Der vorliegenden Arbeit liegt das Drama „Götz von Berlichingen“ von Johann Wolfgang Goethe zu Grunde. Im Laufe dieser Arbeit wird die Familienstruktur der Berlichingens differenziert vorgestellt und erörtert, inwieweit sie mit dem zeitgenössischen Familienideal korreliert. Dabei werde ich wie folgt vorgehen: In einem ersten Schritt werde ich zunächst die Beziehung der Eheleute Götz und Elisabeth detailliert untersuchen, wobei auch wichtige charakterliche Züge vorgestellt werden. Dieser Ehe entspringt ein Sohn, Carl, dessen Verhältnis zu seinen Eltern anschließend diskutiert wird. Anknüpfend daran wird die Stellung Marias, der Schwester Götzs, in der Familie Berlichingen aufgezeigt, indem vor allem auf ihre kontrastiven Wesenszüge hingewiesen wird. In einem (Zwischen-)Fazit sollen noch einmal die wichtigsten Familienstrukturmerkmale herausgearbeitet werden. Das zweite Kapitel dieser Arbeit thematisiert als Hintergrundinformation das zeitgenössische Familienbild des 18. Jahrhunderts. Besonderen Fokus wird hierbei auf die Auffassung von Liebe und Ehe, sowie die Kindeserziehung gelegt.
Basierend auf den herausgestellten zeitgenössischen Fakten, wird im nächsten Kapitel illustriert, inwieweit die literarische Familie Berlichingen dem zeitgenössischen Leitbild entspricht. Wo finden sich Parallelen, wo Abweichungen?
Zum Ende der Arbeit hin folgt ein kurzer Ausblick auf ein späteres Werk Goethes, „Die Leiden des jungen Werther“, wobei durch die nä here Betrachtung der Familienstruktur Lottes, vorliegende Unterschiede diskutiert werden sollen. In einer Schlussbetrachtung werden die entscheidenden Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst und bewertet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Familienstruktur im Goetz von Berlichingen
2.1 Die Eheleute: Goetz und Elisabeth
2.2 Eltern - Kind Konfiguration
2.3 Kontrastfigur Maria
2.4 Fazit
3. Hintergrund: Das zeitgenössische Familienbild
3.1 Das Bürgertum: Die Entstehung eines neuen Familienideals
3.2 Liebe und Ehe im 18. Jahrhundert
3.3 Erziehung
4. Die Familie des Goetz von Berlichingen im zeitgenössischen Diskurs
5. Ausblick: Familienstruktur in Goethes Werther
6. Schlussbetrachtung
7. Quellenverzeichnis
1. Einführung
Der vorliegenden Arbeit liegt das Drama „Götz von Berlichingen“ von Johann Wolfgang Goethe zu Grunde. Im Laufe dieser Arbeit wird die Familienstruktur der Berlichingens differenziert vorgestellt und erörtert, inwieweit sie mit dem zeitgenössischen Familienideal korreliert. Dabei werde ich wie folgt vorgehen: In einem ersten Schritt werde ich zunächst die Beziehung der Eheleute Götz und Elisabeth detailliert untersuchen, wobei auch wichtige charakterliche Züge vorgestellt werden. Dieser Ehe entspringt ein Sohn, Carl, dessen Verhältnis zu seinen Eltern anschließend diskutiert wird. Anknüpfend daran wird die Stellung Marias, der Schwester Götzs, in der Familie Berlichingen aufgezeigt, indem vor allem auf ihre kontrastiven Wesenszüge hingewiesen wird. In einem (Zwischen-)Fazit sollen noch einmal die wichtigsten Familienstrukturmerkmale herausgearbeitet werden.
Das zweite Kapitel dieser Arbeit thematisiert als Hintergrundinformation das zeitgenössische Familienbild des 18. Jahrhunderts. Besonderen Fokus wird hierbei auf die Auffassung von Liebe und Ehe, sowie die Kindeserziehung gelegt.
Basierend auf den herausgestellten zeitgenössischen Fakten, wird im nächsten Kapitel illustriert, inwieweit die literarische Familie Berlichingen dem zeitgenössischen Leitbild entspricht. Wo finden sich Parallelen, wo Abweichungen?
