Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, Allein ich glaub‘, du hältst nicht viel davon. Die berühmte Gretchenfrage, wie Margarete sie Faust stellt, sie scheint in der westlichen Gesellschaft keine zentrale Rolle mehr zu spielen. Ein Konflikt wie der des jungen Paares in Faust I, mag heute eher eine Ausnahme darstellen. Dies erweckt den Eindruck, das Thema „Religion“ und der Glaube an einen Gott seien aus dem öffentlichen, gesellschaftlichen Austausch weitestgehend verschwunden.
Um die Frage nach der Gottessehnsucht in der westlich-geprägten Welt beantworten zu können, lohnt es sich den Blick auf diese eindrücklichen, popkulturellen Phänomene der letzten Jahre und Jahrzehnte zu wenden. Vor allem die Filmindustrie hatte und hat großen Einfluss darauf, welche Themen in aller Munde sind- je nachdem welcher Blockbuster gerade die Massen bewegt. Außerdem erreicht dieses visuelle Medium heutzutage den quantitativ größten Teil der Bevölkerung. Filmproduktionen der Superlative, mit denen wir es heute zu tun haben, haben großen Einfluss innerhalb der Definitionsmacht einer kulturellen Agenda. Allein innerhalb der Lebenswelt von Jugendlichen nehmen diese eine prominente Stelle ein und bestimmen ferner die Welterfahrung aller Altersgruppen nicht unerheblich.
Inhalt
1. EINLEITUNG
2. DSÄKULARISIERUNG IN DER MODERNEN, WESTLICH-EUROPÄISCHEN GESELLSCHAFT MIT FOKUS AUF DEUTSCHLAND
3. GOTTESSEHNSUCHT ALS PHÄNOMEN IN DER POPKULTUR
3.1 Der archetypische Heros in Fantasy
3.2 Fantasy Film als Genre
3.3 Der fantastische Film und die christliche Heilsgeschichte
3.4 Die Eucatastrophe im Fantasy Genre
4. RELIGIÖSE INHALTE DER FILMSERIE HARRY POTTER
4.1 Numerologie25
4.2 Harry Potter- der Messias27
4.2.1 Apokalyptik in Harry Potter
4.2.2 Der Auserwählte
4.2.3 Sinnsuche
4.2.4 Harrys Jünger
4.2.5 Tod- Harry Potter, das Opferlamm
4.2.6 Auferstehung
4.3 Dumbledore- Gott Vater
4.4 Trinität in Harry Potter
4.5 Der epische Kampf seit Anbeginn der Zeit- Gut gegen Böse
4.6 Voldemort- Gegenspieler Gottes
4.7 Judasfiguren in Harry Potter
5. RESÜMEE
6. LITERATUR
1. EINLEITUNG
Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, Allein ich glaub‘, du hältst nicht viel davon1.
Die berühmte Gretchenfrage, wie Margarete sie Faust stellt, sie scheint in der westlichen Gesellschaft keine zentrale Rolle mehr zu spielen. Ein Konflikt wie der des jungen Paares in Faust I, mag heute eher eine Ausnahme darstellen. Dies erweckt den Eindruck, das Thema ÄReligion“ und der Glaube an einen Gott seien aus dem öffentlichen, gesellschaftlichen Austausch weitestgehend verschwunden. Abgesehen von kirchlichen Skandalen, politischen Aussagen zu Themen des öffentlichen Diskurses oder Papstreisen findet die institutionalisierte Religion, zumindest die römischkatholische Kirche, in der Presse kaum Beachtung.
Auch außerhalb der institutionalisierten Religion scheinen Themen, die das Transzendente, Numinose betreffen, größtenteils unwichtig geworden zu sein und kommen wenn dann in marginalisierter Form zum Beispiel in kulturwissenschaftlichem Umfeld in die Zeitungen und auf die Bildschirme. Die Kirche selbst, ich beziehe mich hier fortan auf die römisch-katholische, scheint eher mit sich selbst und den ein oder anderen Querelen beschäftigt, als einen Diskurs über Gott aufleben lassen zu wollen. Außerdem sieht sie die Frage nach Gott, die, so behaupte ich, die Menschen auch heute noch umtreibt, ja schon seit langer Zeit bereits widerspruchsfrei geklärt. Die Menschen bleiben dann mit ihrer Sehnsucht nach Gott, der Frage nach dessen Existenz und der Theodizee-Problematik, zurück. Religion verschwindet dann zunehmend aus der Öffentlichkeit hinein ins Private, ins Verborgene und der Dialog geht verloren.
Der Begriff ÄReligion“ ist schwer zu greifen und eine einzige, gültige Definition lässt sich über ein so weitgreifendes Phänomen schwer setzen. Grundsätzlich versteht man unter Religion eine Mannigfaltigkeit an kulturellen Prozessen, die Spiritualität und den Glauben an eine transzendente Macht umgreifen. Es können zwei Ansätze eines Religionsbegriffs unterschieden werden: Einerseits der substanzialistische und andererseits der funktionalistische Religionsbegriff. Diese Arbeit wird sich mehr dem substanzialistischen Religionsbegriff widmen und somit der Religion als einem Phänomen, welche das Numinose, das Heilige und die Transzendenz zum Gegenstand hat. Der funktionalistische Religionsbegriff ist an dieser Stelle weniger von Bedeutung, da dieser sich mehr mit der soziokulturellen Funktion von Religion auseinandersetzt, wobei bei dieser Untersuchung das Hauptaugenmerk mehr auf der Sehnsucht des Menschen nach dem Transzendenten und der Abzeichnung dieser Sehnsucht in popkulturellen Erscheinungen liegen soll, auch wenn die Lebensrelevanz von Religion nicht außer Acht gelassen wird.
