Das Wachstum europäischer Hafenstädte war jahrhundertelang eng mit der Hafenentwicklung verbunden. Erst in diesem Jahrhundert begannen sich Stadt und Hafen im Zuge vielfältiger Strukturwandel physisch wie ökonomisch zu trennen.
Die seit den siebziger Jahren einsetzende „Rückkehr der Innenstadt an das Wasser“ ist kein hamburgspezifisches Phänomen: das Zusammenwachsen von City und Hafenrand ist weltweit beobachtbar. Mit der Verlagerung der Hafenfunktionen in die Peripherie gewannen von Raumnot geplagte Städte, wie Liverpool, Boston, Barcelona oder London, entwickelbare, innenstadtnahe Flächen zurück.
Seit Anfang der achtziger Jahre wird der Hamburger Hafenrand am nördlichen Elbufer zum Vorzeigeobjekt der Stadtentwicklungspolitik. Die sog. „Perlenkette“ am Elbufer ist eine Mischung aus Gewerbe- und Wohnbauten, die mit einer auch für den Tourismus attraktiven Neugestaltung des Elbufers einhergeht.
Das bauliche und planerische Potential zwischen Baumwall im Osten und Neumühlen im Westen ist inzwischen weitgehend ausgeschöpft. Erklärtes Ziel weiterer Cityexpansion sind nunmehr die Freihafenflächen zwischen Norderelbbrücken und Speicherstadt.
Die südliche Neustadt und südliche Altstadt sind die Stadtteile an der Schnittstelle zwischen City und Hafenrand. Sie sind damit von der Entwicklung unmittelbar betroffen. Über die strukturellen Veränderungen in den Quartieren gibt es bisher vorwiegend Mutmaßungen und Befürchtungen. Soll-Ist-Analysen können nicht aufgestellt werden, da es kein über die baulichen Maßnahmen hinausgehendes Konzept für die Quartiere gibt.
Ziel dieser Arbeit ist es, den Strukturwandel in den Stadtteilen seit Anfang der achtziger Jahre bis in die Gegenwart darzustellen und auf dieser Grundlage Anregungen und Strategien für eine zukünftige Stadtteilentwicklung aufzuzeigen.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung und Untersuchungsinteresse
2. Problematik und Fragestellung
3. Aufbau dieser Arbeit
3.1. Strukturwandel und Stadtgeographie
3.2. Zum Begriff der Struktur
3.3. Abgrenzung des Begriffes City
3.4. Abgrenzung des Begriffes Hafenrand
3.5. Materialien und Datengrundlagen
4. Hamburger Stadtgeschichte - ein historischer Überblick
4.1. Eintausend Jahre Stadtentwicklung zwischen Alster und Elbe
4.2. Trennung von Innenstadt und Hafen
4.3. Sanierung und Tertiärisierung - Entwicklung der Innenstadt bis 1939
4.4. Die Ausdehnung des funktionalen Zentrums ab 1945
4.5. Die Wiederbelebung der City ab den achtziger Jahren
5. Demographische und sozioökonomische Trends in Hamburg
5.1. Bevölkerung
5.2. Beschäftigung
5.3. Einkommen
5.4. Wohnen
5.5. Gentrification - Aufwertung innenstadtnaher Wohngebiete
5.6. Wahlverhalten
6. Strukturwandel am Cityrand
6.1. Räumliche Abgrenzung der Untersuchungsgebiete
6.2. Sozioökonomsche Daten der Untersuchungsgebiete
6.2.1. Bevölkerung
6.2.2. Wohnen
6.2.3. Arbeitsstätten, Beschäftigte, Einkommen
6.2.4. Datenkritik
6.3. Ausstattungsmerkmale der Untersuchungsgebiete
6.3.1. Straßenverkehr
6.3.2. Öffentlicher Personennahverkehr
6.3.3. Versorgung, Freizeit und Kultur
6.3.4. Gewässer und Grünanlagen
6.4. Bauliche Entwicklung seit 1980
6.4.1. Entwicklung der Bodenpreise
6.4.2. Südliche Neustadt: Die Wiederentdeckung des Hafenrandes
6.4.3. Südliche Altstadt: Verharren und Verschönern
6.5. Gebäudebestand und Gebäudenutzung in den Untersuchungsgebieten
6.5.1. Begründung der erhobenen Merkmale
6.5.2. Durchführung der Erhebung
6.5.3. Auswertung der Gebäudeerhebung
6.5.3.1. Baujahrsklassen
6.5.3.2. Gebäudenutzung
6.5.3.3. Die City wächst zum Hafen
6.5.3.4. Leerstand und Parterregewerbe
6.5.3.5. Branchen und Hafenrelevanz
6.5.4. Zusammenfassung der Gebäudeerhebung
6.6. Einwohnerbefragung in der südlichen Neustadt
6.6.1. Begründung des Fragebogens
6.6.2. Kritik am Fragebogen
6.6.3. Durchführung der Erhebung
6.6.4. Auswertung der Interviews
6.6.4.1. Alter, Geschlecht und Staatsbürgerschaft
6.6.4.2. Berufstätigkeit, Lebensunterhalt, Bildungsabschluß und Einkommen
6.6.4.3. Wohnen und Mieten
6.6.4.4. Zusammenfasung der soziostrukturellen Daten
6.6.4.5. Die Entwicklung und Situation des Ortsteils aus der Sicht der Bewohner
7. Hafenrand: Spannungsfeld zwischen Hafen und City
7.1. Die historische Entwicklung des Hafenrandes nach HOYLE
7.2. Der Hafenrand als Spannungsfeld nach RILEY und SHURMER-SMITH
7.3. Einstellungswandel und technischer Fortschritt nach HAYUTH
7.4. Rückzug und Wiederbelebung nach PINDER, HOYLE und HUSAIN
8. Strukturwandel und der Hamburger Hafenrand
9. Hafen - City
9.1. Internationale Hafenrandentwicklungsprojekte
9.2. Risiken und Chancen der Hafenrandentwicklung
10. Ausblick und Empfehlungen
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen
Abb. 1.: Grenzen des CBD und CA nach Baublöcken
Abb. 2.: Um- und Neubauten in der nördlichen Hamburger City 1980 bis 1990
Abb. 3.: Übersichtskarte der Stadtteile Alt- und Neustadt mit Ortsteilen
Abb. 4.: Stadtplanausschnitt der Untersuchungsgebiete, Maßstab 1: 7700
Abb. 5: Grenzen des Untersuchungsgebietes südliche Neustadt, Ortsteil 104
Abb. 6.: Grenzen des Untersuchungsgebietes südliche Altstadt
Abb. 7.: Bevölkerungsverlagerung im Bezirk Mitte 1950-1996
Abb. 8.: Altersstruktur der Hamburger Bevölkerung am 31.12.1996
Abb. 9.: Altersstruktur im Ortsteil 104 am 31.12.1996
Abb. 10.: Altersstruktur im Ortsteil 102 am 31.12.1996
Abb. 11: Entwicklung der Bodenpreise von 1980-1994
Abb. 12.: Baublöcke südliche Neustadt
Abb. 13.: Baublöcke südliche Altstadt
Abb. 14: Verteilung der erhobenen Baujahrsklassen
Abb. 15.: Neubauten zwischen 1980 und 1998
Abb. 16.: Überwiegende Gebäudenutzung
Abb. 18.: Räumliche Verteilung der Blocknutzungen in der südlichen Neustadt
Abb. 17.: Räumliche Verteilung der Blocknutzungen in der südlichen Altstadt
Abb. 19.: Ausdehnung des CBD 1998
Abb. 20.: Positive Aspekte im Ortsteil 104
Abb. 21.: Negative Aspekte im Ortsteil 104
Abb. 22.: Entwicklungsstufen der Hafen-City Schnittstelle
Abb. 23.: Analyserahmen für die Hafenrandentwicklung
Abb. 24.: Entwicklungstrends an der Hafen-City Schnittstelle
Abb. 25.: Entwicklungsmodell nach HOYLE, HUSAIN und PINDER
Abb. 26.: Projektgebiet der Hafen-City
Verzeichnis der Tabellen
Tab. 1.: CBD und CA in Hamburg
Tab. 2.: Aggregierte Gebäudedaten für die Untersuchungsgebiete
Tab. 3.: Überwiegende Nutzung der Baublöcke
Tab. 3.: Altersstruktur der Befragten
Tab. 4.: Tätigkeitsstruktur der Berufstätigen
Tab. 5.: Lebensunterhalt der Nichterwerbstätigen
Tab. 6.: Höchster allgemeiner Bildungsabschluß
Tab. 7.: Zu versteuerndes Einkommen 1997
Tab. 8.: Abweichungen vom Mietenspiegel Hamburg 1997
Tab. 9.: Zufriedenheit, Wohnungseigentümer und Wohndauer im Ortsteil
Verzeichnis der Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung und Untersuchungsinteresse
Das Wachstum europäischer Hafenstädte war jahrhundertelang eng mit der Hafenentwicklung verbunden. Erst in diesem Jahrhundert begannen sich Stadt und Hafen im Zuge vielfältiger Strukturwandel physisch wie ökonomisch zu trennen.
