Indem man nämlich auf den Gebrauch des Wortes Wahrheit schaute, erkannte man, dass dieses Wort in einem engen Zusammenhang mit unserem Verständnis von Wissen als wahre, gerechtfertigte Meinung steht und darüber hinaus ebenfalls einen engen Bezug zu unserer Auffassung von Vernunft bzw. Rationalität hat. Diese Verknüpfungen mit anderen fundamentalen Begriffen lassen die modernen Erklärungsversuche innerhalb des philosophisch anerkannten Sprachparadigmas weit auseinandertreten. Insbesondere das Verhältnis zwischen den Begriffen der „Wahrheit“ und der „Rechtfertigung“ und ihre Beziehungen zueinander erscheinen problematisch. Es lassen sich zwei grundsätzliche Strategien voneinander abgrenzen; einerseits wird versucht, an den realistischen Intuitionen eines normativen Unterschiedes, nämlich das Wahrheit eine unbedingte und unverlierbare Eigenschaft von Sätzen ist im Gegensatz zu bloßer Rechtfertigung, festzuhalten, andererseits erklärt man den Wahrheitsbegriff für weitgehend normativ irrelevant in unserem Sprachgebrauch und assimiliert seine ursprüngliche Bedeutung an die kontextabhängige Rechtfertigungspraxis in jeweils gegebenen Kommunikationsgemeinschaften. Erstere wird von u.a. von dem Sozialphilosophen Jürgen Habermas vertreten, während die zweite Strategie, welche allgemein als die deflationistische Position bezeichnet wird, in dem Philosophen Richard Rorty einen prominenten Vertreter hat. Aufgabe dieser Arbeit soll es sein, beide widersprüchlichen Ansätze miteinander zu vergleichen und herauszuarbeiten, auf welchem Wege eine angemessenere Erklärung des Begriffes von Wahrheit möglich ist. Zu diesem Zweck wird in einem ersten Schritt die Auffassung von Habermas skizziert, um daraufhin mögliche Stärken und Schwächen mit Hilfe der Position von Richard Rorty aufzuzeigen und beide Ansichten über das Verhältnis von Wahrheit und Rechtfertigung miteinander kontrastieren. Anschließend wird versucht, aufgrund der Argumente von Crispin Wright eine mögliche Versöhnung sowie den Weg zu einer angemessenen, sprachpragmatisch angelegten Auffassung von Wahrheit vorzustellen.
Wahrheit ist nicht nur ein täglich gebrauchtes Wort, sondern auch seit den Anfängen der menschlichen Geistesgeschichte auf engste mit einer Suche nach einem angemessenen Verständnis dieses Begriffes verknüpft. So erkannte die alte asiatische Tradition in der Wahrheit vor allem einen religiösen Bezug zum Urgrund allen Seins und entlastete dadurch die Erklärung, was denn Wahrheit nun heiße, von der Vernunft der Menschen und deren Erkenntnisfähigkeiten. Auf der anderen Seite der abendländischen Philosophie fasste Aristoteles in seiner Definition von Wahrheit ein erstes antireligiös motiviertes Verständnis zusammen: „Von etwas, das ist, zu sagen, dass es nicht ist, oder von etwas, das nicht ist, dass es ist, ist falsch, während von etwas, das ist, zu sagen, dass es ist, oder von etwas, das nicht ist, dass es nicht ist, wahr ist.“(1) Ausgehend von dieser Beschreibung entstand eine lange Diskussion in der Philosophie, was darunter zu verstehen sei, und je nach vorherrschender Geisteshaltung urteilte man verschieden, im Kern war jedoch eine Korrespondenzbeziehung zwischen etwas Gesagtem und einem Ding in der Welt, etwas, dass sich einander entsprechen sollte im Falle von Wahrheit, der Ausgangspunkt. Diese Ansicht führte allerdings zu unauflösbaren Problemen, bspw. wie sollte eine Entsprechung überprüfbar sein, um das Vorliegen von Wahrheit überhaupt zu erkennen? Die Diskussion hierüber entwickelte sich in verschiedenen Konzepten und hatte durch die Einleitung der sprachphilosophischen Wende zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts eine radikale Neubewertung des Verständnisses von Wahrheit zur Folge. Die Sprache selbst rückte nun in das Zentrum des Interesses, und was „Wahrheit“ sei, wurde aufgrund begrifflicher Analyse herausgearbeitet, so wie Wittgenstein vorschlug: „ Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“(2)