Explizite Religiosität ist etwas Privates geworden oder komplett aus dem Blickfeld der Menschen verschwunden, dies trifft jedoch nicht auf alle Gesellschaften zu. Global gesehen entwickelt sich demgegenüber ein gegenläufiger Trend, etwa in den Vereinigten Staaten, wo Religion und Religiosität eher einen Aufwärtstrend im Gegensatz zum europäischen Abwärtstrend zu erleben scheint. In Deutschland beschäftigt sich dagegen außerhalb des Religionsunterrichts die breite Masse wohl kaum damit, Äwie sie’s mit der Religion haben“- vor allem die junge Generation. Der Diskurs im Alltag über wortwörtlich ÄGott und die Welt“ gehört der Vergangenheit an, so macht es den Eindruck.
Die ÄSchuld“ dieser vermeintlichen Verschiebung der Sache Religion in ein privates Milieu beziehungsweise in die Nichtexistenz kann vielem gegeben werden: Sei es der Aufklärung und ihren Nachwirkungen oder einer immer oberflächlicher werdenden Gesellschaft, die das sich Befassen mit Transzendentem scheut. Auch ein immer schlechter werdendes Image der institutionalisierten Religion, durch Skandale deren Vertreter, einer weltfremden Haltung oder fundamentalistisch-extremistische Strömungen geben der Religion als solche ein negatives Gesicht. Außerhalb des Religionsunterrichts beschäftigt sich die deutsche Jugend nicht mit der Frage nach Gott, viele lehnen einen Glauben an eine höhere Macht ganz ab oder empfinden diesen zumindest als irrelevant für ihre Lebensführung.2
Die Frage aber bleibt, ob die Sehnsucht, die den Menschen trotz allem immer schon umtreibt und beschäftigt; die Sehnsucht, die ihn zum vermeintlichen homo religiosus macht (denn auch hier streiten sich die Gemüter, ob diese Bezeichnung für den Menschen angemessen sei oder nicht), ob diese Gottessehnsucht in der westlichen Moderne nur noch ein Relikt grauer Vorzeit sei.
Dass die Verdrängung der Religion in der Öffentlichkeit eine Äwestlich- europäische Erscheinung“3 ist, scheint sich abzuzeichnen und doch beantwortet dies nicht, ob somit die westliche Gesellschaft als größtenteils Äunreligiös“ oder indifferent gegenüber Religion abzustempeln ist. Professor Andreas Urs Sommer würde dies laut einem Interview, das er mit der Zeit geführt hat, eindeutig bejahen. Er meint Religion als Ganzes, die Sinnfrage und auch die Angst vor dem Tod seien heutzutage irrelevant geworden. Doch stellen die Menschen sich wirklich nicht mehr Ädie großen Fragen“ im Leben, wie etwa ob der Tod ein endgültiges Ende darstellt, ob auf ein Jenseits zu hoffen ist?
Professor Sommer würde ebenda argumentieren, dass die Menschen sich heutzutage eher auf das Hier und Jetzt konzentrieren, solche Themen für sie also nicht mehr signifikant sind. Außerdem ist er der Meinung, eine Gesellschaft ohne Religion kann problemlos funktionieren, wobei ihm beispielsweise Ernst-Wolfgang Böckenförde vehement widersprechen würde, so begründet dieser doch, dass der Äfreiheitliche, säkularisierte Staat […] von Voraussetzungen [lebt], die er selbst nicht garantieren kann“4. Für Böckenförde ist ein säkularisierter Staat, im Gegenteil zu Sommers Annahme, nur noch auf den aktuellen Konsens der Bürger gestützt, Äalte“ christliche Werte aufrecht zu erhalten und so einen friedlichen Umgang miteinander zu garantieren.
Ferner möchte ich widersprechen, dass die Sinnfrage und die Sehnsucht nach Gott im modernen, westlich-europäischen Menschen getilgt sind. Einerseits gibt es inkohärente Umfragen5, die darauf schließen lassen, dass die westliche Gesellschaft nicht so Äunreligiös“ oder gar atheistisch ist, wie man annehmen möchte. Eine Privatisierung der Religion kann ferner das Merkmal einer Gesellschaft sein, welche, anders als in einer Theokratie, den individuelle Glauben oder Unglauben eines jeden Bürgers akzeptieren und respektieren will. Vor allem jedoch lassen einschlagende popkulturelle Phänomene, die Gegenstand dieser Arbeit sind, darauf schließen, dass sich sehr wohl noch Gottessehnsucht und eine Sinnsuche in der westlichen Gesellschaft abzeichnen. Hier lässt sich erahnen, dass die Menschen sich nach wie vor die Seinsfragen stellen, schließlich sind diese Proprium vieler extrem populärer Kulturgüter, egal ob in Buch- oder Filmformat.
Was Statistiken und Umfragen angeht, so sind diese stets kritisch zu betrachten und die Umstände ihrer Erhebung sind immer zu hinterfragen. Überdies werden bei solchen Statistiken nur die Großkirchen miteinbezogen, freikirchliche Organisationen und andere christliche Zusammenschlüsse und Event-Phänomene, etwa amerikanisierte christliche Konferenzen wie die MEHR Veranstaltung, werden hier außer Acht gelassen. Auch popkulturelle Phänomene, die vielleicht nicht auf den ersten Blick als christlich oder religiös im Allgemeinen deklariert werden können, finden hier keine Beachtung. Daher ist es unumgänglich, explizit popkulturelle Phänomene genauer zu betrachten, da sie doch eine bedeutende Masse der Menschen eines Kulturkreises erreichen und bewegen.