Die seit den siebziger Jahren einsetzende „Rückkehr der Innenstadt an das Wasser“ ist kein hamburgspezifisches Phänomen: das Zusammenwachsen von City und Hafenrand ist weltweit beobachtbar. Mit der Verlagerung der Hafenfunktionen in die Peripherie gewannen von Raumnot geplagte Städte, wie Liverpool, Boston, Barcelona oder London, entwickelbare, innenstadtnahe Flächen zurück.
Seit Anfang der achtziger Jahre wird der Hamburger Hafenrand am nördlichen Elbufer zum Vorzeigeobjekt der Stadtentwicklungspolitik. Die sog. „Perlenkette“ am Elbufer ist eine Mischung aus Gewerbe- und Wohnbauten, die mit einer auch für den Tourismus attraktiven Neugestaltung des Elbufers einhergeht.
Das bauliche und planerische Potential zwischen Baumwall im Osten und Neumühlen im Westen ist inzwischen weitgehend ausgeschöpft. Erklärtes Ziel weiterer Cityexpansion sind nunmehr die Freihafenflächen zwischen Norderelbbrücken und Speicherstadt.
Die südliche Neustadt und südliche Altstadt sind die Stadtteile an der Schnittstelle zwischen City und Hafenrand. Sie sind damit von der Entwicklung unmittelbar betroffen. Über die strukturellen Veränderungen in den Quartieren gibt es bisher vorwiegend Mutmaßungen und Befürchtungen. Soll-Ist-Analysen können nicht aufgestellt werden, da es kein über die baulichen Maßnahmen hinausgehendes Konzept für die Quartiere gibt.
Ziel dieser Arbeit ist es, den Strukturwandel in den Stadtteilen seit Anfang der achtziger Jahre bis in die Gegenwart darzustellen und auf dieser Grundlage Anregungen und Strategien für eine zukünftige Stadtteilentwicklung aufzuzeigen.
2. Problematik und Fragestellung
Die Auslagerung von Hafenfunktionen aus den Kernbereichen von Städten führte zu einem Funktionsverlust und Funktionswandel in den angrenzenden Stadtbereichen, die stark auf den Hafenbetrieb ausgerichtet und vom Hafen geprägt waren. Stagnation in der Entwicklung und städteplanerische Vernachlässigung prägen einen Großteil dieser Areale bis in die Gegenwart. Während andere Städte schon vor Jahrzehnten den Wert des citynahen maritimen Ambientes erkannt und genutzt haben, wurde der Hafenrand in Hamburg erst zu Beginn der achtziger Jahre als Entwicklungsraum wiederentdeckt.
Ein übergreifendes planerisches Konzept für den nördlichen Hafenrand hat es nie gegeben, vielmehr wurden in den Folgejahren Einzelprojekte entlang der Elbe verwirklicht. Den Leit-gedanken der Planungen formulierte der Hamburger Oberbaudirektor KOSSAK wie folgt:
„Dieser einst verödete und vernachlässigte Stadtbereich sollte zu einem architektonisch an-spruchsvollen, vielseitig genutzten und attraktiven Uferbereich werden“ [KOSSAK 1993, S. 96].
Diese pauschalisierte Zielvorstellung ist Abbild der Stadterneuerung in Hamburg bis in die achtziger Jahren hinein, die sich weitgehend auf die Erneuerung der physischen Substanz beschränkt hat. Die Anforderungen an die Stadterneuerung sind heute vielfältiger geworden.
Der Soziologe SIEBEL [1997] sieht insbesondere im ökonomischen Strukturwandel, in dem Wandel der Lebensweise, in der Deregulierung der sozialstaatlichen Absicherungen und in der Zuwanderung die Ursachen für soziale Probleme, die sich besonders in den Städten manifestieren: die Kumulation von Benachteiligungen nimmt ebenso zu wie deren räumliche Konzentration. Stadterneuerung wird in diesem Kontext ein Instrument, Fehlentwicklungen gegenzusteuern.
Im Falle des citynahen Hafenrands handelte es sich keineswegs um einen „verödeten Stadtbereich“, wie es KOSSAK formulierte, sondern um belebte und funktionierende Stadtteile. Allein die besondere Konzentration sozialer Benachteiligung hätte ein stadtteilbezogenes Entwicklungskonzept gerechtfertigt. Der Strukturwandel im Zuge der baulichen Maßnahmen ist somit weitgehend ungeplant und seine Dokumentation ein Ziel dieser Arbeit. Der Strukturwandel kann aber nicht allein ursächlich auf die städtebaulichen Maßnahmen zurückgeführt werden.
Vielmehr unterliegt dieser Stadtbereich zahlreichen weiteren Einflußfaktoren.
Die daraus abgeleiteten zentralen Fragestellungen dieser Arbeit lauten:
- Welchen räumlichen, sozialen und ökonomischen Veränderungen ist die Schnittstelle zwischen City und Hafen seit Anfang der achtziger Jahre unterworfen ?
- Welche ökonomischen und politischen Ursachen haben diese Veränderungen bewirkt ? Wie haben Entwicklungen auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene diesen Prozeß beeinflußt ?
3. Aufbau dieser Arbeit
Dieser Abschnitt enthält die systematische Einordnung der Untersuchung in die Geographie, die Abgrenzungen bzw. Definitionen der Begriffe Struktur, Innenstadt und Hafenrand sowie Ausführungen zur Datengrundlage dieser Arbeit.
Im vierten Kapitel erfolgt ein Überblick bezüglich der historischen Entwicklung Hamburgs mit den Schwerpunkten Innenstadt und nördlicher Hafenrand.
Die für ganz Hamburg geltenden demographischen und sozioökonomischen Trends sind im fünften Abschnitt dargestellt; sie bilden die Überleitung zu den Untersuchungsgebieten südliche Neustadt und südliche Altstadt. Im sechsten Kapitel wird der Strukturwandel am Cityrand unter Einbezug vorliegender und erhobener Daten analysiert.
