen Gesinnung [...]“[17], als Resümee aber bleibt: „Als Staatsmann muss sich Perikles einen schweren Vorwurf gefallen lassen, den Krieg.“[18]
2. Perikles und die attische Demokratie
Die Schwierigkeit verlässliche Daten über Perikles’ Leben und Wirken zu finden, wird schon mit seinem Geburtsjahr deutlich. Durch eine Inschrift, die ihn 472 als Chorégen bezeugt, besitzen wir einen Terminus ante quem[19]. Da dieses Amt Volljährigkeit voraussetzte, wurde Perikles folglich nicht später als 490 geboren[20]. Alles weitere ist Spekulation.
Mehr wissen wir über seine Familie. Er war der Sohn des Xanthippos und der Agariste. Agariste war die Tochter des Hippokrates, dieser wiederum war ein Bruder des Kleisthenes, so dass Perikles mütterlicherseits mit dem Alkmeonidengeschlecht verwandt war[21].
Sein Vater ist uns vor allem durch militärische Leistungen bekannt. 484 war er als einer der Gegenspieler des Themistokles exiliert worden. Nach der Amnestie von 480 zurückgekehrt, wurde er 479 zum Strategen gewählt. Noch im selben Jahr gelang es ihm, eine persische Flotte, die sich aus der Schlacht bei Salamis hatte retten können, bei Samos zu schlagen und Sestos, einen persischen Stützpunkt am Hellespont, zu erobern. Ihm gebührt somit der Ruhm, die erste Phase des Perserkrieges beendet zu haben[22].
Doch zurück zu Perikles[23]: Die nächste verlässliche Information zu seiner Biographie ist die bereits angesprochene Inschrift. Nach dieser Inschrift war er 472 Chorége für die Perser des Aischylos. Weitere Informationen fehlen. Erst knapp zehn Jahre später, 463/62, taucht er, „noch ein junger Mann“ (Aristoteles, Ath. Pol. 27,1), in der Rolle des Anklägers gegen die Rechenschaftsablegung des Kimon wieder in den Quellen auf[24]. Was in der Zwischenzeit geschah, wissen wir nicht.
2.1 Zur Diskussion über eine mögliche Beteiligung des Perikles an der sog. Entmachtung des Areopags
Für die unmittelbare Zeit danach finden sich zwar bei Plutarch und auch bei Aristoteles einige Bemerkungen, deren Wert ist aber äußerst fraglich. Beide bringen Perikles in Verbindung mit den gemeinhin als ,Sturz des Areopags’ bezeichneten Maßnahmen des Ephialtes. Jedoch ist darüber hinaus kaum etwas über seinen Beitrag zu den Ereignissen von 462/61 bekannt[25].
Plutarch berichtet an zwei Stellen[26], Perikles – und nicht Ephialtes – habe die Hauptrolle bei dem Angriff gegen den Areopag gespielt, Ephialtes sei nur der Handlanger und Vollstrecker der Ideen des Perikles gewesen.
