"Vergessen" bezeichnet entweder das nicht Abspeichern können von Ereignissen im Gehirn oder (häufiger) den Verlust von Erinnerungen, das heißt den Verlust von Informationen aus dem Gedächtnis. Dabei wird in diesem Essay vor allem das Langzeitgedächtnis betrachtet. Bei dem "Verlust von Informationen" handelt es sich jedoch nur selten um ein absolutes Wegstreichen aus dem Gedächtnis, in den meisten Fällen eher um ein Unerreichbar machen.
"Kognition" bezeichnet Prozesse der Informationsgewinnung, -verarbeitung und -nutzung, einschließlich Aufmerksamkeit,
Gedächtnis und Schlussfolgern. Teilgebiete sind Wahrnehmung, Sprache, Denken und Problemlösen sowie Intelligenz. Das "Gedächtnis" meint die Fähigkeit, Informationen aufzunehmen, zu speichern und bei Bedarf wieder abzurufen. "Speichern" heißt behalten über eine bestimmte Zeitspanne hinweg. Diese ist nicht zu kurz (siehe Kurzzeitgedächtnis), jedoch auch nicht ewig. In welchem Bereich sich die Dauer bewegt, kann hier nicht behandelt werden.
Der Eindeutigkeit halber sollen zunächst grundlegende Begriffe erklärt werden. „Vergessen“ bezeichnet entweder das nicht Abspeichern können von Ereignissen im Gehirn oder (häufiger) den Verlust von Erinnerungen, das heißt den Verlust von Informationen aus dem Gedächtnis. Dabei wird in diesem Essay vor allem das Langzeitgedächtnis betrachtet. Bei dem „Verlust von Informationen“ handelt es sich jedoch nur selten um ein absolutes Wegstreichen aus dem Gedächtnis, in den meisten Fällen eher um ein Unerreichbar machen. „Kognition“ bezeichnet Prozesse der Informationsgewinnung, -verarbeitung und -nutzung, einschließlich Aufmerk- samkeit, Gedächtnis und Schlussfolgern. Teilgebiete sind Wahrnehmung, Sprache, Denken und Problemlösen sowie Intelligenz. Das „Gedächtnis“ meint die Fähigkeit, Informationen aufzunehmen, zu speichern und bei Bedarf wieder abzurufen. „Speichern“ heißt behalten über eine bestimmte Zeitspanne hinweg. Diese ist nicht zu kurz (siehe Kurzzeitgedächtnis), jedoch auch nicht ewig. In welchem Bereich sich die Dauer bewegt, kann hier nicht behandelt werden. „Abrufen“ bedeutet wiedergewinnen gespeicherter Informationen aus dem Gedächtnis.
Das Vergessen stellt einen Mittelweg zwischen dem alles Vergessen und dem sich an alles Erinnern dar. Beide Extreme sind nicht frei wählbar oder selbstständig erreichbar, sondern Krankheiten oder Störungen. Das bedeutet, sie sind nicht natürlich, nicht üblich und nicht erstrebenswert. Dass es gesund und natürlich ist, einige Teile zu vergessen, impliziert jedoch nicht gleich, dass es auch „gut“ oder erstrebenswert ist. Dies soll wiederum im Folgenden gezeigt werden. Ein Beispiel für das erste Extrem ist Demenz. Das Gedächntis versagt überdurchschnittlich oft darin, den Zugriff zu Erinnerungen, die man noch braucht, aufrecht zu erhalten, was in der Regel zu einem Nachteil im Überleben und häufig einer Abnahme an Lebensqualität führt und daher von den meisten Menschen als negativ bewertet wird. Ein Beispiel für das zweite Extrem ist das „hyperthymestische Syndrom“. Betroffene erinnern sich exakt an jedes Detail aus ihrem Leben. Infolgedessen verursachen externe An-stöße, die sie an bestimmte Situationen erinnern (z.B. Gerüche oder Geräusche), dass sie vergangene Ereignisse erneut durchleben und alle damaligen Emotionen noch einmal in ihrer ursprünglichen Stärke aufkommen. Das ist von der Person nicht kontrollierbar und die erinnerten Ereignisse erinnern sie wiederum an weitere vergangene Situationen, usw.. Da-durch kann es zu Kettenreaktionen kommen. Die Betroffenen sind geistig dauerhaft mit vielen Geschehnissen konfrontiert. Sie verbringen überdurchschnittlich viel Zeit damit, über ihre Vergangenheit nachzudenken anstatt z.B. neues Wissen zu erwerben und verfangen sich im alten und oft trivialen Wissen. Dadurch können sie sich weder gut auf die