Zum Ende der Arbeit hin folgt ein kurzer Ausblick auf ein späteres Werk Goethes, „Die Leiden des jungen Werther“, wobei durch die nähere Betrachtung der Familienstruktur Lottes, vorliegende Unterschiede diskutiert werden sollen.
In einer Schlussbetrachtung werden die entscheidenden Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst und bewertet.
2. Familienstruktur im Goetz von Berlichingen
2.1 Die Eheleute: Goetz und Elisabeth
Im Gegensatz zum historischen Vorbild, Gottfried war zweimal verheiratet, kann der literarische Goetz „nur“ eine Ehefrau vorweisen: Elisabeth. Sie ist auch die Mutter seines Kindes Carl. Eine vorherige Beziehung oder Kontakte zu eventuellen Maitressen seitens Goetzs werden nicht erwähnt. Goethe distanziert sich folglich in der Gestaltung seines Protagonisten vom realen Götz. Hieran lässt sich bereits ein erster Hinweis auf ein wichtiges Charakteristikum der Ehe illustrieren: Treue und unbedingte Loyalität. Im ersten Auftritt von Elisabeth wird ihre Einstellung zu Goetz deutlich, indem sie ihn als ihren „Herrn“ bezeichnet.[1] Stolz erzählt sie ihrem Sohn Carl vom Beutefeldzug seines Vaters, der ihrer Meinung nach moralisch hoch anzusehen ist. Auch Willems urteilt in diesem Sinne: “Für Elisabeth ist das plagen von Menschen, sind Geiselnahme, Beraubung und Erpressung Elemente einer ethischen Handlung, die der Herstellung von Recht dienen.“[2] Im Gegensatz zu ihrer Schwägerin Maria, die die Feldzüge eher „in den Bereich subjektiver Willkür“[3] rückt. Im Verlauf dieser Arbeit werden die diametralen Unterschiede dieser beiden Charaktere noch expliziter untersucht werden.
Es lässt sich folglich festhalten, dass Elisabeth ihrem Mann loyal und bewundernd zu Seite steht.
An allen Stellen im Drama, bei denen Elisabeth auftritt, wird dies deutlich. Sie zeigt sich als energische Hausfrau, die nach Goetzes Heimkehr sofort das Essen zubereitet.[4] Als Goetz durch die Bedrohung des Exekutionszugs in Gefahr ist und seine Verwandten fort schicken will, bleibt Elisabeth bei ihm mit den Worten: „Bis in den Tod“[5]. Goetz kommentiert dies mit dem Dank an Gott für die Frau an seiner Seite („Wen Gott lieb hat, dem geb’ er so eine Frau.“).[6] Elisabeth ist es auch, die den frustrierten Goetz zum Schreiben seiner Lebensgeschichte anregt.[7] An dieser Stelle wird ihre Bewunderung für Goetz wiederum illustriert, indem sie als Motiv zum Schreiben die Nachkommenschaft erwähnt, die Goetz nicht verkennen soll. Diese Worte sind ein Hinweis auf die Schlussszene des Dramas, bei der Lerse sie am Sterbebett von Goetz fast wörtlich wiederholt.
Ein hohes Maß an Empathie zeichnet Elisabeth aus, was sich an ihrer exakten Einschätzung von Götz Gesundheitszustand erkennen lässt („Du verglühst in dir selbst.“).[8] Kurz vor seinem Tod, an seinem moralischen und gesundheitlichen Tiefpunkt, ist sie es, die versucht Goetz seinen Lebensmut wiederzugeben („Richtet Euch auf, es kann sich vieles wenden!“)[9]. In ihrer Fürsorge und ständigem Bemühen begleitet sie ihren Mann auch in seiner Todesstunde. Um ihn zu schonen, will sie ihm zunächst nichts von Georgs Tod erzählen, doch Goetz erfährt die Wahrheit schließlich an ihrer Reaktion. Er stirbt „in den Armen der liebenden Gattin“[10].
