Diese Hausarbeit befasst sich mit der Thematik, ob Männer und Frauen Schmerzen unterschiedlich empfinden. Es wird näher auf verschiedene Arten von Schmerz eingegangen, wie z.B. auf mechanischen oder thermischen Schmerz. Weiterhin wird auch die Geschlechterrolle und die Angst vor Schmerzen mit berücksichtigt bei der Frage nach einem unterschiedlichen Schmerzempfinden zwischen biologischen Männern und biologischen Frauen.
1. Einleitung:
Eine Umfrage des Robert-Koch-Instituts von 1998 zum Thema Schmerz stellt dar, dass über 90 Prozent der Befragten in den letzten 12 Monaten vor der Befragung Schmerzen erfahren haben (Icenhour, Elsenbruch & Benson, 2015). Dies verdeutlicht, dass Schmerz ein sehr verbreitetes und wichtiges Thema ist.
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Frage, ob es geschlechtsspezifische Unterschiede im Schmerzempfinden und der Schmerzbewertung zwischen einer biologischen Frau und einem biologischen Mann gibt.
Erst vor ca. 30 Jahren ist die Frage nach Geschlechtsunterschieden bei Schmerzen „Gegenstand systematischer, wissenschaftlicher Untersuchungen geworden“ (Icenhour et al., 2015, S. 22). In der Forschung wird nicht nur die biologisch-geschlechtliche Komponente berücksichtigt, sondern auch die psychologische sowie die soziale Komponente (Icenhour et al., 2015). Dies lässt erkennen, dass mögliche Geschlechtsunterschiede im Schmerzempfinden nicht nur auf biologischen Faktoren des Geschlechts basieren könnten, sondern ihre Ursache auch in der Psychologie wie auch der Soziologie des Individuums zu finden sein könnten.
2. Methodik:
Um die Frage nach Geschlechtsunterschieden im Schmerzempfinden näher zu erforschen wurde eine Literaturrecherche auf livivo.de wie auch auf google-scholar.de mit den Suchbegriffen „Pain“, „Gender“, „Schmerz“, „Geschlecht“, „Unterschiede“ und „Differences“ durchgeführt. Die Suche wurde weiter in online frei verfügbare Literatur unterteilt und es wurde sich auf den Bereich der Medizin und Gesundheit konzentriert. Dann wurden die speziellen Datenquellen ETHMED, HECLINET, Katalog der NLM, Katalog ZB MED, MEDLINE, PSYNDEX und SOMED auf livivo.de ausgewählt, um eine detaillierte Suche aus dem Raum des Gesundheitswesens zu erhalten.
Es fanden sich vier passende Studien zur möglichen Beantwortung der Frage.
Die erste Studie heißt “The effects of sex and gender role on responses to pressure pain” von Kröner-Herwig, Gaßmann, Tromsdorf und Zahrend und stammt aus dem Jahre 2012. In dieser Studie gehen die Autoren der Frage nach, ob und wie die Geschlechterrolle wie auch das biologische Geschlecht selbst die Schmerzwahrnehmung beeinflusse. Dazu wurde ein Kraftmessgerät mit einer Gummispitze an die Innenseite des Unterarms jedes Probanden angebracht und mit einer kontinuierlichen Geschwindigkeit so gleichmäßig wie möglich gegen den Unterarm gepresst. Zur Ermittlung der Schmerzensgrenze wurde die Stärke des Drucks, der durch das Kraftmessgerät ausgeübt wurde, um 1 kg/s, angefangen bei 0 kg, erhöht und die Probanden sollten per verbalen Ausdrucks die erreichte Schmerzensgrenze signalisieren. In der Studie fanden Kröner-Herwig et al. heraus, dass die Geschlechterrolle das Schmerzempfinden eines Individuums nicht beeinflusse, dafür aber die Angst vor Schmerzen eine wichtige Rolle in der Schmerzempfindung spiele (Kröner-Herwig et al., 2012).
Die zweite gefundene Studie von Averbeck, Seitz, Kolb und Kutz heißt „Sex differences in thermal detection and thermal pain threshold and the thermal grill illusion: a psychophysical study in young volunteers.” und erschien 2017. Sie befasst sich mit der Frage, ob es Geschlechtsunterschiede in der Wärme- und Kälteerkennung und der thermalen Schmerzensgrenze bei Männern und Frauen gebe. Zur Erforschung der Wärme- und Kälteerkennung der Probanden befestigten die Testleiter eine Thermode an der Innenseite des Unterarms, nahe des Handgelenks, welche eine Temperaturbreite von 20 bis 40 °C umfasste. Die Probanden sollten einen Knopf drücken, wenn sie eine Temperaturveränderung wahrgenommen haben, sich die Richtung der Temperaturveränderung verändert hat oder die Temperatur zur Basistemperatur zurückgekehrt ist (Kröner-Herwig et al., 2012).
