Das schlanke äußere Erscheinungsbild nimmt einen hohen Stellenwert in den Medien und im Internet ein. Fettleibige Kinder entsprechen diesem Ideal nicht und werden häufig gemobbt. Die betroffenen Jungen und Mädchen leiden daher neben der physischen auch unter der nicht zu unterschätzenden psychischen Belastung.
Die Prävalenz von Adipositas im Kindesalter steigt weltweit. In den letzten 40 Jahren wuchs die Zahl der Erkrankungen um das Zehnfache an. Adipositas im Kindesalter entwickelt sich oft zu Adipositas im Erwachsenenalter. Es ist deshalb außerordentlich wichtig, Adipositas durch Bewegungstherapien bereits im frühen Kindes- und Jugendalter einzudämmen.
Die Autorin Annalena Keller klärt über mögliche Ursachen von Adipositas und die Folgekrankheiten auf. Sie stellt dar, wie wichtig es ist, Adipositas im Kindesalter zu behandeln und zeigt, wie betroffene Eltern und Fachkräfte den Krankheitsverlauf rechtzeitig durchbrechen können. Keller berücksichtigt dabei den natürlichen Bewegungsdrang der Kinder, betrachtet die Möglichkeiten der Bewegungstherapie und entwickelt niederschwellige Sporteinheiten, die leicht in den Alltag integrierbar sind.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einführung und Problemstellung
1.1 Vorgehensweise
Theoretische Grundlagen von Adipositas
2 Definition von Adipositas
3 Diagnose von Adipositas im Kindes- und Jugendalter
4 Epidemiologie
5 Ursachen von Adipositas bei Kinder und Jugendlichen
5.1 Erhöhte Energieaufnahme und Essverhalten
5.2 Geringer Energieverbrauch
5.3 Genetische Faktoren
5.4 Einfluss der Eltern
5.5 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
6 Folgen von Adipositas
6.1 Psychische Folgen von Adipositas bei Kindern und
Jugendlichen
6.2 Sekundärerkrankungen in Folgen von Adipositas
7 Therapiemöglichkeit Bewegung 34
7.1 Bedeutung von Bewegung bei adipösen Kindern und Jugendlichen
7.2 Bewegungsmangel
7.3 Auswirkungen von Bewegung bei adipösen Kindern und Jugendlichen
7.4 Sinnvolle Arten von Bewegung
8 Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen 46
Methodischer Teil der Arbeit:
Motivation zur Gewichtsreduktion durch Bewegung – Studien im Vergleich
9 Motivation im Zusammenhang mit Bewegung 50
10 Motivationen zur Gewichtsreduktion bei Kindern und Jugendlichen
10.1 Methode der Datenerhebung
11 Adipositas Programme die zur Bewegung motivieren oder Motivation zur Gewichtsreduktion schaffen
11.1 Motivierende Umgebungen
11.2 Empfehlungen für den Lebensstil
11.3 Unterstützung durch Tiere
11.4 Selbsthilfe in der Familie
11.5 Arztgestütztes Programm
11.6 Elterntrainingsprogramm
11.7 Kindergarten- und Schulprogramm
12 Motivationstypen der Adipositas Programme 75
13 Spezifische Studienvergleiche
13.1 Studienvergleich motivierende Umgebung & Kindergarten und Schulprogramm
13.2 Studienvergleich Selbsthilfe in der Familie & Elterntrainingsprogramm
14 Zusammenfassung der methodischen Grundlagen im Zusammenhang mit der Fragestellung
Gesamtfazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Perzentilkurven für den Body-Mass-Index (Mädchen 0 – 18 Jahre).
Abbildung 2: Perzentilkurven für den Body-Mass-Index (Jungen 0 – 18 Jahre).
Abbildung 3: Adipositasprävalenz bei Mädchen weltweit (5 – 19 Jahre).
Abbildung 4: Adipositasprävalenz bei Jungen weltweit (5 – 19 Jahre) .
Abbildung 5: Gewichtsentwicklung in Abhängigkeit von Energieaufnahme und Energieverbrauch.
Abbildung 6: Zusammensetzung des Energieverbrauchs bei Kindern und Jugendlichen.
Abbildung 7: Intrinsische und extrinsische Motivation, in: Grundschule.
Abbildung 8: Bewegungsmotivierende Wandmalerei.