Von Goetz Seite aus erfahren wir nicht viel über Elisabeth, aber die Worte, die er an sie verrichtet bzw. über sie äußert sind stets wohlwollend. Trotz dieser emotionalen Bindung zu seiner Frau ist er als ein eigenständiges Individuum zu betrachten. Er ist selten in Jagsthausen, um sich um seine Frau oder seinen Sohn zu kümmern. Auch aus diesem Grund muss Elisabeth so tatkräftig und verständnisvoll dargestellt werden, um Goetz einen starken familiären Rückhalt zu gewähren. Doch das Individuelle kann sich nur so gut entwickeln, wenn es, wie Hinck treffend formuliert, ein komplementäres Gegenüber ein „Du“ findet, um sich zu verwirklichen.[11] Goetz lebt in ständiger Gefahr und nimmt insofern wenig Rücksicht auf seine Familie. Das Leitmotiv seines Lebens ist die Freiheit, sie ist das Ziel all seiner ritterlichen Bemühungen. Doch dieser Lebensstil entspricht dem eines Ritters und Elisabeth unterstützt die Taten ihres Mannes unermüdlich. Dementsprechend lassen sich trotz Goetzes häufiger Abwesenheit keine ehelichen Differenzen feststellen. Goetz wirkt in den wenigen Szenen, in denen er als Ehemann präsentiert wird, immer liebevoll und aufmerksam. Seine Liebe zu seiner Frau ist so tief, dass er in seiner Scheidestunde bereit ist, sie in die schützende Obhut des treuen Freundes Lerse zu geben.[12]
Die Forschung erkennt in Elisabeth durchweg die ideale Frauengestalt an Goetz Seite. So ein Mann wie Goetz, den Goethe als einen der edelsten Deutschen und als aufrechten Vorfahr darstellt, benötigt eine ebenbürtige starke Frau. Man erkennt zwar wenig eigenes Profil, was sie individualisieren würde, sie wird aber häufig bezeichnet als weibliche Entsprechung zu Goetz. Goethe bleibt in ihrer Beschreibung sehr pragmatisch, er gibt dem Leser nur die entscheidenden Charakterzüge Elisabeths vor: Sie liebt und bewundert ihren Mann, sie ist ebenso tatkräftig und loyal wie er. Auf diesem Wege wird Goetz in seiner Position als Vorbild bestärkt. Es ist seine Bestimmung für seine Frau zu sorgen und sie zu beschützen, sowie es ihre ist ihm zu dienen.
Diese Ehe bringt einen Sohn hervor, Carl, der charakterlich klar von seinen Eltern zu unterscheiden ist, doch dieses familiäre Verhältnis soll im folgenden Kapitel erläutert werden.
Die Ehe zwischen Götz und Elisabeth wirkt umso mehr positiv, da ihr im Drama nur eine andere, erfolglose Eheform entgegengestellt wird. Die Ehe von Weislingen, dem erbitterten Gegenspieler Götzs und Adelheids, die die Rolle einer „femme fatale“ im Drama verkörpert. Ihre Beziehung ruht auf einem rundweg anderen Fundament, nicht tiefe Zuneigung und Empathie zeichnen ihren Umgang aus, im Mittelpunkt stehen Berechnung und Egoismus. Die disziplinierte uns sittsame Liebe von Götz und Elisabeth steht einer zerstörerischen „Liebe“ diametral gegenüber. Sie findet ihren tragischen Höhepunkt in der Ermordung Weislingens durch Adelheid.