„Als nun Perikles im Volk genügend Rückhalt besaß, brach er den Einfluss dieser Körperschaft [d.i. der Areopag; O.L. ]. Er ließ ihr durch Ephialtes die Entscheidung in den meisten Angelegenheiten entziehen [...].“ (Plutarch, Per. 9,5)
Diese Schilderung wird im allgemeinen als eine Rückprojektion Plutarchs zum Zwecke einer Aufwertung von Perikles’ (in Wahrheit später erst bedeutenden) Stellung angesehen[27]. Welche Rolle Perikles im Zusammenhang mit dieser sogenannten Entmachtung gespielt hat, und worin diese inhaltlich genau bestanden hat, ist anhand der überlieferten Quellen kaum eindeutig zu klären und muss daher offen bleiben[28]. Mit Verweis auf die oben zitierte Schilderung bei Plutarch vermutet Ch. Schubert:
„Die innere Beziehung zwischen Perikles’ Richterbesoldungsgesetz und Ephialtes’ Reform ist deutlich erkennbar und weist auch darauf hin, dass Perikles’ Rolle in dem Geschehen um Ephialtes, so wenig im einzelnen darüber bekannt ist, kaum die eines Statisten gewesen sein kann.“[29]
Auch Aristoteles berichtet in seiner Politik (1274a, 7-8), dass Perikles an den Reformen des Ephialtes beteiligt gewesen sei: „Und den Rat auf dem Areopag beschnitten Ephialtes und Perikles.“ In der Athenaion Politeia (25, 2-3) dagegen schreibt der Verfasser, Ephialtes „führte diese Maßnahmen unter Mitwirkung des Themistokles“ während des Archontats des Konon, also 462/61, durch. Es herrscht jedoch prinzipieller Konsens darüber, dass Themistokles 462/61 entweder schon in Asien oder vielleicht schon tot war[30]. M. Chambers kommentiert dazu:
„Es gab offensichtlich zwei Versionen der Chronologie der Reformen: Die eine Version datierte sie auf die 70er Jahre des 5. Jhs., als Themistokles noch lebte, und die andere auf die Zeit um 460, als Perikles berühmt wurde. [...]. In der Politik akzeptierte Aristoteles die späte Datierung, aber in der AP die frühe bei der Themistokles eine Rolle spielt.“[31]
Die Darstellung der vermeintlichen Entmachtung des Areopags in der Athenaion Politeia wird aber zudem noch dadurch komplizierter, dass der Verfasser behauptet, Perikles habe dem Areopag nach Inkrafttreten des Bürgerrechtsgesetzes, also nach 451, „einige Befugnisse“ entzogen (Ath. Pol. 27,1). Nähere Details erfahren wir nicht. Im Hinblick auf diesen angeblichen zweiten Angriff von Perikles auf den Areopag können daher nur Vermutungen angestellt werden. M. Chambers ist der Auffassung, dass es sich lediglich um eine Dublette von Ath. Pol. 25, 2-3 handelt, die er als einen Versuch des Verfassers wertet, die oben genannten widersprüchlichen Traditionen zu versöhnen[32].
Es folgen noch zehn geheimnisvolle Jahre im Leben des Perikles. Nach der Ostrakisierung des Kimon und der Ermordung Ephialtes’ im Jahre 461 wird allgemein der Aufstieg des Perikles zum führenden athenischen Politiker vermutet. Es fehlt allerdings der Beleg. Keines der bestimmenden Ereignisse der damaligen athenischen Geschichte[33] ist in den entsprechenden Quellen mit der Person des Perikles verbunden[34].
Auch der Verfasser der Athenaion Politeia erwähnt zwar die Zulassung der Zeugiten zum Archontenamt für die Zeit vor dem Archontat des Mnesitheides im Jahre 457/56 (Ath. Pol. 26,2[35] ) und für das Jahr 453/52 die umstrittene Wiedereinführung der dreißig sogenannten Demenrichter (Ath. Pol. 26,3), die erstmals von Peisistratos (vgl. Ath. Pol. 16,5) eingesetzt worden sein sollen[36]. Doch was dies alles für Perikles bedeutete, wie er an den Ereignissen Anteil nahm und zu ihnen stand, erfahren wir nicht. Lediglich die Besoldung der Dikasten in Athen – dazu ausführlich Kap. 3.1.1 – schreibt der Verfasser der Athenaion Politeia einem Gesetzesantrag des Perikles zu, für dessen Datierung er allerdings keine Anhaltspunkte gibt (Ath. Pol. 27,3)[37]. Auch von Plutarch erfahren wir über all die Jahre nichts:
„In jungen Jahren hielt sich Perikles dem Volke vorsichtig fern. Seine äußere Erscheinung gemahnte nämlich an den Tyrannen Peisistratos, und alte Leute bemerkten mit Entsetzen eine weitere Ähnlichkeit: die wohllautende Stimme und die Fähigkeit rasch und gewandt zu sprechen.“ (Plutarch, Per. 7)
Eventuell hatte schon Plutarch Probleme, das lange Fehlen Perikles’ in der politischen Öffentlichkeit zu erklären und glich dieses Manko mit ein wenig Fantasie aus[38].