Abbildung 9: Aufwärmspiel.
Abbildung 10: Laufspiel.
Abbildung 11: Muskelübung.
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Folgeschäden der Adipositas
Tabelle 2: Arten von Cholesterinwerten
Tabelle 3: Klassifikation der Diabetes Typen
Tabelle 4: Unzufriedenheit mit dem Gewicht im Zusammenhang mit Adipositas
Tabelle 5: Motiviren die Adipositas Programme eher intrinsisch oder extrinsisch zur Bewegung?
Tabelle 6: Unterschiede im Studienvergleich motivierende Umgebungen & Kindergarten- und Schulprogramm
Tabelle 7: Unterschiede im Studienvergleich Selbsthilfe in der Familie & Elterntraining
1 Einführung und Problemstellung
Einer Studie der Weltgesundheitsorganisation und des Imperial London Colleges zufolge ist die Prävalenz von Adipositas im Kindesalter weltweit deutlich angestiegen. In den letzten 40 Jahren wuchs die Zahl der Erkrankungen um das Zehnfache an. Heutzutage sind global gesehen 124 Millionen Kinder adipös, und 213 Millionen Kinder sind übergewichtig an der Schwelle zu Adipositas.1 Die Adipositas Prävalenz der Kinder in Deutschland hat sich nach der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland („KiGGS Welle 2“) auf hohem Niveau stabilisiert.2
Den Zahlen zufolge stellt die Krankheit ein weltweites Problem dar, da aus adipösen Kindern meist adipöse Erwachsene werden und durch Adipositas allein in Deutschland pro übergewichtiger oder adipöser Person im gesamten Leben gesundheitliche Mehrkosten von über 8 471 Millionen Euro im Vergleich zu einer normalgewichtigen Person entstehen.3
Nicht nur die immensen Kosten stellen ein Problem dar. Das Leben eines adipösen Kindes wird durch physische und psychische Folgen der Erkrankung zusätzlich negativ beeinflusst.
Aktuell nimmt das äußerliche Erscheinungsbild durch gewisse Schönheitsideale einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft ein. Durch Medien wie dem TV oder durch das Internet werden diese Ideale verbreitet.4 Aufgrund von diesem Körperideal werden fettleibige Kinder häufig gemobbt, was bei den Jungen und Mädchen zu einem verringerten Selbstwertgefühl führen kann.
Die Ursachen dieser Krankheit werden häufig einem inaktiven Lebensstil, einer übermäßigen Ernährung oder genetischen Prädispositionen zugeschrieben. Es ist ferner zu beobachten, dass Kinder, die aus einem sozial schwachen Milieu oder aus einer Migrantenfamilie stammen, signifikant häufiger an Adipositas leiden.
Es ist außerordentlich wichtig Adipositas durch Bewegung bereits im frühen Kindes- und Jugendalter einzudämmen, da jüngere Kinder ihr Gewicht schneller als ältere Kinder reduzieren können. Durch diese Therapiemöglichkeit wird dem natürlichen Bewegungsdrang der Kinder entgegengekommen, wodurch sich viele gesundheitliche Parameter verbessern.
Das Ziel dieser Arbeit ist es die Folgekrankheiten von Adipositas und mögliche Ursachen dieser Krankheit aufzuklären. Es ist äußerst wichtig Adipositas im Kindesalter früh zu behandeln, weswegen die Therapiemöglichkeit Bewegung genau vorgestellt wird. Zusätzlich werden im methodischen Teil Programme, welche die Kinder zur Bewegung motivieren sollen, dargestellt und ausgewertet. Dabei wird die Frage dieser Arbeit geklärt, wie man adipöse Kinder und Jugendliche zur Bewegung motivieren kann.
1.1 Vorgehensweise
Im theoretischen Teil der Arbeit werden die Grundlagen von Adipositas im Kindes- und Jugendalter bis hin zur Pubertät behandelt. Dabei wird auf die Definition, die Diagnose sowie auf die Epidemiologie der Krankheit weltweit eingegangen. Darüber hinaus werden die medizinischen sowie die psychischen Komorbiditäten und die multifaktoriellen Ursachen von Adipositas im Kindesalter geklärt. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass in der vorliegenden Arbeit speziell die Therapiemöglichkeit Bewegung im Kindesalter und die damit folgenden Auswirkungen der Bewegung auf Adipositas, untersucht werden. Aus Praktikabilitätsgründen kann in dieser Arbeit keine umfassende Übersicht über die weiteren Säulen der Adipositas Therapie, wie z.B. die Ernährung oder die psychische Behandlung, gegeben werden.
