In dieser Forschungsarbeit werden die hemmenden Faktoren der Sprachrezeption und Sprachproduktion beim Lernenden im DaF-Unterricht untersucht. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Rolle und die Bedeutung der Motivation als individueller Faktor für den Fremdsprachenlernprozess und Fremdsprachenlernerfolg im DaF-Unterricht und deren Hemmungsmöglichkeiten durch unterrichtliche Faktoren. Dabei wird auch der Zusammenhang zwischen Motivation einerseits, Interessen und Motiven des Lernenden andererseits als wichtiger Faktor für Fremdsprachenlernerfolg fokussiert. Die Motivation lässt sich wiederum von verschiedenen Faktoren beeinflussen. Die Entstehung, Schwäche und Stärke der Motivation lassen sich unter anderem von der Lernsituation also von der Unterrichtsmethode und der Herangehensweise wie man den Kurs gestaltet und ob man im Unterricht die Interessen und Motive der Lernenden durch Kursaktivitäten anspricht, sodass die Konzentration und die Ansatzbereitschaft bei dem Lernenden abgerufen werden, stark manipulieren. Daher ist es relevant und von großer Bedeutung, dass man auf die Unterrichtsgestaltung und deren Prinzipien im DaF-Unterricht eingeht und deren Einfluss auf individuelle Faktoren am Beispiel von Motivation der Lernenden und Sprechangst überprüft.
Der Anlass für diese Forschungsarbeit rührt aus beabsichtigten Beobachtungen und Bemerkungen, die ich in der Schulpraxis gemacht habe. Ich habe zuerst im Allgemeinen gemerkt, dass Motivation der Schüler von den Unterrichtsfaktoren stark beeinflusst werden kann. Ich bin in der Praxis darauf gekommen, als ich zum ersten Mal im Jahr 2003, den DaF- Studenten an der Universität Algier, die Wahl gegeben habe, selbst und freiwillig die Lerninhalte auszusuchen, und sich selbst in Gruppen zu teilen, nachdem sie selbst für diese Sozialform "Gruppenarbeit" entschieden haben. Am Ende haben wir jedes einzelne von den Gruppen bearbeitete Thema zusammen besprochen. Ich habe gemerkt, dass alle Studenten - auch die, die meistens wenig im Unterricht aktiv waren - sehr motiviert am Unterricht teilnahmen und tüchtig in der Gruppe zusammenarbeiteten. Gleichzeitig habe ich anhand eigener Erfahrungen und Beobachtungen feststellen können, dass die DaF-Lernenden im Unterricht vorwiegend Schwierigkeiten haben, Deutsch anzuwenden. Meistens kommen Deutschlernende am Ende deren Ausbildung mit mehr oder weniger großer Menge an Informationen über die Fremdsprache Deutsch (Grammatik, Linguistik, Wortschatz).