Nachdem im siebenten Abschnitt verschiedenen Theorien der Hafenrandentwicklung vorgestellt wurden, folgt im achten Kapitel die Verknüpfung einzelner Modelle mit dem aufgezeigten Strukturwandel und der Hamburger Situation. Die Besonderheiten Hamburgs im Vergleich zu Hafenrandentwicklungsprojekten anderer Hafenstädte zeigt die Betrachtung im neunten Kapitel, wo ebenfalls auf die jüngsten Planungen in Hamburg eingegangen wird. Im Abschnitt 10. schließt diese Untersuchung mit einem Ausblick und Empfehlungen für zukünftige Planungen.
3.1. Strukturwandel und Stadtgeographie
Neben der Geomorphologie gehört die Siedlungsgeographie seit der Begründung der wissenschaftlichen Geographie zu deren zentralen Gebieten. Die Stadtgeographie als Teilgebiet der Anthropogeographie ist in jüngerer Zeit wichtiger integrierender Bestandteil einer interdisziplinären Stadtforschung geworden. Die Grenzen zu anderen Disziplinen, wie Volkswirtschaft, Geschichte, Stadtplanung und Soziologie, sind fließend [HOFMEISTER 1993].
Dieser Offenheit folgend wird auch im Rahmen dieser Arbeit auf verwandte Forschungsdisziplinen zurückgegriffen.
Innerhalb der Stadtgeographie ist die Arbeit der „angewandten Stadtgeographie“ zuzuordnen, wie SCHAFFER sie formulierte. Angewandte Stadtgeographie ist demnach:
„[...] ein praxisbegleitender Forschungsprozeß, der die Gestaltung zweckorientierter Raumorganisation der urbanen Entwicklungen zum Ziele hat“ [SCHAFFER 1986, S.183].
3.2. Zum Begriff der Struktur
Mit Struktur wird in der Wissenschaftstheorie die „Menge der die einzelnen Elemente eines Systems verknüpfenden Relationen“ verstanden [GABLER-WIRTSCHAFTS-LEXIKON 1992]. Sieht man Stadt oder Stadtteil als System, so besteht dieses aus einer nahezu unüberschaubaren Vielzahl von Elementen der Stadt, die in wechselseitigen Beziehungen und Abhängigkeiten stehen. Dieses innere Gefüge kann auf verschiedensten Ebenen und Teilbereichen analysiert werden: so ist eine Stadt auf der Makroebene ein Systemelement der Weltwirtschaft und wird dementsprechend von globalen Trends berührt, die bis in die Mikroebene, beispielsweise ein Quartier der Stadt, wirken können.
Das Erkennen von Strukturen wird besonders dann relevant, wenn sich Strukturen verändern und unerwünschte Trends erkennbar werden. Ein effektiver Einsatz strukturpolitischer Maßnahmen, kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Ursache-Wirkung-Zusammenhänge bekannt sind.
Einen Überblick über die wichtigsten Strukturwandel in deutschen Städten konnte HEINZ [1990] mittels zahlreicher Interviews kommunaler und außerkommunaler Entscheidungsträger aufzeigen. Demnach stehen als Beurteilungsgrößen für die städtische Entwicklung die wirtschaftliche Entwicklung und die Lage des Arbeitsmarktes an erster Stelle. Künftige Stadtstrukturen werden sich vor allem an diesen Größen orientieren. Statt städtebaulicher Utopien steht der Ausbau zur „marktgerechten“ Stadt im Vordergrund. Ästhetische und gestalterische Aspekte werden wettbewerbsorientiert stärker berücksichtigt. „Harte“ Standortfaktoren, wie Infrastruktur und Arbeitskraftpotential, werden zunehmend von sog. „weichen“ Faktoren, wie Image, Atmosphäre und Lebensqualität, ergänzt und überlagert. Für diese weichen Faktoren erbringen Städte Vorleistungen, z. B. in Form von Freiflächen sowie Gestaltung, Ausbau und Förderung von Sport- und Kultureinrichtungen. Da die meisten Städte internationalen Trends folgen, gleichen sich die Maßnahmen entsprechend an. Diese zielen in erster Linie auf Außenwirkung und werden entsprechend vermarktet. Die Interessen der lokalen Bevölkerung treten zunehmend in den Hintergrund.
Auch in dem 1996 vorgelegten Stadtentwicklungskonzept der Hamburger Stadtentwicklungs-behörde finden diese Aussagen ihren Niederschlag. Der überwiegende Teil der Leitziele dieses Konzepts ist auf die ökonomischen Erfordernisse im globalen Wettbewerb und auf die Standortsicherung ausgerichtet [STEB 1996, S. 23-29].
Die konkreten Folgen dieser Politik für die Innenstädte sind:
- Innenstädte werden Einkaufs-, Kultur- und Aufenthaltslandschaften. Tertiäre Angebote nehmen zu, und letzte „Wohninseln“ werden verdrängt.
- In innenstadtnahen Gebieten nimmt die Tertiärisierung zu, Wohnungsbestand wird aufgewertet.
- Innenstadtnahe, wegen Umstrukturierungen brachliegende Flächen werden erschlossen und meist tertiären Nutzungen zur Verfügung gestellt.
- Die Akzeptanz dieser Politik nimmt bei der Bevölkerung ab.
Der Strukturwandel, der sich am hafennahen Cityrand vollzieht, kann in erster Linie über einen Funktionswandel der Gebiete veranschaulicht werden, da die Struktur letztlich die räumliche Anordnung und räumlich unterschiedliche Konzentration und Kombination von Funktionen zu einem bestimmten Zeitpunkt ist [OTREMBA 1959].
3.3. Abgrenzung des Begriffes City
Für die Untersuchung ist es unerläßlich, den zentralen Bereich der Stadt, die City, räumlich von den umgebenden Teilen der Innenstadt und des Hafenrandes abzugrenzen.
Die Innenstadt umfaßt nach HOFMEISTER [1993] die Altstadt und die angrenzenden Stadterweiterungsviertel, die eine geschlossene Bebauung vorweisen. Somit ist das Untersuchungsgebiet südliche Neustadt und südliche Altstadt ein Teil der Innenstadt.
Als City wird im deutschsprachigen Raum in der Regel der funktionale Kernbereich der Innenstadt bezeichnet. Das typische Merkmal einer City in industrialisierten Ländern ist die intensive Nutzung durch den tertiären Wirtschaftssektor. Kein anderer Teil der Stadt weist eine derartig hohe Dichte von Dienstleistungsunternehmen auf. Eine modellhafte räumliche Abgrenzung und Gliederung der City gestaltet sich aufgrund unterschiedlichster historischer Entwicklungen, räumlicher Gegebenheiten und stadtindividueller Strukturen sehr schwierig.