Der methodische Teil der Arbeit basiert auf der Therapiemöglichkeit Bewegung. Es geht dabei um die Motivation zur Gewichtsreduktion durch Bewegung. Dafür werden acht Studien mit Programmen, die zur Bewegung motivieren oder Motivation zur Gewichtsreduktion schaffen vorgestellt. Dabei wird auch auf die verschiedenen Arten von Motivation und auf den Motivationsgewinn eingegangen. Anschließend werden zwei mal zwei Studien miteinander verglichen und analysiert. Zum Schluss wird die Fragestellung dieser Arbeit beantwortet und ein Fazit gebildet.
Theoretische Grundlagen von Adipositas
2 Definition von Adipositas
Häufig wird der Begriff Übergewicht als Synonym für Adipositas verwendet, was inkorrekt ist, da Übergewicht ein oberhalb der Geschlechts- und Altersnormen liegendes Körpergewicht bezeichnet. Von Adipositas ist die Rede, wenn das Körpergewicht durch einen übermäßigen Anteil der Fettmasse gekennzeichnet ist, und dies einen negativen Einfluss auf die Gesundheit nimmt.5
3 Diagnose von Adipositas im Kindes- und Jugendalter
Durch anthropometrische Mittel ist es möglich Adipositas zu diagnostizieren und zu klassifizieren.6 Als einfache, schnelle und kostengünstige Methode die Fettmasse des Körpers zu bestimmen gilt der Body-Mass-Index (BMI), welcher die wichtigste Größe zur Bestimmung der Krankheit darstellt.7 Der BMI wird zur Schätzung des Körperfettanteils verwendet und wird durch das Körpergewicht sowie die Körpergröße berechnet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Ergebnis dieser Formel kann eingeteilt werden in Untergewicht, Normalgewicht, Übergewicht sowie in unterschiedliche Grade der Adipositas. Bei Kindern und Jugendlichen bestehen große geschlechts- und altersabhängige Veränderungen, aus diesem Grund muss man das Geschlecht sowie das Alter bei der Beurteilung der Klassifikation berücksichtigen.8
Die folgenden Abbildungen 1 und 2, in denen die Perzentilkurven für Mädchen und Jungen von 0 - 18 Jahren dargestellt sind, sollen als Beurteilung des Verhältnisses zwischen Körpergewicht und Körperlänge der Kinder dienen. Anhand des errechneten BMIs sowie des Alters kann ein genauer Wert um die Perzentilkurve abgelesen werden. Bei Ergebnissen, die oberhalb der 90. Perzentile liegen wird von Übergewicht ausgegangen, oberhalb der 97. Perzentile spricht man von Adipositas. Werte über 99,5 werden als extreme Adipositas eingestuft.9
Weitere mögliche anthropometrische Mittel zur Diagnose von Adipositas sind die Messung der Taille-Hüft-Relation, die Hautfaltendickemessung sowie die Messung des abdominalen Durchmessers.10
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Perzentilkurven für den Body-Mass-Index (Mädchen 0 – 18 Jahre), in: Monatsschrift Kinderheilkunde, 807-818.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Perzentilkurven für den Body-Mass-Index (Jungen 0 – 18 Jahre), in: Monatsschrift Kinderheilkunde, 807-818.
