Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit der Thematik des Meinungsumschwungs bei Menschen in einem sozialen Netzwerk. Dabei wird auf die Netzwerkanalyse - insbesondere die Schwellenmodell von Watts - Bezug genommen und die von Elisabeth Noelle-Neumann entwickelte Schweigespirale in Verbindung mit den Massenmedien. Es soll untersucht werden, warum und wann Menschen ihre eigene persönliche Meinung aufgeben und/oder abändern. Laut Noelle-Neumann geschieht dies aus Angst vor der Isolation der Gesellschaft.
In der vorliegenden Arbeit soll ebenfalls der Frage nachgegangen werden, welche weiteren Faktoren erfüllt sein müssen, damit die Schweigespirale greift oder wie ein Netzwerk aufgebaut sein muss, damit eine Meinungsänderung beim Individuum erfolgt. Praktische Beispiele, an denen dieses Thema experimentell getestet wurde, sind die Laborexperimente von Salomon Asch zur Isolationsangst aus dem Jahr 1951 sowie der Drohtest von 1976 und der Eisen-bahntest von 1972, die beide von Elisabeth Noelle-Neumann konzipiert wurden.
Abstract
1. Einleitung
2. Netzwerke
2.1 Netzwerke in der Systemtheorie
2.2 Untersuchung Sozialer Netzwerke
2.3 Übernahme von Meinungen
3. Die Schweigespirale
3.1 Entstehung
3.3 Bedingungen für die Schweigespirale
3.2 Die Schweigespirale als Makrotheorie
3.4 Öffentliche Meinung
3.5 Kritik an der Theorie
4. Untersuchungen zur öffentlichen Meinung
4.1 Das Asch-Experiment
4.2 Der Drohtest
4.3 Der Eisenbahntest
4.4 Resistenz gegenüber der Isolationsfurcht
5. Schluss
6. Literatur
Abstract
This paper deals with the opinion changes of human beings in a social network. Therefore the threshold theories by Duncan J. Watts and the spiral of silence by Elisabeth Noelle-Neumann are added to explain, how, why and when people change their position. Practical experiments made by Asch or Noelle-Neumann are taken to testify the theories, which got the result, that people fear the isolation of society and therefore change their mind in some situations, so they won´t be segregated.
1. Einleitung
Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit der Thematik des Meinungsumschwungs bei Menschen in einem sozialen Netzwerk. Dabei wird auf die Netzwerkanalyse - insbesondere die Schwellenmodelle von Watts - Bezug genommen und auf die von Elisabeth Noelle-Neumann entwickelte Schweigespirale in Verbindung mit den Massenmedien. Es soll untersucht werden, warum und wann Menschen ihre eigene persönliche Meinung aufgeben und/oder abändern. Laut Noelle-Neumann geschieht dies aus Angst vor der Isolation der Gesellschaft.
In der vorliegenden Arbeit soll ebenfalls der Frage nachgegangen werden, welche weiteren Faktoren erfüllt sein müssen, damit die Schweigespirale greift oder wie ein Netzwerk aufgebaut sein muss, damit eine Meinungsänderung beim Individuum erfolgt. Praktische Beispiele, an denen dieses Thema experimentell getestet wurde, sind die Laborexperimente von Salomon Asch zur Isolationsangst aus dem Jahr 1951 sowie der Drohtest von 1976 und der Eisenbahntest von 1972, die beide von Elisabeth Noelle-Neumann konzipiert wurden.
2. Netzwerke
Unter einem Netzwerk versteht man in der Soziologie „einen Begriff zur Erklärung sozialer Differenzierung von zwischenmenschlichen Beziehungen in einem System. (...) Netzwerkmodelle beschreiben die Struktur von einem oder mehreren Netzwerken sozialer Beziehungen in einem Handlungssystem. Sie können grafisch dargestellt werden als zerstreute Punkte, die durch Linien zusammengehalten werden. Die Punkte sind Personen, die Linien ihre sozialen Beziehungen. Es wird zwischen Netzwerken der ersten Zone (Freundschaft, Nachbarschaft etc.) bis hin zur Zone n-ter Ordnung unterschieden. Die gesamte Gesellschaft kann so in soziale Netzwerke aufgeteilt betrachtet werden. (...) Neben Nachbarschafts-, Verwandtschafts- und Freundschaftsbeziehungen können auch Geschlechtsrollendifferenzierungen bei Ehepaaren, Status-Hierarchien, Strukturen lokaler Macht, aber auch Erscheinungen der Migration und die Möglichkeiten neuer Produktverbreitungen analysiert werden, allerdings bislang noch auf einer schmalen empirischen Basis.“ (Hartfiel/Hillmann 1982, S. 537)
Ein Netzwerk kann man als abgegrenzte Menge von Knoten und der zwischen ihnen verlaufenden Linien definieren. Die Knoten sollen die einzelnen Akteure des Netzwerkes repräsentieren. Diese können einzelne Personen oder Länder sein. Die Linien stehen für die zwischen diesen Akteuren verlaufenden Beziehungen. Diese Relationen können aufgrund ihres Inhaltes (z.B. Gefühlsbeziehungen, Verwandtschaftsbeziehungen oder Relationen in der Arbeitswelt), ihrer Intensität (z.B. Häufigkeit, Wichtigkeit für den Akteur oder dem Ausmaß des Ressourcentransfers) und ihrer Form (gerichtet oder ungerichtet) unterschieden werden.