Unter dieser linguistischen Perspektive konnten viele der vorangegangenen Diskussionen als mit Scheinproblemen behaftet entlarvt werden, und eine Abwendung von der Strategie, den Wahrheitsbegriff metaphysisch erklären zu wollen, trat ein. Doch im selben Zuge trat ein neues, erklärungsbedürftiges Problem auf. Indem man nämlich auf den Gebrauch des Wortes Wahrheit schaute, erkannte man, dass dieses Wort in einem engen Zusammenhang mit unserem Verständnis von Wissen als wahre, gerechtfertigte Meinung steht und darüber hinaus ebenfalls einen engen Bezug zu unserer Auffassung von Vernunft bzw. Rationalität hat. Diese Verknüpfungen mit anderen fundamentalen Begriffen lassen die modernen Erklärungsversuche innerhalb des philosophisch anerkannten Sprachparadigmas weit auseinander treten. Insbesondere das Verhältnis zwischen den Begriffen der „Wahrheit“ und der „Rechtfertigung“ und ihre Beziehungen zueinander erscheinen problematisch. Es lassen sich zwei grundsätzliche Strategien voneinander abgrenzen; zum Einen wird versucht, an den realistischen Intuitionen eines normativen Unterschiedes, nämlich das Wahrheit eine unbedingte und unverlierbare Eigenschaft von Sätzen ist im Gegensatz zu bloßer Rechtfertigung, festzuhalten, zum Anderen erklärt man den Wahrheitsbegriff für weitgehend normativ irrelevant in unserem Sprachgebrauch und assimiliert seine ursprüngliche Bedeutung an die kontextabhängige Rechtfertigungspraxis in jeweils gegebenen Kommunikationsgemeinschaften. Erstere, welche ich im folgenden die idealistische nennen möchte, wird von u.a. von dem Sozialphilosophen Jürgen Habermas vertreten, während die zweite Strategie, welche allgemein als die deflationistische bezeichnet wird, in dem Philosophen Richard Rorty einen prominenten Vertreter hat. Meine Aufgabe in dieser Arbeit soll es sein, beide widersprüchlichen Ansätze miteinander zu vergleichen und herauszuarbeiten, auf welchem Wege eine angemessenere Erklärung des Begriffes von Wahrheit möglich ist. Zu diesem Zweck werde ich (I) in einem ersten Schritt die Auffassung von Habermas skizzieren, um daraufhin (II) mögliche Stärken und Schwächen mit Hilfe der Position von Richard Rorty aufzuzeigen und beide Ansichten über das Verhältnis von Wahrheit und Rechtfertigung miteinander kontrastieren. Anschließend werde ich versuchen, (III) aufgrund der Argumente von Crispin Wright eine mögliche Versöhnung sowie (IV)einen Weg zu einer angemessenen, sprachpragmatisch angelegten Auffassung von Wahrheit vorzustellen.
(I)Jürgen Habermas entwickelt seinen Wahrheitsbegriff im Wesentlichen in dem Hauptwerk „Theorie des kommunikativen Handelns“, wo er ein diskursives Rationalitätsverständnis vorstellt, welches Vernunft sowie deren Verwendung und Erwerb auf die Kritisierbarkeit und Begründungsfähigkeit von Äußerungen zurückführt. Unter Äußerungen versteht er Sätze und Handlungen, welche durch Menschen mit unterschiedlicher Absicht in einer sozial strukturierten Welt stattfinden. Die Rationalität offenbart sich nun durch die Art und Weise, wie wir miteinander reden und handeln. Der enge Zusammenhang zwischen Sprache und Vernunft im neuzeitlichen Sinn bei Habermas ist die Konsequenz einer Verabschiedung von metaphysischen Erklärungsversuchen durch die Aufnahme soziologischer und psychologischer Konzepte des Spracherwerbs und deren Verwendungsweisen in die philosophische Theoriebildung. Habermas versucht in diesem Zusammenhang nachzuweisen, das wir mit jeder Äußerung Geltungsansprüche verbinden, die sich je nach Art der Äußerung differenzieren lassen und notwendig mit dieser verbunden sind. Das bedeutet, das es uns in vernünftiger Einstellung nicht möglich ist, rational miteinander zu kommunizieren, ohne eben diese Geltungsansprüche in der einen oder anderen Weise gleichzeitig mit zu erheben. Habermas nennt dies eine „...anspruchsvolle Form einer Kommunikation, welche die Voraussetzungen der Argumentation erfüllt.“(3) Da ,Wahrheit’ möglicherweise seine Bedeutung auch durch einen als Geltungsbegriff verstandenen Wahrheitsanspruch erhalten soll, welcher bei Sätzen über Tatsachen durch den Sprecher mit erhoben wird, ist es hilfreich, an dieser Stelle zunächst dieses Verständnis von Geltung und Geltungsansprüchen näher zu untersuchen.