Um die Kälte- und Hitzeschmerzensgrenzen zu ermitteln, wurde eine Thermode am Daumenballen des Probanden befestigt und von der Basistemperatur 32 Grad Celsius aus erhitzt oder abgekühlt. Die Probanden sollten erneut einen Knopf drücken, wenn sie eine unangenehme oder schmerzhafte Hitze bzw. Kälte wahrgenommen haben (Kröner-Herwig et al., 2012).
Die Ergebnisse der Studie legen dar, dass Frauen Wärme- und Kälteveränderungen schneller wahrnehmen als Männer und dass Frauen außerdem eine niedrigere Hitzeschmerzensschwelle haben als Männer (Averbeck, Seitz, Kolb & Kutz, 2017). Zudem haben Frauen nach Averbeck et al. eine höhere Kälteschmerzensschwelle als Männer, sie empfinden Kälte im Vergleich zu Männern also schneller als schmerzhaft.
In der dritten Studie „Fear of Severe Pain Mediates Sex Differences in Pain Sensitivity Responses to Thermal Stimuli.”, welche 2014 veröffentlicht wurde, gehen die Autoren Horn, Alappattu, Gay und Bishop der Frage nach, ob es eine Beziehung zwischen dem biologischen Geschlecht, der Angst vor Schmerzen bei thermalen Stimuli und der Schmerzsensibilität gebe. Dazu führten die Testleiter dem sitzenden Probanden einen Hitzestimuli an der Wade unterhalb der Kniekehle zu (Horn, Alappattu, Gay & Bishop, 2014). Die Testleiter begannen mit der Basistemperatur von 32 Grad Celsius und steigerten dann die Temperatur um 0,5 °C pro Sekunde, bis der Proband verbal einen Schmerz signalisierte (Horn et al., 2014).
Die Probanden füllten vor Beginn der Applikation der Hitzestimuli einen „fear of pain questionnaire (FPQ-III)“ (Horn et al., 2014, S. 1) aus, aus dem hervorging, dass Frauen eine höhere Angst vor heftigen Schmerzen haben als Männer (Horn, Alappattu, Gay & Bishop, 2014).
Horn et al. kamen zu dem Ergebnis, dass Frauen eine niedrigere Schmerzensschwelle bei thermalen Stimuli aufweisen, eine höhere Schmerzbewertung aufzeigen und eine höhere Schmerzsensivität im Vergleich zu den Männern besitzen (Horn, Alappattu, Gay & Bishop, 2014).
In der letzten Studie “Pupillometry: The Influence of Gender and Anxiety on the Pain Response.” von Bertrand A., Garcia, Viera, Santos und Bertrand R., aus dem Jahre 2013, wurde die Schmerzreaktion der Probanden durch Pupillometrie gemessen und es wurden die Einflussfaktoren Gender und Angst in Bezug zur Schmerzreaktion gesetzt.
Bertrand et al. wählten die Pupillometrie zur Messung der Pupillendilatation und dem daraus resultierenden Durchmesser der Pupille in Millimetern während eines zugeführten Schmerzreizes, da die Pupille als Reaktion auf Schmerz geschlechtsunabhängig dilatiere (Bertrand, A., Garcia, Viera, Santos & Bertrand, R., 2013).
Die Probanden wurden anhand der Faktoren Alter, BMI und Angstlevel, gemessen durch den Beck Anxiety Inventory Test, in mehrere Gruppen eingeteilt. Dann wurden sie dem Pupillometrietest unterzogen, in dem sie Kinn und Kopf auf dem Retinographen platzierten, welcher dann die Dilatation der Pupille während des Schmerzreizes messen sollte (Bertrand et al., 2013). Der Schmerzreiz wurde in Form eines Druckstimulus auf den mittleren Phalanx der dorsalen Seite des rechten Mittelfingers mit einer kontrollierten Standardintensität ausgeübt und dauerte 20 Sekunden an. Die Testleiter überprüften den Pupillendurchmesser in drei Abschnitten. Einmal im Zeitraum vor Beginn des Schmerzreizes, welcher 40 Sekunden andauerte, dann im Zeitraum des externen Schmerzreizes, welcher 20 Sekunden andauerte und zuletzt im Zeitraum nach der Entfernung des externen Schmerzreizes für 40 Sekunden (Bertrand et al., 2013).
Bertrand et al. stellten fest, dass der Pupillendurchmesser während des Schmerzreizes geschlechts- und angstunabhängig anstieg. Zudem stellten sie fest, dass Männer und Frauen mit normaler bis starker Angst vor Schmerzen eine größere Pupillendilatation aufwiesen als Männer und Frauen mit milder oder keiner Angst (Bertrand et al., 2013).