Unterschieden werden kann auch zwischen der Stärke der Bindungen. So gibt es „weak ties“ und „strong ties“, also schwache und starke Bindungen zwischen den Knoten, je nach dem, was für einen Stellenwert diese für den Akteur haben. So sind einige Netzwerke von zentraler Bedeutung für einen Akteur, weil er sich jeden Tag in ihnen aufhält, in anderen hält er sich jedoch nur selten auf oder sie sind ihm unwichtig, weshalb ihre Bedeutung nur sehr marginal ist. Je stärker solche Bindungen nun sind, um so stärker wird auch der Einfluss sein, den diese im Netzwerk auf den Handelnden haben.
2.1 Netzwerke in der Systemtheorie
Die Bedeutung und Wahrnehmung der Lebenswelt als ein Netzwerk und das netzwerkartige Denken hat sich in den letzten Jahren in vielen Bereichen als ein Paradigma mehr und mehr durchgesetzt. Die Beziehungen der einzelnen Teile untereinander gewinnen immer mehr an Bedeutung als eigenständige Dimension. Es stellte sich schnell heraus, dass die Summe der Eigenschaften der Teile nicht die Eigenschaften des Ganzen ergibt. Die systemischen Eigenschaften sind nicht bei jedem einzelnen Systemteil automatisch vorhanden, sondern ergeben sich durch die Beziehungen der einzelnen Teile untereinander. Bei näherer Betrachtung lösen sich diese Teile sogar wiederum in noch kleinere netzwerkartig organisierte Systeme auf, so dass schließlich die Zusammenhänge, Beziehungen und Prozesse als eigenständige Ebene primär in den Blick geraten. Genau diese Beziehungen interessieren nun, um herauszufinden, wie Netzwerke greifen und wie sie die einzelnen Individuen nachhaltig beeinflussen.
2.2 Untersuchung Sozialer Netzwerke
Netzwerke lassen sich in jedem Bereich der Gesellschaft finden, sei es in der Wirtschaft, der Politik oder der Kultur. Eine Untergruppe der Netzwerke stellt das soziale Netzwerk dar. Weyer versteht unter sozialen Netzwerken „Instanzen, über die gesellschaftliche Werte und Normen, aber auch gruppen-, schicht- oder milieuspezifische Verhaltenserwartungen an den individuellen Akteur weitergegeben werden.“ (Weyer 2000, S. 239)
Soziale Netzwerke werden unter anderem in der Ethnologie, Soziologie, Sozialpsychologie und der Kommunikationswissenschaft erforscht. Dafür existiert eine eigenständige Terminologie. Es zeigt sich, dass soziale Netzwerke von ihrer Struktur oft Small-World-Netzwerke bilden, in denen die maximale Distanz zwischen den einzelnen Einheiten überraschend gering ist.
“Das Small-World-Phänomen oder Kleine-Welt-Phänomen ist ein 1967 von Stanley Milgram geprägter soziologischer Begriff, der innerhalb der sozialen Vernetzung in der modernen Gesellschaft den hohen Grad abkürzender Wege durch persönliche Beziehungen bezeichnet. Es bezeichnet eine Prognose, nach der jeder Mensch (soziale Akteur) auf der Welt mit jedem anderen über eine überraschend kurze Kette von Bekanntschaftsbeziehungen verbunden ist. (Dies ist erstaunlicher Weise möglich, obwohl die "Dichte" des sozialen Netzwerks aller Akteure - gemessen als das Verhältnis der realen zu den rechnerisch möglichen Kontakten der Kontaktpersonen eines jedweden Akteurs - extrem gering ist, nämlich nahe 0.)“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Small_World_Netzwerk)
2.3 Übernahme von Meinungen
Nun stellt sich die Frage, in wieweit diese Netzwerke, in welchen sich jeder Akteur befindet, Einfluss auf diesen und seine persönlichen Einstellungen gegenüber bestimmten Themen ausüben. Inwieweit sie dafür verantwortlich sind, dass sich Meinungen ändern oder Ansichten wandeln. Wie stark müssen hier die „ties“, die Bindungen sein, damit sie den Akteur in dem Maße beeinflussen können, dass dieser seine eigene persönliche Meinung aufgibt?