Als Abgrenzungskriterien können nach HOFMEISTER beispielsweise herangezogen werden [HOFMEISTER 1993, S. 161):
a. durchgehende Ladenfront im Erdgeschoß (nach SETZER 1953)
b. CBD-Intensitätsindex und CBD-Höhenindex (nach MURPHY/ VANCE 1954)
c. Zahl der Beschäftigten im tertiären Sektor
d. Boden- und Mietpreisniveau sowie Grundsteueraufkommen
e. Umsatz je Flächeneinheit oder je Straßenfrontmeter
f. Verkehrsintensität der Fußgängerströme (nach HEIDEMANN 1966)
In einer vergleichenden Studie der Innenstädte von Hamburg und Baltimore haben FRIEDRICHS und GOODMAN [1987] die jeweilige City mit den folgenden Kriterien abgegrenzt:
a. Art der tertiären Nutzung
b. Agglomeration der tertiären Nutzung
c. CBD-Intensitätsindex
Zur tertiären Nutzung zählen sie:
a. Büros (außer Behörden)
b. Einzelhandel, medizinische und kosmetische Dienstleistungen
c. Gastronomie
d. Kino und Unterhaltung
e. Hotels
Diese Nutzung entspricht der Definition des Central Business District (CBD) nach MURPHY/ VANCE [1954]. Mit der Einbeziehung folgender Funktionen erweitern sie den CBD zur Central Area (CA), da der amerikanisch geprägte CBD nur ungenügend die historisch gewachsene Verflechtung der öffentlichen Verwaltung mit der Innenstadt in europäischen Städten berücksichtigt:
öffentliche Einrichtungen, wie Krankenhäuser, Schulen und Behörden
a. kulturelle Einrichtungen, wie Theater, Kirchen etc.
Die Agglomeration wird durch von Straßen und Fleete begrenzte Baublöcke bestimmt, wobei Blöcke als benachbart gelten, sofern sie eine gemeinsame Grenze besitzen (auch Ecknachbarschaften). Mehrere benachbarte Blöcke mit CBD-spezifischer Nutzung bilden eine Kette, zusammenhängende Ketten die Agglomeration, wobei eingeschlossene, nicht CBD-spezifische Blöcke der Agglomeration zugeordnet werden.
Zur Abgrenzung der CBD-spezifischen Nutzung bezogen sich die Autoren auf die Indizes von MURPHY/ VANCE [1954]. Wegen der im Vergleich zu den USA geringen Bauhöhe in der Hamburger Innenstadt wurde auf den CBD-Höhenindex verzichtet und nur der CBD-Intensitätsindex (CBII) ermittelt. Dieser stellt den Prozentsatz der Geschoßflächennutzung für die CBD-Funktionen im Verhältnis zur Gesamtgeschoßfläche dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auf der Datenbasis von Erhebungen Ende der siebziger Jahre kamen FRIEDRICHS und GOODMANN zu den folgenden Abgrenzungen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.: Grenzen des CBD und CA nach Baublöcken
Quelle: FRIEDRICHS 1987, S. 74.
Die zugehörigen Daten sind in der folgenden Tabelle zusammengefaßt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1.: CBD und CA in Hamburg
Daten aus FRIEDRICHS 1987, S. 75.
Dieses System führt im Ergebnis zu einer klaren räumlichen Abgrenzung des CBD, obwohl es beispielsweise als Grundlage für die Stadtplanung um weitere Aussagen ergänzt werden muß. Trotz des verhältnismäßig geringen Datenerhebungsaufwandes erscheint es für die spezifischen Hamburger Verhältnisse geeignet.
Weiter positiv zu bewerten ist die kleinräumige Betrachtung auf Baublockebene, die eine unproblematische Weiterführung der Zuordnung erlaubt.
Etwas problematischer ist die Definition der Central Area. Diese führt in Hamburg zu einer relativ großen Ausdehnung im Verhältnis zum CBD. Hier wäre zu überlegen, ob eine Anpassung der Agglomerationskriterien „Einbezug arrondierter Baublöcke“ und „Baublocknachbarschaften“ zu verwertbareren Aussagen führen kann. Gegenwärtig hätte die Central Area eine weit größere Ausdehnung als in der o.g. Abbildung.
Da in dieser Arbeit vorrangig der Wandel an der Schnittstelle zwischen dem Hafenrand und der City untersucht wird, ist die Problematik der Central Area jedoch nebensächlich. Der Begriff „City“ bezeichnet im folgenden den Central Business District nach den Kriterien von FIEDRICHS und GOODMAN; synonym werden „Stadtzentrum“ und „Innenstadt“ verwendet.
3.4. Abgrenzung des Begriffes Hafenrand
Während für die Innenstadt zahlreiche Abgrenzungssystematiken vorliegen, ist die Abgrenzung des Hafenrands noch nicht zufriedenstellend gelöst. Synomym für den Hafenrand werden häufig die Begriffe Wasserkante und -in Anlehnung an das in der englischsprachigen Literatur verwendete „waterfront“- Wasserfront verwendet: beiden deutschen Bezeichnungen fehlt aber der Hafenbezug, der im englischen „waterfront“ mit enthalten ist.
Im Rahmen dieser Arbeit ist der Begriff Hafenrand sowohl mit einer eng gefaßten als auch mit einer erweiterten Bedeutungen versehen.
Räumlich-funktional bezeichnet Hafenrand die gegenwärtige Übergangszone zwischen Hafennutzung und hafenunabhängiger Nutzung. Diese Definition bietet bezüglich der Untersuchungsgebiete dieser Arbeit den Vorteil der klaren räumlichen Abgrenzbarkeit: der Hafenrand reicht demnach bis an die südliche Blockbebauung der südlichen Neustadt und südlichen Altstadt heran.
Historisch-genetisch ist diese Zuordnung zu begrenzt, da die Hafennutzung angrenzende Stadtbereiche entscheidend prägte. Bis in dieses Jahrhundert hinein bestand eine ausgedehnte Zone der Mischnutzungen nördlich der Elbe, die auch die südliche Altstadt und südliche Neustadt umfaßte. Dies ist der Hafenrandbereich, der bis in die Gegenwart einem umfassenden Strukturwandel unterworfen und Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist.
3.5. Materialien und Datengrundlagen
Zur historischen Entwicklung der Stadt und der Untersuchungsgebiete südliche Neustadt und südliche Altstadt liegen zahlreiche Monographien vor, die besonders die Zeit bis Anfang der dreißiger Jahre abdecken. Spätere Erscheinungen sind in der Regel themen- und nicht stadtteilbezogen.
Bezüglich der jüngeren städtebaulichen Entwicklung erwiesen sich neben der regionalen Tagespresse die Veröffentlichungen der Hamburger Baubehörde und der Stadtentwicklungs-behörde als sehr nützlich.
Die statistischen Daten beruhen überwiegend auf den aktuellsten Erhebungen des Statistischen Landesamtes, wobei teilweise mangels neuerer Daten auf die Ergebnisse der Volkszählung 1987 zurückgegriffen werden mußte.
Im Rahmen dieser Untersuchung wurden die Gebäude der Untersuchungsgebiete erfaßt und Einwohnerdaten durch Interviews erhoben.
Literatur zur Theorie der Hafenrandproblematik ist überwiegend im anglikanischen Sprachraum zu finden, wogegen relativ viele praxisorientierte Projektveröffentlichungen aus dem europäischen und nordamerikanischen Raum zur Verfügung standen.
Als Kartengrundlage wurde neben der Deutschen Grundkarte, Maßstab 1:5.000, auf die STADTKARTE [1996] (Detail: 1:20.000 und Übersicht 1:40.000) und die LUFTBILDKARTE [1993] im Maßstab 1:5.000 zurückgegriffen. Die STADTKARTE und LUFTBILDKARTE lagen auf elektronischen Datenträgern (CD-ROM) vor. Die verwendeten Kartenausschnitte wurden für diese Untersuchung überarbeitet und ergänzt.