Erst im Jahr 455/4 wird Perikles das erste Mal als Stratege genannt. Mit seinem Namen verbindet sich eine erfolgreiche Expedition gegen Sikyon auf dem nördlichen Peloponnes (Thuk. I, 111). Das Jahr 451 brachte dann wohl den ,Durchbruch’ für Perikles, „was aber keineswegs besagt, dass er der Staatsmann war, als den der Geschichtsschreiber Thukydides ihn später ausgab“[39]. In diesem Jahr brachte er ein Gesetz ein, wonach nur der ein Athener sein sollte, dessen beide Eltern athenisches Bürgerrecht besitzen (Ath. Pol. 26,4)[40].
„Wiederum vergingen zehn Jahre, in denen wir wenig von Perikles hören“[41]. Vermutlich 451/0 kehrte Kimon nach Ablauf der Zehnjahresfrist aus der Verbannung nach Athen zurück[42]. Wohl von ihm vermittelt[43], wurde ein fünfjähriger Waffenstillstand mit Sparta vereinbart (Thuk. I, 112). Die so gewonnenen Freiräume scheinen für einen neuerlichen Angriff gegen Persien genutzt worden zu sein[44]. 450 (449) fand die Schlacht bei Salamis, einer Hafenstadt auf Zypern, statt. Sie endete mit einem Doppelsieg des griechischen Aufgebots, kostete aber Kimon das Leben[45]. Im darauffolgenden Jahr (449/48) wurde der Kalliasfrieden geschlossen[46].
Nach Plutarch (Per. 17) regte Perikles Anfang der vierziger Jahre einen panhellenischen Friedenskongress in Athen an, der jedoch am Widerstand Spartas scheiterte[47].
2.2 Zur Siedlungs- und Kolonialpolitik der vierziger und dreißiger Jahre des fünften Jahrhunderts
Vermutlich zwischen dem Herbst 448 und dem Frühjahr 447 ist eine erste Kolonie auf Euboia gegründet worden[48]. Weitere folgten nach dem Aufstand von 446[49]. Wahrscheinlich 450 musste auch Andros zweihundertfünfzig, um 447 Naxos fünfhundert athenische Siedler aufnehmen (Plutarch, Per. 11)[50]. Nach den Angaben bei Plutarch (Per. 11,5; 19,l) leitete Perikles 447 selbst eine Expedition in die thrakische Chersonesos und besetzte mit eintausend Siedlern die Halbinsel. Dieses Gebiet war höchst bedeutsam für die attische Kornversorgung[51]. Unter Führung Hagnons gründeten 437/6 attische Siedler die Stadt Amphipolis an der Mündung des Strymon (Thuk. IV, 102). Amphipolis lag an strategisch bedeutender Stelle. Es beherrschte den einzigen Landweg von Makedonien zum Hellespont und eröffnete den Zugriff auf die Goldbergwerke des Pangaiongebirges. Darüber hinaus war der Waldreichtum dieses Gebietes insbesondere für das für den Schiffbau benötigte Holz von großem Interesse (Thuk. IV, 108)[52].
[...]
[1] Vgl. Schubert 1994, S. 1.
[2] Bleicken 1995, S. 532.
[3] Herodot VI, 121-131. Dazu Schubert 1994, S. 7-8. Zu dieser Legende vgl. auch Plutarch, Per. 3.
[4] Zur thukydideischen Beurteilung des Perikles vgl. den ausführl. Forschungsüberblick bei Schubert 1994, S. 11-16. Vgl. auch Will 2000, Sp. 570.
[5] Erstmals bei Thuk. I, 111, dann I, 114 und I, 116.
[6] 1. Rede des Perikles: Kriegsrede (Winter 432/1), Thuk. I, 140-144 – 2. Rede über die Ressourcen Athens (Sommer 431), Thuk. II, 13 – 3. Rede: Grabrede auf die attischen Gefallenen (Winter 431), Thuk. II, 35-46 – 4. Rede: Trostrede (Sommer 430), Thuk. II, 59-64.
[7] Vgl. Will 2000, Sp. 570.
[8] Zum Perikles-Bild in der Alten Komödie vgl. Schubert 1994, S. 5-9. Vgl. dazu auch weiter unten Kap. 2.4.
[9] Vgl. Platon Gorg. 515e-516d; Platon Phaidr. 269e-270a; Platon, Men. 94a-b; Prot. 319e-320a. Zum Perikles-Bild bei Platon vgl. Schubert 1994, S. 9-11; Will 2000, Sp. 571.