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
1.1 Einleitung
1.2 Forschungsstand der individuellen Faktoren des Lerners im Fremdsprachenunterricht
2 Theoretische Hintergrundkenntnisse: Lernen in einflussreichen Lerntheorien
2.1 Lernen in der behavioristischen Lerntheorie
2.1.1 Rolle des Lehrers
2.1.2 Lernprozess
2.1.3 Kritik
2.2 Lernen in der kognitivistischen Lerntheorie
2.2.1 Rolle des Lehrers
2.2.2 Lernprozess
2.2.3 Kritik
2.3 Lernen in der konstruktivistischen Lerntheorie
2.3.1 Zum Begriff Konstruktion
2.3.2 Int erdisziplinarität als neues Forschungsfundament
2.3.3 Grundannahmen und Prinzipien des Konstruktivismus
2.3.4 Lernprozess
2.3.4.1 Authentizität des Lernens
2.3.4.2 Erläuterung des Begriffs Viabilität
2.3.4.3 Erläuterung des Begriffs Konsensualität
2.3.5 Rolle des Lehrers
2.3.6 Kritik
2.4 Lerntheorien im Vergleich
3 Fremdsprachenlernen: neue Wege
3.1 Fremdsprachenlernen oder Fremdsprachenerwerben
3.2 Lernersprache ist lernerautonom
3.3 Ganzheitliches und lernerautonomes Fremdsprachenlernen
3.3.1 Lernerautonomie im Fremdsprachenlernen
3.3.2 Autonomie und Ganzheitlichkeit des Fremdsprachenlerners
3.3.3 Lernerautonomie und ganzheitliche Fremdsprachenunterrichtsaktivitäten
3.3.4 Ganzheitlichkeit der Fremdsprachenforschung
3.4 Kognition und Affektion: dichotomisch oder komplementär?
4 Motivation als individueller Faktor beim Fremdsprachenlernen
4.1 Zur Begriffsbestimmung der Motivation
4.2 Motivation und Motive
4.2.1 Allgemeine Motive
4.2.2 Entstehung der Motivation
4.2.3 Motivation und Motive in Fremdsprachenforschung
4.2.4 Relevante Motive für das Fremdsprachenlernen
4.3 Motivationsarten
4.3.1 Instrumentelle und integrative Motivation
4.3.2 Intrinsische und extrinsische Motivation
4.4 Zur Rolle der Motivation im Fremdsprachenlernen
4.4.1 Motivation und Lernerfolg
4.4.1.1 Kausal- und Resultativhypothese
4.4.1.2 Internale und externale Lokation
4.4.2 Motivation und Lernerautonomie
4.5 Motivationsförderung im Fremdsprachenunterricht
4.5.1 Motivierungstechniken des Fremdsprachenlernenden
4.5.2 Förderung der intrinsischen und extrinsischen Motivation
4.6 Einfluss der Motivationsänderung auf das Fremdsprachenlernen
4.6.1 Amotivationsmöglichkeiten im Unterricht
4.6.2 Demotivationsmöglichkeiten im Unterricht
4.6.3 Einfluss von Selbstkonzept auf Motivation im Unterricht
5 Motivation und Sprechangst.
5.1 Angst als erweiterte Stressreaktion
5.2 Sprechangst
5.3 Angst und Ängstlichkeit
5.4 Faktor Angst in der Fremdsprachenforschung
5.4.1 Förderliche und hinderliche Angst
5.4.2 Situations- und persönlichkeitsbezogene Angst
5.4.3 Einfluss der Sprechangst auf Fremdsprachenlernprozess
6 Empirische Studie
6.1 Methodisches Vorgehen
6.2 DaF-Unterricht in Algerien
6.2.1 DaF- Unterricht im algerischen Schulsystem
6.2.2 Deutsch in der schulischen Unterrichtspraxis
6.2.2.1 Unterrichtsmethoden und Sozialformen
6.2.2.2 Lehrmaterialien, Lerner- und Lehrerrolle
6.2.2.3 Fehlerkorrektur und Leistungsbewertung
6.3 Fragebögen
6.3.1 Fragebogengestaltung und Datenerhebung
6.3.2 Datenauswertung und -analyse
6.3.2.1 Orientierungen und Einstellungen der DaF-Schüler
6.3.2.2 Einfluss der Lernerautonomie auf Motivation
6.3.2.3 Demotivationsfaktoren der Sprachanwendung im DaF-Unterricht
6.3.2.4 Hemmende Faktoren durch Sprechangst und Selbstkonzept
6.3.2.5 Datenauswertung für Lehrer-Fragebogen
7 Fazit.
7.1 Zielsetzung und Vorgehen
7.2 Zusammenfassung
7.3 Folgerungen und Ausblick
8 Literaturverzeichnis
9 Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Lernprozess in der behavioristischen Lerntheorie
Abbildung 2: Lernprozess in der kognitivistischen Lerntheorie
Abbildung 3: Lerntypen und Eingangskanäle
Abbildung 4: Bedürfnispyramide nach Maslow
Abbildung 5: Entstehung der Motivation
Abbildung 6: Ebenen der Fremdsprachen-Motivation nach Dörnyei
Abbildung 7: Faktoren der Motivation im Fremdsprachenlernen nach Kleppin
Abbildung 8: Kreislaufprozess der Motivation nach Hüholdt
Abbildung 9: Einfluss des Misserfolgs auf Motivation
Abbildung 10: Motivation der Schüler fürs DaF-Lernen
Abbildung 11: Motivationsarten in einzelnen Klassen
Abbildung 12: Motivquote in der intrinsischen Motivation der Schüler
Abbildung 13: Motivquote in der extrinsischen Motivation der Schüler
Abbildung 14: Motivquote in der integrativen Motivation der Schüler
Abbildung 15: Motivquote in der instrumentellen Motivation der Schüler
Abbildung 16: Motivquote in Motivation von Schülern im Vergleich
Abbildung 17: Motivquote in der intrinsischen und extrinsischen Motivation einzelner Klassen
Abbildung 18: Motivquote in der integrativen und instrumentellen Motivation einzelner Klassen
Abbildung 19: Beziehung zwischen Lernenautonomie und Motivierung der Schüler
Abbildung 20: Einfluss der Lernerautonomie auf Steigerung der Motivation einzelner Klassen
Abbildung 21: Motivierung durch lernerautonome Aktivitäten
Abbildung 22: Motivierung durch Mitbestimmungsrecht und Freiheit
Abbildung 23: Einfluss der Lernerautonomie auf Motivierung
Abbildung 24: Einfluss der Lernerautonomie auf Motivation einzelner Klassen im Vergleich
Abbildung 25: Demotivationshäufigkeit bei DaF-Schülern
Abbildung 26: Demotivationshäufigkeit der einzelnen Klassen
Abbildung 27: Demotivation durch Mangel an Lernerautonomie im Unterricht
Abbildung 28: Demotivationsfaktoren durch Mangel an Mitbestimmung
Abbildung 29: Demotivationsfaktoren durch Unterrichtsaktivitäten
Abbildung 30: Demotivationsfaktoren durch den Lehrer
Abbildung 31: Einfluss des Mangels an Lernerautonomie auf Demotivation im Vergleich
Abbildung 32: Demotivationsfaktoren der einzelnen Klassen
Abbildung 33: Einfluss des Mangels an Lernerautonomie auf Demotivation einzelner Klassen
Abbildung 34: Sprechangsthäufigkeit bei DaF-Schülern
Abbildung 35: Sprechangsthäufigkeit bei DaF-Schülern in einzelnen Klassen
Abbildung 36: Anteile von Sprechangst und Selbstkonzept als hemmende Faktoren
Abbildung 37: Anteile von Sprechangst und Selbstkonzept als hemmende Faktoren in einzelnen Klassen
Abbildung 38: Hemmende Faktoren der Sprachanwendung aufgrund des Selbstkonzepts
Abbildung 39: Hemmende Faktoren der Sprachanwendung aufgrund der Sprechangst im Vergleich
Abbildung 40: Hemmungsquoten der Selbstkonzepts- und Sprechangstfaktoren auf DaF-Anwendung
Abbildung 41: Hemmungsquoten der Sprechangstfaktoren in einzelner Klassen
Abbildung 42: Hemmungsquoten der Sprechangstfaktoren in einzelner Klassen
Abbildung 43: Zusammenspiel der unterrichtlichen Faktoren mit individuellen Faktoren und Sprachanwendung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Unterschiede zwischen den drei einflussreichen Lerntheorien
Tabelle 2: Unterschiede zwischen Lernen und Erwerben
Tabelle 3: Neue Wege im Fremdsprachenlernen
Tabelle 4: Unterschiede zwischen Motivation und Motiven
Tabelle 5: Steigerung der intrinsischen Motivation
Tabelle 6: Steigerung der extrinsischen Motivation
Tabelle 7: Unterschiede zwischen Angst und Ängstlichkeit
Tabelle 8: Klassifizierung der Klassen nach Sprechangststörung
Tabelle 9: Vergleich der Demotivationshäufigkeit der Klassen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einführung
Der herkömmliche, rein instruktionelle Unterricht, ist geprägt durch die Dominanz des Lehrers und eine rezeptive Passivität der Schüler. Oft wird Wissen in einer Form erworben, die eine spätere Anwendung ausschließt. Die Schüler können ihr Wissen in konkreten Situationen nicht anwenden, weil sie seinen Sinn und Wirklichkeitsbezug nicht erkennen. Sie können ihr abstraktes Wissen nicht übertragen. Es bleibt also 'träge'. (Müller 1998: Online Dokument)
Wenn man heute Jemanden fragt, was er sich unter schulischem Unterricht vorstellt, sollte er über Lehrkraft, Lehrmaterial, Lerner und Klassenzimmer sprechen. Die Lernenden sitzen in Reihen und versuchen den Lernstoff, der vom Lehrer erklärt wird, zu verstehen. Der Lehrer bestimmt die Ziele des Unterrichts und vermittelt ein Wissen, welches sich die Lernenden nach einer bestimmten Zeit aneignen sollen. Durch Übungen versucht die Lehrkraft dafür zu bürgen, dass der Lernstoff von den Lernenden aufgenommen und in deren Köpfen bewirkt wird. Danach wird dieses Gelernte durch Klassenarbeiten und Prüfungen nach Kriterien, die von der Lehrperson bestimmt werden, geprüft.
Wenn es im Unterricht um das Erlernen einer Fremdsprache - mit deren multidimensionalen Aspekten und Komplexität - geht, scheint es eindeutig, dass diese Vorstellung des Fremdsprachenunterrichts, welche der Realität unseres Schulalltags entspricht, sehr mangelhaft und aus verschiedenen Blickwinkeln nicht einwandfrei ist. Diese traditionelle Vorstellung des Unterrichts geht davon aus, dass Wissen eine „Träge“ ist. Man kann es einfach dem Lerner vermitteln, indem man den Lernstoff in kleinen Teilen zerstückelt und den Lernenden damit füttert, damit er am Ende des Lernprozesses ein erfolgreiches Lernen erreicht. Diese Vorstellung ähnelt im größten Teil der Vorstellung des „Nürnberger Trichters“(siehe Kapitel 2).
Was passiert, wenn man die Fremdsprachen so lernt, dass man sie wie ein theoretisch behandeltes Thema durchnimmt und wenn die Lernenden die Zielsprache im Unterricht kaum oder nur wenig anwenden, als wäre sie für etwas anderes als für die Kommunikation geschaffen?
Wenn das Erlernen bzw. Lehren einer Fremdsprache in den Schulen und Universitäten so wäre, käme der Lerner am Ende seiner Ausbildung nur mit einem „zweisprachigen Wörterbuch im Kopf“ und/oder mit einer großen Menge an Informationen über die Fremdsprache aus. Das heißt, er kennt für viele Fremdsprachenwörter ein oder mehrere äquivalente Wörter in der Muttersprache und/oder verfügt über ein sprachspezifisches Wissen über die Zielsprache wie bspw. Phonetik, Morphologie, Lexik usw. In diesem erwähnten Fall kann der Fremdsprachenlerner alles mögliche in seinem gelernten Bereich (d. h. dem Bereich der Fremdsprache) beherrschen, außer durch die Fremdsprache zu kommunizieren. Also er kann über die Sprache reichlich sprechen bzw. die Sprache und deren System beschreiben, aber wenn es um eine kommunikative und authentische Verwendung der Sprache geht, erlebt er viele Schwierigkeiten, sodass er sich kaum richtig ausdrücken bzw. nicht ausdrücken kann, was er ausdrücken möchte.
Nach eigenen Erfahrungen als DaF-Lehrer an den algerischen Gymnasien und Universitäten habe ich festgestellt, dass es im Unterricht wenig um die Anwendung der Sprache geht und dass die Schüler / Studenten ihrerseits die Sprache nur wenig im Unterricht verwenden. Die Unterrichtsmethoden sind im größten Teil grammatikorientiert und beruhen auf dem Befund und den Grundkenntnissen der klassischen Lerntheorien (instruktivistische Lerntheorien1 ) bzw. klassischen Lehrmethoden wie etwa der Grammatik-Übersetzungsmethode (GÜM) sowie der behavioristischen und kognitivistischen Lehrmethoden, welche den Lehrer und die Lerninhalte ins Zentrum des Interesses nehmen.
Dass das, was wir sprechen, eine Sprache ist, musste uns erst gesagt werden. Wir haben kein Lexikon und auch keine Grammatik auswendig und anzuwenden gelernt, um uns gegenüber unseren Eltern, Freunden und anderen Interaktionspartnern verständlich zu machen. Was wir gelernt haben, ist das Kommunizieren. (Rusch 2000: 81)
Wenn die Sprache als Kommunikationsmittel nur in authentischen kommunikativen Kontexten entsteht und sich entwickelt, ist auch ihr Erlernen nur in kommunikativen und interaktiven Lernumgebungen erfolgreich und produktiv. Wenn jemand etwas erlernen möchte, soll er trainieren, indem er die zu erlernte Sache selbst in die Praxis umsetzt. Das Schnellrennen lernt man, wenn man im Training ständig rennt. Keiner sagt, dass man das Schnellrennen durch Hochspringen lernt. Man kann Rennen durch Rennen und Hochspringen durch Hochspringen lernen. Autofahren lernt man, wenn man das Auto ständig fährt. Dafür reicht ein bisschen theoretische Erklärung über die Art und Weise, wie man fährt. Niemals kann jedoch das Autofahren gelernt werden, ohne dass man ein Auto ständig fährt.
Das Erlernen von Fremdsprachen ist nicht abweichend von der Logik dieser Regel. Man kann Sprachen erlernen, indem man sie anwendet. Sprachenlernen bedeutet Sprachgebrauch. Man kann Sprech- und Schreibfertigkeit entwickeln, indem man in verschiedenen Situationen spricht und über verschiedene Themen schreibt. Lese- und Hörverstehen kann man entwickeln, wenn man Texte liest und hört. Man lernt das Kommunizieren mit der Sprache, wenn man die Sprache in verschiedenen kommunikativen und interaktiven Kontexten anwendet. Schreiben oder Lesen können nicht gelernt werden, wenn man die Sprache viel spricht oder hört. Das Erlernen einer Sprache folgt nicht daraus, dass man Informationen über die Sprache einsammelt oder sich lediglich die Strukturen der Sprache aneignet.
Vor ein paar Jahren wurde eine Veränderung in Lernparadigmen und Unterrichtsmethoden vorgenommen. Statt des lehrer- und lerninhaltszentrierten hat man sich zugunsten des konstruktivistischen, lernerzentrierten bzw. handlungsorientierten Fremdsprachenunterrichts ausgesprochen. Der Lerner ist folglich nicht mehr ein passives Wesen, das lediglich Informationeninputs empfängt und nicht eine Maschine, die Informationen rezipiert, um sie dann zu verarbeiten, sondern er ist ein aktiver und wichtiger Unterrichtsteilnehmer, der sein Wissen selbst konstruiert, verwendet und selbst korrigiert. Die Anwendung solcher Unterrichtsmethoden basiert auf den Handlungen wie auch den Interaktions- und Kommunikationsfähigkeiten des Lernenden und dessen Anwendungsbereitschaft im Unterricht. Daher fordert sie einen höheren Grad an Motivation, Lernprozess- und Selbstbewusstsein. Wie kann aber der Lernende im Unterricht motiviert sein und wie kann die Motivation im Ablauf des ganzen Lernprozesses aufrechterhalten werden, wenn die Motivation selbst ein vielschichtiges Konstrukt ist, das von vielen Faktoren beeinflusst wird und darüber hinaus individuell sehr unterschiedlich ist? Der lernerorientierte neue Unterricht soll - neben allen anderen Gegebenheiten des Lernenden - die Interessen und Motive des Lernenden berücksichtigen, weil sie eine wichtige Rolle in seiner Motivation spielen und sich von einem Lerner zu einem anderen stark unterscheiden können.