Die in dieser Arbeit abgebildeten historischen Fotos stellte freundlicherweise die Staatliche Landesbildstelle Hamburg zur Verfügung. Aktuelle Aufnahmen wurden vom Autor im Mai 1998 erstellt.
4. Hamburger Stadtgeschichte - ein historischer Überblick
Die innere Stadt Hamburgs hat über Jahrhunderte eine räumliche und funktionelle Einheit mit dem Hafen gebildet. Die Trennung von Hafen und Innenstadt und die einhergehende Entstehung einer Übergangszone zwischen City und Hafen erfolgte in Hamburg besonders prägnant. Mit dem Bau der Speicherstadt im Zuge der Errichtung des Freihafens in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde eine auch 100 Jahre später gültige Grenze zwischen Hafen und City gezogen.
Die folgenden Abschnitte beschreiben die gemeinsame Entwicklung von City und Hafen bis Anfang des 20. Jahrhunderts und deren Trennungprozeß, der bis in die Gegenwart andauert.
4.1. Eintausend Jahre Stadtentwicklung zwischen Alster und Elbe
Die Gründung und Besiedlung Hamburgs begann lange vor der Gründung des Hafens. Anfang des 9. Jahrhunderts wurde eine karonlingische Festung, die sog. Hammaburg, etwa am heutigen Domplatz errichtet. Ungefähr zeitgleich erfolgte der Bau einer Missionskirche, die im Jahr 834 Mittelpunkt des Erzbistums Hamburg wurde.
Die im 11. Jahrhundert erbaute „Neue Burg“ nahe der Hammaburg bildete den Ausgangspunkt für die Gründung der „gräflichen Neustadt“ im Jahr 1188. Dieser Stadt wurden angeblich 1189 - die überlieferte Urkunde erwies sich als Fälschung - freie Schiffahrt und Warenverkehr auf der Elbe zugestanden. Nach der Vereinigung der beiden Städte im Jahr 1228 dauerte es noch etwa 30 Jahre, bis die eher unbedeutenden Hafenanlagen ausgebaut wurden. So wurde z.B. der Zollkanal, die Verbindung der Alster- mit der Billemündung, im Jahr 1258 gebaut. Der Warenumschlag fand bis dahin hauptsächlich am natürlich entstandenen Nikolaifleet statt. Im weiteren Verlauf entstanden um den Stadtkern Wohngebiete; so wurden u.a. die Cremon- und Grimminsel besiedelt.
Die damaligen Kirchspiele St. Petri und St. Nicolai wurden 1248 mit den östlich des damaligen Alsterlaufes gelegenen Kirchen St. Katharinen und St. Jacobi vereinigt, und nur wenig später wurde die Stadt durch eine gemeinschaftliche Stadtmauer befestigt. Ebenfalls in diese Zeit fällt der Aufstau der Alster am heutigen Jungfernstieg.
Im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts hatte Hamburg etwa 9.000 Einwohner und räumlich bereits eine ähnliche Ausdehnung wie zu Beginn dieses Jahrhunderts. Bis ins 16. Jahrhundert hinein wurde der Wandel im Stadtbild hauptsächlich durch den Bau von Befestigungsanlagen (Vollendung des Wallrings 1624) und Strombaumaßnahmen in der Elbe geprägt.
Der Kartenausschnitt aus dem Jahr 1589 (siehe Bildteil, Bild 1.) zeigt Hamburg mit rund 35.000 Einwohnern. Die alten Stadtmauern waren längst funktionslos, und die Befestigungsanlagen wurden bereits mehrfach verlegt. Insbesondere niederländische Glaubensflüchlinge und Kaufleute wurden in der Stadt - vornehmlich auf den Brookinseln - angesiedelt, was zum einen neue Siedlungsfläche schaffte und zum anderen die Grundlage für einen neuen Hafen bildete.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden die Hamburger Befestigungsanlagen unter hohem finanziellen Aufwand vollkommen neu gestaltet. Einher ging eine wesentliche Vergrößerung der Stadtfläche innerhalb der Anlage: westlich des Rödingsmarkts kam die Neustadt hinzu.
Mit den aufwendigen Verteidigungsanlagen konnte die Stadt unbeschädigt den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) überstehen; sie profitierte zudem von der Zerstörung niederländischer Städte, deren Wirtschaftsfunktionen Hamburg übernehmen konnte. Der Bevölkerungsszuwachs bis auf ca. 70.000 Einwohner um 1700 war besonders auf die Sicherheit innerhalb der Stadtmauern zurückzuführen, die vorwiegend die wegen ihres Glaubens verfolgten Niederländer und viele wohlhabende Bürger anzog. Die sozialräumliche Gliederung innerhalb der Stadtmauern verdeutlicht der folgende Reim:
„St. Petrie de Rieken - Nikolai desglieken, Katharinen de Sturen - Jakobi de Buren, Michaeli de Armen - dat mag woll Gott erbarmen“ [SCHÜTT 1995, S. 9].
Der Kartenausschnitt aus dem Jahr 1701 (siehe Bildteil, Bild 2.) zeigt deutlich die ringförmigen Befestigungsanlagen um den Stadtkern und Hafen sowie die Ausdehnung der Stadtgrenzen nach Norden und Westen. Ferner hat die Bebauungsdichte auf den besonders von Niederländern bewohnten Brookinseln deutlich zugenommen. An den Stadträndern haben sich aus ehemals lockeren Ansiedlungen Vorstädte entwickelt: St. Georg mit eigener Pfarrkirche im Osten, im Westen (nicht im Ausschnitt) St. Pauli und außerhalb der Stadtgrenze Altona, das 1664 das Stadtrecht erhielt.
Rund einhundert Jahre später wurde der Platz innerhalb der alten Befestigungsanlagen knapp. Im Zuge der französischen Revolution kamen meist wohlhabende Emigranten aus Frankreich und den Niederlanden in die Hansestadt. Die Bevölkerung wuchs im ausklingenden 18. Jahrhundert um etwa ein Drittel auf 100.000 Einwohner. Der ausgelöste Bauboom führte zu einer ausgeprägten Flächenkonkurrenz: eine Verschlechterung der Wohnverhältnisse, Mietsteigerungen und ein Mangel an Lagerhausflächen waren die Folge. Nur ein Drittel der Bevölkerung lebte noch in akzeptabeln Verhältnissen. Zwischen 1806 und 1814 war Hamburg vorwiegend durch napoleonische Truppen besetzt, die u.a. den Handel mit England unterbanden. Mit der Fremdherrschaft kam auch der wirtschaftliche Niedergang, der durch die nahezu unbehelligt gebliebene und aufblühende Nachbarstadt Altona erheblich verschärft wurde.
Auf der Karte von 1803 (siehe Bildteil, Bild 3.) erkennt man erstmals das Flächenproblem des expandierenden Hafens. Da die Anlegeflächen für die Schiffe nicht ausreichend waren, wurden südlich der Neustadt ab 1767 sog. „Duckdalben“ in der Elbe aufgestellt, die behelfsmäßige Liegeplätze boten. Mit dem 1804 gefaßten Ratsbeschluß, die von den Bürgern bereits als Grünanlagen genutzten Festungswälle abzubauen, da sie mit den Fortschritten in der Kriegstechnik keinen echten Wehrschutz mehr boten, wurde Hamburg zur offenen Stadt.
Insbesondere Hamburgs geographischer Lage als Schnittpunkt zwischen Ost- und Westeuropa und Tor nach Skandinavien sowie den althergebrachten Handelsverbindungen war es zu verdanken, daß die Stadt nach der französischen Besatzung wieder ökonomisch aufblühte.
