Mit der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg und zunächst auch der Staat Deutschland, der in vier Besatzungszonen unter Leitung des Alliierten Kontrollrats und im Jahr 1949 in die beiden Teilstaaten Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik geteilt wurde. (vgl. Meyers Lexikonredaktion 1988, S. 151) Die DDR verstand sich als ein antifaschistischer Staat (vgl. Rosenthal 1997, S. 29) und errichtete ein volksdemokratisches Regierungssystem unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, die BRD wurde zu einem Bundesstaat mit förderativem, demokratischem, sozialem und rechtsstaatlichem Charakter. (vgl. Meyers Lexikonredaktion 1988, S. 114/147) Diese beiden recht verschiedenen Regierungsformen und Selbstverständnisse brachten nicht nur eine unterschiedliche Entwicklung, sondern auch einen anderen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit mit sich. (vgl. Rosenthal 1997, S. 29 ff)
Ziel dieser Hausarbeit ist es die dadurch bedingten Unterschiede, aber auch die Gemeinsamkeiten der psychischen Wirkungsweise in den Familien der Täter und Opfer in Ost- und Westdeutschland aufzuzeigen. Zwar gibt es analoge Phänomene, sie gleichen sich aber nicht in jeder Hinsicht. (vgl. Rüsen 1998 in: Opher-Cohen et al. 2000, S. 73) Zuerst werde ich auf den öffentlichen Diskurs in den beiden Staaten eingehen und dann dessen Einfluss auf die Verarbeitung der Vergangenheit in den Familien herausarbeiten. Da die Anzahl der veröffentlichten Untersuchungen auf diesem Gebiet noch recht gering ist, ist es schwer bei den Opfern zwischen den Verfolgten, den Überlebenden von Konzentrationslagern und Ghettos oder den nach Deutschland zurückgekehrten Emigranten, und zwischen den Tätern oder den Mitläufern in der BRD und der DDR zu differenzieren. Ich werde trotzdem versuchen, insofern es mir das Material erlaubt, darauf einzugehen und mich hauptsächlich auf Gabriele Rosenthals Buch Der Holocaust im Leben von drei Generationen: Familien von Überlebenden der Shoah und von Nazi-Tätern (1997) beziehen. Da Juden mit 6 Millionen gegenüber 500.000 Nicht-Juden (politische Gefangene und andere Minderheiten) den Großteil der ermordeten KZ-Häftlinge, und der Verfolgten, darstellen (vgl. Meyers Lexikonredaktion 1988, S. 373), werde ich mich auf sie als Opfer konzentrieren.
Inhaltsverzeichnis
I. Einführung
II. Hauptteil
1. Der öffentliche Diskurs
1.1. ... in der BRD
1.2. ... in der DDR
2. Opfer
2.1. Die erste Generation
2.1.1. ... in der BRD
2.1.2. ... in der DDR
2.2. Auswirkungen auf die folgenden Generationen
2.2.1. ... in der BRD
2.2.2. ... in der DDR
3. Täter
3.1. Die erste Generation
3.1.1. ... in der BRD
3.1.2. ... in der DDR
3.2. Auswirkungen auf die folgenden Generationen
III. Schluss
1. Gemeinsamkeiten
2. Unterschiede
IV. Literaturverzeichnis
I. Einführung
Mit der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg und zunächst auch der Staat Deutschland, der in vier Besatzungszonen unter Leitung des Alliierten Kontrollrats und im Jahr 1949 in die beiden Teilstaaten Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik geteilt wurde. (vgl. Meyers Lexikonredaktion 1988, S. 151) Die DDR verstand sich als ein antifaschistischer Staat (vgl. Rosenthal 1997, S. 29) und errichtete ein volksdemokratisches Regierungssystem unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, die BRD wurde zu einem Bundesstaat mit förderativem, demokratischem, sozialem und rechtsstaatlichem Charakter. (vgl. Meyers Lexikonredaktion 1988, S. 114/147) Diese beiden recht verschiedenen Regierungsformen und Selbstverständnisse brachten nicht nur eine unterschiedliche Entwicklung, sondern auch einen anderen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit mit sich. (vgl. Rosenthal 1997, S. 29 ff)
Ziel dieser Hausarbeit ist es die dadurch bedingten Unterschiede, aber auch die Gemeinsamkeiten der psychischen Wirkungsweise in den Familien der Täter und Opfer in Ost- und Westdeutschland aufzuzeigen. Zwar gibt es analoge Phänomene, sie gleichen sich aber nicht in jeder Hinsicht. (vgl. Rüsen 1998 in: Opher-Cohen et al. 2000, S. 73) Zuerst werde ich auf den öffentlichen Diskurs in den beiden Staaten eingehen und dann dessen Einfluss auf die Verarbeitung der Vergangenheit in den Familien herausarbeiten. Da die Anzahl der veröffentlichten Untersuchungen auf diesem Gebiet noch recht gering ist, ist es schwer bei den Opfern zwischen den Verfolgten, den Überlebenden von Konzentrationslagern und Ghettos oder den nach Deutschland zurückgekehrten Emigranten, und zwischen den Tätern oder den Mitläufern in der BRD und der DDR zu differenzieren. Ich werde trotzdem versuchen, insofern es mir das Material erlaubt, darauf einzugehen und mich hauptsächlich auf Gabriele Rosenthals Buch Der Holocaust im Leben von drei Generationen: Familien von Überlebenden der Shoah und von Nazi-Tätern (1997) beziehen. Da Juden mit 6 Millionen gegenüber 500.000 Nicht-Juden (politische Gefangene und andere Minderheiten) den Großteil der ermordeten KZ-Häftlinge, und der Verfolgten, darstellen (vgl. Meyers Lexikonredaktion 1988, S. 373), werde ich mich auf sie als Opfer konzentrieren.