Unbestreitbar ist der einschlagende Erfolg und Einfluss einiger Filmreihen, die Kultstatus in der westlichen Welt erreicht haben. Eben diesen Erfolg kritisch auf seinen Ursprung zu hinterfragen und diesen auf seinen religiösen Gehalt, sowohl explizit als auch implizit, zu untersuchen, ist das Ziel dieser Abhandlung.
Um also die Frage nach der Gottessehnsucht in der westlich-geprägten Welt beantworten zu können, lohnt es sich den Blick auf diese eindrücklichen, popkulturellen Phänomene der letzten Jahre und Jahrzehnte zu wenden.
Vor allem die Filmindustrie hatte und hat großen Einfluss darauf, welche Themen in aller Munde sind- je nachdem welcher Blockbuster gerade die Massen bewegt. Außerdem erreicht dieses visuelle Medium heutzutage den quantitativ größten Teil der Bevölkerung. Filmproduktionen der Superlative, mit denen wir es heute zu tun haben, haben großen Einfluss innerhalb der Definitionsmacht einer kulturellen Agenda. Allein innerhalb der Lebenswelt von Jugendlichen nehmen diese eine prominente Stelle ein und bestimmen ferner die Welterfahrung aller Altersgruppen nicht unerheblich.
An dieser Stelle wären vor allem einige Filmreihen der letzten Jahrzehnte zu nennen, die einen bleibenden Eindruck in der westlichen Gesellschaft hinterlassen haben und somit Kultstatus erreicht haben:
Auffällig waren da besonders die Star-Wars-Reihe, die Herr-der-Ringe-Reihe und sowohl in Print als auch kinematographisch, die Harry-Potter-Reihe, welche hier Gegenstand einer kritischen Interpretation ist.
Die drei oben genannten Filmreihen weisen bemerkenswerte Parallelen auf, nicht nur was ihre inhaltliche Zusammensetzung angeht, sondern ebenso was die Begeisterungswellen angeht, die ihre Veröffentlichung ausgelöst hat, wenn auch vor allem die Harry-Potter-Reihe zum Teil harscher Kritik aus vornehmlich konservativen Kreisen ausgesetzt war.
Star Wars begründet die älteste Filmreihe, mit einem Filmdebut des ersten Teils, Krieg der Sterne, im Jahr 1977. Bis heute ist die Euphorie um dieses Filmfranchise nicht abgebrochen, sondern hat eher sogar noch Zuwachs erhalten; Ein Ende der Filmreihe ist selbst im Jahre 2018 noch nicht in Sicht. Zahlreiche kulturelle Phänomene entsprangen den Trilogien, von geflügelten Worten, entstanden aus Filmzitaten, (die gleichermaßen erkannt werden, von Menschen, die keinen der Filme je gesehen haben) zu Fanfiction und zahlreichen Parodien bis hin zur Gründung einer eigenen Religion, des Jediismus. Aber auch sonst begegnet einem das Star-Wars-Motiv von Autowerbung über Kinderbettwäsche, LEGO Spielzeug, Videospiele bis hin zu Taschentüchern an jeder Ecke. Der finanzielle Erfolg der Filme allein war außerordentlich, wobei der erste Film insgesamt $775.398.007 einspielte. Vergleichsweise spielte der aktuellste Film der Reihe, Solo, aus dem Jahr 2018, innerhalb eines Monats $340.867.971 weltweit ein.
Die Adaption der Tolkien Bücher, die Herr der Ringe Film-Trilogie, hatte eine ähnliche Durschlagkraft wie Star Wars. Auch hier findet sich Merchandise in vielen Lebensbereichen wieder, ähnlich wie bei der Star Wars Reihe. Was die Fangemeinde angeht, stehen sich beide in nichts nach: Die Herr der Ringe Enthusiasten sind mindestens genauso passioniert und organisieren sich global über Conventions oder im Internet. Außerdem haben die Filme, der erste Teil wurde 2001 veröffentlicht, den Touristenstrom nach Neuseeland, wo die Filme größtenteils gedreht wurden, verdoppelt.6 Allein der erste Teil der Trilogie, die Gefährten, erwirtschaftete weltweit die stattliche Summe von $871.530.324.
Die Harry Potter Bücher gehören zu den erfolgreichsten Publikationen der Moderne. Vor allem bei der jungen Leserschaft fand die Serie hohen Anklang. Überdies fanden außerdem zahlreiche Erwachsene Gefallen an der Jugendliteratur von Joanne K. Rowling und kauften die Bücher oder stürmten die Kinosäle. Auch die Verfilmung jedes einzelnen Bandes, stand dem Erfolg der Printvorlage in Nichts nach und erreichte sogar noch ein breiteres Publikum, als es bereits die Bücher schafften.
Rowling löste mit ihrem Werk und der darauf folgenden Adaption wahre Begeisterungswellen in der westlichen Gesellschaft aus (wenn man von religiös- konservativen Kritikern absehen möchte) und erschuf dadurch bei den Vollblut-Fans beinahe eine Parallel-Gesellschaft wie sie in ihren Büchern zwischen zauberbegabten und zauberunbegabten Menschen bereits herrscht. Zu Filmvorstellungen wurde sich dann als Lieblingscharakter verkleidet (dieses Phänomen findet sich gleichermaßen bei den beiden anderen genannten Filmreihen) und Speisen und Getränke, die in Hogwarts gerne gesehen sind, wurden ebenfalls nach Buchvorlage zubereitet, um das Filmerlebnis abzurunden. Ansonsten lässt sich bei der Harry Potter Reihe eine ähnlich breite Vermarktung beobachten und auch der wirtschaftliche Erfolg allein der Filme war, wie bei Star Wars und Herr der Ringe, beeindruckend. Dabei spielte der Erste Teil der Reihe, Harry Potter und der Stein der Weisen, einen Umsatz von weltweit $974.755.371 ein, was ihn dadurch zum erfolgreichsten der bereits genannten Kinofilme macht. Dass ausgerechnet die doch eher für ein jüngeres Publikum ausgelegte Harry Potter Filmreihe weltweit den größten Erfolg vorwies, ist bemerkenswert und gibt Anlass ihren Erfolg und zugleich den Erfolg der anderen beiden Filmreihen auf die dahinterliegenden Beweggründe zu erforschen.