[10] Vgl. Aristoteles, Pol. 1274a 8-9.
[11] Aristoteles, Ath. Pol. 41,2.
[12] Ebd., 28,1-3.
[13] Ebd., 28,1.
[14] Zum Perikles-Bild bei Plutarch vgl. Schubert 1994, S. 16-18; Will 2000, Sp. 571 (dort auch weitere Literaturangaben).
[15] Vgl. dazu Pelling 2000, Sp. 1163.
[16] Vgl. Schubert 1994, S. 16-17.
[17] Plutarch, Per. 39.
[18] Plutarch, Fabius Maximus 30.
[19] IG II/III² 2,2, 2318. Vgl. Will 2000, Sp. 568.
[20] Auch im Hinblick auf die Perserkriege gilt es als unwahrscheinlich, dass Perikles früher, also um 500 geboren wurde, denn dann hätte er ja aktiv an ihnen teilnehmen müssen, „wovon die Überlieferung allerdings nichts weiß“; vgl. Miltner 1937, Sp. 748.
[21] Vgl. ebd. Dieser Umstand sollte für Perikles noch von Nachteil sein. Die Blutschuld des Alkmeoniden Megakles aus dem 7. Jahrhundert, der die Anhänger des Kylon auf heiligem Boden ermordete, lastete immer noch auf diesem Geschlecht. Noch kurz vor Beginn des Peloponnesischen Krieges gab es eine spartanische Forderung dahingehend, den sog. Kylonischen Frevel zu tilgen, also Perikles zu verbannen. Die Vollversammlung lehnte dieses Ansinnen jedoch ab. Vgl. Thuk. I, 126-127; Plutarch, Per. 33. Dazu Chambers 1990, S. 71 und S. 140-142.
[22] Vgl. Clauss 1999, S. 329.
[23] Hinsichtlich seines äußeren Erscheinungsbildes besitzen wir nur die kurze Bemerkung bei Plutarch (Per. 3,3), wonach an seiner sonst „tadellosen“ Gestalt nur der unverhältnismäßig lange Kopf (der ,Zwiebelkopf’, vgl. auch die ebd. angeführten Fragmente) auffallend war, weshalb die Künstler ihn fast immer behelmt dargestellt hätten. Zu seinem Privatleben, äußerlichen Lebenswandel und überlieferten Charaktermerkmalen vgl. die m. E. allzu unkritische Schilderung bei Miltner 1937, Sp. 788-790; Meier 1994, S. 420-424.
[24] Dazu: Chambers 1990, S. 266. Vgl. auch Plutarch, Per. 10,6; Plutarch, Kimon 14,2. Plutarch bemerkt zu diesem Prozess rückblickend, dass sich Perikles auf Bitten von Kimons Schwester Elpinike sehr zurückhielt „ und [...] so, als er wegging, der Sache Kimons von allen Anklägern am wenigsten Abbruch getan“ habe (Plutarch, Per. 10,6).
[25] Vgl. Schubert 1994, S. 158.
[26] Plutarch, Per. 7, 7-8 und Per. 9, 3-5. Davon weichen die Angaben bei Plutarch, Kimon 15,2 ab, wo Ephialtes für den Angriff verantwortlich ist
[27] Vgl. Schubert 1994, S. 161, Anm. 79.
[28] Vgl. zur Diskussion über die Vorgänge von 462/61 den Forschungsüberblick bei Bleicken 1995, S. 527-533 und Chambers 1990, S. 257-259.
[29] Schubert 1994, S. 161.
[30] Vgl. Chambers 1990, S. 260.
[31] Ebd., S. 259.
[32] Vgl. ebd., S. 266.
[33] Etwa das Ägyptenunternehmen der Jahre 460-454, bei dem nach den Angaben bei Thukydides (I, 104 und 109-110) schlimmstenfalls fast 250 Trieren der Athener und der Bundesgenossen mit fast allen Mannschaften, „also rund 50 000 Mann“ in Verlust geraten sind (vgl. Ruschenbusch 1979, S. 153-156), der Baubeginn der „Langen Mauern“ von 459, der Krieg gegen Aigina von 460-457/56 oder die Verlegung der Seebundkasse von Delos nach Athen im Jahre 454.
[34] Vgl. Will 2000, Sp. 568.
