Das Gebiet, welches nach dem Ersten Weltkrieg das britische Mandat Palästina darstellte, war kaum größer als das Bundesland Schleswig-Holstein. Bis heute allerdings bewegt die Entwicklung dieses kleinen Teils des südlichen Syriens Gemüter auf der ganzen Welt, führte zu Beziehungen zwischen Großmächten und regionalen Verbänden, beeinflusste US-amerikanische und europäische Außenpolitik, bewirkte die Herbeiführung von fünf Kriegen, ergab über eine Million Flüchtlinge und hinterließ Missverständnisse und Bitterkeit unter allen beteiligten Parteien. Für viele Historiker ist das Scheitern einer Lösung des jüdisch palästinensischen Konflikts in der Politik zu suchen, welche die britische Regierung in den 28 Jahren ihrer Mandatsgewalt über Palästina (1920 - 1948) betrieb. Andere Historiker sehen im Konflikt kein Scheitern einer Lösung, sondern vielmehr den Triumph der zionistischen Immigranten, welche trotz arabischen Widerstandes, britischer Opposition und europäischen Antisemitismus in der Lage waren, einen souveränen Staat zu gründen.
Diese Arbeit versucht anhand einer untersuchenden Darstellung der Frage nachzugehen, wie aus einer etablierten arabischen Bevölkerungsmehrheit von ca. acht zu eins, welche seit etwa 1200 Jahren in dieser Gegend siedelte, eine Minderheit im neuen Israel nach 1948 werden konnte und warum der Zionismus, nicht der arabische bzw. palästinensische Nationalismus in Palästina die Oberhand gewann.
Hierbei darf nicht vergessen werden, dass der Konflikt seinen Ursprung hauptsächlich in Europa nahm und sein Ausgangspunkt in der Unfähigkeit bzw. der fehlenden Bereitschaft der europäischen Gesellschaften war, in Frieden mit den jüdischen Gemeinschaften in ihrer Mitte zu leben, dass es also ein Konflikt war, der dem Vorderen Orient von Europa aufgebürdet wurde und dass Palästina auch stets eine Figur auf dem Schachbrett regionaler und internationaler Politik darstellte.
Gliederung
1. Einleitung
2. Der Aufstieg des Zionismus seit 1870
2.1 Emanzipation und Antisemitismus
2.2 Politischer Zionismus
3. Arabischer Nationalismus und britische Nahostpolitik während des 1. Weltkriegs
3.1 Husayn und die arabische Nationalbewegung
3.2 Die Husayn – McMahon Korrespondenz
3.3 Das Sykes-Picot Abkommen
3.4 Die Balfour Deklaration
4. britische Mandatsprobleme 1920 – 1945
4.1 Suche nach Legitimation und erste Unruhen
4.2 Die zionistische Einwanderung und Landnahme der 20er Jahre
4.3 Die Erosion britischer Palästinapolitik ab 1929
4.4 Die Eskalation des Palästinakonflikts 1933 – 1939
4.5 Das Weißbuch von 1939 und der 2. Weltkrieg
5. Zwischen Mandat und Unabhängigkeit 1945 – 1948
5.1 Zionistische Rebellion
5.2 Die britische Entscheidung der Mandatsaufgabe
5.3 Der UN Teilungsplan 1947 und Bürgerkrieg
5.4 Die Etablierung des Staates Israel
6. Schlussbemerkungen
Literaturliste
1. Einleitung
Das Gebiet, welches nach dem Ersten Weltkrieg das britische Mandat Palästina darstellte, war kaum größer als das Bundesland Schleswig-Holstein. Bis heute allerdings bewegt die Entwicklung dieses kleinen Teils des südlichen Syriens Gemüter auf der ganzen Welt, führte zu Beziehungen zwischen Großmächten und regionalen Verbänden, beeinflusste US-amerikanische und europäische Außenpolitik, bewirkte die Herbeiführung von fünf Kriegen, ergab über eine Million Flüchtlinge und hinterließ Missverständnisse und Bitterkeit unter allen beteiligten Parteien. Für viele Historiker ist das Scheitern einer Lösung des jüdisch palästinensischen Konflikts in der Politik zu suchen, welche die britische Regierung in den 28 Jahren ihrer Mandatsgewalt über Palästina (1920 - 1948) betrieb. Andere Historiker sehen im Konflikt kein Scheitern einer Lösung, sondern vielmehr den Triumph der zionistischen Immigranten, welche trotz arabischen Widerstandes, britischer Opposition und europäischen Antisemitismus in der Lage waren, einen souveränen Staat zu gründen.