Nicht nur gleichen sich diese Blockbuster in ihrer Erzählstruktur, ihrem Genre (alle drei gehören zum Genre der Fantasy, Star Wars zählt zusätzlich zum Genre des Science Fiction) sondern ferner in ihren Protagonisten, die alle eine Art Erlöserfigur darstellen, die sich im epischen Kampf des Guten gegen das Böse behaupten müssen. Thematisch widmen sich diese Reihen allesamt philosophisch-theologisch relevanten Fragen nach Hoffnung, Liebe, Freundschaft und dem Umgang mit dem Tod. Warum genau diese, für die drei Filmserien charakteristischen, Attribute ein so breites Publikum im höchsten Grade emotional anzusprechen vermögen und warum sie damit einen derartigen Kult um sich auslösten, gilt es genauer zu untersuchen.
Harry Potter fand in der Wissenschaft auf Grund der extrem hohen Popularität der Bücher aber auch durch die nicht abzustreitende Polarisierung, die diese Werke vor Allem in den ersten Jahren ihrer Publizierung nach sich zogen, sofort Beachtung. Vor allem der theologische Gehalt der Bände und deren religionspädagogischer Wert wurden in wissenschaftlichen Kreisen heiß diskutiert.
So war man sich unter Theologinnen und Theologen höchst uneins, ob die Bücher von Joanne K. Rowling nun Kinder und Jugendliche zum Okkultismus verführen wollen, ja laut Pater Gabriel Amorth gar ÄWerkzeug des Satans“7 seien, oder ob hier doch eine beabsichtigte oder unbeabsichtigte christliche Botschaft vermittelt würde, die religionspädagogisch durchaus fruchtbar sein könne8.
Die harscheste Kritik an den Werken kam jedoch stets aus konservativen Kreisen, wie etwa von der evangelikalen Kirche in Nordamerika, wo die Bücher mehrfach an Schulen verboten wurden. Auch von deutschsprachiger Seite gab es teilweise verheerende Kritik, etwa seitens der Autorin Gabriele Kuby9 zum Beispiel, die diesbezüglich den damaligen Kardinal Joseph Ratzinger auf ihrer Seite wusste10. Sie sieht Harry Potter als Antwort der Moderne auf deren Gottlosigkeit und verurteilt die Bücher stark, sieht diese als große Gefahr für die Jugend.
Trotz vielseitiger Kritik war die Mehrheit der Stimmen sich dennoch einig, dass die Harry Potter Reihe in Schrift und Bild entweder harmlose Kinder- und Jugend- Unterhaltung oder sogar von theologisch-wertvollem Gehalt seien. Befürworter waren zum Beispiel Peter Fleetwood, damals Mitglied des päpstlichen Kulturrats11, der die Bücher als Hilfe für Kinder sieht, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden.
Der Religionswissenschaftler Massimo Introvigne etwa betrachtet Harry Potter als popkulturelles Phänomen, in Analogie zu etwa Grimms Märchen und popkulturellen Klassikern, wie unter anderem dem Zauberer von Oz, Mary Poppins und vielen anderen, die sich der Sprache der Magie bedienen, um eine positive Botschaft und Werte zu transportieren.12
Diese Arbeit wird sich im Folgenden im Sinne einer Übersicht mit der Frage nach der Gottessehnsucht in der modernen, westlich-europäischen Gesellschaft beschäftigen und ein Augenmerk darauf werfen, wie die Ausprägung des derzeitigen Zeitgeistes aussieht, beispielhaft anhand der Harry-Potter-Reihe.
Danach erörtere ich anhand extraordinärer Phänomene, warum durch diese modernen Erscheinungen, westliche Populärkultur durchaus als Spiegel der modernen Gottessehnsucht betrachtet werden kann.
Schließlich wird der Hauptfokus dieser Arbeit auf der Harry-Potter-Filmreihe liegen, als Beispiel für ein eben solches popkulturelles Phänomen, an dem sich eine moderne Gottessehnsucht ablesen lassen kann. Hierbei werden christliche Implikationen in Rowlings Werken analysiert und mit biblischen Texten verglichen. Die in Harry Potter aufgeworfenen theologischen Themen, wie das dort dargestellte Gottesbild oder die Theodizee-Problematik, werden allerdings auf Grund des Umfangs dieser Arbeit nur peripher Beachtung finden können.