4 Epidemiologie
Nach der Studie KiGGS Welle 2 (2014 - 2017) beträgt die Prävalenz von Übergewicht zusammen mit Adipositas in Deutschland bei Kindern im Alter zwischen 3 und 17 derzeit 15,4%. Die Häufigkeit von Adipositas in diesem Alter liegt bei 5,9%. Die Studie zeigt, dass die Übergewichts- und auch die Adipositasprävalenzen mit zunehmendem Alter ansteigen. Die Übergewichts- und Adipositasprävalenz unter Jugendlichen in Deutschland hat sich seit der letzten KIGGS Basiserhebung (2003 - 2006) jedoch auf hohem Niveau stabilisiert.11
Den Unterschieden ethnischer Gruppen ist Beachtung zu schenken, da Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in Deutschland einen durchschnittlich höheren BMI als Kinder ohne Migrationshintergrund aufweisen und damit eine nennenswerte Risikogruppe darstellen. Die Gefahr für diese Kinder, übergewichtig oder adipös zu sein ist um das 2,59-fache erhöht. Eine höhere Prävalenz von Adipositas und Übergewicht ist außerdem in Familien zu finden, in denen die Mutter oder der Vater bereits an Adipositas oder Übergewicht leiden oder in Familien, die die soziale Unterschicht bilden.12
Global gesehen ist die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Industrieländern wie Großbritannien, den Vereinigten Staaten oder Australien stark gestiegen. 7,8% der Jungen und 5,6% der Mädchen wurden im Jahr 2016 weltweit als adipös eingestuft.13
In Abbildung 3 und 4 ist die länderspezifische Häufigkeit von Adipositas bei Mädchen und Jungen im Alter von 5 – 19 Jahren zu sehen. Je dunkler die rote Farbe ist, desto höher beschreibt dies die jeweilige Adipositasprävalenz der Kinder in diesem Land.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Adipositasprävalenz bei Mädchen weltweit (5 – 19 Jahre), in: The Lancet, 2633.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Adipositasprävalenz bei Jungen weltweit (5 – 19 Jahre), in: The Lancet, 2633 .
Besonders hoch ist die Prävalenz von Fettleibigkeit bei Kindern auf den Cookinseln, auf dem Inselstaat Amerikanisch-Samoa, in Französisch-Polynesien, in Nauru, auf Niue sowie auf der Inselgruppe Palau. Hier liegt die Adipositas Prävalenz der Kinder bei ungefähr 30%, was bedeutet, dass dort fast jedes dritte Kind derzeit fettleibig ist.
Diese Zahlen sind auf Grund der hohen Verbreitung sehr beunruhigend, da adipöse Kinder ein gesteigertes Risiko aufweisen auch im Erwachsenenalter adipös zu sein und damit, nicht nur im Erwachsenenalter viele gesundheitliche Probleme und Risiken folgen.14 Erwartungsgemäß wird die Zahl fettleibiger Menschen weltweit noch weiter ansteigen. Adipositas ist folglich bereits zu einer globalen gesellschaftlichen Herausforderung geworden.
5 Ursachen von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen
Die Ursachen von Adipositas sind multifaktoriell bedingt. Faktoren wie eine erhöhte und übermäßige Energieaufnahme, ein zu geringer Energieverbrauch bzw. körperliche Inaktivität begünstigen oder verursachen diese Krankheit. Zudem spielen genetische Faktoren wie zum Beispiel Vererbung eine Rolle. Weitere Ursachen von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen sind das Leben in der unteren Sozialschicht, die ethnische Herkunft sowie der Einfluss der Eltern und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. In folgenden Gliederungspunkten werden diese Faktoren dargestellt.15
5.1 Erhöhte Energieaufnahme und Essverhalten
Für die Regulation des Körpergewichts ist die Abwechslung von Hunger und Sättigung von ausschlaggebender Bedeutung. Durch biologische Parameter im Gehirn, im Intestinaltrakt, im Blut und im Fettgewebe werden Gefühle geschaffen wie beispielsweise Hunger. Dabei wird auch geregelt welche Art von Nahrung vorgezogen wird. Eine deutlich erhöhte Energieaufnahme führt demnach zu Adipositas, da nur ungefähr 5% der aufgenommenen Nahrung wieder ausgeschieden wird. Vor allem Lebensmittel mit hohem Fettanteil und hohem Zuckeranteil besitzen einen erheblichen Energiegehalt bei bereits kleinen Mengen und führen bei übermäßigem Verzehr zu Adipositas. Durch fett- und zuckerhaltige Nahrungsmittel setzt die Sättigung nicht schneller ein, obwohl diese Lebensmittel einen hohen Energiegehalt aufweisen. Die Sättigung wird überwiegend durch die Menge der aufgenommenen Nahrung herbeigeführt. Dies führt dazu, dass eine große Menge von fett- und zuckerhaltigen Nahrungsmitteln aufgenommen werden muss, um ein Sättigungsgefühl zu erreichen, was dazu führt, dass der aufgenommene Energiegehalt zu hoch ist und nur zu einem sehr geringen Teil wieder ausgeschieden wird.