II. Hauptteil
1. Der öffentliche Diskurs
1.1. ... in der BRD
In der Verlorenheit und Verlassenheit nach dem Zusammenbruch des national- sozialistischen Systems fanden die Westdeutschen neuen Halt bei der großen, amerikanischen Siegermacht, die ihnen zur rettenden Identitätsstütze wurde. Sie lenkten ihre hörige Abhängigkeit an eine neue Autorität und verdrängten ihre Vergangenheit, indem sie sich missbrauchte Entmündigte darstellten und ihren eigenen Beitrag dazu unterschlugen. (vgl. Richter 1992 in: Hartmann 1992, S. 223/224) In der BRD institutionalisierte sich ein Schweigen über das Ausmaß der Nazi-Verbrechen und ein Mythos der unwissenden Mitläufer wurde aufgebaut, laut dem alle für die Kriegsverbrechen Verantwortlichen abgeurteilt wurden. (vgl. Rosenthal 1997, S. 28)
1953 setzte sich die am Grundsatz der "Entschädigung" orientierte Regelung der materiellen "Wiedergutmachung" durch und das enteignete Vermögen wurde an die jüdischen Gemeinden zurückerstattet. (vgl. Rosenthal 1997, S. 292) Der öffentliche Diskurs war von Widersprüchen und Tabus gezeichnet: einerseits gedachte man den Opfern "rassischer" Verfolgung - andererseits ächtete die Gesellschaft die linken Widerstandskämpfer, einerseits thematisierten die Massenmedien die NS-Verbrechen - andererseits jedoch nicht die Erlebnisse der nicht-jüdischen Zeitzeugen. Hinzukam das soziale Schweigegebot über die Täter und die selbst erlebten Nazi-Verbrechen, das die Kinder der Betroffenen, die "68er Generation", aufzubrechen versuchten. Doch erst in den achtziger Jahren öffnete sich der Dialog durch die vermehrte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in den Massenmedien und im Schulunterricht. (vgl. Rosenthal 1997, S. 28/29)
1.2. ... in der DDR
In der Nachkriegszeit wurde mit Einsetzen des Kalten Kriegs in der DDR zunächst eine antisemitische Politik betrieben: in der Parteipresse der SED erschienen antijüdische Hetzartikel, Juden wurden aus hohen Ämtern ausgeschlossen und verstärkt überwacht, Zionismus wurde mit Faschismus gleichgesetzt, was die Flucht von etwa 550 Juden zur Folge hatte. Mitte Juni 1953 wurden diese Maßnahmen eingestellt, man begann plötzlich mit der Rehabilitierung in Form von staatlichen Zuwendungen für jüdische Gemeinden sowie der Zahlung einer Sonderrente als Verfolgte und einer Teilrente für körperliche Schäden als Folge des Hitler-Regimes. (vgl. Ostow 1988, S. 15-17) Da die sowjetische Besatzungsmacht der DDR die Souveränität nicht anerkannte und die Kontrollkommission bis zum 20. September 1955 starken Einfluss hatte, ist es umstritten, ob die deutsche Regierung Verantwortung für die "Säuberungsaktionen" hatte, von der nicht nur Juden betroffen waren (vgl. Ostow 1988, S. 194) und deren jüdische Opfer seit Anfang 1956 rehabilitiert wurden. (vgl. Ostow 1988, S. 18) Seitdem wurden die Juden vom Staat geschützt und galten als privilegierte Minderheit. (vgl. Ostow 1988, S.189) Im Jahr 1988 signalisierte die Regierung überraschend ihre Bereitschaft zu Wiedergutmachungszahlungen (vgl. Rosenthal 1997, S. 30).