Diese Arbeit versucht anhand einer untersuchenden Darstellung der Frage nachzugehen, wie aus einer etablierten arabischen Bevölkerungsmehrheit von ca. acht zu eins, welche seit etwa 1200 Jahren in dieser Gegend siedelte, eine Minderheit im neuen Israel nach 1948 werden konnte und warum der Zionismus, nicht der arabische bzw. palästinensische Nationalismus in Palästina die Oberhand gewann.
Hierbei darf nicht vergessen werden, dass der Konflikt seinen Ursprung hauptsächlich in Europa nahm und sein Ausgangspunkt in der Unfähigkeit bzw. der fehlenden Bereitschaft der europäischen Gesellschaften war, in Frieden mit den jüdischen Gemeinschaften in ihrer Mitte zu leben, dass es also ein Konflikt war, der dem Vorderen Orient von Europa aufgebürdet wurde und dass Palästina auch stets eine Figur auf dem Schachbrett regionaler und internationaler Politik darstellte.
2. Der Aufstieg des Zionismus seit 1870
Seit ihrer Vertreibung aus Palästina durch die Römer im 1.Jhd. n. Chr. blieb die Idee der Rückkehr in das Heilige Land in den Köpfen der jüdischen Gemeinden in Europa. Palästina nahm eine zentrale Stelle in der religiösen Kultur der Juden ein, da es als Gottes Wille und Schicksal angesehen wurde, dass das jüdische Volk eines Tages an den Fuß des Zion zurückkehrt und dort ihr rechtmäßiges Eigentum zurückerhält.
Allerdings hatte dieser Zionismus bis ins späte 19. Jhd. kaum eine organisatorische Basis, dies änderte sich mit dem Aufkommen des modernen Antisemitismus jedoch fundamental.
2.1 Emanzipation und Antisemitismus
Die politische Emanzipation der Juden begann mit der Französische Revolution. Im Jahre 1791 wurden die französischen Juden von allen gesetzlichen Restriktionen befreit und als vollwertige Bürger anerkannt. Solche religiösen Restriktionen passten einfach nicht mehr in das neue Zeitalter des Liberalismus und so gab es in der Folgezeit eine Reihe von Reformen in ganz Europa, welche den Juden bislang verwehrte Rechte zugestand. Ironischerweise veröffentlichten die ersten zionistischen Theoretiker ihre Werke in der 1860er Jahren, auf dem Höhepunkt der Emanzipation. Diese sahen die Rückkehr nach Zion nicht als Ersatz für die Emanzipation, sondern als ihre Vollendigung.
Jedoch erwiesen sich diese liberalen 1860er Jahre als falsches Signal der Hoffnung für die europäischen Juden, denn in vielen Ländern folgten heftige Reaktionen auf die Emanzipationsbewegung. So kam es vor allem in Osteuropa, wo etwa 80 Prozent der europäischen Juden residierten, zu zahlreichen Pogromen, bei denen zehntausende Menschen ihrer Habe beraubt oder umgebracht wurden. Die zaristische Regierung tat wenig gegen diese Ausschreitungen. Angesichts dieser Verfolgungen flohen die Juden in großer Zahl aus Russland, viele gingen nach Großbritannien, die Überzahl jedoch in die Vereinigten Staaten, wo die jüdische Bevölkerung in den Jahren nach 1870 von einer Viertelmillion auf viereinhalb Millionen anwuchs.
2.2 Politischer Zionismus
Die wichtigste intellektuelle Antwort auf die Pogrome war die Publikation eines kleinen Pamphlets, der „Autoemanzipation“ von Leo Pinsker. In seinem Werk stellt er fest, dass der Antisemitismus so weit in der Gesellschaft verwurzelt sei, dass er per Gesetz nicht abgeschafft werden könne. Eine Emanzipation der Juden könne nur in einem eigenen Staat verwirklicht werden. In der Folgezeit entstand eine Vielzahl zionistischer Vereinigungen, jede mit eigenen Zielen und Lösungsansätzen. Zu diesem Zeitpunkt war der politische Zionismus eine unkoordinierte Bewegung ohne konkrete Zielsetzung. Dies änderte sich mit Theodor Herzl (1860-1904). Er hat den auf Palästina zielenden Zionismus zwar nicht ausgelöst, dadurch einte er aber die verschiedenen Strömungen und baute sie zu einer internationalen Bewegung aus. Auch er sah die Emanzipation eher als Maske, welche die anti-jüdischen Vorurteile eher verdecken als beseitigen sollte. Aus dieser Überzeugung heraus verfasste er 1896 „Der Judenstaat“. Eine seiner Kernthesen besagt, dass die Existenz einer jüdischen Nationalität auch das Bestehen eines jüdischen Nationalstaates erfordere[1]. Auf dem ersten zionistischen Weltkongress 1897 in Basel wurde Palästina offiziell zur Heimstätte der Juden erklärt. Bis zum 1. Weltkrieg gab es für den politischen Zionismus allerdings kaum Unterstützung einer westlichen Großmacht oder jüdischer Gemeinden in den USA und Westeuropa. Die Juden waren einfach noch nicht bereit, ihre Hoffnung auf eine Assimilation in die westliche Gesellschaft für eine unbekannte Zukunft in einer rückständigen Provinz im Osmanischen Reich aufzugeben. Dementsprechend wuchs die jüdische Bevölkerung Palästinas zwischen 1881 und 1914 auch nur von 25000 auf 80000.