Auch eine zu opulente Portionsgröße von gesunder Nahrung, gepaart mit einem zu geringen Energieverbrauch kann zu Adipositas führen.16
5.2 Geringer Energieverbrauch
Adipositas entsteht überwiegend dadurch, dass zu viel Energie aufgenommen wird und im Verhältnis dazu zu wenig Energie verbraucht wird. Das Körpergewicht bleibt gleich, wenn Energieaufnahme und Energieverbrauch im Einklang stehen, wie Abbildung 6 verdeutlicht.17
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Gewichtsentwicklung in Abhängigkeit von Energieaufnahme und Energieverbrauch, in: Adipositas im Kindes- und Jugendalter, 13.
Es wird davon ausgegangen, dass die hohe Adipositas Prävalenz heutzutage grundsätzlich durch eine abnehmende körperliche Aktivität der Kinder entsteht.
Der Energieverbrauch setzt sich aus zusammen aus drei Komponenten, die alle Einfluss auf das Gewicht des Menschen nehmen. Nämlich dem Grundumsatz, der Thermogenese und der körperlichen Aktivität (siehe Abbildung 6), auf welche im Folgenden genauer eingegangen wird.18
5.2.1 Der Grundumsatz
Überwiegend wird der Grundumsatz von der Muskulatur, von der Leber, von dem Gehirn, von dem Herz und von der Niere sowie von den restlichen Organen bestimmt. Er hängt vom Alter, von der Körpergröße, vom Geschlecht, vom Körpergewicht und von hormonellen Einflüssen ab und macht ungefähr 60 - 70% des Gesamtenergieumsatzes bei Kindern und Jugendlichen aus. Durch eine Zunahme der Muskelmasse kann der Grundumsatz gesteigert werden, genauso kann er durch eine Muskelabnahme gesenkt werden.19 Menschen, mit einem niedrigen Grundumsatz, nehmen sehr viel schneller zu, als Personen mit einem hohen Grundumsatz, was bei adipösen Kindern dringend zu beachten ist, da der Grundumsatz allgemein beeinflussbar ist.20
5.2.2 Die Thermogenese
Bei der Thermogenese wird durch wärmeproduzierende Stimuli Energie verbraucht. Dieser Verbrauch ist kaum zu beeinflussen, und beträgt nur ungefähr 10%. Stimuli bei der Thermogenese sind beispielsweise Hormone und Medikamente, Muskelarbeit, Hitze- und Kälteexposition oder Nahrungsaufnahme.21
5.2.3 Körperliche Aktivität
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Zusammensetzung des Energieverbrauchs bei Kindern und Jugendlichen.
Durch körperliche Aktivität kann der Energieverbrauch beeinflusst werden. Körperliche Aktivität beträgt ca. 25% - 50% des Energieverbrauchs. Das Risiko an Adipositas zu erkranken, steigert sich bei körperlicher Inaktivität und geringfügiger Aktivität, was durch eine europäische Studie mit 15 239 Teilnehmern in einem Zeitrahmen von 15 Jahren bewiesen wurde. Adipöse Personen bewegen sich allgemein weniger und verbringen mehr Zeit mit Ruheaktivitäten.22
5.3 Genetische Faktoren
Kinder mit einer übergewichtigen Mutter und einem übergewichtigen Vater weisen ein Risiko von 80% auf, selbst adipös zu werden. Dies liegt nicht nur an den familiären Einflüssen, sondern es ist davon auszugehen, dass der Energieverbrauch und die Anzahl der Fettzellen eine Rolle spielen. Angelegte Fettzellen können anzunehmender Weise nicht mehr in ihrer Anzahl verringert werden, sondern nur noch in ihrer Größe. Der menschliche Organismus sieht es vor, ein genau festgelegtes Volumen der Fettzellen nicht zu unterschreiten. Demnach ist es für Menschen mit genetisch veranlagter Adipositas schlecht möglich ein Normalgewicht zu erlangen.