Die Filmserie wird dann auf ihren theologischen Gehalt untersucht, mit einem speziellen Schwerpunkt auf Parallelen zu christlichem Gedankengut, wobei kritisch hinterfragt werden soll, warum gerade diese ausgewählt wurden (intentional oder unterbewusst), welchen Effekt diese auf das Publikum haben und warum im Umkehrschluss der bahnbrechende Erfolg eben dieser Serie auf eine bestehende Gottessehnsucht in den Menschen, auch in einer säkularisierten Moderne schließen lässt. Es soll untersucht werden, in wie fern die Harry-Potter-Reihe als religiöse Parabel ausgelegt werden kann, beachtet werden hierbei auf Grund der Länge dieser Arbeit exemplarisch die eklatantesten christlichen Allegorien, die durch alle Teile der Serie bestand haben. Neben der Semantik der Filme, sollen dann auch lakonisch kinematographische Auffälligkeiten zur Sprache kommen, wie etwa die Darstellung der Figuren, so haben diese schließlich ebenfalls zur positiven Rezeption der Reihe beigetragen und tun das ihre um Inhalte in diesem visuellen Medium zu vermitteln.
2. DIE SÄKULARISIERUNG IN DER MODERNEN, WESTLICH- EUROPÄISCHEN GESELLSCHAFT MIT FOKUS AUF DEUTSCHLAND
Der Begriff ÄSäkularisierung“ leitet sich vom lateinischen Wort Äsaeculum“ ab, was so viel bedeutet wie ÄZeitalter“ oder ÄWeltlichkeit“. Im Allgemeinen wird unter Säkularisierung im deutschen Sprachgebrauch eine Trennung von Staat und Kirche gemeint. In diesem Sinne bedeutet Säkularisierung Äder Entzug oder die Entlassung einer Sache, eines Territoriums oder einer Institution aus kirchlich-geistlicher Observanz und Herrschaft“.13
Diese stufenweise Absplitterung der beiden Instanzen vollzog sich seit dem Mittelalter, unter anderem angestoßen durch die Reformation und die Aufklärung. In Europa fand je nach Land dann eine striktere oder weniger strenge Form der Trennung statt. So ist die Trennung von Staat und Kirche in Frankreich höchst konsequent, wobei in Deutschland in den letzten Monaten eine rückläufige Bewegung etwa in Bayern, wo ein Wunsch nach mehr christlicher Symbolik im öffentlichen Raum aufkam, zu beobachten ist. Ob diese Entwicklung nun zu befürworten ist und aus welchen Gründen diese Richtung eingeschlagen wird, bleibt offen.
Die Hintergründe dieser Trennung von Staat und Kirche, die davor als Einheit fungierten, sind mannigfaltig und eine detaillierte Darstellung würde den Rahmen dieser Arbeit überbeanspruchen, doch seien der Investiturstreit im elften Jahrhundert und die Spaltung der Kirche in die Römisch-katholische Kirche und die Reformierte Kirche, sowie die daraus resultierenden politischen Auseinandersetzungen als treibende Kräfte hinter der Säkularisierung zu nennen. Auch die voranschreitende ÄAuflösung“ der Aufteilung der Welt durch die wahrheitsdiktierende Macht der Kirche, in verschiedene Sphären, die Heilige und die Profane in Ädieser Welt“ und die Äandere Welt“ also die himmlische Sphäre und ein neuer Fokus auf das nun nicht mehr dualistisch betrachtete Diesseits, können als Ursprünge der Säkularisierungstheorie betrachtet werden.
Darüber hinaus kann Säkularisierung als soziologischer Prozess des gesellschaftlichen Wandels betrachtet werden. Das Zentrum der Menschen wird hiernach mehr im Rationalen, als im Übernatürlichen gesetzt und eben im Rationalen suchen diese dann nach Antworten statt diese wie früher im Spirituellen, geistlichen Raum zu suchen. Das Weltverständnis ist somit ein entmystifiziertes, anthropozentrisches Weltverständnis, geschuldet dem Stand der Naturwissenschaften und technologischem Hightech, die die Welt kognitiv erklärbarer machen.
Philosophisch gesehen zeichnet sich die Säkularisierung dann also als die Suche nach Antworten auf die Seinsfragen im Diesseits aus. Wenn wir demnach von diesen drei Aspekten einer säkularisierten, westlich-europäischen Gesellschaft ausgehen wollen, so hat Urs Sommer Recht und die Menschen beziehen sich nun auf das Hier und Jetzt und Gott und jegliche Art der Kontingenz sind redundant geworden. Wenn dies jedoch der Fall ist, so bleibt doch offen, wieso sich so viele Kultklassiker der Moderne genau mit diesen Seinsfragen beschäftigen, sie also trotz oder wie ich argumentieren, gerade wegen dieser Themenwahl so überaus erfolgreich waren und sind.
Aus institutioneller Sicht hat der Begriff der Säkularisierung durchaus eine negative Konnotation: So bedeutet sie, besonders wenn man sie als völlige Profanierung der menschlichen Interessen betrachtet, eine Abkehr von der Institution als solcher und im Endeffekt dann auch irgendwann einen vermeintlichen Verlust derer Daseinsberechtigung. Und doch bleibt strittig, ob eine Säkularisierung der westlich- europäischen Gesellschaft tatsächlich eine Verweltlichung im Sinne einer Gleichgültigkeit gegenüber- oder Ablehnung von Religion bedeutet oder aber ob der Bezug zum Transzendenten nur aus dem sichtbaren Bereich der Öffentlichkeit verschwunden ist, beziehungsweise auf andere Art weiterbesteht als die bisher bekannte, institutionalisiert-geprägte Darstellung von religiösem Interesse.
Am Rande sei hier auch erwähnt, dass argumentiert werden kann, dass im Christentum selbst der Ursprung für die Säkularisierung angelegt sei und man somit aus christlicher Sicht mit einer vorschnellen Verdammung der Säkularisierung und dessen Phänomen vorsichtig sein sollte, beziehungsweise diese nicht direkt als Abkehr vom Göttlichen und der Religion verstehen sollte. So kann in der Offenbarung Christi und der damit einhergehenden kénosis Gottes, die Menschwerdung in Jesus Christus, als Akt angesehen werden, der Diesseits und Jenseits miteinander verbindet.