Aus ihren Ergebnissen folgerten sie, dass nicht das Geschlecht der beeinflussende Faktor für das Schmerzempfinden sei, sondern die Angst vor Schmerzen mit dem Schmerzempfinden korreliere (Bertrand et al., 2013).
3. Ergebnisse:
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Studien miteinander verglichen und auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten eingegangen, um die Frage nach den Geschlechtsunterschieden im Schmerzempfinden genauer zu beantworten.
Alle vier Studien befassen sich mit dem Thema Schmerz und den Unterschieden in der Empfindung der Schmerzen zwischen den biologischen Geschlechtern Mann und Frau. Dabei gehen Kröner-Herwig et al. und Bertrand et al. explizit auf die Empfindung von Schmerzen bei der Applikation von Druckschmerz ein, wohingegen sich Averbeck et al. und Horn et al. in ihren Studien mit der Schmerzempfindung bei thermalen Schmerzen auseinandergesetzt haben.
Im weiteren Verlauf werden die Hauptaspekte „Schmerzbewertung, Schmerzempfinden und Schmerzwellen“, „Geschlechterrolle“ und „Angst vor Schmerzen“ in Bezug auf die vorliegenden vier Studien und die Forschungsfrage näher dargestellt und erarbeitet.
3.1: Schmerzbewertung, Schmerzempfinden und Schmerzschwellen
Die Forschungsteams um Averbeck et al., Kröner-Herwig et al. und Horn et al. wählten alle die Methode der „Numeric Rating Scale“ zur Bewertung der empfundenen Schmerzintensitäten. Hierbei sollten die Probanden die subjektiv empfundene Schmerzintensität verbalisieren, in dem sie ihre Schmerzen auf einer Skala von 0 bis 100 einordnen, wobei 0 für „kein Schmerz“ steht und 100 für „schlimmster Schmerz“ (Averbeck et al., 2017; Horn et al., 2014). Die „Numeric Rating Scale“ von Kröner-Herwig et al. war eine 11-Punkt-Skala, bei der 0 für „keine Schmerzen, nicht unangenehm“ steht und 10 für „größten vorstellbaren Schmerz, extrem unangenehm“.
Averbeck et al. und Kröner-Herwig et al. fanden in ihren Studien heraus, dass Frauen den zugeführten Schmerzreiz im Vergleich zu den Männern als unangenehmer empfanden.
Die wahrgenommene Schmerzintensität unterschied sich jedoch in den beiden Studien. Die weiblichen Probanden wiesen eine höhere Schmerzintensität in Bezug auf den Druckschmerz auf als Männer (Kröner-Herwig et al., 2012), bei der thermalen Reizapplikation zeigten sich jedoch keine Unterschiede in der Empfindung der Schmerzintensität (Averbeck et al., 2017).
Bertrand et al. fanden heraus, dass die Dilatation der Pupille ein objektiver Marker für Schmerzen bei Männern und Frauen sei, konnten jedoch bei der Applikation des Druckschmerzreizes keine signifikanten Dilatationsunterschiede der Pupille zwischen Männern und Frauen feststellen (Bertrand et al., 2013). Daraus folgerten sie, dass das Geschlecht die Schmerzempfindung nicht beeinflusse (Bertrand et al., 2013).
Averbeck et al. und Horn et al. erforschten die Geschlechtsunterschiede in der Empfindung von Wärme und Kälte und die damit verbundenen thermalen Schmerzgrenzen. Sie fanden heraus, dass Frauen niedrigere Wärmeerkennungsschwellen aufzeigen als Männer, somit also Wärmeveränderungen schneller wahrnehmen und ebenfalls auch eine niedrigere Kälteerkennungsschwelle besitzen, demnach Kälteveränderungen schneller wahrnehmen (Averbeck et al., 2017).
Zudem zeigten Frauen in beiden Studien niedrigere thermale Schmerzschwellen auf als Männer (Averbeck et al., 2017; Horn et al., 2014). Frauen zeigten eine höhere Kälteschmerzschwelle und eine niedrigere Hitzeschmerzschwelle, empfanden einen Kältereiz wie auch einen Hitzereiz demnach, im Vergleich zu den Männern, schneller als schmerzhaft (Averbeck et al., 2017).
Es kann hier also festgehalten werden, dass Frauen sensibler bei der Temperaturerkennung wie auch der Temperaturschmerzensschwelle sind (Averbeck et al., 2017) und sensibler auf mechanischen Schmerz reagieren (Kröner-Herwig et al., 2012).
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- Arbeit zitieren
- Aaron Fischer (Autor:in), 2019, Geschlechtsspezifische Unterschiede im Schmerzempfinden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/470170
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