Im Mai des Jahres 1842 wurde bei einem Großbrand ein bedeutender Teil der Hamburger Innenstadt zerstört. Ausgehend von der Deichstraße konnte sich das Feuer in nordöstlicher Richtung bis zur Binnenalster ausbreiten und zerstörte damit das um den ältesten Hafenteil angelegte politische und wirtschaftliche Zentrum der Stadt. Die Zerstörung bot gleichzeitig die Chance zum zeitgemäßen Neuaufbau. Die ergänzte Karte von 1839 (siehe Bildteil, Bild 4.) zeigt in der dunklen Schraffur das Ausmaß der Zerstörung und stellt gleichzeitig eine vom englischen Ingenieur W. Lindley überarbeitete Fassung der beabsichtigten Neubebaung des Geländes dar.
Der Aufbau der zerstörten Altstadt wurde bereits vier Monate später von der Bürgerschaft beschlossen und begann mit einer Neuordnung der zersplitterten Grundstücke. Diese wurden zunächst von der Stadt erworben und wieder an private Investoren verkauft. Das Ergebnis waren neue, breitere Straßen und eine geringere Grundstückstiefe, die zu einer besseren Ausnutzung der Straßenfront führte und die bauliche Nutzung insgesamt verbesserte. Schon im Jahr 1846 waren alle privaten Grundstücke wieder bebaut [SCHUBERT 1993].
Ab 1842 wurden der kleine Grasbrook und Steinwerder auf der gegenüberliegenden Elbseite zum Zweck des Hochwasserschutzes neuer Ansiedlungen erhöht. Auf der Karte ist die Nutzung des späteren Sandtorhafens zwischen Grasbrook und Kehrwieder zu erkennen. Anstelle der ehemaligen Befestigungsanlagen ist auf dem südlichen Kehrwieder die „Neue Kaje“ entstanden und gegenüber auf dem Grasbrook ein ausgewiesenes Kohlenlager sowie Schiffswerften.
4.2. Trennung von Innenstadt und Hafen
Die Entwicklung der Hamburger Innenstadt verlief bis in das 19. Jahrhundert hinein parallel mit dem Hafen, und erst mit dem Beschluß, Hamburg über die Grenzen der alten Bastion hinauswachsen zu lassen, waren die Voraussetzungen für eine Ausdehnung des Hafens gegeben.
Im Juni 1816 läuft erstmalig ein Dampfschiff Hamburg an, und schon in den zwanziger Jahren sind regelmäßige Dampfschiffverkehre, u.a. nach London und Amsterdam, eingerichtet.
Der stetig zunehmende Schiffsverkehr erforderte ständige Erweiterungen der Liegeplatz- und Umschlagkapazitäten.
Seit der Errichtung des Festungsrings und dem Einbezug der Neustadt in das Hamburger Stadtgebiet war mit der Entwicklung des Niederhafens südlich der Vorsetzen begonnen worden. Einer Erweiterung in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts folgte 1873-75 der Umbau und die Verbreiterung der Kaianlagen in der Neustadt. In den neunziger Jahren legten sogar Seeschiffe an einem eigens errichteten Kai westlich des Baumwalls an.
Die Planungen für einen Dockhafen wurden aufgrund des damaligen Tidenhubs von nur 2 Metern zugunsten des offenen und damit jederzeit zugänglichen Tidenhafens verworfen. Im Jahr 1866 wurde mit dem Sandtorhafen der modernste Kai Hamburgs in Betrieb genommen. Neben der üblichen Infrastruktur hatte der Kai erstmals einen Eisenbahnanschluß.
Als Folge des Gasteiner Vertrags (1865) und der Rivalität zwischen Preußen und Österreich fielen sowohl Schleswig-Holstein als auch das Königreich Hannover an Preußen, was für Hamburg die Verhandlungen mit seinen Nachbarn über Verkehrsanschlüsse und Zuständigkeiten vereinfachte. 1868 konnte eine Einigung mit Harburg über das Befahren der Süderelbe erzielt und 1872 der Eisenbahnanschluß nach Süden eingeweiht werden. Bereits 1861 wurde die „Torsperre“ aufgehoben und so der freie durch die Stadttore ermöglicht.
Mit der Gründung des Deutschen Reichs 1871 war Hamburg nach wie vor Zollenklave, wurde aber unter dem preußischen Druck 1881 an das Deutsche Zollgebiet angeschlossen. Der dahingehende Durchführungsbeschluß der Bürgerschaft von 1883 führte zur Einrichtung des Freihafens und zu dem Bau der Speicherstadt, womit die Zerstörung eines intakten Stadtteils auf der Wandrahminsel mit etwa 500 Häusern und rund 20.000 Einwohner beschlossen war.
Im Jahr 1888 wurde die Speicherstadt und der Freihafen offiziell eröffnet und damit der Hafen räumlich und funktional von der Innenstadt getrennt. Bis zum 1. Weltkrieg verdreifachte sich der Umschlag, und Hamburg wurde zum zweitgrößten Hafen Europas.
Die geradezu stürmische Expansion des Hafens wird über einen Vergleich der Karten von 1868 und 1889 deutlich. Die Karte von 1868 (siehe Bildteil, Bild 5.-7.) zeigt die wiederaufgebaute Innenstadt und besonders deutlich die dichte Bebauung der Wandrahminsel. Der Sandtorhafen ist an der Nordseite inzwischen ausgebaut, und am südlichen Elbufer sind erste Industrieansiedlungen, wie das Dock einer Schiffswerft und ein Kupferwerk, zu erkennen.
Im Jahr 1889, knapp 20 Jahre später, ist die Speicherstadt fertiggestellt und darüber hinaus der Große und Kleine Grasbrook mit neuen Hafenbecken versehen. Neue Industrieansiedlungen sind auf Steinwerder entstanden. Zudem verfügen die Kais über eine Schienenanbindung mit Anschluß nach Süden über die Elbe, nach Berlin, Lübeck und Kiel.
4.3. Sanierung und Tertiärisierung - Entwicklung der Innenstadt bis 1939
Mit dem ausklingenden 19. Jahrhundert begann in der Altstadt ein ausgeprägter Prozeß der Citybildung. Die Aufhebung der Torsperre war die Voraussetzung für die räumliche Trennung der Lebensbereiche Arbeiten und Wohnen: wohlhabende Bürger zogen ins Grüne, und so dienten die alten Bürgerhäuser häufig nur noch Kontor- und Lagerzwecken. Besonders der Abriß der Häuser im Zuge der Errichtung der Speicherstadt und die positive ökonomische Entwicklung Hamburgs führten in Freihafen- und Zentrumsnähe zu einer großen Nachfrage nach Büroraum, der vor allem um die Jahrhundertwende mit dem Bau der hamburgtypischen Kontorhäuser entsprochen wurde. Rund um die Binnenalster und nördlich der Cremoninsel wurde die vorindustrielle Stadt durch Hotels, Bürobauten und Kaufhäuser ersetzt.