Es ist augenscheinlich, das der Begriff der Geltung zunächst mit drei Variablen besetzt ist; etwas gilt als etwas für jemanden .* Diese Auffassung ist leicht einzusehen, wenn wir uns überlegen, wie und wo etwas im Leben gilt; Für deutsche Staatsbürger gilt das Grundgesetz als wichtiger Bestandteil einer orientierenden und legitimierenden Rechtsordnung, beim Fußball gilt für die Spieler, den Ball nicht mit der Hand zu berühren, als sanktioniertes Verbot usw. Der einfachste Fall von Geltung ist also mit fixierten Regeln, Gesetzen, Richtlinien u.dgl. verbunden, allgemein lässt sich jedoch feststellen, dass überall dort, wo es um Normen oder Werte, kurz normative Bezüge geht, der Begriff der Geltung sicherlich zutreffend zu charakterisieren und wiederzufinden ist. Einen Geltungsanspruch erheben ist nun vorerst nichts anderes als mit behauptender Kraft zu sagen, das etwas als etwas für jemanden gilt, d.h. etwas zu sagen über einen normativen Sachverhalt aus einer individuellen Perspektive heraus. Ist das jedoch auch bei meinen Aussagen über andere Sachverhalte, bspw. dem Wetter oder meinem Wunsch nach einem Bier, in gleicher Weise zutreffend? Habermas würde diese Frage bejahen, wenn auch mit der Einschränkung, dass hier andere Geltungsansprüche, im Fall des Wetters eine mögliche Tatsachenaussage und damit ein Wahrheitsanspruch und im Fall meines Wunsches nach Bier ein Wahrhaftigkeitsanspruch , in analoger Weise zum obigen Verständnis von Geltung mit meiner Aussage zum Ausdruck gebracht werden. Ich möchte an dieser Stelle vorerst nur andeuten, dass dies nur unter der Voraussetzung richtig sein kann, dass unser Sprechakt selbst ein an normativen Aspekten orientiertes Handeln darstellt (und somit durch den Begriff der Geltung beschrieben werden kann) und die entscheidende Geltungsvariable >für jemanden< in diesem Falle durch >für mich/uns< im Akt des Sprechens immer mitgesetzt ist.
*Allerdings besitzt der Begriff der Geltung noch eine weitere Dimension, die Zeit. So ist es also genauer, von vier Variablen beim Geltungsbegriff zu sprechen; jetzt etwas gilt als etwas für jemanden. Diese Variable ist nämlich nicht ohne Bedeutung für eine Abgrenzung der Geltung von Wahrheit
Doch wie ist der Begriff der ‚Rechtfertigung’ in der Perspektive von Habermas zu verstehen und inwieweit hängt er mit dem Verständnis von Geltung zusammen? Im Falle einer Argumentation wird, wie bereits beschrieben, durch einen Sprecher mit seiner Aussage ein Geltungsanspruch erhoben, den der Hörer, wenn er das Gesagte versteht , durch eine Antwort akzeptieren oder ablehnen kann. Man kann sich das klarmachen anhand der Möglichkeiten, die man als Zuhörer hat, etwas Gesagtes zu bestreiten: man kann den Inhalt einer Aussage bestreiten und/oder die Art und Weise der Beurteilung des Inhaltes durch den Sprecher und/oder die Ehrlichkeit , mit welcher der Sprecher die Aussage macht. Unsere Sprachspiele lassen alle diese ,Züge’ als Antworten zu, offensichtlich beziehen sie sich jedoch immer auf etwas anderes, einen anderen Aspekt des geäußerten Satzes durch einen Sprecher. Dies ist jedoch nur möglich, wenn eben dieser Sprecher mit seiner Äußerung einen Anspruch verbindet, den Habermas als einen Geltungsanspruch bezeichnet. Wird dieser nun nicht einfach von einem Zuhörer akzeptiert oder übernommen, sondern bezweifelt oder bestritten, ist der Sprechende genötigt, Gründe für seine Aussage beizubringen und, soweit notwendig, zu erläutern. Die meisten unserer täglichen Gespräche über Ansichten, Meinungen, Sachverhalte und Wünsche funktionieren auf diese Weise, wenn auch nicht in jedem Falle eine Argumentation im Sinne von Habermas vorliegen muss. Ist jedoch der Sinn der Sprache vorrangig eine Verständigung (und vielleicht auch eine Konsensorientierung im weiteren Sinn, dass man, um miteinander zu kommunizieren, gemeinsam bestimmte Unterstellungen als Voraussetzung braucht), dann ist genau dieses Beibringen von Gründen und Erläutern der Ursachen für diese oder jene Aussage durch den Sprecher eine Rechtfertigung .