Die große Herausforderung für den herkömmlichen Unterricht in algerischen Schulen sind die individuellen Unterschiede der Lernenden. Jeder Lerner hat seine subjektiven Vorstellungen über den Fremdsprachenlernprozess, sein eigenes vorhandenes Vorwissen und seine Vorerfahrungen, seine eigenen Lernstrategien, Interessen und Motive. Wenn eine Klasse z.B. aus 20 bis 30 Schülern besteht, dann hat man für sie alle und für deren individuelle und verschiedene Gegebenheiten eine Lehrperson, einen gemeinsamen Lernstoff, ein gemeinsames Lernziel und eine gemeinsame Methode. In solch einem Unterricht können die individuellen Faktoren der Lernenden, statt den Lernprozess zu begünstigen, ihn im Gegensatz hemmen und beeinträchtigen. Die Unterrichtsfaktoren selbst und die Lernsituation können eine hemmende Rolle spielen, indem sie die vorhandene Motivation bei den Lernenden abklingen lassen bzw. die Lernenden demotivieren, wenig Erfolgserlebnisse erleben und demzufolge ein schlechtes Konzept über sich selbst und eigene fremdsprachliche Fähigkeiten entstehen lassen.
1.1 Einleitung
In der vorliegenden Forschungsarbeit werden die hemmenden Faktoren der Sprachrezeption und Sprachproduktion beim Lernenden im DaF-Unterricht untersucht. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Rolle und die Bedeutung der Motivation als individueller Faktor für den Fremdsprachenlernprozess und Fremdsprachenlernerfolg im DaF-Unterricht und deren Hemmungsmöglichkeiten durch unterrichtliche Faktoren. Dabei wird auch der Zusammenhang zwischen Motivation einerseits, Interessen und Motiven des Lernenden andererseits als wichtiger Faktor für Fremdsprachenlernerfolg fokussiert. Die Motivation lässt sich wiederum von verschiedenen Faktoren beeinflussen. Die Entstehung, Schwäche und Stärke der Motivation lassen sich unter anderem von der Lernsituation also von der Unterrichtsmethode und der Herangehensweise wie man den Kurs gestaltet und ob man im Unterricht die Interessen und Motive der Lernenden durch Kursaktivitäten anspricht, sodass die Konzentration und die Ansatzbereitschaft bei dem Lernenden abgerufen werden, stark manipulieren. Daher ist es relevant und von großer Bedeutung, dass man auf die Unterrichtsgestaltung und deren Prinzipien im DaF-Unterricht eingeht und deren Einfluss auf individuelle Faktoren am Beispiel von Motivation der Lernenden und Sprechangst überprüft.
Der Anlass für diese Forschungsarbeit rührt aus beabsichtigten Beobachtungen und Bemerkungen, die ich in der Schulpraxis gemacht habe. Ich habe zuerst im Allgemeinen gemerkt, dass Motivation der Schüler von den Unterrichtsfaktoren stark beeinflusst werden kann. Ich bin in der Praxis darauf gekommen, als ich zum ersten mal im Jahr 2003, den DaF- Studenten an der Universität Algier, die Wahl gegeben habe, selbst und freiwillig die Lerninhalte auszusuchen, und sich selbst in Gruppen zu teilen, nachdem sie selbst für diese Sozialform "Gruppenarbeit" entschieden haben. Am Ende haben wir jedes einzelne von den Gruppen bearbeitete Thema zusammen besprochen. Ich habe gemerkt, dass alle Studenten - auch die, die meistens wenig im Unterricht aktiv waren - sehr motiviert am Unterricht teilnahmen und tüchtig in der Gruppe zusammenarbeiteten. Gleichzeitig habe ich anhand eigener Erfahrungen und Beobachtungen feststellen können, dass die DaF-Lernenden im Unterricht vorwiegend Schwierigkeiten haben, Deutsch anzuwenden. Meistens kommen Deutschlernende am Ende deren Ausbildung mit mehr oder weniger großer Menge an Informationen über die Fremdsprache Deutsch (Grammatik, Linguistik, Wortschatz). Gute Anwendung der Sprache in authentischen Kommunikationssituationen bleibt jedoch unerreicht.
In dem schulischen Unterricht habe ich mit Absicht die Schüler beobachtet, wie sie motiviert sind und frei lernen, wenn ihnen die Gelegenheit gegeben wird, bei Lerninhalten, Lernmaterial, Sozialformen, Unterrichtsaktivitäten mitzubestimmen oder wenn sie zusammen in frei ausgewählten Gruppen spielerisch lernen. Weil es - wegen vorgegebenen Themen und festgelegtem Lernprogramm im Lehrwerk - nicht immer möglich ist, mit den Schülern einen lernerzentrierten bzw. lernerautonomie-orientierten Unterricht durchzuführen, musste ich auch traditionellen Frontalunterricht durchführen. Demzufolge konnte ich die Schüler in verschiedenen Lernsituationen kontrollieren und beobachten, wie sie mit den Lernsituationen umgehen. Die Schüler zeigten im lernerzentrierten und lernerautonomie-orientierten Unterricht immer ein hohes Maß an Motivation. Sie sprachen viel auf Deutsch im Unterricht und waren in die Lernaktivitäten involviert. Die Schüler zeigten auch ein zielgerichtetes Interesse an Unterrichtsaktivitäten, wenn ich am Anfang einer Lerneinheit, die jeweiligen Lernziele erklärte und auf den Lernerfolg, d. h. was jeder Schüler am Ende der Lerneinheit können soll, einging und diesen beschrieb. Den Schülern wird auf diese Weise der Weg zum Erfolg kürzer, klarer und erreichbar gemacht. Dies hat zur Verbesserung der Leistungen bei den Lernenden nicht nur hinsichtlich der Noten, sondern auch hinsichtlich des Niveau in der Anwendung der deutschen Sprache geführt. Aufgrund dieser Beobachtungen habe ich auch in verschiedenen Gymnasien an mehreren Unterrichten teilgenommen und den Unterrichtsablauf bzw. die Lernsituationen und die Schüler weiter beobachtet. Ich habe gemerkt, dass es beim Fremdsprachenlernen im Unterricht um Zusammenspiel zwischen Unterrichtsfaktoren und individuellen Faktoren des Lernenden geht. Die Schüler zeigten immer ein geringes Maß an Motivation, wenn sie wenig Freiheit, wenig Autonomie beim Lernen bekamen und wenn es wenig Aktivitäten seitens der Schüler gab.
Ein wichtiger Faktor, der das schulische Deutschlernen bzw. die Motivation der Lernenden beeinflusst, ist Sprechangst. Ich habe während des Unterrichtsablaufs gemerkt, dass Sprechangst eine wichtige Rolle im schulischen Fremdsprachenlernen spielt. Bei einigen Schülern tritt der Faktor Sprechangst so stark auf, dass sie die Anwendung der deutschen Sprache als eine Stresssituation erleben. Wenn sie von dem Lehrer aufgefordert werden, auf Deutsch zu sprechen, merkt man offensichtlich, dass sie stark angstbesetzt sind (sie zittern, werden blass, sind total dekonzentriert). Nachdem einige Schüler Stresserlebnisse gehabt haben, melden sie sich danach sehr selten zum Wort. Demzufolge vermeiden sie es, Deutsch im Unterricht anzuwenden, besonders im lehrerzentrierten Frontalunterricht. Mit Laufe der Zeit könnte der Schüler auf diese Weise das Selbstvertrauen verlieren und ein schlechtes Selbstkonzept über seine eigenen fremdsprachlichen Fähigkeiten entwickeln.
Zwischen Didaktikern ist es unumstritten, dass das Sprachenlernen Sprachgebrauch ist. Wenn die Zielsprache nicht gebraucht wird, wird die Sprache auch nicht erfolgreich gelernt, vielleicht werden jedoch Informationen über die Sprache gesammelt. Wenn die Motivation des DaF-Lernenden von Unterrichtsfaktoren beeinträchtigt bzw. nicht begünstigt und Sprechangst nicht überwunden wird, wie kann der DaF-Schüler die Sprache verwenden? Wann und wo kann er die Fremdsprache verwenden, wenn nicht zuerst im Unterricht?
Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass Motivation als individueller teils kognitiver und teils affektiver Faktor und Sprechangst als affektiver und emotionaler Faktor eine entscheidende Rolle im schulischen Fremdsprachenlernen (Deutsch) spielen. Wenn Motivation als Anknüpfungsfaktor zwischen eigenen Interessen und Bedürfnissen des Schülers und dem Lerngegenstand bzw. Lernstoff und als "Triebkraft" für den Lernprozess nicht zustande kommt, folgt das Lernen im Unterricht als eine bloße Reaktion auf äußerliche Aufforderungen oder als nicht klar bestimmtes Ziel, d. h. der Schüler erstrebt ein Lernen, das in einem Vakuum situiert und vage ist. Des Weiteren spielen Unterrichtsfaktoren bzw. die Lernsituation eine entscheidende Rolle für das Lernen der deutschen Sprache. Ein Unterricht, der die individuellen Faktoren der Schüler nicht im Zentrum des Interesses und Lernvorgangs berücksichtigt, soll ein kontraproduktiver Unterricht sein. Lernen und Lehren von Fremdsprachen beziehen sich nicht nur auf den Lernstoff und die Art und Weise, wie dieser dem Schüler optimal vermittelt wird, sondern auch und vor allen darauf, wie Lernwilligkeit, "Lernechtheit" und ein authentisches erfolgreiches Lernen beim Schüler zustande kommen kann.
Mit Motivation ist nicht nur die allgemeine Motivation gemeint, sondern auch die, welche unterrichtsspezifisch ist bzw. die zwischen Bedürfnis, Handlung und Lerngegenstand verbindet. Dies habe ich gemerkt, als ich immer DaF-Schüler fragte2, ob sie Deutsch lernen wollen. Alle haben positiv geantwortet und gaben sogar Gründe für ihre Auswahl an. Im Unterricht zeigten sie dann nach einiger Zeit wenig Motivation. Anders gesagt, die Schüler sind motiviert, Deutsch zu lernen, aber sie finden keine motivierende Lernsituation (d. h. Lerninhalte, Lehrmaterial, Lehrwerk, Lernmethode, Sozialformen usw.).
