Sigmund Freud konfrontiert sich in seiner Schrift Die Zukunft einer Illusion (1927) mit der Frage nach dem Schicksal der Kultur. Dabei stellt er sich bescheiden als
"ein Psychologe [dar], der sich nicht darüber täuscht, wie schwer es ist, sich in dieser Welt zurechtzufinden [und bemüht ist] die Entwicklung der Menschheit nach dem bisschen Einsicht zu beurteilen, das er sich durch das Studium der seelischen Vorgänge beim Einzelmenschen während dessen Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen erworben hat." (S. 154)
Da sich der Autor über das Problem der Subjektivität und über die allgemeine Unsicherheit von Vorhersagen bewusst ist, beschränkt er sich auf das Teilgebiet der Psychoanalyse, sein Spezialgebiet (vgl. S. 109), und behauptet keineswegs, dass die von ihm entwickelte These allgemeingültig sei. Auch schreckt er nicht davor zurück in Form von fiktiven Dialogen immer wieder Kritik an seinen eigenen Ausführungen zu üben.
Mit der Veröffentlichung seiner, wie ich später zeigen werde, kultur- und religionskritischen Schrift riskierte Freud zwar nicht mehr sein Leben, sondern Vorwürfe "wegen Seichtheit, Borniertheit, Mangel an Idealismus und an Verständnis für die höchsten Interessen der Menschheit" (S.139), sowie eine eingeschränkte Verbreitung und weiteres Misstrauen gegenüber der Psychoanalyse (vgl. S. 139). Es ist ihm völlig klar, dass seine Argumente weder die Glaubenden, die sich zärtlich an die religiösen Lehrsätze gebunden fühlen, noch diejenigen beeinflussen werden, die sich nur anpassen, weil sie die Drohungen der Religion fürchten (vgl. S. 148-9). Obwohl Die Zukunft einer Illusion also niemandem den Glauben nehmen würde, wollte er der Religionskritik eine psychologische Begründung hinzufügen (vgl. S. 138).
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kultur
2.1. Die Grundlagen der Kultur
2.2. Die Kultur als Schutz vor dem Naturzustand
2.3. Die Gegenwart der Kultur - Die Kulturfeindseligkeit
3. Religion
3.1. Die Religion als...
3.1.1. ... Personifikation der Natur
3.1.2. ... Illusion der Kultur
3.1.3. ... Zwangsneurose
3.2. Die Bedeutung der Religion
3.3. Die Gegenwart und die Kritik der Religion
4. Die Zukunft von Religion und Kultur
1. Einleitung
Sigmund Freud konfrontiert sich in seiner Schrift Die Zukunft einer Illusion (1927) mit der Frage nach dem Schicksal der Kultur. Dabei stellt er sich bescheiden als
"ein Psychologe [dar], der sich nicht darüber täuscht, wie schwer es ist, sich in dieser Welt zurechtzufinden [und bemüht ist] die Entwicklung der Menschheit nach dem bisschen Einsicht zu beurteilen, das er sich durch das Studium der seelischen Vorgänge beim Einzelmenschen während dessen Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen erworben hat." (S. 154)
Da sich der Autor über das Problem der Subjektivität und über die allgemeine Unsicherheit von Vorhersagen bewusst ist, beschränkt er sich auf das Teilgebiet der Psychoanalyse, sein Spezialgebiet (vgl. S. 109), und behauptet keineswegs, dass die von ihm entwickelte These allgemeingültig sei. Auch schreckt er nicht davor zurück in Form von fiktiven Dialogen immer wieder Kritik an seinen eigenen Ausführungen zu üben.
Mit der Veröffentlichung seiner, wie ich später zeigen werde, kultur- und religionskritischen Schrift riskierte Freud zwar nicht mehr sein Leben, sondern Vorwürfe "wegen Seichtheit, Borniertheit, Mangel an Idealismus und an Verständnis für die höchsten Interessen der Menschheit" (S.139), sowie eine eingeschränkte Verbreitung und weiteres Misstrauen gegenüber der Psychoanalyse (vgl. S. 139). Es ist ihm völlig klar, dass seine Argumente weder die Glaubenden, die sich zärtlich an die religiösen Lehrsätze gebunden fühlen, noch diejenigen beeinflussen werden, die sich nur anpassen, weil sie die Drohungen der Religion fürchten (vgl. S. 148-9). Obwohl Die Zukunft einer Illusion also niemandem den Glauben nehmen würde, wollte er der Religionskritik eine psychologische Begründung hinzufügen (vgl. S. 138).