Man erkennt, das Rechtfertigung und Geltung eng aufeinander bezogen sind. Indem ich etwas sage, beanspruche ich, das meine Aussage gilt, und wird das von einem Zuhörer oder einem Publikum bezweifelt, bin ich gezwungen , für meine Aussage Gründe anzugeben, d.h. mich zu rechtfertigen, vorausgesetzt, ich orientiere mich an rationalem Verhalten. Das muss nicht immer ebenfalls sprachlich angeschlossen sein oder „...dass das, woran die Argumentation anknüpft, selbst die Form der Argumentation aufweisen müsste, um als rational gelten zu können;...“(4), wie Herbert Schnädelbach kritisch bemerkt hat, aber auch das kann natürlich in sprachlicher Form thematisiert werden. Konzentriert man sich auf den in unserem Zusammenhang relevanten Fall von Tatsachenaussagen (bspw. „Draußen regnet es jetzt.“), so wird nach Habermas ein expliziter Wahrheitsanspruch mit dieser Aussage erhoben, und muss bei Bezweifelung mit Hilfe von Gründen (bspw. „An dem Fenster sehe ich Regentropfen.“) gerechtfertigt werden. Es ist aber ersichtlich, das dieser erhobene Wahrheitsanspruch (nämlich, dass die Aussage: „Draussen regnet es jetzt.“ wahr ist) von bestimmten Dingen abhängt, welche mit dem Sprecher verknüpft sind. Wenn er kurzsichtig ist, kann er vielleicht die Regentropfen nicht erkennen und hat nur ein Geräusch falsch gedeutet, oder es hat vor einer Weile geregnet, und der Sprecher hat das Ende des Regens nicht bemerkt usw., ob also eine Tatsachenaussage wahr ist, scheint eine relative, d.h. eine auf einen Sprecher bezogene und zeitlich begrenzte Geltungsfrage zu sein, welche im Sprachspiel der Argumentation durch Rechtfertigung grundsätzlich entschieden werden kann. Albrecht Wellmer deutet diese Auslegung eines intuitiv praktischen Verständnisses von wahren oder falschen Aussagen als „...[wäre] der Begriff der Wahrheit(...)somit auf den der Rechtfertigung zurückgeführt.“(5)
Nun ist der Begriff ‚Wahrheit’ allerdings kein dreistelliger wie ‚Geltung’, sondern er ist „...eine unverlierbare Eigenschaft kritisierbarer Aussagen...“(6), wie Habermas zu Recht betont. Darüber hinaus verstehen wir Wahrheit als eine zeitlich indifferente Eigenschaft sowie als nicht relativ zu jemandem, der eine kritisierbare, und damit auch eine begründbare Aussage macht. Das meint Habermas, wenn er betont, dass „Der()Gebrauch des Wahrheitsprädikats zeigt, dass wir mit der Wahrheit einen unbedingten, über alle verfügbaren Evidenzen hinausweisenden Anspruch verbinden;...“(7), und als „...wesentlichen Bedeutungsaspekt(...)von unbedingter Geltung...“(8) spricht. In der Tat ist es unplausibel, sich einen Gebrauch des Begriffes Wahrheit in der Sprache vorzustellen, der mit den Eigenschaften >ist wahr, aber nur jetzt und hier< oder >ist wahr, aber nur für mich/für uns< ausgestattet wäre. Wir würden in diesem Fall einfach nicht von Wahrheit sprechen oder zumindest nur in einem übertragenen Sinne. Aus diesem Grunde ist verschiedentlich auch eine Verabschiedung des adäquaten Gebrauch eines Wahrheitsbegriffs in unserer Rechtfertigungspraxis nahegelegt worden, aber ich meine, damit wäre zuviel aufgegeben. Es ist noch nicht geklärt, ob mit dieser Verabschiedung wirklich, wie Habermas meint, „...eine Praxis aus den Fugen [geriete], die auf der (in gewisser Weise) platonischen Unterscheidung von Meinen und vorbehaltlosen Wissen beruht.“(9) oder eben doch einfach nur ein irreführender Sprachgebrauch von Wahrheit unseren Alltag bestimmt, wenn wir jedoch Wittgenstein ernst nehmen und über den Gebrauch eines Wortes seine Bedeutung erfassen wollen, muss es eine alltagsrelevante Bedeutung des Begriffes „Wahrheit“ geben, der über eine bloß sprachlogische Eigenschaft hinausgeht und allenfalls für Sprachtheoretiker wichtig ist.