[35] Vgl. dazu Chambers 1990, S. 263, der das Gesetz auf „spätestens 458/57“ datieren möchte; ebenso Ruschenbusch 1979, S. 66.
[36] Vgl. dazu Chambers 1990, S. 263, der bezweifelt, dass Peisistratos diese Richter eingeführt hat.
[37] Vgl. dazu auch Platon, Gorg. 515e; Aristoteles, Pol. 1274a 8-9; Plutarch, Per. 9,2-3. Die Einführung des Schauspielgeldes (theorikon), die nach Plutarch (ebd.) ebenfalls auf Perikles zurückgeht, ist indes wohl erst für die Mitte des 4. Jahrhunderts zu veranschlagen; vgl. dazu Will 2000, Sp. 570; Bleicken 1995, S. 625-626 und Blume 2002, Sp. 403-404.
[38] Vgl. Clauss 1999, S. 329.
[39] Ebd., S. 330.
[40] Vgl. auch Ath. Pol. 42,1; Plutarch Per. 37; Aristoteles, Pol. 1278a 30ff. Dazu ausführlich Kap. 3.2.
[41] Clauss 1999, S. 330.
[42] Zur Frage einer vorzeitigen Rückkehr Kimons vgl. Plutarch, Per. 10; Kim. 17. Dazu: Schubert 1994, S. 36-37; Chambers 1990, S. 262, Bayer-Heideking 1975, S. 137. Nach Plutarch spielte Perikles eine entscheidende Rolle im Zusammenhang mit der Rückberufung Kimons aus der Verbannung. Auf den entsprechenden Antrag ließ sich Perikles nach Aussage Plutarchs jedoch erst ein, nachdem durch die Vermittlung von Elpinike, der Schwester Kimons, ein geheimer Vergleich zwischen den Rivalen geschlossen wurde (vgl. Plutarch, Per. 10,5).
[43] Vgl. Plutarch, Per. 10,4 ; Kim. 18,1. In der dieser Arbeit zugrundeliegenden Literatur datiert einzig Bleicken 1995, S. 82 – freilich ohne dies quellenmäßig zu belegen – den Abschluss des fünfjährigen Friedens mit Sparta auf die Jahre 454/3.
[44] Vgl. Meier 1994, S. 396; Schubert 1994, S. 39; Welwei 1999, S. 105.
[45] Er starb vor Kition; vgl. Thuk. I, 112; Plutarch, Per. 10. Schubert 1994, S. 39 vermutet – wohl in Anlehnung an die Darstellung bei Thuk. I,112 – , dass Kimons Tod zum Abbruch der Zypern-Expedition führte (ähnlich Welwei 1999, S. 106; Bleicken 1995, S. 82).
[46] Thukydides verschweigt ihn. Ob ein richtiger Vertrag aufgesetzt wurde oder ob es sich nur um eine Absprache handelte ist umstritten. Zur Forschungsdiskussion darüber vgl. Schubert 1994, S. 20-29.
[47] Zur Forschungsdiskussion über Echtheit, Gegenstand und Datierung dieses einzig von Plutarch überlieferten sog. Kongressdekretes vgl. Schubert 1994, S. 52 und S. 58-61; Welwei 1999, S. 120 u. S. 122; Miltner 1937, Sp. 763.
[48] Vgl. ebd., Sp. 764-765.
[49] Aufgrund von Tributreduzierungen lässt sich die Einrichtung der Kleruchien in Chalkis und Eretria „mit großer Wahrscheinlichkeit“ auf 446 datieren (vgl. Schubert 1994, S. 163; hier auch weitere Literatur). Durch Quellen mehrfach belegt ist die wohl unter der Leitung Perikles’ erfolgte Ansiedlung von Athenern auf dem Gebiet von Hestiaia 446/45 (vgl. Thuk. I, 114,3; Plutarch, Per. 23,4).
[50] Vgl. dazu Schubert 1994, S. 163.
[51] Vgl. ebd., S. 39.
[52] Vgl. dazu Meier 1994, S. 506; Miltner 1937, Sp. 774; Welwei 1999, S. 134.
- Arbeit zitieren
- Oliver Laschet (Autor:in), 2004, Die athenische Demokratie in der Ära des Perikles, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47714
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