Weil die individuellen Faktoren der Schüler am Beispiel von Motiven, Interessen, Motivation und Sprechangst sehr unterschiedlich und permanent veränderlich sind, wird deren Berücksichtigung im herkömmlichen Unterricht eine sehr schwierige bis unmögliche Aufgabe. Wenn alle Schüler mit ihren komplexen und unterschiedlichen Lernwegen in einer einzigen, vorher- und fremdbestimmten Lernumgebung unterrichtet werden, kann man ein Lernen in echtem Sinne des Wortes, d. h. ein in außerschulischen, authentischen Kontexten anwendbares Lernen bzw. ein Lernen, das im Leben nutzt, vergessen.
Viele Fragen bzw. hypothesenartige Beobachtungen entstammen aus diesen Bemerkungen, nämlich:
- Wie können Unterrichtsfaktoren das Lernen bzw. den Lernprozess im DaF-Unterricht hemmen bzw. demotivierend und sprechangsterregend auf den Schüler wirken?
- In welchem Zusammenhang steht ein lernerautonomie-orientierter Unterricht mit individuellen Faktoren des Schülers, nämlich Motivation und Sprechangst?
- In welchem Zusammenhang stehen individuelle Faktoren wie Motivation und Sprechangst mit dem erfolgreichen Lernen der deutschen Sprache? *
- Warum fällt es den DaF-Schülern schwer, in der Fremdsprache Deutsch zu produzieren? Warum können sie Deutsch in den wirklichen kommunikativen Situationen nicht erfolgreich anwenden?
- In welchem Zusammenhang steht die Steigerung der Motivation mit den im Unterricht angesprochenen individuellen und subjektiven Gegebenheiten des Lernenden?
Im Laufe dieser Forschungsarbeit sollen die obigen Fragestellungen untersucht und beantwortet werden.
Diese Forschungsarbeit wird in sechs Kapiteln geteilt. Das erste Kapitel ist der Einführung und Einleitung in das Thema gewidmet. Es befasst sich mit dem Forschungsgegenstand, dessen Anlass und dem Forschungsstand der individuellen Faktoren des Lernenden im Fremdsprachenunterricht und deren Berücksichtigung in den Unterrichtsprinzipien. Am Ende des Kapitels wird auf die Neuigkeiten in der Fremdsprachenlernforschung auf den drei Ebenen nämlich der theoretischen, methodologischen und unterrichtspraktischen Ebene eingegangen.
Das zweite Kapitel befasst sich mit theoretischen Hintergrundkenntnissen. Dabei werden die einflussreichen Lerntheorien (die behavioristische, kognitivistische und konstuktivistische Lerntheorie) mit deren Unterrichtsprinzipien herangeführt und erläutert. Die Relevanz dieser Erläuterung besteht darin, dass die Bezüge der herkömmlichen bzw. neuen Unterrichte sowie deren theoretische Basis dargestellt werden. Des Weiteren soll damit ein Überblick über die Entwicklung der Lerntheorien und deren Implikationen für Unterrichtsprinzipien bzw. -praxis vermittelt werden. Bei jeder Theorie wird kurz der Lernprozess, die Lerner- und Lehrerrolle dargestellt. Anschließend werden die an der jeweiligen Theorie ausgeübten Kritikpunkte präsentiert. Die konstruktivistische Lerntheorie wird ausführlicher behandelt, weil sie als neues Paradigma über wichtige Neuigkeiten verfügt. Dabei werden Interdisziplinarität, Authentizität, Viabilität und Konsensualität als Begriffe bzw. Prinzipien des kontruktivistschen Unterrichts dargelegt. Am Ende des zweiten Kapitels wird ein zusammengefasster Vergleich zwischen den drei Theorien in Form einer Tabelle geboten.
Das dritte Kapitel schildert die neuen Wege im unterrichtlichen Fremdsprachenlehren und -lernen. Hier wird nur auf die neuen Wege im Unterricht eingeschränkt, die einen direkten Bezug zu individuellen Faktoren des Fremdsprachenlernens haben. Neu bedeutet hier nicht, dass die Unterrichtsprinzipien vorher nicht existierten, sondern dass sie einen neuen Weg bzw. einen neuen Rahmen, in dem sie zusammenwirken, finden. Zuerst wird der Unterschied zwischen Fremdsprachenlernen und -erwerben erklärt, dann wird auf die Autonomie der Lernnersprache eingegangen. Lernerautonomie und Ganzheitlichkeit des Lernenden, des Unterrichts, der Unterrichtsaktivitäten; Ganzheitlichkeit in der Fremdsprachenlernforschung und die neue Tendenz zur Nicht-Dichotomisierung der kognitiven und affektiven Faktoren werden anschließend in diesem Kapitel erläutert. Diese Unterrichtsprinzipien wie Ganzheitlichkeit und Lernerautonomie sprechen alle für die starke Berücksichtigung der individuellen Faktoren des Lernenden und für die Authentizität und "Echtheit" des Lernens im Unterricht. Eine zusammenfassende Darstellung der neuen Wege in der Fremdsprachenlernforschung wird in einer Tabelle am Ende des Kapitels präsentiert.
Das vierte Kapitel befasst sich mit dem Konstrukt Motivation als hochgradig individueller, affektiver und kognitiver Faktor und den Zusammenhängen zwischen Motivation und unterrichtlichen Faktoren bzw. Lernsituation. Zuerst wird eine begriffliche Festlegung der beiden Konstrukte Motivation und Motive sowie eine Erläuterung des Zusammenhangs zwischen Motiven und Motivation bzw. der Rolle von Motiven in der Entstehung der Motivation vorgenommen. Dann werden Motive und Motivation als fremdsprachenspezifische Faktoren festgelegt. Hinsichtlich der individuellen Einstellungen und Orientierungen des Lernenden werden verschiedene Motivationsarten unterschieden. In diesem Kapitel wird auch die Bedeutung der Motivation für das Fremdsprachenlernen bzw. das Zusammenspiel zwischen Motivation, Lernerautonomie und Lernerfolg geschildert. Förderung der Motivation im Fremdsprachenunterricht und Demotivationsmöglichkeiten durch unterrichtliche Faktoren sowie der Einfluss des Selbstkonzepts auf Motivation werden am Ende des Kapitels erläutert.
In dem fünften Kapitel wird der Faktor Sprechangst und sein Einfluss auf Motivation erläutert. Zuerst wird Sprechangst als Begriff erklärt. Dann wird auf die Arten der Angst eingegangen und abschließend wird der Einfluss der Sprechangst auf Motivation bzw. auf den Fremdsprachenlernprozess dargelegt.
Das sechste Kapitel bildet das empirische Teil der Arbeit. Zuerst wird das methodologische Verfahren erläutert. Dann wird eine Beschreibung des DaF-Unterrichts in Algerien vorgenommen, angefangen mit der allgemeinen Beschreibung des schulischen Systems bis zur detaillierten Beschreibung der unterrichtlichen Faktoren bzw. der Lernsituation. Anschließend werden die Gestaltung der Fragebögen und die Datenerhebung beschrieben und danach die erhobenen Daten ausgewertet und analysiert. Zahlreiche Diagramme, Abbildungen und Tabellen dienen dazu, die aus den Untersuchungen erfolgten Ergebnisse graphisch zu veranschaulichen.
Die Methodik dieser Arbeit stützt sich auf die "interne Interdisziplinarität"(siehe Abschnitt 1.2). Ich habe Informationen über das Thema aus verschiedenen, der Fremdsprachendidaktik benachbarten Disziplinen gewonnen, nämlich Persönlichkeits-, Sozial-, Lernpsychologie, Reformpädagogik und Neurobiologie. Für das empirische Teil wird der Mehr-Methoden-Ansatz verwendet (siehe Abschnitt 6.1).
1.2 Forschungsstand der individuellen Faktoren des Lerners im Fremdsprachenunterricht
Motivation und Sprechangst gehören zu den individuellen Faktoren. Die Methodenkonzeptionen, welche die individuellen Voraussetzungen behaupten und sich sogar auf die Erfassung der affektiven Faktoren explizit beziehen, sind:
1. Community Language Learning: dieses Konzept bevorzugt den Fremdsprachenerwerb in einer weitgehend nicht gesteuerten Lernsituation. Dieser Konzeption sind motivationsfördernde und angstreduzierende Effekte bescheinigt. (Vgl. Riemer 1997: 239)
2. Natural Approach (natürliche Methode): Diese Methode ist vor allem mit dem Namen Terrell verbunden und ab dem Jahr 1995 die gängigste in den USA. Sie eignet sich insbesondere für den Anfängerunterricht und beruht auf dem Ansatz von Krashen, der in seiner "Monitor-Theorie" fünf Hypothesen zu Konstrukten entwickelt hat: Erwerb versus Lernen, Input, Monitor, natürliche Erwerbssequenzen und affektiven Filter. Gemäß dieser Methode ist die Schaffung eines angenehmen Unterrichtsklimas ein Postulat. Die Berücksichtigung der affektiven Faktoren der Lernenden tritt als Hauptprinzip in den Lehrtechniken, Übungsformen und Unterrichtsaktivitäten. Koch und Terrell haben in einer empirischen Studie (1991) bewiesen, dass man Angst in der Tat reduzieren kann. Diese Methode kennzeichnet sich auch durch die Teilung des Unterrichts in Phasen. Trotz der Betonung der spracherwerblichen Basis dieser Methode, bleiben aus der Praxisperspektive die affektiven Voraussetzungen des Lerners in den Prinzipien dieser Unterrichtsmethode nicht genügend ausführlich berücksichtigt. (Ebd.)