Das Selbstverständnis der DDR als antifaschistischer Staat spiegelte sich in der Überbetonung des kommunistischen Widerstandskampfes und der vergleichsweise dürftigen Erwähnung der Shoah wieder. (Kulturamt Prenzlauer Berg et al. 1992 in: Rosenthal 1997, S. 29) Vor einer fundierten Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wurde so ausgewichen. (vgl. Rosenthal 1997, S. 289) Man verstand den Nationalsozialismus als Endstufe des Kapitalismus, erwähnte die Rassenideologie und damit auch die Judenverfolgung, die zentralen Elemente des Faschismus, nur am Rande (vgl. Schatzker 1994, S. 7) und entwickelte das Bild des passiven Juden und des heldenhaften Antifaschisten (vgl. Rosenthal 1997, S. 29). Schon früh in der Geschichte des Staates gab es die Tradition der Jugendweihe, in deren Rahmen junge Menschen durch den Besuch eines ehemaliges Konzentrationslager konfrontiert wurden. (vgl. Rosenthal 1997, S. 196)
2. Opfer
2.1. Die erste Generation
Die Probleme der Opfer variieren in Abhängigkeit von Faktoren wie dem individuellen Schicksal als Verfolgte, als Überlebende von Konzentrationslagern und Ghettos oder als zurückgekehrte Emigranten, der Möglichkeit des aktiven Widerstands oder der zwangsweisen Passivität und der Lebensphase, in der das traumatische Ereignis begann. So hat beispielsweise die Trennung von den Eltern für ein Kind eine weit verunsicherende Bedeutung als für einen Menschen in der mittleren Adoleszenz. (vgl. Rosenthal 1997, S. 247)
Juden, die sich nach der Befreiung dafür entschieden zu bleiben, leben laut Dan Diner (1988) in einer negativen Symbiose mit den Deutschen, die von Deckerinnerungen und Scham begleitet wird. Sie gehen mit der Vergangenheit auf eine Weise um, die es ihnen ermöglicht den Kern des eigenen Unbehagen auszusparen. Die Unvorstellbarkeit und die Ungeheuerlichkeit industriell organisierten Massenmords, dessen säkuläre Bedeutung selbst für die Opfer erst mit zunehmenden Abstand zum Ereignis möglich wird, und die Weigerung Auschwitz als ein sinn- und zweckloses Ereignis hinzunehmen sind die Gründe für die Zähigkeit der Deckerinnungen. Falsche Wahrnehmung der Shoah zeigt sich außerdem in Scham über einen vermeintlich nicht geleisteten Widerstand, einer Scham darüber, dass man sich "wie Schafe zur Schlachtbank" hätte führen lassen. (in: Brumlik 1988, S. 249-251)
Das Leben unter Deutschen wirkte nicht nur wie eine Garantie des Nicht-Vergessens, ohne dass die Grausamkeiten als internalisierte und damit akzeptierte Erinnerung lebendig bleiben mussten, hielt aber auch die Überlebensschuld gegenüber den im Holocaust umgekommenen Verwandten aufrecht. (vgl. Kugelmann 1988 in: Brumlik 1988, S.180) Oft treten Alpträume, Angst- und Panikreaktionen, sowie Spätfolgen in Form von psychosomatischen Erkrankungen auf. (vgl. Rosenthal 1997, S. 37) Trennungen rufen tief empfundene Todesängste hervor, da sie die Erinnerung an ähnliche Erlebnisse während der Verfolgung reaktivieren. (vgl. Rosenthal 1997, S. 21) Das von Niederland 1961 erstmals beschriebene survivor-syndrome trat insbesondere bei den als "Voll- und Geltungsjuden" Verfolgten als post-traumatic-stress-disorder hervor. (vgl. Oberlaender 1996, S. 316)
Klein (1986) erwähnt in diesem Zusammenhang außerdem die von Friedman und Minkowsy geprägten Begriffe "affektive Anaesthesie" und Oberflächlichkeit des Gefühlslebens. Er benennt mit Verunsicherung hinsichtlich der Geschlechterrolle und des Körperschemas, der quälenden Desorientiertheit oder dem Gefühl der Diskontinuität des Ichbewusstseins weitere Symptome ehemaliger KZ-Häftlinge und beobachtete bei seiner Arbeit, dass vor allem die Verbalisierung und Durcharbeitung den Überlebenden eine Bewältigung der Vergangenheit ermöglichte. (vgl. Faust 1986, S. 157-160)
Gerade das Erzählen dieser Erlebnisse fällt den Betroffenen besonders schwer, oft schweigen sie jahrzehntelang, doch "wenn es nicht gelingt, Erfahrungen in Geschichten zu bringen, werden die in den erlebten Situationen entstandenen Traumatisierungen weiter verstärkt. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß es Überlebende gibt, die sich vor einer Erzählung ihrer Erlebnisse schützen müssen, da mit ihr eine zu große Bedrohung verbunden sein könnte." (vgl. Rosenthal 1997, S. 38/39)
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- Linda Schug (Autor), 2002, Nationalsozialismus und Holocaust. Der Umgang mit der Vergangenheit und die Folgen für spätere Generationen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47522
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