Charles L. Stevenson - vornehmlich bekannt durch seine metaethische These, sittliche Wert-Urteile haben keinerlei deskriptiven Charakter, sondern dienen einzig und allein dem Zweck, Emotionen hervorzurufen, um damit andere zu beeinflussen oder zu überzeugen - entfaltet im dritten Kapitel seines eindringlich rezipierten Buches „Ethics and Language“ eine kausale Bedeutungstheorie für Lexeme bzw. Lexemkombinationen, welche unter anderem die seinerzeit revolutionäre Möglichkeit bietet, das Phänomen der Bedeutungsambiguität zu erklären.
Paul Grice – vornehmlich bekannt durch seine im Aufsatz „Logic and Conversation“ erarbeitete ‚Implikaturentheorie’ – greift Stevensons Ansatz auf, diskutiert ihn flüchtig, verreißt ihn und entwickelt eine eigene Bedeutungstheorie, welche besonders den Begriff der ‚Intention’ akzentuiert. Grice distanziert sich, indem er negierend auf Stevenson rekurriert, obstinat von einer kausalen Bedeutungstheorie. Er betrachtet die Bedeutung nicht als eine mit dem Zeichen kausal verbundene mentale Haltung, sondern versucht Bedeutung, oder vielmehr kommunikative Bedeutung als Erklärung, oder besser, als eine Disjunktion von möglichen Erklärungen der Sprecherintentionen aufzufassen. Damit verlässt Grice das seinerzeit vorherrschende psychologisch-behavioristische und naturalistische Milieu der Natur- und Geisteswissenschaften und lenkt den Fokus des Bedeutungsdiskurses auf die Ebene mentaler Repräsentationen des Sprechers, namentlich auf dessen kommunikative Absichten.
Unter der Fragestellung ‚Inwiefern lassen sich Divergenzen bzw. Kongruenzen zwischen den beiden Bedeutungstheorien ausmachen?’, wird Stevensons Aufsatz „Some Pragmatic Aspects of Meaning“ mit Grices Abhandlung „Meaning“ verglichen und abschließend zu harmonisieren versucht.
Inhalt
1 Einleitung
2 ‚Narural Meaning’
2.1 Stevensons ‚natürliche Manifestation’
2.2 Grices ‚natürliche Bedeutung’
3 Die sprachliche Bedeutung
3.1 Stevensons kausale Theorie
3.1.1 Stevensons emotiv behavioristische Bedeutungstheorie
3.1.2 Stevensons kognitiv behavioristische Bedeutungstheorie
3.1.3 Erstes Resümee
3.1.4 Grices Kritik an Stevensons kausaler Theorie
3.2 Grices intentionale Theorie
4 Abschließender Vergleich
5 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Charles L. Stevenson - vornehmlich bekannt durch seine metaethische These, sittliche Wert-Urteile haben keinerlei deskriptiven Charakter, sondern dienen einzig und allein dem Zweck, Emotionen hervorzurufen, um damit andere zu beeinflussen oder zu überzeugen - entfaltet im dritten Kapitel seines eindringlich rezipierten Buches „Ethics and Language“ eine kausale Bedeutungstheorie für Lexeme bzw. Lexemkombinationen, welche unter anderem die seinerzeit revolutionäre Möglichkeit bietet, das Phänomen der Bedeutungsambiguität adäquat zu erklären.
Paul Grice – vornehmlich bekannt durch seine im Aufsatz „Logic and Conversation“ erarbeitete ‚Implikaturentheorie’ – greift Stevensons Ansatz auf, diskutiert ihn flüchtig, verreißt ihn und entwickelt eine eigene Bedeutungstheorie, welche besonders den Begriff der ‚Intention’ akzentuiert. Grice distanziert sich, indem er negierend auf Stevenson rekurriert, obstinat von einer kausalen Bedeutungstheorie. Er betrachtet die Bedeutung nicht als eine mit dem Zeichen kausal verbundene mentale Haltung, sondern versucht Bedeutung, oder vielmehr kommunikative Bedeutung als Erklärung, oder besser, als eine Disjunktion von möglichen Erklärungen der Sprecherintentionen aufzufassen.[1] Damit verlässt Grice das seinerzeit vorherrschende psychologisch-behavioristische und naturalistische Milieu der Natur- und Geisteswissenschaften und lenkt den Fokus des Bedeutungsdiskurses auf die Ebene mentaler Repräsentationen des Sprechers, namentlich auf dessen kommunikative Absichten.[2]
Unter der Fragestellung ‚Inwiefern lassen sich Divergenzen oder Kongruenzen in den sich augenscheinlich adversativ gegenüberstehenden Bedeutungstheorien ausmachen?’, werde ich Stevensons Aufsatz „Some Pragmatic Aspects of Meaning“ und Grices Abhandlung „Meaning“ zu parallelisieren versuchen. Zuerst gedenke ich Stevensons Bedeutungskonzeption zu rekonstruieren, dann werde ich Grices kritische Einwände referieren, um letztlich Grices Bedeutungskonzeption zu erhellen.