3. Arabischer Nationalismus und britische Nahostpolitik während des 1. Weltkriegs
Durch den Eintritt des Osmanischen Reiches in den 1. Weltkrieg an der Seite Deutschlands und Österreich-Ungarns rückte der Mittlere Osten ins Interessengebiet der gegen Deutschland verbündeten Großmächte. Natürlicherweise suchten Großbritannien und Frankreich in ihrem Kampf gegen das Osmanische Reich Verbündete unter den Arabern, die der türkischen Herrschaft überdrüssig waren. Einige arabische Stämme zeigten sich bereit, den Briten zu helfen, da sie glaubten dadurch ihre Unabhängigkeit erreichen zu können.
3.1 Husayn und die arabische Nationalbewegung
Am Anfang des 20. Jhd. kam es in einigen arabischen Provinzen, vor allem in Ägypten und in Syrien, zur Bildung kleinerer arabischer Nationalbewegungen. Den Kern bildeten meist kleine Gruppen von Intellektuellen, welche als Ziel größere lokale Autonomie vom Osmanischen Reich hatten. Bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges konnten diese den Türken allerdings kaum Zugeständnisse abringen, genauso waren aufkommende Sezessionsgedanken nicht realisierbar. Möglich wäre dies ohnehin nur mit einem mächtigen auswärtigen und wahrscheinlich christlichen Verbündeten als Schutzmacht gewesen, diese hätte die Überzahl der Muslime allerdings in einen religiösen Identifikationskonflikt gestürzt[2].
Husayn, der Sherif von Mekka und Haschemit, wollte den Ausbruch des Krieges in Europa für seine eigenen Ambitionen nutzen. Die Haschemiten hatten bisher keine größere Rolle in der arabischen Nationalbewegung gespielt. Sie sahen aber in einer möglichen Verbindung mit westlichen Mächten die Möglichkeit der Erfüllung arabischer Ambitionen. Erste Annäherungsversuche an Großbritannien scheiterten allerdings 1914 am mangelnden Interesse Londons an der Region. Als die Türken an der Seite Deutschland in den Krieg eintraten, änderte sich das britische Interesse allerdings umgehend. Sie stellten den Arabern die Möglichkeit in Aussicht, das Kalifat in Mekka oder Medina zu errichten, wenn die Araber im Gegenzug gegen die Türken rebellieren und auf britischer Seite in den Krieg eintreten würden. Dieses Angebot konnte Sherif Husayn zwar noch nicht überzeugen, hatte aber dem langen Wunsch der Haschemiten größeren Einfluss auf den Mittleres Osten auszuüben, neue Nahrung gegeben. Husayn veranlasste darauf das sogenannte „Damaskus Protokoll“, welches London ein Defensivbündnis und den Aufstand der arabischen Truppen innerhalb der osmanischen Armee anbot. Im Gegenzug sollte London die arabische Unabhängigkeit des Gebietes anerkennen, welches heute die Staaten Libanon, Syrien, Jordanien, Irak, Saudi Arabien und Israel umfasst. Dieses Protokoll bildete die Basis von Husayns erstem Brief an McMahon, dem britischen Hochkommissar in Ägypten.