Einflussfaktoren durch die Genetik ist die Lipolyse im Fettgewebe, die Fettpräferenz, die Insulinsensitivität, der Leptinspiegel, der thermogenetische Effekt der Nahrung, die Muskelzusammensetzung, das Oxidationspotential sowie spontane körperliche Aktivität. Wichtig zu wissen ist, dass nur die Veranlagung von Adipositas vererbet wird, nicht die Krankheit selbst. Betroffene können dem entgegenwirken, indem eine passende Ernährung und ein angemessenes Bewegungsverhalten angestrebt werden.23
Im Falle einer genetisch verursachten Adipositas mit zusätzlichen Symptomen bezeichnet man dies als syndromale Adipositas. Syndrome sind beispielsweise das Cohen-Syndrom, das Klinefelder-Syndrom, das Weaver-Syndrom, das Sotos-Syndrom, das Ahlström-Hallgen-Syndrom, das Ahlström-Oslon-Syndrom, das Bardet-Biedl-Syndrom sowie das Prader-Willi-Syndrom. Bei diesen Erkrankungen ist es wichtig bei einer körperlichen Untersuchung zusätzlich auf die Intelligenz, die Ausprägung der Finger, Zehen und Genitalorgane sowie den Tonus der Muskulatur zu achten.24
5.4 Einfluss der Eltern
Das Aufwachsen in einer Familie mit einem niedrigeren Sozialstatus stellt einen weiteren Risikofaktor oder Auslöser für Adipositas im Kindesalter dar. Eltern dieser Kinder haben oft nicht die finanziellen Mittel ihre Kinder in einem Sportverein anzumelden bzw. nicht das übrige Geld für qualitativ hochwertige und gesunde Lebensmittel wie frisches Obst oder Gemüse.25 Zudem wird in unteren Schichten der Mehrwert von sportlicher Betätigung nicht erkannt und wird somit auch nicht gefördert. Stattdessen ist in niedrigen sozialen Schichten der Fernsehkonsum teilweise sehr hoch. Studien belegen, dass übermäßiges TV-Schauen das Risiko an Adipositas zu erkranken steigert und fördert. Durch die sitzende Beschäftigung besteht ein geringer Energieverbrauch, zudem wird während des Fernsehens oft ungesunde Nahrung verzehrt, was für Adipositas verantwortlich sein kann.26
Ein weiterer Grund kann die Erziehungsmethode bzw. der kulturelle Einfluss der Eltern darstellen. Beispielsweise der Auftrag an Kinder ihren ganzen Teller leeren zu müssen, kann dazu führen das natürliche Sättigungsgefühl negativ zu beeinträchtigen. Dadurch wird das Essverhalten durch das Nahrungsangebot und durch die vorhandene Menge von außen gesteuert. Nicht mehr Hunger und Sättigung regulieren das Essverhalten.27
5.5 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
Adipositas ist eine Krankheit, die mit dem Wohlstand unserer Gesellschaft einhergeht. In Deutschland herrscht ein Nahrungsmittelüberfluss. Verglichen mit anderen Ländern sind die meisten Lebensmittel zudem verhältnismäßig preiswert. Dies begünstigt die Entstehung von Adipositas hierzulande.28
6 Folgen von Adipositas
Mit der Erkrankung Adipositas sind zahlreiche gesundheitliche Risiken verbunden. Zum einen gehen damit psychische Risiken einher, zum anderen können physische Sekundärerkrankungen in Folge der Adipositas entstehen.
6.1 Psychische Folgen von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen
Die sozialen Belastungen für erkrankte Jugendliche sind in der heutigen Gesellschaft, in der Aussehen und Schlankheit einen hohen Stellenwert eingenommen, haben sehr hoch. Die Akzeptanz adipöser Kinder und Jugendlicher ist in den letzten Jahren vermehrt zurückgegangen, da häufig davon ausgegangen wird, dass es den Erkrankten lediglich an Willensstärke mangelt.29
Durch das Erfahren von Hänseleien durch andere Heranwachsende wird das Selbstwertgefühl Betroffener nachweislich gesenkt, was die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen beeinflusst. Insbesondere Mädchen nehmen sich diese Diskriminierungen besonders stark zu Herzen, was nachweislich negative Auswirkungen auf das spätere Leben im Bereich des künftigen Arbeitsplatzes oder der Partnerschaft hat.30
Adipöse Kinder und Jugendliche leiden unteranderem durch die Hänseleien vermehrt an Angstzuständen und Depressionen. Außerdem weisen diese häufiger Streitigkeiten mit anderen Gleichaltrigen auf, was adipöse Kinder zu sozialen Randgruppen degradiert.31 Adipositas führt zur Distanzierung aus dem sozialen Leben, da die Beweglichkeit durch das erhöhte Körpervolumen eingeschränkt ist. Verschiedene Alltagsaktivitäten wie Laufen, Sport oder Treppensteigen kann für Erkrankte sehr anstrengend sein und führt zu einer Reduktion dieser Aktivitäten mit Gleichaltrigen. Dadurch werden Betroffene von der Gesellschaft teilweise ausgeschlossen.32
[...]