2.4 Eltern - Kind Konfiguration
Auch in der Anzahl der Kinder weicht Goethe von den geschichtlichen Fakten ab. Statt zwölf Kindern hat sein literarischer Götz nur eines: Carl. Da es sich um einen Jungen handelt, sollte man annehmen, dass er traditionell in seinem großen Vater sein Vorbild sieht und einen ähnlichen Lebensweg einschlägt wie er. Doch Goethe entschied sich die Figur des Carl differenzierter zu gestalten. Carl wird dem Leser in einem Gespräch mit Maria und seiner Mutter vorgestellt. Diese Szene zeichnet bereits ein konkretes Bild Carls, der hier schon deutlich macht, dass er nicht nach seinem Vater „schlägt“. Er versucht mit der Hilfe seiner Tante, die Geschichte vom frommen Kind nachzuerzählen (im folgenden Kapitel wird dies in Bezug auf Maria noch näher untersucht). Diese Geschichte ist ein erster Hinweis auf Carls weiteren Lebensweg, der letztendlich im Kloster enden wird. Er folgt dem „Märchen“ seiner Tante begeistert, als jedoch seine Mutter von den Motiven des Feldzugs seines Vaters erzählt, ängstigt er sich. Er kann nicht nachvollziehen, wie man freiwillig durch „einen dicken dicken Wald“[13] reiten kann, indem er „Zigeuner und Hexen“[14] vermutet. Durch diese Worte werden bereits gegensätzliche Charakterzüge zwischen Carl und seinen Eltern offensichtlich. Seine Mutter rügt ihn auch zugleich, indem sie ironisierend von einem „rechten Pursch“ mit Angst vor Hexen spricht. Als Carl hört, dass sein Vater vor den Burgtoren steht, freut er sich, was auf ein positives Verhältnis schließen lassen könnte. Doch das Verhältnis zwischen Vater und Sohn zeigt auch problematische Aspekte auf. Carl ist nicht neugierig auf die Pferde und die Beute seines Vaters, denn statt mit in den Stall zu gehen, begleitet er lieber seine Tante zum Weinholen. Willems kommentiert entsprechend:„ Carl kennt den Arbeitsbereich der Frauen, Küche und Keller, besser als Pfade, Weg und Furthen“ in Jagsthausen.[15] Ein Reiter meint dazu: „Der wird nicht sein Vater, sonst ging er mit in den Stall.“[16] Die Begegnung mit seinem Vater läuft jedoch zunächst freundlich ab, Goetz küsst seinen Sohn zu Begrüßung. Doch im Laufe des Gesprächs wird deutlich, dass Goetz seinem Sohn fremd ist, erkennt er ihn doch nicht als Herrn von Berlichingen.[17] Goetz kontrastiert dagegen seine eigenen Kenntnisse in Kindeszeiten, er kannte alle „Pfade, Wege“ in Jagsthausen, ohne die tiefere Bedeutung einer Burg zu kennen. Er war und ist folglich der lebensnähere und tatkräftiger wirkende der beiden, sein Sohn scheint durch sein mechanisch angelerntes Wissen den Bezug zur Realität einzubüßen. Das Gespräch der beiden nimmt zum diesem Zeitpunkt deutlich kühlere Stimmung an. Die Ungleichheiten von Vater und Sohn offenbaren sich auch im Tischverhalten. Carl zeigt schon früh Affinitäten zur höfischen Lebensweise, indem er luxuriöse Sonderwünsche äußert. Carl wünscht seinen Apfel gebraten. Er setzt sich damit von den natürlichen Eßgewohnheiten seiner Eltern ab, die in diesem Fall ihren Apfel roh verspeisen. Claude Lévi-Strauss erkennt darin einen anthropologischen Gegensatz zwischen rohem und gekochtem Apfel.[18] Carl wirkt auf den Leser verweichlicht, auch Goetz stört dieses doch zu „aparte“ Verhalten seines Sohnes. Seine Einstellung zu dem Kind wird in der Aussage „Wo viel Licht ist, ist starker Schatten“[19] bildlich fühlbar. Doch Goetz gibt seinen Sohn nicht auf, er will seine weitere Entwicklung abwarten: “Wollen sehen, was es gibt.“[20]
[...]
[1] Vgl. Goethe: Götz von Berlichingen.S.15.
[2] Vgl. Willems, Marianne: S. 185
[3] Ebd.
[4] Vgl. Goethe: Götz von Berlichingen. S. 18.
[5] Vgl. Goethe: Götz von Berlichingen.S.74
[6] Ebd.
[7] Ebd. S.95
[8] Ebd. S.116
[9] Ebd. S.117
[10] Vgl. Mener-Benfen, Heinrich: Goethes Götz von Berlichingen. S. 65.
[11] Vgl.: Hinck, Walter: Sturm und Drang. XIII. S. 196.
[12] Vgl. Goethe: Götz von Berlichingen. S.119.
[13] Vgl. Goethe: Goetz von Berlichingen. S.16.
[14] Ebd.
[15] Vgl. Willems, Marianne: S. 189.
[16] Vgl. Goethe: Goetz von Berlichingen. S.18.
[17] Ebd. S.20.
[18] Vgl. Lévi- Strauss, Claude: Das Rohe und das Gekochte.
[19] Vgl. Goethe: Goetz von Berlichingen. S.21.
[20] Ebd.
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