3.2 Die Husayn – McMahon Korrespondenz
Zwischen Juli 1915 und Januar 1916 gab es zwischen McMahon und Husayn regen Briefkontakt, wobei das britische Angebot vom 24. Oktober 1915 als zentraler Brief betrachtet werden muss. Der britische Außenminister Sir Edward Grey hatte McMahon mit ungewöhnlich großen Kompetenzen ausgestattet. Er sollte den Arabern versprechen, was immer auch nötig sei, um sie für die britische Seite zu gewinnen. Der Vorschlag von McMahon war vage, so erwähnte er keine Grenzen und schloss verschiedene Gebiete, welche London als strategisch wichtig erachtete, von arabischer Unabhängigkeit aus. Die ausgeschlossenen Gebiete ließen sich in drei Kategorien einteilen: 1. solche mit nicht rein arabischer Bevölkerung; 2. solche, die in der französischen Interessensphäre lagen und 3. solche, die bereits ein Handelsabkommen mit Großbritannien unterzeichnet hatten[3]. Palästina fiel nach dieser Definition unter die erste Kategorie, was zu großen Unstimmigkeiten führen sollte.
Die Araber nahmen den Vorschlag an, jedoch beharren sie bis heute darauf, dass dieses Versprechen Palästina einschloss. Alle Seiten stimmten darin überein, dass, wie die königliche Kommission 1937 erklärte, es im höchsten Maße unglücklich war, dass die britische Regierung im Angesicht der kritischen Lage des Krieges nicht im Stande war, dem Sherifen ihre Absichten klar zu machen. Die Araber erfüllten ihre Seite der Abmachung. Im Juni 1916 erklärte der Sherif den Türken den Krieg, überwältigte zahlreiche türkische Vorposten auf der arabischen Halbinsel und zerstörte mit Hilfe des berühmten Lawrence von Arabien viele Verkehrslinien, insbesondere die Eisenbahnlinie, die Medina mit dem Norden verband. Arabische Streitkräfte unterstützten General Edward Allenby bei seinem Eindringen nach Palästina im folgenden Herbst. Im November 1917 schlug er die Türken bei Gaza und erreichte am 9. Dezember Jerusalem.
3.3 Das Sykes-Picot Abkommen
Am 16. Mai 1916 wurde das Sykes-Picot Abkommen, eine geheime Übereinkunft zwischen den Regierungen Englands und Frankreichs, durch die ihre Einflusssphären im Nahen Osten nach dem Ersten Weltkrieg festgelegt wurden, vereinbart. Das Abkommen wurde im November 1915 von dem französischen Diplomaten Georges Picot und dem Briten Mark Sykes ausgehandelt. Großbritannien wurde die Herrschaft über ein Gebiet zuerkannt, dass in etwa dem heutigen Jordanien, dem Irak und den Gebiet um Haifa entspricht. Frankreich sollte die Herrschaft über die Südost-Türkei, den Nordirak, Syrien und den Libanon ausüben[4]. Jedes Land sollte die Staatsgrenzen innerhalb seiner Einflusszone frei bestimmen dürfen. Diese Vereinbarung wurde nach dem Krieg sehr kontrovers diskutiert, denn schließlich revidierte sie eine Vielzahl der Versprechungen, welche die Briten Husayn gegeben hatten. Der unabhängige arabische Staat, welcher Husayn versprochen worden war, lag nach dieser Vereinbarung nun in Zonen mit indirektem britischen bzw. französischen Einfluss. Palästina sollte jedoch unter internationale Verwaltung gestellt werden.
In den arabisch-britischen Beziehungen während des 1. Weltkriegs lassen sich also einige Anomalien nachzeichnen. Das englische Versprechen, welches in einem einzelnen Brief von einer relativ unwichtigen Persönlichkeit gegeben wurde, veranlasste die Haschemiten, und später die palästinensischen Araber, alle ihre politischen Ambitionen mit der imperialen Großmacht zu verbinden. London nutzte diese Naivität, machte Juden wie Arabern großzügige Versprechungen, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu werden, dass diese sich überschnitten und wenige Jahre später für alle Beteiligten die Ursache vieler Enttäuschungen bildeten.
[...]
[1] Vgl. Laqueur, Walter; Rubin, Barry: The Israel-Arab Reader: a Documentary History of the Middle East Conflict. New York 51995. S.9.
[2] Vgl. Cohen, Michael J.: The origins and evolution of the Arab-Zionist conflict. London 1987. S. 8.
[3] Vgl. Laqueur, Walter; Rubin, Barry: The Israel-Arab Reader: a Documentary History of the Middle East Conflict. New York 51995. S. 15.
[4] Vgl. Laqueur, Walter; Rubin, Barry: The Israel-Arab Reader: a Documentary History of the Middle East Conflict. New York 51995. S. 12-14.
- Citar trabajo
- Thomas Drews (Autor), 2004, Historische Ursprünge und internationale Dimensionen des Konflikts um Palästina bis zur Gründung des Staates Israel, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47098
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