3. Tapestry Approach: Diese Methode wurde auch in den USA von Scarcella und Oxford im Jahr 1992 entwickelt. Sie gilt für den Anfänger- wie auch für Fortgeschrittenenunterricht. Diese Methode stützt sich auf den Erkenntnissen aus dem Forschungsbereich der individuellen Unterschiede. Sie berücksichtigt Faktoren wie Motivation, Lernstile, Lernstrategien, Lernziele, usw. Im Rahmen dieser Methode wurden Prinzipien für die Arbeit an Fertigkeiten und Kenntnissen (fokussiert wurden Lesen, Schreiben, Hörverstehen, Leseverstehen, Sprechen, Grammatik und Kultur) in Verbindung mit Lehrerverhalten, Lernstrategien, Lehr- und Lernzielen und Aktivitäten entwickelt. Die Lehrerrolle kennzeichnet sich durch folgende Aufgaben und Aktivitäten: er sammelt Informationen, trifft Entscheidungen, motiviert die Schüler, fördert die Gruppendynamik, liefert eine große Menge an authentischem Fremdspracheninput und schafft dafür viele Anwendungsmöglichkeiten, er verhält sich als Freund und Berater, gibt Rückmeldungen und ist der Förderer der multikulturellen Perspektive. Das Positive, was diese Methode auszeichnet, ist, dass sie anstelle der Entwicklung geschlossener Methodenkonzepte bzw. unflexibler Unterrichtsphrasierungen, die Ableitung von spezifischen Unterrichtsprinzipien hinsichtlich der Berücksichtigung von individuellen Unterschieden des Lernenden bevorzugt. (Vgl. Riemer 1997: 239f.)
Die Unterrichtsfaktoren haben eine wichtige Auswirkung auf die individuellen Faktoren des Lernenden. Daher ist ein lernerzentrierter bzw. lernerautonomer - aber nicht im radikalen Sinne - Fremdsprachenunterricht erforderlich, indem die Persönlichkeitskomponenten bzw. die affektiven Faktoren und die damit in Wechselwirkung stehenden kognitiven Faktoren des Lernenden (wie Motive, Ziele, Erfahrungen) in der Unterrichtsplanung (wie die Auswahl der entsprechenden Lern- und Lehrmaterialien und des Lernstoffs) berücksichtigt werden. (Ebd. 240)
Die Erforschung der individuellen affektiven Faktoren (wie Angst, Sprechangst, Motivation, Selbstkonzept) und deren Wirkungsbezüge im unterrichtlichen Kontext (und in dem schulischen Unterrichtskontext) im Bereich der Fremdsprachendidaktik bzw. in der Fremdsprachenlehr- und -lernforschung fordert das Vorhandensein eines interdisziplinär-integrativen, empirisch-systematischen Forschungsansatzes. (Vgl. Finkbeiner 2001: 67) Für die Ängstlichkeitsforschung bestehen noch keine Ansätze, die man kennzeichnen kann. Im Fremdsprachenunterricht hat man noch keine Prinzipien entwickelt, welche die hinderlichen Faktoren der mündlichen Produktion festlegen. Es gibt keine sprachlerntheoretische Grundlage, anhand dessen die hinderlichen Faktoren der mündlichen Produktion berücksichtigt und durch deren "Sieb" die in den bekannten Methodenkonzepten beinhalteten hinderlichen Faktoren gefiltert werden. Daher bestehen noch unbeantwortete Fragen, wie bspw. ob der Fremdsprachenlernprozess gehindert werden kann, wenn der Lehrer den Lerner zur mündlichen Produktion auffordert oder ob es spezifische Lehrstrategien und Unterrichtsaktivitäten gibt, deren Einsatz im Unterricht die affektiven Voraussetzungen des Lerners hinsichtlich des Lernprozesses positiv beeinflussen kann. (Vgl. Riemer 1997: 240)
Die Forschungen, welche die affektiven und attitudinalen Faktoren untersucht haben, sind nur wenige. Man zählt dazu die Forschungen von Schumann (1998, 2001). Weil er aber seine Forschungen aus neurobiologischer Sicht angeschnitten hat, bleiben die Fragen der Unterrichtspraxis nicht berücksichtigt. Dazu kommen die Forschungen von Kleppin (2001, 2002), Riemer (1997, 2001, 2003, 2006) im Bereich Deutsch als Fremdsprache, Finkbeiner (1998, 2001) im Bereich Englisch als Fremdsprache und die Forschungen vom Psycholinguist Dörnyei (1998, 2001) im Bereich der fremdsprachlichen Motivation. Das Nicht-Vorhandensein eines spezifischen Forschungsansatzes für die individuellen Faktoren und die begrenzte Anzahl der Forschungen über die affektiven Faktoren im Bereich der Fremdsprachenforschung macht jede Forschungsarbeit in diesem Bereich schwierig und kompliziert, besonders wenn es um Erforschung von Fragestellungen geht, die von der Unterrichtspraxis inspiriert und aus der Schulrealität hervorgegangen sind. Die Schwierigkeiten bestehen beispielsweise in der Vielfalt an Vorstellungen, Begriffsfestlegung und der Definitionsspezifität von bestimmten Konstrukten in Nachbardisziplinen. Es wird z. B. in der Fremdsprachenforschung meistens auf Definitionen und Konzepte aus der Psychologie bzw. Persönlichkeitspsychologie zurückgegriffen. (Vgl. Finkbeiner 2001: 69)
Weil es noch keinen von anderen Bereichen unabhängigen Forschungsansatz im Bereich der Fremdsprachendidaktik gibt, werden viele Faktoren wegen methodologischen Gründen nicht zusammen erforscht, obwohl sie in der Unterrichtspraxis in Wechselwirkung zu einander stehen, wie z. B. affektive, kognitive und unterrichtliche Faktoren. Wenn die Faktoren nicht zusammen in einem gemeinsamen Forschungsrahmen untersucht werden (wie sie im genuinen Kontext miteinander wirken), sondern jeder Faktor in einem bestimmten Feld separat, verliert der Forscher den Fokus auf sein Forschungsinteresse, nämlich die gegenseitigen Wirkungen der erforschten Faktoren und die Forschung wird somit keine authentischen Ergebnisse erbringen. Aufgrund des oben erwähnten Mangels an unabhängigem Forschungsansatz im Bereich der Fremdsprachendidaktik sind die Forscher gezwungen, sich in diesem Bereich auf Ansätze anderer benachbarten Disziplinen wie Psychologie, Persönlichkeitspsychologie, Erziehungswissenschaft, Neurobiologie und Pädagogik zu berufen. Demzufolge und wegen der vielfältigen Bezüge der zu erforschten Faktoren bzw. Forschungsgegenstände im Bereich Fremdsprachendidaktik besteht die Notwendigkeit eines interdisziplinären Forschungsansatzes. Dieser ermöglicht die spezifische Erforschung der vielschichtigen, multidimensionalen und multifaktoriellen Konstrukte (z. B. das Konstrukt Motivation) im Kontext des Fremdsprachenunterrichts. (Vgl. Vollmer 2001: 57, Finkbeiner 2001: 69)
Es gibt verschiedene Vorschläge, um einen interdisziplinären Ansatz zu entwickeln unter anderem, und scheint realisierbar und praktisch, die sogenannte "interne Interdisziplinarität". Damit ist gemeint,
dass sich der Fremdsprachenforscher in seiner eigenen Kompetenz und Vorstellungswelt dem Denken anderer Disziplinen öffnet und deren Erkenntnis- und Zugriffsweise sowie deren Ergebnisse wissenschaftsmethodisch reflektiert bzw. kritisch rezipiert und sie in kreativer Manier auf die eigene Frage- und Problemstellungen bezieht - immer in der Gefahr einer gewissen Überforderung. (Vollmer 2001: 57)
Es gab in diesem Sinne schon einige in die Tat umgesetzte Ideen wie die Idee der "Konferenz der Vorsitzenden fachdidaktischer Fachgesellschaften" (KVFF) jetzt überführt in: "Gesellschaft für Didaktik" (GFD). Auch die Idee der Gründung einer Schriftreihe "Forschungen zur Fachdidaktik" liegt inzwischen in vier Bänden, in denen die Ergebnisse der Lehr- und Lernforschung aus verschiedenen Disziplinen vorgestellt werden. (Ebd.:58)
Die Vielschichtigkeit, Multifacette und Komplexität der Erforschung von individuellen und affektiven Faktoren in dem komplexen schulischen Unterrichtskontext lässt - neben der notwendigen "internen Interdisziplinarität" - den Einsatz eines Mehr-Methoden-Ansatzes (auch Multimethodenansatz, Poly-Methoden-Ansatz) als erforderlich erweisen. Der Mehr-Methoden-Ansatz versteht sich als eine ganzheitliche Methode, welche die Benutzung unterschiedlicher Methoden, unterschiedlicher Typen von Daten und verschiedener theoretischen Ansätze bei der Untersuchung des Forschungsgegenstandes erlaubt. Dies gilt als eine Garantie für die interne Validität der Untersuchung, als Anpassung an die Komplexität und Vielschichtigkeit des Untersuchungsgegenstandes und als Befreiung der Kommunikation zwischen dem Forscher und seinem Forschungsgegenstand. Diese Methode erlaubt somit die Betrachtung eines facettenreichen und multidimensionalen Forschungsgegenstandes aus verschiedenen Perspektiven. Das heißt, sie ermöglicht zum einen die Erforschung der Gegenstände in deren natürlichem und authentischem Kontext mit allen dessen möglichen Bezügen und ohne irgendeine subjektive Vorherbestimmung bzw. Reduktion auf ausgewählten Faktoren und zum anderen die gegenseitige Überprüfung von verschiedenen Faktoren aus verschiedenen Ebenen. In der Erforschung der individuellen Faktoren im schulischen Unterricht kann man somit einzelne Faktoren aus der affektiven, kognitiven und unterrichtlichen Ebene zusammen überprüfen. (Vgl. Riemer 1997: 85ff., Henrici 2001: 34f.)
Die Fremdsprachenlernforschung erlebt in den letzten 15 Jahren ein Paradigmawechsel auf verschiedenen Ebenen, nämlich der theoretischen, unterrichtspraktischen und methodologischen Ebene.