Der Schwerpunkt, so kann argumentiert werden, wurde so schon durch Jesu Geburt mehr auf das Diesseits gelegt und macht die Säkularisierung, wenn man so möchte, zu einem Teilstück der christlichen Lehre und nicht zu etwas ihr gänzlich Fremdem. Auch die Differenzierung von Welt und Gott, bringt eine Säkularisierung mit sich. Durch die dadurch gegebene Freiheit muss folgend Trennung, also Säkularisierung erfahren werden.
Natürlich muss die Säkularisierung aus christlicher Sicht und vor allem aus christlich-institutionalisierter Sicht auch weiterhin kritisch betrachtet werden, denn die immer höher werdenden Kirchenaustritte bedrohen auf lange Sicht den Bestand und die Legitimierung der römisch-katholischen Kirche. Und doch liegen die Beweggründe für diese Entwicklung wahrscheinlich weniger in der Trennung von Kirche und Staat, also weniger in der so hoch kritisierten Säkularisierungsbewegung, noch zwangsweise in einer Abkehr oder Gleichgültigkeit der Menschen von und an der Sache Religion, als einer immer weiter auseinander wachsenden Welt von Institution und Rezipient. Diese Spaltung zwischen den humanistischen Bedürfnissen und der darauf antwortenden oder eben nicht antwortenden kirchlichen Position sind, meines Erachtens nach, eher als Grund der zahlreichen Austritte anzusehen. Auf Grund der thematischen Ausrichtung dieser Arbeit kann jedoch auf dieses Problem im Weiteren nicht detaillierter eingegangen werden.
Jürgen Habermas argumentiert für eine veränderte Lesart der Säkularisierungsthese anhand der, wie er sie definiert, Äpostsäkularen Gesellschaft“14 in Europa. Der Gegenstand dieser Lesart beschäftigt sich dann mehr mit der zukünftigen Rolle von Religion und den Folgen eines gewissen Bewusstseinswandels in der Gesellschaft, den Habermas auf drei Phänomene zurückführt.
Einerseits nennt er die mediale Präsenz von als religiös wahrgenommenen Konflikten, bis hin zu religiös-fundamentalistisch-motivierten Auseinandersetzungen und die daraus resultierende Rezeption der Gesellschaft, andererseits die politische Rolle der religiösen Institutionen als Interpretationsgemeinschaften und somit als Willens- und Meinungsgebern und zuletzt ein religiöser und kultureller Pluralismus auf Grund von Arbeits- und Flüchtlingsimmigration, die einen Bewusstseinswandel der Gesellschaft in Sachen Religion vorantreiben. Diese von Jürgen Habermas angeführten Phänomene bestimmen unbestrittenermaßen die Schlagzeilen der deutschen Presse. Es lohnt dennoch, sich die aktuellen Zahlen der institutionalisierten Religion in Deutschland genauer anzusehen, so verbildlichen sie zumindest einen vorherrschenden Trend in der Bundesrepublik.
So haben sich die Mitglieder der römisch-katholischen Kirche von 1989 von zweiundvierzig Prozent auf 2016 nunmehr achtundzwanzig Prozent dezimiert, bei der Evangelischen Kirche nennen sich noch knapp zweiundzwanzig Prozent der deutschen Bevölkerung Mitglied der Religionsgemeinschaft.15 Die stetig wachsende Austrittswelle in Deutschland ist kein Geheimnis und hat sich die letzten Jahre und Jahrzehnte bereits abgezeichnet. Dennoch kann behauptet werden, und so argumentiert auch José Casanova, dass ein vermeintlicher Funktionsverlust der Institution (gemessen anhand der Austrittszahlen in Deutschland) und die Individualisierung der Religion nicht zwingend deren Bedeutungsverlust mit sich bringen müssen. Weder in der persönlichen Lebensgestaltung, noch in Politik oder Kultur einer Gesellschaft.16
Erwähnt sei hier am Rande, dass die oben genannten Statistiken sich außerdem nur mit den Großkirchen in Deutschland befassen, darin aber keine Aussage über freikirchliche Gruppierungen oder andere christliche Formationen getroffen werden kann.
Wie es in den Köpfen der Menschen endgültig aussieht, kann keine Statistik oder Umfrage mit wissenschaftlicher Präzision authentisch erheben. Allerdings können diese als Referenz fungieren oder einen groben Überblick anbieten und erfüllen damit eindeutig einen Zweck auch wenn man nie außer Acht lassen sollte, dass diese Erhebungen immer kritisch gelesen werden sollten.
Selbst der eigene Eindruck im Alltag oder des persönlichen Umfeldes mag nicht repräsentativ bezeichnen, wie sich die Allgemeinheit zum Thema Gott und Religion verhält, beziehungsweise ob sie sich dazu überhaupt noch verhält, wenn man Professor Sommers Prognose glauben darf. Und doch bin ich der Meinung, dass vor allem in der Kultur und besonders in der Popkultur, als Reflektion der Gesellschaft, Antworten auf eben diese Frage gefunden werden können.
3. GOTTESSEHNSUCHT ALS PHÄNOMEN IN DER POPKULTUR
Kultursoziologisch kann Religion mit dem Konstrukt der Heimat verknüpft werden. Religion wird dann als Äeine kognitive und normative Struktur [definiert], die es dem Menschen ermöglicht, sich im Universum ‚zuhause‘ zu fühlen“17. Doch mit der Moderne wächst zunehmend ein Gefühl der Heimatlosigkeit; religiöse Institutionen und Dogmen geben keinen sicheren Halt mehr für viele- moderne Phänomene wie Urbanisierung, Pluralisierung und Globalisierung sorgen für immer mehr Anonymität. Gott wird schmerzlich vermisst.