Gegenwart fokussieren noch gut konzentrieren. Das hyperthymestisches Syndrom hat zwar zur Folge, dass man Informationen, die man behalten will, nicht „verliert“, aber auch, dass man Informationen, die man nicht behalten will, nicht verlieren kann. Dieses Aufrechterhalten des Zugriffs auf Informationen, die man nicht mehr braucht, ist mit einem „sinnlosen“ Aufwand für den Organismus verbunden. Das Syndrom bietet keinen kognitiven Vorteil - weder im Lernen, noch in der Intelligenz, noch im täglichen Leben. Der Nachteil für die Aufmerksamkeit (Teil der menschlichen Kognition) überwiegt.
Ein gesundes Gedächtnis vergisst Informationen, die es nicht länger braucht und erhält den Zugang zu Informationen, die es noch braucht. Zumindest ist das das Ziel des Gedächtnisses, wobei es unter gesunden Gedächtnissen natürlich eine Varianz in der tatsächlichen Umsetzung gibt. Ältere Erinnerungen werden häufiger vergessen als neuere, da neuere in der Regel eher relevant sind, öfter gebraucht werden. Das liegt daran, dass die Gesellschaft und Umwelt, in der die Person lebt, sich im Laufe der Zeit ändert und daher auch die Anforderungen an das Individuum und dessen Gedächtnis sich dementsprechend ändern. Dass es sich beim Vergessen selten um ein unwiderrufliches Löschen von Informationen handelt, hat zum Vorteil, dass es nicht irreversibel ist. Das Wiedererlernen von nicht mehr zugänglichem Stoff, der doch noch gebraucht wird, also doch wichtig ist, bzw. das Erinnern an als vergessen Geglaubtes, fällt leichter als das Abspeichern von neuem Wissen. Es wird einfacher wieder zugänglich, da es nie ganz weg war.
Das Vergessen ist erstens eine Schutzfunktion. Man kann Traumata überwinden, Fehler zurücklassen. Ohne das Vergessen könnte man die eigene Identität nur schwierig neu bilden/ formen, da man von der eigenen Vergangenheit verfolgt würde. Vergessen ist eine wichtige Voraussetzung für eine ausgeglichene Beziehung zu sich selbst (Selbstwertgefühl und Selbstakzeptanz). Zweitens ist das Vergessen eine automatisch ablaufende und daher für den Menschen mit keinen zusätzlichen bewussten Anstrengungen verbundene Ausselektierung des Irrelevanten. Das schafft Ordnung im Gehirn, die mehrere praktische Nutzen hat: Zum einen ist die Kapazität des menschlichen Gehirns begrenzt, wobei weniger das Speichern ein Problem darstellt als mehr das Abrufen. Deswegen muss aussortiert werden. Zudem soll der Energieaufwand des Abrufens nicht zu groß sein. Die Selektion ermöglicht dies sowie eine höhere Geschwindigkeit, in der Informationen abgerufen werden können. Durch weniger Datenwege kann der Prozess schneller ablaufen. Außerdem garantiert sie eine gewisse Qualität, wie detailliert die jeweiligen Informationen sind und, wichtiger noch, eine hohe Reliabilität, dass die Erinnerungen auch wahr sind/tatsächlich so geschehen sind. Zusätzlich spielt es eine Rolle, wieviele wahre Erinnerungen man abrufen kann. Für die kristalline Intelligenz - das Wissen, das eine Person erworben hat - ist die Selektion negativ, da sie dieses begrenzt. Betrachtet man die Fähigkeit, auf Wissen zuzugreifen, ist sie positiv zu bewerten. Ziel des Gedächtnisses ist es nicht nur Irrelevantes auszusortieren und Relevantes zu erhalten und zugänglich zu machen, sondern auch die genannten fünf Merkmale gleich-zeitig möglichst gut zu erfüllen. Es handelt sich um eine „Balancegleichung“, bei der ein ausgewogenes Verhältnis erreicht werden soll. Für die menschliche Kognition ist das Vergessen insofern von Vorteil, dass es das Denken und Problemlösen sowie die Informationsnutzung im Allgemeinen verbessert. Drittens ist das Vergessen nützlich für soziales Handeln in einer Gesellschaft. Würde man nicht vergessen, wäre es denkbar, dass man beispielsweise überproportional nachtragend ist, was für das Zusammenleben mit anderen Menschen schädlich wäre.