Mit dieser Entwicklung nahm die Wohnbevölkerung der inneren Stadt ab. Andererseits wuchs die Bevölkerung Hamburgs zwischen 1842 bis 1913 von 160.000 auf 1 Million Einwohner an. Das Ausweichen auf Quartiere außerhalb der Stadt war für die meisten Bewohner wegen fehlender Infrastruktur und geringen Einkommens nicht möglich. So war ein Großteil der Arbeiter weiterhin auf hafennahe Wohnquartiere angewiesen. Das innenstadtnahe, wegen der hohen Bebauungsdichte so genannte, „Gängeviertel“ in der Hamburger Neustadt rund um die St. Michaelis Kirche wurde so zu einem extrem dicht besiedelten Quartier, das aufgrund der alten Bausubstanz katastrophale hygienische Verhältnisse aufwies. Nachdem dieses Viertel besonders von der Choleraepidemie 1892 betroffen war und ein Teil der Einwohner durch ungewöhnliche Gewalttätigkeit während der Hafenabeiterstreiks in den Jahren 1896/7 auffiel, wurde Ende des 19. Jahrhunderts für drei Gebiete (rund 18% der Innenstadtfläche) eine umfassende Sanierung beschlossen.
Obwohl die schlechtesten Wohnverhältnisse in der Altstadt (Sanierungsbezirk I) bestanden, wurde die Sanierung wegen der Hochwassergefahr in der südlichen Neustadt (Sanierungsbezirk III) begonnen. Im Bezirk II, der nördlichen Neustadt, wurden die relativ besten Wohnverhältnisse festgestellt.
Ein Großteil der alten Bebauung im Sanierungsbezirk II wurde abgerissen, Grundstücke neu geordnet, aufgehöht und als Bauplätze wieder verkauft. Die 1904 abgeschlossene Sanierung hatte gravierende Konsequenzen für die Bevölkerungsstruktur: das neue Mietniveau lag deutlich (bis zu 100%) über dem der alten Bebauung und war damit für die einfachen Arbeiterhaushalte zu teuer; zudem wurden erheblich weniger Wohnungen neu erbaut als zuvor an gleicher Stelle standen.
Im Sanierungsbezirk I, der Altstadt nördlich der Steinstraße, war die Verdrängung der Wohnbevölkerung noch gravierender. Mit der Abrißsanierung ab 1910 wurde die Mönckebergstraße als Durchbruch zwischen Hauptbahnhof und Rathaus neu geschaffen. Statt neuer Wohnungen wurden überwiegend Kontorhäuser gebaut. Auch hier wurden Grundstücke nach Aufkauf durch die Stadt neu geordnet und wieder veräußert, was zu erheblicher Spekulation führte. Die betroffenen Mieter zogen vornehmlich in die Mietskasernen außerhalb der Innenstadt und hatten fortan erhebliche Wegstrecken zu ihren Arbeitsplätzen in Kauf zu nehmen.
So ging die Wohnbevölkerung in der inneren Stadt von 171.000 im Jahr 1880 auf 139.000 in 1900 und 91.000 Einwohner im Jahr 1913 zurück. Vormals hafennahe, preiswerte Wohnquartiere wurden „aufgewertet“ oder mußten komplett der Ausdehnung der City weichen.
Die Sanierung der Altstadt südlich der Steinstraße fiel in eine Zeit politischer und wirtschaftlicher Unwägbarkeiten und zog sich von 1913 bis in die dreißiger Jahre hin. Waren anfangs immerhin noch ein Drittel der Bebauung für Wohnungen vorgesehen, so wurde die südliche Altstadt im Laufe der Jahre zunehmend zum Ventil für den Platzbedarf des tertiären Sektors. Von rund 9.500 Bewohnern im Jahr 1911 verblieben im Jahr 1925 noch 3.800 umzusiedelnde Einwohner [SCHUBERT 1993, S. 91-94].
Der Bezirk II, die Gängeviertel in der nördlichen Neustadt, wurde erst ab 1933 nach der Machtübernahme durch die NSDAP saniert. Politisch konnte sich die NSDAP mit der Sanierung eines „gemeinschädlichen“ [PAHL-WEBER 1987] Stadtteils profilieren. Anders als in den Sanierungsbezirken I und III wurde die Wohnfunktion in dem Gebiet erhalten und trotz der Innenstadtlage auf den Bau von Kontorhäusern verzichtet. Von der Sanierung waren rund 2.500 Bewohner betroffen, wobei für Einwohner neuer Wohnraum geschaffen wurde.
Die ursprünglichen Bewohner des im Volksmund „Klein-Moskau“ genannten Stadtteils wurden überwiegend nach Rothenburgsort und Barmbek umgesiedelt [SCHULVEREIN 1989, S. 30-31].
Die planerischen Aktivitäten während des Nationalsozialismus waren auf das Wachstum Hamburgs als Hafen- und Handelsmetropole ausgelegt, besonders mit Blick auf die zu erwartenden Territorialgewinne des 2. Weltkriegs. Mit dem Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 war die Basis für die Expansion der Stadt geschaffen. Architektenwettbewerbe führten zu spektakulären, stark ideologisch geprägte Entwürfen insbesondere für die Gestaltung des Elbufers unter Einbezug Altonas. Bis zum Ende des 2. Weltkriegs konnten diese jedoch nicht realisiert werden.
4.4. Die Ausdehnung des funktionalen Zentrums ab 1945
Während des 2. Weltkriegs herrschte ein allgemeiner Baustop für nicht kriegsrelevante Bauten. Aufgrund der Bombardierungen wurden neben gewerblich genutzten Gebäuden auch 52% des Wohnungsbestandes zerstört und damit etwa 900.000 Hamburger wohnungslos.
Am stärksten vom Verlust der Bausubstanz war der Bezirk Mitte betroffen, zu dem neben der Alt- und Neustadt u.a. auch St. Pauli, der Hafen und die besonders stark betroffenen Stadtteile Hammerbrook, Rothenburgsort und Horn gehörten.[1] Entsprechend gravierend war der Bevölkerungsverlust in diesem Stadtgebiet: die Einwohnerzahl war von 435.800 im Jahr 1939 auf 206.700 im Jahr 1946 zurückgegangen. Bis 1956 stieg sie wieder auf 242.200 Bewohner an.
Rund 26% der Hamburger Bevölkerung hatten 1939 im Gebiet des 1949 gegründeten Bezirks Mitte gelebt, 1950 waren es 15%. Besonders auffällig war 1950 der hohe Anteil der Arbeiter an der Erwerbsbevölkerung. Mit etwa 63% lag dieser deutlich über dem Hamburger Durchschnitt (52,4%). Stark unterrepräsentiert waren neben den Selbständigen auch Beamte und Angestellte, deren Anteil von 24% niedriger als in allen anderen Bezirken war [STATISTISCHES LANDESAMT 1951).
Hamburg-Mitte war 1950 der Bezirk mit den weitaus meisten Arbeitsstätten: laut Zählung gab es rund 30.000 Arbeitsstätten und etwa 300.000 Beschäftigte. Erst mit erheblichem Abstand folgte der Bezirk Hamburg-Nord (ca. 18.000 Arbeitsstätten, ca. 99.000 Beschäftigte). Erstmals überstieg die Zahl der in der Innenstadt Arbeitenden die der Einwohner [STATISTISCHES LANDESAMT 1952].
Im Aufbauplan von 1950 wurden die Planungsgrundsätze beschlossen, wonach in Hamburg möglichst viele eigenständige Stadteinheiten in der Größe von 30-50.000 Einwohnern entstehen sollten. Zudem hatte eine Bebauung entlang der von Fritz Schumacher vorgegebenen Stadtentwicklungsachsen Priorität [KALLMORGEN 1969].