Auch wenn Grices Aufsatz modularen Charakter besitzt, d.h. durchaus auch als kontextuell isolierte Arbeit verstanden werden kann, gedenke ich diesen - idealisierend - auschließlich als Reaktion auf Stevensons Ausführungen, d.h. als Bestandteil eines dialogischen Diskurses zu verhandeln.
2 ‚Narural Meaning’
2.1 Stevensons ‚natürliche Manifestation’
Stevenson primäre Intention ist es, sprachlichen Zeichen eine anhand empirischer Evidenzen berechenbare Bedeutung zuzuweisen, d.h. Stevenson ist gewillt, ein Fundament für eine präzise Messbarkeit sprachlicher Bedeutung zu schaffen.[3] Ausgehend von der Problematik, dass gewissen sprachlichen Einheiten, hauptsächlich in kommunikativen Interaktionssituationen, scheinbar nur eine Art Bedeutungspotential, nicht jedoch eine situations- und kontextunabhängig eindeutige Bedeutung zukommt, bemüht er sich, dieses Phänomen an humanspezifischen Haltungen und Emotionen festzumachen. Diesem Programm folgend beabsichtigt Stevenson die offensichtlich schwer fassbare Bedeutung mancher Zeichen, namentlich vornehmlich gewisser Interjektionen wie ‚Hurra’ bspw., unter dem Terminus ‚emotive meaning’ - in Abgrenzung zu dem mit einer eindeutigen Zeichen-Bedeutungs-Relation konnotierten Begriff ‚descriptive meaning’ - zu subsumieren.
Indem Stevenson ein behavioristisch greifbares Analogphänomen beschreibt, verdeutlicht er die Korrelation mancher sprachlicher Einheiten mit der expressiven Offenbarung innerer Emotionalität:
The emotive meaning of words can best be understood by comparing and contrasting it with the expressiveness of laughs, sighs, groans, and all similar manifestations of the emotions, whether by voice or gesture. It is obvious that these ”natural” expressions are direct behavioristic symptoms of the emotions or feelings to which they testify.[4]
Diese eindeutigen Zusammenhänge zwischen dem Prozess des Gähnens bspw. und einer inneren Emotion nennt Stevenson „’natural’ manifestations of emotions“[5] und an anderer Stelle redet Stevenson davon, dass das Gähnen etwas bedeutet:
There is a sense, to be sure, in which a groan “means“ something, just a reduced temperature may at times ”mean” convalescence [...].[6]
Da bei diesen Beispielen jeweils äußere Symptome auf innere Zustände verweisen, werde ich diesen Typus von Bedeutung im Folgenden ‚symptomatische Bedeutung’ nennen.[7]
Die ‚syptomatische Bedeutung’ ist nur eine der differenzierten Verwendungsweisen des Verbs „to mean“ im Englischen.[8] Stevensons Absicht bei der Darstellung dieses Analogiebeispiels zur ‚emotiven Bedeutung’ ist wohl nicht ausschließlich die Verdeutlichung einer Verwandtschaftsbeziehung zwischen nichtsprachlicher ‚symptomatischer Bedeutung’ und sprachlicher ‚emotiver Bedeutung’, sondern zusätzlich die Darlegung des Faktums, dass unterschiedliche sprachlichen Verwendungsweisen des Lexems „to mean“ existieren. Doch spielt diese Art ‚Oridinary-Language-Analyse’ bei Stevensons Bedeutungskonzeption nur eine periphere Rolle. Grice jedoch wird in seinem Aufsatz „Meaning“ genau an diesen Punkt, nämlich an der Analyse der Verwendungsweisen von ‚to mean’, ansetzen. Inwiefern diese Form der Untersuchung hilfreich für die Ausarbeitung einer Bedeutungskonzeption von sprachlichen Zeichen – um die es ja ausdrücklich gehen soll – sein kann, soll später genauer untersucht werden. Ich vermute, dass - gesetzt Stevenson und Grice würden auf Deutsch publizieren - diese Überlegungen zur ‚symptomatischen Bedeutung’[9] bzw. zur ‚natürlichen Bedeutung’ keine Rolle für die Ausarbeitung einer Theorie über den Zeichen-Bedeutungs-Zusammenhang spielen würden.
Stevenson verweist darauf, dass zwischen der ‚symptomatischen’ und der ‚emotiven Bedeutung’ nur insofern eine Verwandtschaftsbeziehung besteht, als diese durch Verknüpfung von Gefühl und Äußerung bzw. Symptom erklärt werden kann. Die Analogie endet jedoch bei dieser Konstatierung. Das Symptom kann als natürliche Manifestation eines Gefühls betrachtet werden und der ‚emotive Ausdruck’ eben nicht. Außerdem akzentuiert Stevenson die Tatsache, dass die ‚symptomatische Bedeutung’ jenseits jeder Art einer sprachlichen Bedeutung verstanden werden muss.
[…] but this sense of “meaning“ is wider than any that are common in linguistic theory.[10]
2.2 Grices ‚natürliche Bedeutung’
Grices auf Stevensons Aufsatz antwortende Ausführungen beginnen mit einer Art Gebrauchsanalyse des Verbs ‚to mean’. Dabei unterscheidet er zwei Klassen, namentlich ‚natural meaning’ und ‚nonnatural meaning’. Zu ‚natural meaning’ zählen folgende Beispiele:
“Those spots mean (meant) measles.”