Habermas versucht dieser Bedeutung näher zu kommen, indem er die Ebene der Argumentation verlässt und im Begriff der „Handlungsgewissheit“ eine Komponente entdeckt, die auf der Ebene des täglichen praktischen Handelns eine Analogie zu den Eigenschaften bildet, welche wir für gewöhnlich mit Wahrheit verbinden, also genau die Momente der Unbedingtheit im zeitlichen und kontextunabhängigen Sinn. Tatsächlich lassen wir uns in unserem täglichen Leben von vielen Einstellungen, bspw. physikalischen oder sozialen Grundüberzeugungen, leiten, bei denen die Annahme, sie wären nicht wahr oder zumindest nur jetzt und für mich, zu einer Unmöglichkeit einer praktischen Tätigkeit führen würde. Habermas spricht an dieser Stelle von einem „...performative[n] Bedarf an Handlungsgewissheit...“, welcher „...jedenfalls einen prinzipiellen Wahrheitsvorbehalt aus[schließt]...“(10). Doch er erkennt ebenso, dass „Wahrheit (...) weder an Handlungsgewissheit noch an gerechtfertigte Behauptbarkeit assimiliert werden [darf].“(11), denn Wahrheit ist eben eine Eigenschaft von Sätzen , ausgedrückt in dem Prädikat ‚ist wahr’. Die Analogie, welche Habermas zu unserem Handeln herstellt, erhellt die praktische Bedeutung, wenn auch nicht den Sinn des Begriffes ,Wahrheit’, doch ein wenig. Es besteht allerdings in dieser Perspektive die Gefahr, unserem Wahrheitsverständnis durch eine Inflationierung des Gebrauch eher abträglich zu sein, denn unser Alltagswissen, oder in Habermas Worten ‚eine intersubjektiv geteilte Lebenswelt’, zieht oft keine klare Grenze zwischen >ist gerechtfertigt< und >ist wahr<. Dennoch ist dieser Unterschied von großer Bedeutung, wenn wir an einem Wissensbegriff festhalten wollen, der den Besitz von wahren, und eben nicht bloß gerechtfertigen, Meinungen impliziert. An dieser Stelle geht Habermas zurück zum Sprachspiel der Argumentation und charakterisiert diese als „kooperative[...] Wahrheitssuche.“(12)
[...]
1 „Wahrheitstheorien.“ G. Skirbekk, Suhrkamp TB Wissenschaft, 7.Aufl., Frankfurt/M., 1996 S.142
2 „Wittgenstein.“ Werkausgabe Band 1, Suhrkamp TB Wissenschaft, 12.Aufl., 1999 S.262
3 „Theorie des kommunikativen Handelns“ J. Habermas, Band 1, Suhrkamp TB Wissenschaft, 3.Aufl., 1999 S.044
4 „Zur Rehabilitierung des animal rationale“ H. Schnädelbach, Frankfurt/M., S.063
5 „Der Streit um die Wahrheit. Pragmatismus ohne regulative Ideen“ A. Wellmer S.006
6 „Wahrheit und Rechtfertigung“ J. Habermas, Suhrkamp TB Wissenschaft, Frankfurt/M. 1999
S.236
7 „Wahrheit und Rechtfertigung“ J. Habermas, Suhrkamp TB Wissenschaft, Frankfurt/M. 1999
S.247
8 „Wahrheit und Rechtfertigung“ J. Habermas, Suhrkamp TB Wissenschaft, Frankfurt/M. 1999
S.247
9 „Wahrheit und Rechtfertigung“ J. Habermas, Suhrkamp TB Wissenschaft, Frankfurt/M. 1999
S.249
10 „Wahrheit und Rechtfertigung“ J. Habermas, Suhrkamp TB Wissenschaft, Frankfurt/M. 1999
S.255
11 „Wahrheit und Rechtfertigung“ J. Habermas, Suhrkamp TB Wissenschaft, Frankfurt/M. 1999
S.255
12 „Wahrheit und Rechtfertigung“ J. Habermas, Suhrkamp TB Wissenschaft, Frankfurt/M. 1999
S.254
- Arbeit zitieren
- Kai Lehmann (Autor:in), 2003, Wahrheit und Rechtfertigung - Lässt sich eine normative Auffassung von Wahrheit heute noch überzeugend vertreten?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47296
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