Der Bau neuer Wohnungen war bis in die sechziger Jahre hinein ein vorrangiges Ziel der Planungspolitik. Gebaut wurde bedarfsbedingt schnell und günstig, überwiegend außerhalb der Innenstadt (z.B. Grindelhochhäuser, Rothenburgsort, Gartenstädte in Bramfeld, Farmsen und Langenhorn). Trotz massiver Bautätigkeit wies Hamburg noch 1959 ein Wohnungsdefizit von 24% bei damals 1,8 Millionen Einwohnern auf [GROBECKER 1983, S. 27].
Der Aufbau der stark zerstörten Innenstadt war geprägt von der Errichtung eines funktionsgerechten Stadtzentrums mit der Tendenz zur großzügigen Berücksichtigung des zunehmenden motorisierten Individualverkehrs. Die ersten Wiederaufbaupläne nach 1945 sahen eine grundlegende Neuordnung großer Teile der Innenstadt vor, von denen schließlich nur ein Teil realisiert wurde. Der Wiederherstellung vieler Kontor- und Geschäftshäuser, die lediglich ausgebrannt waren, wurde häufig einem Abriß vorgezogen. Dennoch fiel ein Großteil der noch erhaltensfähigen Bausubstanz der Modernisierungwelle in den sechziger und siebziger Jahren zum Opfer, wie beispielsweise der Dovenhof im Jahr 1967 für den Neubau des SPIEGEL-Hochhauses.
Als Südtangente wurde die Verkehrstrasse der Ost-West-Straße neu durch die Stadt gelegt. Dagegen konnte die geplante Nord-Süd-Straße vom Dammtor über Gänsemarkt bis zur Stadthausbrücke und weiter über Herrengraben bis zur Einfahrt eines neuen Elbtunnels nicht realisiert werden.
So weist die Hamburger Innenstadt bis in die Gegenwart hinein eine räumliche Gliederung auf, die mehr eine Folge geplanter und realisierter Ordnungsmaßnahmen für den Verkehr und die beabsichtigte bauliche Erneuerung der ersten Nachkriegszeit als ein Zeugnis des historischen
Wachstums ist.
Bereits Ende der fünfziger Jahre drohten einige Konzerne mit der Abwanderung aus Hamburg, da sie ihre Bürobauvorhaben im Bereich der Innenstadt wegen Flächenmangels nicht realisieren konnten. Zur Entlastung der Innenstadt wurden Bauplätze in der neugegründeten City-Nord außerhalb der Innenstadt zu Verfügung gestellt.
Die polyzentrische Strategie der Hamburger Stadtplanung zeigte ab den siebziger Jahren zunehmend ihre Auswirkungen. Im Flächennutzungsplan von 1973 sind 33 innerstädtische Entlastungszentren ausgewiesen, und hinzu kommen die Zentren an den Entwicklungsachsen außerhalb der Hamburger Landesgrenzen. Dieses System von Einkaufs- und Dienstleistungszentren stand in direkter Konkurrenz zur Hamburger City, die in der Folge stark an Attraktivität einbüßte. Von den Medien wurde die City schließlich für „tot“ erklärt [KOSSAK 1990, S. 125].
4.5. Die Wiederbelebung der City ab den achtziger Jahren
Von der weltweiten ökonomischen Strukturkrise Ende der siebziger Jahre war Hamburg mit der starken Abhängigkeit vom Hafen und dessen angeschlossenen Dienstleistungen besonders betroffen. Dies führte zu einer deutlichen Änderung der politischen Leitvorstellungen der Stadtentwicklung.
In der Rede des damaligen Bürgermeisters von Dohnanyi im Jahr 1983 vor dem Überseeclub zum Thema „Unternehmen Hamburg“ war dieser Kurswechsel deutlich zu erkennen: Hamburg solle seine Entwicklung von der des Hafens unabhängiger machen, offensiv den Wettbewerb auf nationaler und internationaler Ebene suchen und die Konkurrenzfähigkeit des Standorts im internationalen Wettbewerb erhöhen.
Die Standortpolitik war in den Folgejahren, gemessen an den ökonomischen Indikatoren, erfolgreich, hatte aber in Hinblick auf Stadtentwicklung, Stadtplanung und soziale Gerechtigkeit unerwünschte Effekte. So erfolgte in der Innnenstadt und angrenzenden Gebieten (City-Süd, Hafenrand) eine starke Konzentration tertiärer Nutzungen ohne Berücksichtigung der Aufwertungseffekte auf die umliegenden Wohngebiete [DANGSCHAT 1993].
Das den ökonomischen Erfordernissen untergeordnete Vorgehen wird besonders anhand der Ausführungen des Hamburger Oberbaudirektors KOSSAK deutlich. Für ihn waren die entscheidenden Impulse, die zur Wiederbelebung der Hamburger Innenstadt führten, die Initiative des bis 1981 regierenden Bürgermeisters Klose, den Rathausmarkt neu zu gestalten, und der auf Privatinitiative beruhende Bau der Einkaufspassage „Hanseviertel“.
Innerhalb weniger Jahren entstand in der westlichen City zwischen Collonaden und Gänsemarkt ein neues Einkaufs- und Passagenviertel. Die folgende Abbildung gibt einen groben Überblick bezüglich der Bautätigkeiten zwischen 1980 und 1990.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.: Um- und Neubauten in der nördlichen Hamburger City 1980 bis 1990
Die rot schraffierten Flächen stellen die Baumaßnahmen dar.
Quelle: KOSSAK 1990, S. 130.
So wie die Ost-West-Straße die Einheit der Innenstadt in Nord-Süd Richtung zerstört hat, trennte die seit den fünfziger Jahren freigehaltene Trasse für die Nord-Süd-Straße die Wohnquartiere in der westlichen Neustadt vom Leben in der City östlich von Baumwall und Stadthausbrücke.
Erst im Jahr 1982 wurde diese Straßenplanung endgültig aufgegeben und ein neues städtebauliches Konzept für die Anbindung des Hafenrandes westlich des Rödingsmarkts an die westliche City entworfen. Zwischen Elbufer und dem neuen Passagenviertel sollte als städtebauliche Verbindung die sog. Fleetachse dienen.
Die Fleetachse führt vom 1989 am Elbufer fertiggestellten Verlagshaus Gruner und Jahr nach Norden entlang von Herrengraben und Alsterfleet zum Passagenviertel der westlichen City. Diese Verbindung der City zum Hafenrand entsprach den Richtlinien zur Hafenrandpolitik, welche KOSSAK zum Ende der achtziger Jahre formulierte [KOSSAK 1990, S. 190]:
1. Die City braucht kurzfristig Erweiterungsraum. Wichtigstes Erweiterungsgebiet sind die Speicherstadt und südlich an die Speicherstadt grenzende Flächen.
2. Die Erlebbarkeit des Hafens ist herzustellen und Impulse für die Entwicklung der Stadt im Hafen sind zu geben.
3. Das Stadtgebiet um die Reeperbahn ist als Arbeitsstätte und Wohnort, Touristenattraktion, Ort der Kultur und des Vergnügens zu entwickeln.
4. Am nördlichen Elbufer sind Standorte für Medien, Hafenwirtschaft und andere Dienstleister bereitzustellen.
[...]
[1] Die gegenwärtig gültigen, innerstädtischen Verwaltungsgrenzen beruhen auf dem „Gesetz über die Bezirksverwaltung in der Hansestadt Hamburg“ vom 21. September 1949.
- Citation du texte
- Mathias Fritze (Auteur), 1998, Strukturwandel am Hamburger Cityrand und seine Verzahnung mit den Problemen des Hafenrandes - aufgezeigt an der südlichen Hamburger Neustadt und der südlichen Altstadt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47269
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