Ein Nachteil des Vergessens ist, dass das, was selektiert wird, nicht bewusst beein-flussbar/kontrollierbar ist, sondern vom Unterbewusstsein/Gedächtnissystem gesteuert wird. Deshalb ist es häufig ungewollt und wird auf den ersten Blick als negativ wahr-genommen. Mit dem Vergessen geht der Verlust von Wissen einher, was zum Beispiel in Prüfungssituationen (BlackOuts etc.) hinderlich ist. Auch wenn man sich (nach der ersten Definition des Vergessens) Fakten nicht merken kann, die man gerne aufnehmen würde, ist das ein Nachteil. Dass Menschen nicht alles aufnehmen und zugänglich halten und gleich-zeitig einmal Erlerntes nicht mehr einfach willentlich aus dem Gedächtnis streichen können, führt dazu, dass sie mit wachsendem Alter weniger offen für Neues sind und demhingegen mehr Verknüpfungen zu altem Wissen ziehen. Das führt zu einem Denken in Schemata, was das Leben erleichtern kann, aber auch Vorurteile generiert.
Das Gedächtnis ist kein objektiver Wissensspeicher wie ein Computer. Zwar ist dies auch eine Funktion des Gedächtnisses unter anderen, aber eine Erklärung, die nur diese Funktion berücksichtigt, wäre zu einfach gedacht und würde dem menschlichen Gedächtnis nicht gerecht werden. Die genannten Vorteile machen die Funktion des Vergessens für die menschliche Kognition aus: das Bilden der Persönlichkeit, die Identifizierung mit sich selbst sowie eine Hilfestellung beim Schlussfolgern und sozialen Handeln in der konkreten Lebenssituation/Umwelt. Das Gedächtnis ist sehr subjektiv und sehr komplex. Diese Eigenschaften machen Menschlichkeit aus. Die erläuterten Funktionen erscheinen mir persönlich zumindest als Werte und als erstrebenswert. Es ist ein Trugschluss, dass eine quantitiv höhere Speicherkapazität um jeden Preis mehr Qualität bedeutet. Das Image, dass das Vergessen ein Defizit des Geistes ist, ist nicht gerechtfertigt. Man könnte sich „bessere“ Gedächtnisse vorstellen und das menschliche ist nicht perfekt (siehe Nachteile). Innerhalb der menschlichen Gedächtnisse gibt es eine große Varianz. Doch welche Mischung die Beste ist, ist eine andere Frage. Es lässt sich dennoch abschließend sagen, dass das „gesunde“ Vergessen generell den menschlichen Alltag erleichtert (siehe Extrembeispiele). Die Vorteile überwiegen eindeutig die Nachteile.
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- Arbeit zitieren
- Dilara Diegelmann (Autor:in), 2017, Welche Funktionen hat das Vergessen für die menschliche Kognition?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/470743
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