Die Heimatsuche, der Bezug zur Religion hört damit nicht auf, sondern es werden neue Ausdrucksweisen für Religion geschaffen, wie sie beispielsweise in der Popkultur zu finden sind. Bedient wird sich dann am religiösen Fundus der Tradition. Ich beziehe mich in dieser Arbeit auf die westlich-europäische Gesellschaft, welche weitestgehend christlich geprägt ist. Wenn ich also behaupte, dass die Popkultur einen Spiegel bietet, um die moderne Gottessehnsucht der Menschen abzulesen, so ist diese Sehnsucht vielfach unter anderem anhand christlicher Analogien zu erkennen. Auf diese Analogien wird in der Harry-Potter- Analyse dann ein besonderer Fokus gelegt werden.
Die Menschen sehnen sich seit Menschengedenken nach Gott. Das ist nichts, was statistisch präzise in Zahlen und Trends erhoben werden könnte, wie etwa die Einwohnerzahl eines Staates oder die politische Gesinnung seiner Einwohner. Wohl aber zeigt sich diese Sehnsucht, wie alles andere, was die Menschen eines bestimmten Kulturkreises emotional umtreibt, in ihrer bildenden Kunst, ihrer Literatur, zuweilen in der Politik aber am deutlichsten sichtbar für den aufmerksamen Betrachter, in ihrer Populärkultur.
Wenn, wie von der säkularisierten Gesellschaft erwartet, der Wille zu Glauben bei den Menschen immer mehr abnimmt, so ist der Wille zu hoffen doch immer noch tief in den Menschen verankert und dies lässt sich anhand beliebter kultureller Produkte ablesen, wie ich meine.
Diese Populärkultur spricht, wie der Name schon sagt, den größten Teil der Bevölkerung an und genießt bei ihr Beliebtheit. Hier voran seien Filme genannt, da sie auch ein eher lesescheues Publikum erreichen oder eines, welches nicht unbedingt politisch interessiert oder affin für die bildenden Künste ist. Die Filmindustrie zusammen mit der Musikbranche, die an dieser Stelle nicht untersucht werden soll, erreicht den größten Teil einer westlich geprägten Gesellschaft und zeichnet sich so als ernstzunehmender Spiegel eben dieser aus.
Religion und die Sehnsucht nach dem, was wir Gott nennen, entsteht nie in einem Vakuum, da auch die Menschen, die deren Ursprung sind, nicht in einem Vakuum existieren. So ist jeder religiöse Diskurs immer zwingend vom Kontext des Individuums und dessen Kultur geprägt und eingefärbt.
Gleich verhält es sich mit popkulturellen Phänomenen. Auch diese sind geprägt von ihrem kulturellen Kontext und spiegeln gleichzeitig die Gegenwart dieser Kultur, so wie sie jetzt gerade ist, beziehungsweise was diese gerade thematisch betrifft, wieder. Somit argumentiere ich, dass selbst wenn sie nicht immer unmittelbar greifbar ist, Religion in der Popkultur der westlich-europäischen Gesellschaften, speziell in großen Teilen Europas und der USA, eine wichtige Rolle spielt und vor allem, dem christlichen Erbe geschuldet, die christliche Religion hier eine Spiegelung erfährt. Diese Spiegelung ist für mich ein Hinweis, dass trotz der gescholtenen Anzeichen der gedrohten Säkularisierung, die (christliche) Religion immer noch sehr im Interessengebiet der meisten Menschen, wenn auch unterbewusst, liegt und dass eine Gottessehnsucht nach wie vor die Mehrheit bewegt.
Selbst wenn in vielen der erfolgreichsten Filmreihen der Moderne, Gott nicht explizit genannt wird und religiöse, oftmals christliche Elemente auf den ersten Blick vielleicht nicht zu erkennen sind, so sind diese bei genauerer Betrachtung in vielerlei Details aufzufinden. Damit machen diese religiösen Elemente einen Großteil der Gemeinsamkeiten unter den bahnbrechendsten Erfolgen, die hier bereits Erwähnung gefunden haben, aus: Nämlich die auffälligen Ähnlichkeiten des Plots in Herr der Ringe, Star Wars und Harry Potter.
Erheblich sind Parallelen in der Handlung der genannten Blockbuster im Muster ihrer Handlungsstränge. Die Protagonisten aller drei Filmreihen, exemplarisch Frodo Beutlin, Luke Skywalker und Harry Potter, passen alle in das Heldenschema von Joseph Campbell, nach seinem Werk Der Heros in tausend Gestalten. Die Biografien aller drei Helden, vor allem die von Harry und Luke, weisen zahlreiche Übereinstimmungen auf.