Beim Treffen von Entscheidungen lassen sich Individuen nicht nur von ihrer persönlichen Vergangenheit, Wahrnehmung und Vorurteilen leiten, sondern beeinflussen sich auch gegenseitig. So stellen der Grad der Öffentlichkeit oder Privatheit, unter dem die Anpassung stattfindet, und die Beobachtbarkeit der Handlung bei der Übernahme einer anderen Meinung eine entscheidende Rolle dar und sind wesentliche Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Konformität. Einen weiteren Aspekt betont der Begriff „identification“ (Scherer 1990, S.44). Hier wird der Aspekt der Attraktivität desjenigen betont, der Einfluss nimmt. Die Übernahme der anderen Meinung erfolgt also aufgrund der Beziehung zum Partner. Man übernimmt eine Meinung, weil man die Person, die diese Meinung vertritt, wertschätzt. Mit „internalization“ meint Scherer (1990, S. 44), dass hier einzig und allein der Inhalt der Einstellung wichtig ist. Der Einzelne übernimmt eine bestimmte Einstellung, weil sie zu seinem eigenen
Wertesystem passt und nicht mit seiner Meinung im Gegensatz steht. Einen weiteren Aspekt betitelt Scherer mit „compliance“ und meint damit die „äußere Anpassung an die Meinung anderer, weil man sich von dieser Anpassung etwas verspricht, unabhängig davon, ob man diese Anschauung wirklich teilt“ (Scherer 1990, S.44). Die Einhaltung solcher Vorstellungen ist vollkommen unabhängig von der Öffentlichkeit der Situation (vgl. Scherer 1990, S.43 f). Es zeigt sich also, dass Menschen ihre Meinung sehr oft anpassen, nur um anderen Menschen besser zu gefallen. Die Beeinflussbarkeit der Personen ist aber auch immer abhängig von ihrer persönlichen Willensstärke und dem Grad der eigenen Information. So wird man, wenn man sich einer Sache sehr sicher ist, die eigene Meinung wohl eher nicht aufgeben, auch wenn man sich viele Vorteile von der Konsonanz erhoffen könnte.
Es soll nun ein Beispiel aus der Netzwerktheorie von Watts (2003) angeführt werden, bei dem die öffentliche Meinung nicht die entscheidende Rolle spielt. Das Beispiel vergleicht den Umschwung der eigenen Meinung mit der Gefahr einer Infektion durch eine Krankheit:
Im ersten Modell wird die Wahrscheinlichkeit der Infektion mit einer Krankheit simuliert.
Watts (2003, vgl. S. 223 ff) geht bei seinem Modell von einem Nachbarschaftsnetzwerk aus.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Watts 2003, S. 223
Hier würde schon ein einziger infizierter Nachbar ausreichen, um sich anzustecken. Die Chance sich anzustecken steigt mit jedem infizierten
Nachbarn. Wenn am Ende die ganze Nachbarschaft angesteckt ist, wird man zwangsläufig auch angesteckt sein. Das ganze ist mit einer Kettenreaktion vergleichbar und wird grafisch mit einer exponential ansteigenden Kurve visualisiert.
Dieses Szenario vergleicht er mit der Wahrscheinlichkeit des Meinungsumschwungs eines Nachbarn. Im Modell 2 zieht er wieder die gleiche Nachbarschaft heran. Die Chance, Antwort A zu nehmen, wächst am Anfang nur sehr gering, dann aber stetig mit der Anzahl Nachbarn, die A nehmen, bevor die kritische Schwelle erreicht wird. Ist dieser Punkt erreicht, steigt die Chance Antwort A zu nehmen von nahe 0 auf 1 an.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Watts 2003, S. 224
Diese Art der Entscheidungsfindung nennt Watts „Threshold rule“. Die senkrechte Linie ist der Punkt, an dem ein beliebiger Mensch beeinflussbar ist. Ab hier ändert er seine Meinung und nimmt die der Nachbarn an. Die Beeinflussbarkeit steigt also nun von 0 auf 1 an. Dieser Punkt hängt bei jedem Menschen von diversen Faktoren ab, wie etwa dem Grad der Informiertheit, der je eigenen Willensstärke oder der Bedeutsamkeit des Themas und ist dementsprechend von Person zu Person und von Thema zu Thema unterschiedlich anzusetzen.
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- Quote paper
- Diplom Soziologin Christine Bulla (Author), 2005, Die Erklärung des Meinungsumschwungs - Ansätze aus der Netzwerktheorie und der Schweigespirale, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47667
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