Auf der theoretischen Ebene entdeckte die Theoriebildung in der Fremdsprachendidaktik das Bedürfnis und die Nöte des individuellen Lerners. Individuell-orientierte Prinzipen, wie Lernerorientierung, Einbeziehung subjektiver Theorien der Lerner und Hinführung zu autonomem Lernen, werden mit konzeptuellen Begründungen aus der kognitiven Psychologie und dem Konstruktivismus sowie der Reformpädagogik in Zusammenhang gebracht und diskutiert. Das notwendige neue Lehr- und Lernparadigma fordert eine radikale Umorientierung und einen Wechsel von generalisiertem Curriculum und der gleichen Instruktion für alle Lerner zu einer Individualisierung und stärkeren Berücksichtigung lernereigener Konstruktionen3. Es besteht der Versuch, einen "eigenständigen" interdisziplinären Rahmen für die Fremdsprachenforschung zu schaffen, um die vielschichtigen und interdependenten individuellen Faktoren in Forschungsgegenständen in einem gemeinsamen Rahmen erforschen zu können und um die Forschungsgegenstände der individuellen Faktoren ganzheitlich wie sie in dem genuinen Kontext untersuchen zu können. Dementsprechend gab es und gibt es weiterhin Arbeiten zur Strukturierung von interdisziplinären Forschungsfeldern in der Fremdsprachenforschung wie beispielsweise das Forschungsfeld der individuellen Faktoren des Lernenden (Kognition, Affektion, Interaktion) mit deren Dimensionen im komplexen Zusammenhang des schulischen Fremdsprachenunterrichts.
Auf der Ebene der Unterrichtspraxis ist eine Fokussierung auf den Lernenden erforderlich. Im Unterricht werden Prinzipien wie Handlungsorietierung, Lernerautonomie, Prozessorientierung, Authentizität, Ganzheitlichkeit, Lernen durch Lehren (LDL), lernerzentrierte Unterrichtsprinzipien und die damit verbundenen Sozialformen und Unterrichtsarten (wie offener Unterricht, Projektunterricht, lernen an Stationen, computergestützter Unterricht, Gruppenlernen, kooperatives Lernen, usw.) stark berücksichtigt. Dabei werden die Rollen des Lehrenden und Lernenden sowie des Lehrbuchs verändert. Aufgrund der intra- und interindividuellen Unterschiede der Lernenden und deren verschiedenen und nicht vorhersehbaren Lernformen und -präferenzen muss der Unterricht eine Methodenvielfalt beinhalten. Unterrichtsangebote müssen hinsichtlich der Aufgaben, Übungs- und Aneignungsformen so variabel, vielfältig und abwechslungsreich sein, wie nur möglich, damit sie die unterschiedlichen Lernformen der Schüler umfassen bzw. ihnen entsprechen. Es gibt sogar Vorschläge, ein Team-Teaching durchzuführen, d. h. mehrere Lehrer führen einen Unterricht in einer Klasse4. Dies soll die verschiedenen individuellen Lerntypen und Lernwege der Schüler abdecken.
Auf der methodologischen und empirischen Ebene werden empirische Forschungsverfahren, wie die seit längerer Zeit dominanten qualitativen und quantitativen Verfahren hinsichtlich der Validität, Reliabilität und Objektivität kritisiert. Diese seit längerer Zeit dichotomisch und unvereinbar betrachteten Forschungsverfahren befinden sich heute in einer integrativen und komplementären Position. Durch quantitatives Forschungsverfahren, welches dafür geeignet ist, gestellte Hypothesen in Forschungsarbeiten zu testen, können auch am Ende der Untersuchung neue Hypothesen generiert werden (d. h. es umfasst die Rolle des qualitativen Verfahrens). Qualitative Forschungsverfahren, die für Hypothesengenerierung geeignet sind, können auch dazu dienen, Hypothesen zu testen. Um mehr interne Validität und Tiefe in der Forschungsarbeit zu erreichen, wird in der vorletzten Dekade der Mehr-Methoden-Ansatz eingesetzt, welcher der Vielschichtigkeit und Komplexität der Forschungsgegenstände in der Fremdsprachenforschung angemessen ist. Der Mehr-Methoden-Ansatz zeigt sich in Forschungsmethoden wie: explorativ-interpretative und qualitativ-interpretative Methode5. Man kann durch diesen Ansatz mehr als ein Forschungsverfahren verwenden. Die Methoden werden dabei nicht beliebig zusammen kombiniert, sondern es muss das Verhältnis zwischen den angewandten Methoden und dem Forschungsgegenstand einerseits und das Verhältnis der Methoden miteinander andererseits begründet werden. Diese Methoden eigenen sich für die Untersuchung der Forschungsgegenstände, die prozesshaft sind, wie bspw. Forschungsgegenstände im Forschungsfeld der individuellen Unterschiede (Motivation, Sprechangst, usw.). Durch Mehr-Methoden-Ansatz können nicht nur die Produkte der menschlichen Verhalten untersucht werden, sondern auch die Prozesse, die dazu führen. Mit Hilfe dieses Ansatzes werden Prozesse in deren natürlichem Kontext untersucht, also in diesem Fall Daten aus dem realen Kontext des schulischen Fremdsprachenunterrichts.
2 Theoretische Hintergrundkenntnisse: Lernen in einflussreichen Lerntheorien
Lernen ist im Allgemeinen ein komplexer und multifaktorieller Konstrukt. Der Begriff Lernen ist nicht ein Fachterminus für einen einzigen Fachbereich, sondern ein Schlüsselbegriff für verschiedene Disziplinen wie Didaktik, Pädagogik, Neurobiologie und Psychologie. Er ist ein sehr weiter Begriff und bleibt bis jetzt vieldeutig. Auch die neuen Forschungen der Neurobiologen und die Diskussionen von Konstruktivisten haben daran nicht viel geändert:
Was ist Lernen wirklich? Wenn diese Frage im akademischen Kontext, d.h. im Fachbereich der Psychologen und Pädagogen gestellt wird, erhalten wir viele Antworten. Wenn jedoch die Frage in einem operativen Kontext gestellt wird, erhalten wir überhaupt keine Antwort: Wir haben nicht die geringsten Vorstellungen darüber, was in uns vorgeht, wenn wir sagen, wir hätten etwas gelernt. (von Foerster 1993: 128, zit. n. Grünewald 2006: 21)
Von der Lehrmethode des „Nürnberger Trichters“6 über das behavioristische Paradigma bis zu den kognitionspsychologischen Theorien wurde der Begriff Lernen unterschiedlich konzipiert. Bei dem Modell des „Nürnberger Trichters“, welches auf das Jahr 1647 zurückgeht, handelt es sich um ein „Lernapparat“ (vgl. Grünewald 2006: 21). Der Lernende braucht sich beim Lernen nicht anzustrengen, da der Lernstoff mechanisch in seinen Kopf eingetrichtert wird. Folglich werden bei diesem so erworbenen Wissen die kognitiven Voraussetzungen des Lerners nicht berücksichtigt.
Die Konzeptionen vom Lernen in den drei einflussreichenden Lerntheorien, nämlich der behavioristischen, kognitivistischen und konstruktivistischen, werden in den folgenden drei Abschnitten ausführlich erläutert.
2.1 Lernen in der behavioristischen Lerntheorie
Zur Zeit des Behaviorismus war das psychologische Verständnis vom Lernen mit beobachtbaren Verhaltensänderungen verbunden. Lernen wurde von Behavioristen als Verhaltensänderung aufgefasst. Die nicht beobachtbaren Prozesse, die im Subjekt ablaufen, interessieren nicht (vgl. Seel 2003: 18f.).
Das Erklärungsmodell des Lernens vom Behaviorismus unterliegt dem Prinzip der Reiz-Reaktion. Lernen wird durch eine Kette von Reiz-Reaktions-Prozessen ausgelöst. Die Tatsache, dass der Lerner ein Produkt seiner Umwelt und seiner internen Prozesse, welche wiederum das Lernen beeinflussen, ist, spielt in der behavioristischen Lerntheorie keine Rolle. Das Lernen wird als einer nur von außen gesteuerter Vorgang/Prozess angesehen (Meir 2006: Online Dokument). So gilt der Lerner als innerlich passiv und aktiv lediglich hinsichtlich seiner Reaktionen auf von Außen kommende Reize. Die individuellen Prozesse des Lerners werden nicht berücksichtigt, was dazu führt, dass der Lernende als sog. Blackbox betrachtet wird.
2.1.1 Rolle des Lehrers
In der behavioristischen Lerntheorie kommt dem Lehrer im Unterricht eine zentrale Rolle zu und zwar er lässt die richtigen Reize auf den Lerner einwirken, sodass der Letztere die erwünschte Reaktion zeigt. Der Lehrer vermittelt Faktenwissen, trichtert Informationen den Lernenden ein und verlangt von ihnen, ihn zu imitieren und die richtige Antwort wiederzugeben bzw. wiederzuerkennen. Wissen wird durch das Auswendiglernen verankert und durch das Sich-Erinnern aktiviert. Das Ziel des Unterrichts ist dabei die effektive Beeinflussung des Lerners (Verhaltenskontrolle) und das Lernziel ist die richtige Antwort. (Vgl. Tönnsen 2007: 9f.)
Für das Fremdsprachenlernen entwickelte die behavioristische Theorie je nach dem Schwerpunkt der Reizauslösung zwei Methoden: die audiolinguale - in den 40er und 50er Jahren die sog. Army Methode in den USA - und die audiovisuelle Methode - bis in die frühen 70er Jahren in Frankreich. Nach diesen Methoden ist das Lernen durch Imitieren möglich. Der Lernende muss lange hinhören und so lange das Gehörte imitieren bis er die richtige Reihenfolge der Laute ausdrücken kann. (Vgl. Roche 2005: 15)
2.1.2 Lernprozess
Der Lernprozess entspricht nach dem behavioristischen Modell dem Erwerb von Erstsprache bei den Kindern. Damit ist der Lernprozess mechanisch: er wird von einem auditiven oder einem visuellen Reiz ausgelöst und besteht aus der entsprechenden Reaktion auf den Reiz (vgl. Roche 2005: 15). Dieses mechanische Verfahren der behavioristischen Theorie wurde im "Skinners Prinzip" - Prinzip der instrumentalen Konditionierung - optimiert. Es hat zur Benutzung der elektronischen Medien wie Kassetten, Tonbänder und Sprachlaboren im Fremdsprachenunterricht geführt. Dieser Ansatz ermöglichte nach der Vorstellung der Behavioristen, die Dosis und die Qualität des Reizes zu kontrollieren. (Ebd.)