2. Kultur
Kultur wird als alles das definiert, worin sich das menschliche Leben von dem Dasein der Tiere unterscheidet. Damit widerspricht sie einerseits der menschlichen Natur - sie verlangt Triebverzicht von ihren Mitgliedern (vgl. S. 112), andererseits gewährt sie der Menschheit eine wichtige Existenzgrundlage - das Zusammenleben. Ihre Einrichtungen, Institutionen und Gebote haben die Aufgabe die Kultur aufrechtzuerhalten und gegen den Einzelnen zu verteidigen (vgl. S.110). Sie besteht jedoch nicht nur aus diesen Einrichtungen, die die Beziehungen der Menschen und die Güterverteilung regeln, sondern auch aus dem Wissen und den Fertigkeiten, die sich der Mensch angeeignet hat um die Kräfte der Natur zu kontrollieren und ihre Erzeugnisse zu nutzen (vgl. S. 110). Da die Massen träge und einsichtslos sind, ist der Einfluss von vorbildlichen, als Führer anerkannter Individuen nötig, die sichern, dass für die Kultur unentbehrlichen Arbeitsleistungen und Entsagungen geleistet werden (vgl. S. 111).
2.1. Die Grundlagen der Kultur
Die grundlegenden und ältesten Kulturgüter sind:
- Versagung, d.h. die Tatsache, dass ein Trieb nicht befriedigt werden kann,
- Verbot, d.h. die Einrichtung, die diesen Triebverzicht festlegt, und
- Entbehrung, d.h. der Zustand, den das Verbot herbeiführt (vgl. S. 114).
Sie sorgen dafür, dass ein äußerer Zwang verinnerlicht und der wichtige, seelische Fortschritt der Ausbildung des Über-Ichs gemacht wird. Diese Instanz gilt als ein sehr wertvoller Kulturbesitz. Sie bringt Kulturträger hervor, die, je größer ihre Anzahl in einem Kulturkreis ist, die Kultur besser sichern und es möglich machen auf den äußeren Zwang zu verzichten (vgl. S. 115 ).
Weitere Grundlagen, nach denen eine Kultur beurteilt werden kann, sind zudem:
- der Besitz an Idealen und Kunstschöpfungen, sowie
- die daraus gewonnene Befriedigung (vgl. S. 116).
Die Ideale sind "die Wertungen, welches die höchststehenden und am meisten anzustrebenden Leistungen seien" (S. 116). Sie haben die Funktion das Gefühl der Zusammengehörigkeit unter den Mitgliedern einer Kultur zu fördern, einerseits indem sie sich mit den Idealen identifizieren können und der Einzelne eine narzisstische Befriedigung daraus zieht, andererseits indem sie sich damit von anderen Kulturen abgrenzen und sie geringschätzen (vgl. S. 117). Die Kunst hingegen bietet die Ersatzbefriedigung und eine Entschädigung für den Kulturverzicht, die für die Kultur gebrachten Opfer (vgl. S. 118).
2.2. Die Kultur als Schutz vor dem Naturzustand
Der Naturzustand verlangt keine Triebeinschränkungen von den Menschen, doch gerade diese Freiheit ist für sie bedrohlich, sie brauchen allgemeingültige Regeln, die Kulturgebote, um zu überleben. Wenn die Menschheit zu ihm zurückkehren, Triebverzicht und Kultureinschränkungen aufheben würde, käme es zu einer Diktatur des Mächtigsten, der alle Machtmittel besäße und trotzdem wie alle anderen um sein Leben fürchten müsste (vgl. S. 118).
Diese Unsicherheit ist es, die Menschen zu einer Gesellschaft vereinigt, in der es die Einrichtungen der Justiz und der Strafe gibt. Damit ist für die Einhaltung des für jeden geltenden Tötungsverbots gesorgt und auch die gemeinsame Tötung desjenigen geregelt, der es übertritt (vgl. S. 143).
So wurde die Kultur als Verteidigung gegen die Natur und als Schutz vor dem Naturzustand geschaffen. Sie stellt die Naturgewalten als bezwungen dar, soll so über die fortbestehende Macht der Elemente hinwegtäuschen (vgl. S. 119), und setzt doch gleichzeitig die Natur mit anderen Mitteln fort. Ihre Aufgabe ist es also dem Menschen, dessen Selbstwertgefühl durch die Natur immer wieder bedroht ist, Trost zu spenden, der Welt und dem Dasein ihre Schrecken zu nehmen und Antworten auf die Wissbegierde der Menschen zu geben (vgl. S. 120).
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- Arbeit zitieren
- Linda Schug (Autor:in), 2002, Freud - Zunkunft einer Illusion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47524
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