1 Vgl. Abarca-Gómez / Abdeen / Abdul-Hamid, Worldwide trends in body-mass index, underweight, overweight, and obesity from 1975 to 2016: a pooled analysis of 2416 population-based measurement studies in 128,9 million children, adolescents, and adults, in: The Lancet, 2627 - 2632.
2 Vgl. Brettschneider / Damerow / Schaffrath, Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends, in: Journal of Health Monitoring, 18.
3 Vgl. Ali / De Bock / Sonntag, Langfristige gesellschaftliche Kosten von heutigem Übergewicht und Adipositas im Jugendalter und Präventionspotenziale in Deutschland, in: Adipositas – Ursachen, Folgeerkrankungen, Therapie, 12.
4 Vgl. Mazzeo / Simpson, Skinny is not enough: a content analysis of Fitspiration on Pinterest, in: Health communication, 562.
5 Vgl. Petermann / Warschburger, Adipositas, 1.
6 Vgl. Herpertz / Zipfel / Zwaan, Handbuch Essstörungen und Adipositas, 251.
7 Vgl. Petermann / Warschburger, Adipositas, 1.
8 Vgl. Laessle / Lehrke, Adipositas im Kindes- und Jugendalter, 3.
9 Vgl. Dordel / Graf / Reinehr, Bewegungsmangel und Fehlernährung bei Kindern und Jugendlichen, 3.
10 Vgl. Herpertz / Zipfel / Zwaan, Handbuch Essstörungen und Adipositas, 251.
11 Vgl. Brettschneider / Damerow / Schaffrath, Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends, in: Journal of Health Monitoring, 18.
12 Vgl. Petermann / Warschburger, Adipositas, 4.
13 Vgl. Abarca-Gómez / Abdeen / Abdul-Hamid, Worldwide trends in body-mass index, 2627.
14 Vgl. Laessle / Lehrke, Adipositas im Kindes- und Jugendalter, 7.
15 Vgl. Momm-Zach, Adipositas – Der Leidensweg der dicken Kinder, 26 - 28.
16 Vgl. Herpertz / Zipfel / Zwaan, Handbuch Essstörungen und Adipositas, 246 - 247.
17 Vgl. Laessle / Lehrke, Adipositas im Kindes- und Jugendalter, 13.
18 Vgl. Herpertz / Zipfel / Zwaan, Handbuch Essstörungen und Adipositas, 247.
19 Vgl. Dordel / Graf / Reinehr, Bewegungsmangel und Fehlernährung bei Kindern und Jugendlichen, 67.
20 Vgl. Herpertz / Zipfel / Zwaan, Handbuch Essstörungen und Adipositas, 247 - 249.
21 Vgl. Herpertz / Zipfel / Zwaan, Handbuch Essstörungen und Adipositas, 249.
22 Vgl. ebd.
23 Vgl. Laessle / Lehrke, Adipositas im Kindes- und Jugendalter, 19 - 20.
24 Vgl. Herpertz / Zipfel / Zwaan, Handbuch Essstörungen und Adipositas, 250.
25 Vgl. Petermann / Warschburger, Adipositas, 21.
26 Vgl. ebd., 20 - 21.
27 Vgl. Beneke / Vogel, Übergewicht und Adipositas, 14.
28 Vgl. Petermann / Warschburger, Adipositas, 22.
29 Vgl. Laessle / Lehrke, Adipositas im Kindes- und Jugendalter, 10.
30 Vgl. Herpertz / Zipfel / Zwaan, Handbuch Essstörungen und Adipositas, 292.
31 Vgl. Petermann / Warschburger, Adipositas,7.
32 Vgl. Wirth, Adipositas, 51.
- Quote paper
- Annalena Keller (Author), 2019, Adipositas und Bewegung bei Kindern und Jugendlichen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/470644
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