Das Lernen nach behavioristischem Modell ist fremd- und von außen gesteuert und vorhersagbar. Es erfolgt nach dem einfachen „Input-Output-Prinzip". Was zwischen diesen Schritten bei dem Lernenden passiert, findet keine Berücksichtigung. Etwas wird gelernt, wenn der richtige Reiz (Stimuli) eine richtige Antwort (Reaktion) hervorruft, daher ist das Modell auch als "S-R-Modell" bekannt geworden.
Die behavioristische Vorstellung vom Lernprozess lässt sich wie folgt schematisieren:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Lernprozess in der behavioristischen Lerntheorie
Quelle: Meir 2001: Online Dokument
Der Schwerpunkt der behavioristischen Lerntheorie ist die Beschreibung der äußeren Bedingungen des Lernens d. h. das Auslösen von Reaktionen durch Reize bzw. das Behandeln der daraus folgenden Reaktion des Lerners durch Bestrafung oder Belohnung (Verstärkung), je nachdem ob die Reaktion des Lerners negativ oder positiv war. (Ebd.)
Letztendlich ist zu erwähnen, dass das behavioristische Unterrichtsverfahren in der neuen Terminologie zusammen mit dem klassischen Unterrichtsverfahren der Grammatik-Übersetzungsmethode (GÜM), die lehrergesteuert ist, als das typische Instruktionsverfahren gekennzeichnet wird (vgl. Roche 2005: 17).
2.1.3 Kritik
Die Lerntheorie des Behaviorismus wurde zum Einen im Hinblick auf die Reduktion des Lernprozesses auf ein mechanisches "Reiz-Reaktions-Schema" und zum Anderen im Hinblick auf die Darstellung des Lernenden kritisiert. Während bei dem "Reiz-Reaktions-Schema" die Nichtberücksichtigung der internen kognitiven Verarbeitungsprozesse des Lerners bemängelt wurde, beanstanden die Kritiker dieser Theorie beim Lerner seine Gleichstellung mit Tieren gemäß des Konditionierungsprinzips. Dem Lernenden wurde beim Lernen eine rein passive Rolle zugewiesen, die lediglich auf die Informationswiedergabe eingeschränkt wurde. Die Fähigkeit des Lernenden, Probleme zu lösen, wurde ebenso wie seine internen kognitiven Prozesse außer Acht gelassen. (Vgl. Tönnsen 2007: 8f., Meir 2001: Online Dokument, Wolff 2002: 66)
2.2 Lernen in der kognitivistischen Lerntheorie
Aufgrund der Kritik an der behavioristischen Lerntheorie und im Gegensatz dazu, hat sich der Kognitivismus mit den internen kognitiven Prozessen des Lernens stark auseinandergesetzt. In den Ansätzen der kognitiven Theorie wird die Auffassung des Lernens mit der Gesamtheit der Prozesse verknüpft, angefangen mit dem Informationsaufnahme-, über Informationsverarbeitungs- und Speicherungsprozess bis zur Anwendung der Informationen in spezifischen Situationen.
In den kognitionspsychologischen Theorien werden die im Lernenden ablaufenden Prozesse der Informationsverarbeitung erklärt (vgl. Seel 2003: 19). Dabei werden auch die individuellen Parameter wie Intelligenz und Vorwissen im Lernprozess bzw. im Unterrichtsplanung berücksichtigt. Der Lerner ist in diesem Paradigma - im Gegensatz zum Modell der Behavioristen - ein aktives Wesen, er wählt und verarbeitet Informationen. Also er wird als informationsverarbeitendes System verstanden. Das Sprachenlernen wird hinsichtlich der Struktur und der Prozesse des Gehirns betrachtet. Der Spracherwerb wird als ein komplexes Prozess der Informationsverarbeitung angesehen. Diese Informationsprozesse sind für Sprachenerwerb von großer Bedeutung. (Vgl. Wolff 2002: 65ff., Roche 2005: 18)
2.2.1 Rolle des Lehrers
In dem kognitivistischen Unterrichtsmodell wurde die Rolle des Lehrers im Vergleich zum Behaviorismus von Reizvermittlung zur Modellierung des Lernens bzw. Lernprozesses geändert. Die neuen Kenntnisse werden auf der Basis der Vorkenntnisse verarbeitet. Der Lehrer legt den Lernprozess, den modelhaften Lernerfolg und die dafür erforderliche Zeit fest. Der Lehrer befähigt nicht den Lernenden, authentische Situationen zu bewältigen, sondern er modelliert das Lernen und vereinfacht dem Lernenden die Lernsituationen. Diese bietet er als Problem dar und hilft dem Lernenden, die Lösungen dafür zu finden. (Vgl. Roche 2005: 18, Stangl (a): Online Dokument)
2.2.2 Lernprozess
Der Lernprozess durchläuft in der kognitivistischen Lerntheorie vier Stufen: Wahrnehmen, Verstehen, Behalten und Automatisieren. Jede Stufe ist ein aktiver Prozess, bei dem die Informationen aktiv verarbeitet, vernetzt, verglichen und gespeichert werden. Die verschiedenen Gedächtnisspeicher (Ultrakurzzeit-, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis), in denen das Gelernte behalten wird, „sind jedoch keine passiven Schubladen, sondern Wissensnetze mit bestimmten Arbeitsfunktionen“ (Roche 2005: 18). Diese Gedächtnisarbeitsprozesse werden in den kognitivistischen Ansätzen detailiert beschrieben.
Im Vordergrund stehen im Kognitivismus neben der Informationsverarbeitung die Strategien der Problemlösung, die zu den richtigen Antworten führen. Methoden und Problemstellung unterstützen den Lernprozess bzw. den Verarbeitungsprozess. Dabei spielen Lernangebot, Problemstellung, Methodik und Informationsaufbereitung eine wichtige Rolle, indem sie Probleme schaffen, dafür der Lernende Lösungen entwickeln soll. Der Lernende gewinnt Erkenntnisse, wenn er die entsprechende Lösung findet und auf diesem Weg wird etwas gelernt. „Generell geht es kognitivistischen Theorien um die Vermittlung von Einsichten in den Lernprozess selbst und um die Übertragbarkeit des Gelernten auf neue Wissensfelder.“ (Roche 2005: 18)
Der Lernprozess der kognitivistischen Lerntheorie kann wie folgt schematisiert werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Lernprozess in der kognitivistischen Lerntheorie
Quelle: Meir 2001: Online Dokument
Die kognitivistische Lerntheorie lässt sich durch folgende Punkte kennzeichnen: Die Kognitivsten befassen sich mit den Themen der Wahrnehmung, des Problemlösens durch Einsicht, den Entscheidungs-, Informationsverarbeitungs- und Verstehensprozessen. Sie nehmen die inneren Vorgänge des Lernenden ins Zentrum des Interesses, sodass der Lernende nicht mehr als passives Wesen behandelt wird. Seine Handlungen werden nicht mehr als eine Reiz-Reaktions-Kette betrachtet, sondern durch Denkvorgänge bestimmt. Zwischen Reiz und Reaktion besteht ein Bindeglied nämlich die kognitiven Repräsentationen. Aufgrund dessen gehen die Kognitivisten davon aus, dass Informationen nicht nur schlicht aufgenommen, sondern verarbeitet und bewertet werden. Kognitives Lernen lässt sich als Lernen durch Einsicht oder Lernen durch Denken kennzeichnen und wird durch drei Merkmale näher beschrieben:
- Einsicht ist abhängig von der Anordnung der Problemsituation
- Lernerfolg stellt sich plötzlich ein (Aha-Erlebnis)
- Die gewonnene Lösung kann auf andere Situationen angewendet werden. (Vgl. Stangl (a): Online Dokument)
2.2.3 Kritik
In der kognitivistischen Theorie wird kritisiert, dass der Lernprozess schon vorher ausführlich beschreibbar und daher vorhersagbar ist. Der Lernende muss dabei von außen gesteuert werden, in dem er die vorher definierten Schritte gehen und die geplanten Ergebnisse erreichen soll. (Vgl. Roche 2005: 18, Meir 2001: Online Dokument)
Die Kognitivisten messen die Ergebnisse der Lernprozesse an einem objektivistischen Weltbild. Sie gehen davon aus, dass es nur ein einziges richtiges Lernergebnis geben kann, obwohl es verschiedene individuelle Unterschiede zwischen den Lernenden gibt, die das Lernen und den Lernprozess stark beeinflussen. (Vgl. Tönnsen 2007: 10) Die Kognitivisten berücksichtigen wenig die Schritte, die zu einer Problemlösung führen bzw. die eine Problemsituation generieren: „Kognitivistische Lerntheorien fokussieren häufig den Problemlösungsprozess, ohne dabei den notwendig vorhergehenden Prozess der Problemgenerierung genügend zu berücksichtigen“ (Mitschian 2000: 17f.). Ein anderer Kritikpunkt richtet sich allgemein an die Einschränkung des Lernens auf die kognitiven Prozesse:
Im kognitivistischen Modell wird Lernen nur von der Kognition her gesehen werden, also von den Anforderungen der mentalen Informationsverarbeitung, nicht jedoch in Abhängigkeit vom Material und vor allem nicht von der allgemeinen Befindlichkeit des Lernenden, dessen Persönlichkeit sich keineswegs in Gedächtnisinhalten erschöpft. (Mitschian 2000: 17)
Gemäß den Kognitivsten kann der Lernprozess fremd bzw. von außen gesteuert werden. Dies stellt eine grundsätzliche Gemeinsamkeit zwischen der kognitivistischen und der behavioristischen Lerntheorie dar (vgl. Roche 2005: 18). Der Lernende wird zu einem bestimmten Ausgangspunkt geführt und dann schrittweise zum vorher definierten Lernergebnis gebracht. Dieses Verfahren hat zur Folge, dass die Lernaktivität des Lernenden meistens in nicht authentischen Situationen geschieht, die wiederum zu virtuellen Lösungen von Problemen führen. „Dazu muss der Lerner nicht selten eine `virtuelle Rolle` spielen, welche ihn zur Lösung virtueller Probleme und Aufgaben animieren soll“ (Tönnsen 2007: 11).