3.1 Der archetypische Heros in Fantasy
Der typische Held (in allen drei Filmreihen handelt es sich um maskuline Heldenfiguren, ich benutze also fortan die maskuline Form) in Narrativen wächst nach Campbell unter kuriosen Umständen auf, wobei dessen Zeugung oft schon von besonderen Umständen begleitet wird. Man denke hier etwa an das antike Heldenepos um die Figur des Herkules. Das Umfeld des heranwachsenden Helden ist oft von Extremen geprägt, also entweder sehr behütet, fast schon Äheilig“ bis hin zu extrem verderbt und widrig. Campbell formuliert den Archetypischen Heros wie folgt:
Der Heros, wie er im zusammengesetzten Monomythos erscheint, ist eine Gestalt von außergewöhnlichen Gaben. Oft wird er von seiner Gruppe geehrt, oft mißachtet oder verachtet. Er und die Welt […] kranken an einem symbolischen Defekt.18
Im Jugendalter muss der Held sich seinem Schicksal stellen und den Aufbruch in ein neues Leben wagen. Einerseits wird er damit zur Symbolfigur eines jeden Heranwachsenden auf dem Weg ins Erwachsenendasein, andererseits steht er aber auch exemplarisch für jede Art von Neuanfang. Jeder Aufbruch bedeutet gleichermaßen einen Schritt ins Ungewisse, womit der junge Held hadert und in Zweifeln über seinen Weg versinkt. Der Held akzeptiert schließlich jedoch seine Berufung, akzeptiert den Ruf seines Schicksals und bricht auf. Dabei verlässt er oft seine Heimat und zieht fort in ein fremdes Land. Harry Potter zieht dazu fort aus dem kleinen Örtchen Little Whingin, in die Zauberschule Hogwarts; Luke Skywalker verlässt seinen Heimatplaneten Tatooine und Frodo Beutlin verlässt das Auenland und tritt eine Reise quer durch Mittelerde an.
Im zweiten Akt des Heldenlebens zeigen sich dann der oder die Widersacher des Helden. Im Angesicht seines Antagonisten erlangt der Held eine tiefere Einsicht über sich selbst, gewinnt dadurch an Reife und Komplexität und lässt sein jugendliches Selbst Stück für Stück hinter sich. Oft ist der Gegenspieler des Helden sein dunkles Gegenstück, welchen er besiegen muss um den Selbstwerdungsprozess vollends abzuschließen (und oft auch um die Welt zu retten). Hier muss sich der Held einem Kampf auf Leben und Tod stellen, der ihn an die Grenzen seines Menschseins drängt.
[...]
1 Von Goethe, Johann Wolfgang. Faust: Eine Tragödie. Erster Thei.. Hermann Passarge 1841, S. 165.
2 Werner Schulz. Humanistischer Pressedienst. „Jugend und Religion. Ergebnisse der 17. Shell Jugendstudie“. 15. Juni 2016. https://hpd.de/artikel/ergebnisse-17-shell-jugendstudie-13207. Stand: 20.06.2018
3 Johanna Hag. Zeit Campus. „JUNG UND GOTT. Atheismus: Eine Gesellschaft aus Atheisten könnte perfekt funktionieren“. 19. August 2017. https://www.zeit.de/campus/2017-08/atheismus-religion-werte- philosoph-andreas-urs-sommer-jung-und-gott. Stand: 20.06.2018.
4 Böckenförde, Ernst-Wolfgang. Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit. Frankfurt a. M. 2006, S. 92.
5 Frankfurter Allgemeine. „JUGEND UND RELIGION. Und sie glauben doch“. 10. Juli 2008. http://www.faz.net/aktuell/politik/jugend-und-religion-und-sie-glauben-doch-1667579.html. Stand: 20.06.2018.
6 Carol Pinchefsky. Forbes. ÄThe Impact (Economic and Otherwise) of Lord of the Rings/The Hobbit on New Zealand“. 14. Dezember 2012. https://www.forbes.com/sites/carolpinchefsky/2012/12/14/the- impact-economic-and-otherwise-of-lord-of-the-ringsthe-hobbit-on-new-zealand/#7fe873ce31b6. Stand: 20.06.2018.
7 Kath.net. ÄRömischer Exorzist warnt erneut vor Harry Potter“. 03. März 2006. http://www.kath.net/news/13003. Stand: 20.06.2018.
8 Cornelius, Corinna. Harry Potter-geretteter Retter im Kampf gegen dunkle Mächte?: religionspädagogischer Blick auf religiöse Implikationen, archaisch-mythologische Motive und supranaturale Elemente. Vol. 8. LIT Verlag Münster, 2003.
9 Kuby, Gabriele. Harry Potter-gut oder böse. Schwerpunkt: Band V. Kisslegg: Fe-Medienverlags GmbH, 2003.
10 Frankfurter Allgemeine. ÄKardinal Ratzinger warnt vor Harry Potter“. 10. November 2003. http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/literatur-kardinal-ratzinger-warnt-vor-harry-potter-1104104.html. Stand: 20.06.2018.
11 The Guardian. ÄCatholic church stands up for Harry Potter“. 04. Februar 2003. https://www.theguardian.com/film/2003/feb/04/harrypotter.harrypotter. Stand : 20.06.2018.
12 Zenit. "Im Lager der Harry Potter-Gegner bahnt sich Fundamentalismus an, sagt Experte für neue Religionen - Interview mit Massimo Introvigne". 06. Dezember 2001. http://www.cesnur.org/2001/potter/dec_09.htm. Stand: 20.06.2018.
13 Kunz, H. Hermann Lübbe: Säkularisierung. Geschichte eines ideenpolitischen Begriffs. Freiburg, 1965,
S. 23.
14 Habermas, Jürgen. Glauben und Wissen: Rede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2001. Suhrkamp Verlag, 2016.
15 Statista: das Statistik-Portal. 2016. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1229/umfrage/anzahl- der-mitglieder-der-evangelischen-kirche-seit-2003/. Stand: 29.06.2018.
16 Casanova, José. Public religions in the modern world. University of Chicago Press, 2011.
17 Berger, Peter L., Brigitte Berger, Kellner, Hansfried. Das Unbehagen in der Modernität. CampusVerlag, 1987, S. 72.
18 Campbell, Joseph. Der Heros in tausend Gestalten. S. Fischer Verlag, 1953, S. 41.
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