“Those spots didn’t mean anything to me, but to the doctor they meant measles.”
“The recent budged means that we shall have a hard year.”[11]
Es ist offensichtlich, dass Grices ‚natural meaning’ auf Stevensons Ausführungen über den Gebrauch des Lexems ‚to mean’ rekurriert. Während Stevenson jedoch den Blick auf den unterschiedlichen Gebrauch des Verbes „to mean“ hauptsächlich zur Veranschaulichung einer Analogie der ‚natürlichen Manifestation von Emotionen’ zu seiner ‚Emotive-Meaning-Theorie’ lenkt, macht Grice die Gebrauchsanalyse zu einem der Hauptpfeiler seiner Bedeutungstheorie.
Grice fasst unter den Begriff der ‚natürlichen Bedeutung’ einerseits Stevensons ‚symptomatische Bedeutung’ (measles) und andererseits eine weitere nichtsprachliche Verwendungsweise der eindeutigen Ding-Bedeutungs-Relation (recent - budged).
Während Stevensons ‚symptomatische Bedeutung’ ausdrücklich nicht auf sprachliche Beispiele angewandt werden kann, bleibt die Frage nach dem Anwendungspotential der ‚natürlichen Bedeutung’ bei Grice offen.[12] Grices angeführte Beispiele sind zwar alle nichtsprachlicher Natur, doch lässt eine Andeutung von Grice die Möglichkeit einer Anwendung der ‚natürlichen Bedeutung’ auf sprachliche Zeichen vermuten. Nach der Kontrastierung eines seiner nicht-sprachlichen Anwendungsbeispiele zu der von mir später noch zu erläuternden ‚nicht-natürlichen Bedeutung’ formuliert Grice folgende Arbeitsthese:
What we want to find is the difference between, for example, “deliberately and openly letting someone know” and “telling” and between “getting someone to think” and “telling.”[13]
[...]
[1] H. Paul Grice: Meaning. In: The Philosophical Review. Vol. 66. No. 3. (Jul., 1957). S. 385.
[2] Es wird sich herausstellen, dass sich auch Stevenson kaum davor scheut, in seine Bedeutungstheorie introspektiv erschließbare psychische Zustände zu integrieren.
[3] Vgl. Charles Leslie Stevenson: Ethics and Language. New Haven: Yale University Press 1944. S.43 „A sense is needed where a sign may ”mean” less than it “suggests” – a sense in which meanings are helpful to the understanding of many contexts, not some vagrant sense in which a word has wholly different “meaning” every time it is used.”
[4] Stevenson 1944: S.37.
[5] Ebd.
[6] Ebd. S.38.
[7] Die nicht-sprachliche symptomatische Bedeutung soll hier nur die Beispiele des Gähnens, des Lachens oder der Temperatur als natürlichen Indikator für einen gesundheitlichen inneren Zustand umfassen. Diese Beispiele nämlich sollen den inhaltliche Zusammenhang zwischen ‚emotive meaning’ und ‚natural manifestation of emotion’ (Ausdrucks-Gefühl-Zusammenhang) kennzeichnen. Stevenson stellt zusätzlich einen anderen Gebrauch von ‚meaning’ dar (‚Zoll bedeutet Stau.’), den er allerdings nicht weiter erläutert. Dies soll aber nur einen grammatisch kongruenten Gebrauch des Verbs ‚to mean’ zur ‚symptomatischen Bedeutung’ aufzeigen, hat aber nichts mit der ‚symptomatischen Bedeutung’ an sich, also der ‚natürlichen Manifestation von Emotionen’, also der eigentlichen Analogieveranschaulichung zu tun – es handelt sich also nur um ein sprachliches Phänomen, welches Grice in seinem Aufsatz „Meaning“ aufgreifen wird.
[8] Ins Deutsche lässt sich die Verwendungsweise der ‚symptomatische Bedeutung’ nicht adäquat übersetzen. *Gähnen bedeutet Müdigkeit. *Die Bedeutung von fallender Temperatur ist Genesung.
[9] Oder Grices Überlegungen zur ‚natürlichen Bedeutung’.
[10] Stevenson 1944: S.38.
[11] Grice 1957: S.377.
[12] Die Frage ist insofern wichtig, als man somit klären könnte, ob es auch sprachliche Äußerungstypen gibt, die natürlich etwas ‚bedeuten’, ohne dass ein Rekurs auf die Intention des Sprechers von Nöten ist. Wie steht es z. B. um Searle’s ‚assertive Sprechakte’, welche sich dadurch auszeichnen, dass sie lediglich die Welt beschreiben? ‚Bedeutet’ solch ein Sprechakt tatsächlich nur etwas, wenn der Hörer die Intention des Sprechers erkennt, oder zeigen die Zeichen in diesem Fall auch natürlich das ‚Bedeutete’ an. Dazu später mehr.
[13] Grice 1957: S.382.
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