„Europa in müder Verfassung!“ So kommentierte die Süddeutsche Zeitung am 22. Februar 2005 die Beteiligung der Spanier beim Referendum über die geplante EU-Verfassung (vgl. Ulrich 2005: 4). Fast 60 Prozent der Spanier blieben der Entscheidung über Europas Zukunftsvertrag fern, neun von zehn Europäern geben an, sie seien über den Vertrag nicht oder kaum informiert, und
„dabei wurde der neue Grundvertrag doch gerade deshalb geschaffen, um die Europäische
Union den Bürgern näher zu bringen“ (ebd.).
Was läuft schief mit der EU? Einführung einer gemeinsamen Währung am 1. Januar 2002, Beitritt von zehn neuen Mitgliedsländern am 1. Mai 2004. Nun die Debatte über die geplante europäische Verfassung. Die EU entwickelt sich lebhaft, wächst an Größe und Kompetenz. An spannenden Themen würde es nicht fehlen. Dennoch scheinen die Europäer an der oben zitierten „Europamüdigkeit“ zu leiden. Das europäische Demokratiedefizit wird regelmäßig durch die niedrige Wahlbeteiligung bei Europa-Wahl deutlich. Als ein Symptom dieser Krankheit diagnostizieren Politikwissenschaftler eine fehlende europäische Identität. Und verschreiben die (verstärkte) Herausbildung einer europäischen Öffentlichkeit. So schreibt Dieter Grimm bereits 1995, dass eine europäische Verfassung ein homogenes europäisches Staatsvolk voraussetze. Dieses wiederum könne sich unter anderem erst durch die Existenz einer europaweiten Öffentlichkeit konstituieren (vgl. nach Gerhards 1993b: 301). Doch wie hängen Demokratie, Öffentlichkeit und Identität zusammen? Was beeinflusst Defizite in diesen drei Bereichen und was kann man tun, um sie zu beheben?
Um diesen Fragen nachzugehen, werden in einem ersten Teil A die zentralen Begriffe Identität und Öffentlichkeit definiert und zu einem Schaubild verknüpft. Zur Beantwortung der dieser Arbeit zu Grunde liegenden Fragestellung „Wozu braucht Europa eine Öffentlichkeit?“ wird sich folgende Arbeitshypothese H ergeben:H: Wenn sich eine europäische Identität herausbilden soll, dann braucht Europa eine Öffentlichkeit.
Um zu untersuchen, ob sich eine europäische Identität herausbilden kann, werden in einem zweiten Teil B verschiedene Modelle europäischer Öffentlichkeit erläutert. Der Ausblick zum Schluss beschäftigt sich mit dem Europub-Projekt, einem von der Europäischen Kommission finanzierten Projekt zum Thema Öffentlichkeit in Europa und untersucht anhand aktueller Ergebnisse, ob die aufgestellte Hypothese mit optimistischem Realismus beantwortet werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Hauptteil
- A: Begriffsdefinitionen
- 1. Europäische Identität
- 1.1. Was ist Identität?
- 1.2. Was ist Europa?
- 1.3. Was ist europäische Identität?
- 2. Europäische Öffentlichkeit
- 2.1. Was ist Öffentlichkeit
- 2.2. Defizitmodell und Arbeitshypothese
- 1. Europäische Identität
- B: Modelle europäischer Öffentlichkeit
- 1. Transnationale europäische Öffentlichkeit
- 2. Europäisierung der nationalen Öffentlichkeiten
- 3. Segmentierte transnationale Themenöffentlichkeit
- 4. Ausblick: Das Europub-Projekt
- A: Begriffsdefinitionen
- III. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Frage, warum Europa eine Öffentlichkeit braucht, um eine europäische Identität zu entwickeln. Sie beleuchtet das europäische Demokratiedefizit und die Herausforderungen bei der Gestaltung einer gemeinsamen europäischen Identität. Die Arbeit untersucht die Verbindung von Demokratie, Öffentlichkeit und Identität und analysiert, welche Faktoren Defizite in diesen Bereichen beeinflussen und wie diese behoben werden können.
- Europäische Identität und ihre Bedeutung für die EU
- Defizite der europäischen Demokratie und die Rolle der Öffentlichkeit
- Modelle europäischer Öffentlichkeit und ihre Entwicklung
- Das Europub-Projekt als Beispiel für die Förderung einer europäischen Öffentlichkeit
- Die Bedeutung von gemeinsamen Werten und Normen für die europäische Integration
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung
Die Einleitung stellt das Problem der „Europamüdigkeit“ und des europäischen Demokratiedefizits dar. Sie führt ein in die Diskussion über die Notwendigkeit einer europäischen Identität und die Rolle der europäischen Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang. Die zentrale Fragestellung der Arbeit „Wozu braucht Europa eine Öffentlichkeit?“ wird formuliert, und die Arbeitshypothese H wird vorgestellt: „Wenn sich eine europäische Identität herausbilden soll, dann braucht Europa eine Öffentlichkeit.“
II. Hauptteil
A: Begriffsdefinitionen
Dieser Abschnitt definiert die zentralen Begriffe „Identität“ und „Öffentlichkeit“. Es wird erläutert, wie Identität entsteht und welche Rolle die Abgrenzung zu anderen Gemeinschaften spielt. Der Begriff „Europa“ wird im Kontext der EU analysiert. Die Arbeit untersucht die historischen und politischen Entwicklungen, die zur Gründung der EU führten, und stellt die Bedeutung gemeinsamer Werte und Normen für die europäische Integration heraus. Die EU als politische Gemeinschaft benötigt neue Legitimationsquellen, die über rein ökonomische Kriterien hinausgehen.
B: Modelle europäischer Öffentlichkeit
Dieser Teil untersucht verschiedene Modelle europäischer Öffentlichkeit. Es werden die Konzepte der transnationalen europäischen Öffentlichkeit, der Europäisierung der nationalen Öffentlichkeiten und der segmentierten transnationalen Themenöffentlichkeit vorgestellt und analysiert. Der Ausblick zum Schluss befasst sich mit dem Europub-Projekt, einem von der Europäischen Kommission finanzierten Projekt zum Thema Öffentlichkeit in Europa. Es werden aktuelle Ergebnisse des Projekts vorgestellt, die zeigen, ob die aufgestellte Hypothese mit optimistischem Realismus beantwortet werden kann.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen europäische Identität, europäische Öffentlichkeit, Demokratiedefizit, gemeinsame Werte, europäische Integration, Transnationalität, Europäisierung, Segmentierung, Europub-Projekt.
- Citar trabajo
- Sandra Markert (Autor), 2005, Wozu braucht Europa eine Öffentlichkeit?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47174