2.3 Lernen in der konstruktivistischen Lerntheorie
2.3.1 Zum Begriff Konstruktion
Dem Begriff Konstruktion - im sehr allgemeinen Sinne - unterliegt prinzipiell
die Annahme, dass menschliches Erkennen, menschliches Denken und Lernen sich durch Prozesse des Konstruierens definieren. Handlungsstrukturen, Denkstrukturen und neue Wissensstrukturen entstehen immer aus der Interaktion von bereits vorhandenen Wissensstrukturen mit neuen Wahrnehmungen: Erkennen ist Konstruktion ist Interaktion. (Wolff 2002a: 7)
Die Wurzeln der konstruktivistischen Theorie gehen auf die alte philosophische Fragestellung zurück, ob die Welt, wie wir sie sehen, wirklich ist oder ob sich jeder sein Weltbild selbst konstruiert (vgl. Müller 2002: 43). Durch neue Forschungen in der Entwicklungspsychologie (Gean Piaget), Biologie (Maturana / Varela) und Kybernetik (Heinz von Foerster/ von Glaserfeld) wird die ursprüngliche Idee des Konstruktivismus aktualisiert, weiter entwickelt bzw. neu geprägt. Weil zum Themenfeld des Konstruktivismus, als Wahrnehmungstheorie, die Erforschung der Wahrnehmungsprozesse gehört, beinhaltet er Annahmen und Theorien zu Bereichen, die den Kern des didaktischen Rahmenfelds berühren, wie Lernen und Gedächtnis. So gerät er ins Fokus der Didaktik. In der Lehr- und Lernforschungstheorie und vor allem in der Forschung der menschlichen Verstehensprozesse wurde die Frage einbezogen, in welchem Zusammenhang Konstruktivismus mit dem Schulunterricht steht bzw. welche Bedeutung Konstruktivismus für den Schulunterricht hat. (Vgl. Müller 1998: Online Dokument)
Der Konstruktivismus ist eine Erkenntnistheorie, eine psychologische und eine philosophische Theorie der Wahrnehmung, des Erkennens und des Wissens (vgl. Wolff 2002a: 72, Wendt 2000: 21f., Riemer 2002: 60 et al.) Er befasst sich mit Wahrnehmungsprozessen, die - nach den Konstruktivisten - keine Realität abbilden, sondern nur eine relative und subjektive Wirklichkeit konstruieren. Man gibt dabei den Anspruch auf Objektivität und Realität auf und ersetzt sie durch subjektive und intersubjektive Wirklichkeit. Demzufolge gibt es auch kein objektiv richtiges oder falsches Wissen, sondern interindividuelle Axiome, Vereinbarungen und Setzungen. (Vgl. Tönnsen 2007: 11, Stangl 2006: Online Dokument)
Seit kurzem findet Konstruktivismus wegen Förderung aus verschiedenen alten und neuen, wissenschaftlichen und philosophischen Forschungsrichtungen viel Aufmerksamkeit in den theoretischen und anwendungsbezogenen Wissenschaftsbereichen, unter anderem im Fachbereich Fremdsprachendidaktik (vgl. Mitschian 2000: 17). Damit werden viele Grundannahmen der Erkenntnislehren, die unter dem Terminus „Konstruktivismus“ gesammelt werden, von Forschungsergebnissen verschiedener Wissensdisziplinen bestätigt (z. B. philosophische, lernpsychologische, pädagogische, kommunikations-, medienwissenschaftliche, psychologische, neurobiologische, entwicklungspsychologische, kognitivpsychologische und psycholinguistische Forschungsergebnisse) (vgl. Wendt 2000: 15; Kara 2007: 32f.). Durch diese Bezüge zu verschiedenen Wissenschaftsbereichen und Disziplinen ist es dem Konstruktivismus gelungen, eine Sammelgrundlage für verschiedene und unterschiedliche Ideen in der Didaktik zu werden:
„Der Konstruktivismus hat die didaktische Diskussion erheblich belebt, auch oder gerade weil er ein 'Sammelbecken von recht unterschiedlichen didaktisch-methodischen Ideen und Konzepten darstellt' “ (Leupold 2000: 177).
2.3.2 Int erdisziplinarität als neues Forschungsfundament
Konstruktivismus ist im eigentlichen Sinne des Wortes und im Vergleich zu den Lerntheorien wie Behaviorismus und Kognitivismus noch keine einheitliche Lerntheorie, sondern ein weites Sammelterminus mit offenen Grenzen:
Eine eigentliche konstruktivistische Lerntheorie, vergleichbar mit den Lerntheorien der Behavioristen bzw. der kognitiven Psychologen, gibt es bisher nicht. Eine Vielzahl von Forschern aus verschiedenen Fachgebieten haben sich allerdings mit konstruktivistischem Gedankengut aus einer lerntheoretischen Perspektive beschäftigt, sodass es durchaus möglich ist, einige lernpsychologische Überlegungen nachzuzeichnen, die sich aus dem Konstruktivismus ergeben. (Wolff 2002a: 86)
Konstruktivismus versteht sich als ein weiteres theoretisches Fundament und eine neue Zusammenverbindung zwischen bereits in der Pädagogik und in der Didaktik existierenden Prinzipien, die parallel vorhanden waren und unabhängig voneinander diskutiert wurden.
Viele der bereits diskutierten und mitunter auch im Fremdsprachendidaktik angewendeten Prinzipien bekamen durch Konstruktivismus aber ein (weiteres) theoretisches Fundament und vor allem eine Verbindung, was dazu führte, dass die nebeneinander existierenden und unabhängig voneinander diskutierten Prinzipien in einem neuen Frame in eine sinnvolle Beziehung untereinander gesetzt werden konnten. (Grünewald 2006: 44)
Die expansive und transdisziplinäre Eigenschaft des Begriffs „Konstruktion“ bzw. “Konstruktivismus“ und deren immer noch zunehmend verbreitende Konzeption impliziert die Entstehung von interdisziplinären Bezügen und demzufolge die Anregung von interdisziplinären Forschungen. Diese Interdisziplinarität des Konstruktivismus eignet sich für die Forschungen in der Fremdsprachendidaktik bzw. Lehr- und Lernforschung, zumal deren zu erforschten Faktoren einen multidimensionalen Charakter haben und die Forschungsthemen über viele komplexe Konstrukte verfügen, welche in Interdependenz zueinander stehen:
Die zunehmende Verbreitung der mit diesen Begriffen [d.h. Konstruktivismus und Konstruktion] verbundenen Konzeptionen birgt zum einen die Chance, interdisziplinäre Bezüge herzustellen und entsprechende Forschungen anzuregen, sie erfordert zum anderen, die spezifischen Anliegen der Fremdsprachendidaktik unter veränderten Vorzeichen zu reflektieren und zu artikulieren. (Wendt 2000: 15f.)
Die Interdisziplinarität ermöglicht es, dass man den Einfluss verschiedener Faktoren zusammen erforscht, die in den bisherigen methodischen Herangehensweisen nicht auf einem selben theoretischen Fundament zusammen zu stellen sind.
2.3.3 Grundannahmen und Prinzipien des Konstruktivismus
In den 90er Jahren erlebte das Fremdsprachenlernen mit der Entwicklung neuer konstruktivistischen Ansätze einen Paradigmawechsel. Viele Überlegungen zum Fremdsprachenunterricht - in erster Linie die Überlegungen zur Förderung der Lernerautonomie, Lernerorientierung und Handlungsorientierung - berufen sich auf die konstruktivistische Lerntheorie. (Vgl. Wendt 2000: 76, Wolff 2002b: 8ff., Riemer 2002: 60)
Die konstruktivistischen Ansätze gehen von der Annahme aus, dass Wissen nie als solches von einer Person zu einer anderen übermittelt werden kann. Die einzige Art und Weise, in der ein Organismus Wissen erwerben kann, besteht darin, es selbst aufzubauen oder für sich selbst zu konstruieren (vgl. Wolff 2002a: 72f.). Informationen werden demzufolge nicht einfach aufgenommen, verarbeitet und gespeichert, wie es in der kognitivistischen Theorie der Fall ist, sondern im Kopf des Lernenden als neues individuelles Wissen erzeugt. Die Information wird nicht von außen in den Kopf des Lernenden transportiert, sondern als Perturbation konzipiert, die das kognitive System in Einklang mit den schon vorhandenen kognitiven Strukturen bringen muss. Die Informationen werden nicht übertragen und „demzufolge auch nicht 'verarbeitet' werden können, sondern in ihrem Bedeutungsgehalt vom kognitiven System erzeugt werden, das nur mit seinen eigenen Zuständen interagiert“ (Wendt 2000: 26). Demnach bedeutet Lernen, kognitive Konstruktionen neu aufzubauen bzw. existierende ständig umzugestalten. Es ist ein dynamischer intra-personeller Konstruktionsprozess. (Vgl. Wolff 2002a: 86ff., Roche 2005: 20, Grünewald 2006: 42ff.)
Der Lernende baut bzw. konstruiert Wissen auf der Grundlage seiner Vorerfahrungen, Überzeugungen und seines Weltbildes selbst auf:
Verstehen und Lernen [sind] Konstruktionsprozesse, die auf der Interaktion zwischen eingehenden Stimuli und bereits vorhandenem Wissen beruhen. [….] Jeder Lerner kann Informationen von außen nur auf der Basis seiner eigenen Erfahrungen deuten, die wiederum das Ergebnis früherer Konstruktionen sind. (Wolff 2002a: 87)
Für das Lernen bzw. Fremdsprachenlernen impliziert Konstruktivismus Grundannahmen und Prinzipien, die Wolff (2002a: 90) in folgenden Stichpunkten zusammengefasst hat:
1. Lernen ist ein aktiver Prozess der Konstruktion von Wissen. Hier sind die Konstruktivisten und die kognitiven Psychologen völlig einig. Der Begriff der Konstruktion wird allerdings unterschiedlich interpretiert.
2. Es kann nur etwas verstanden und gelernt werden, was sich mit vorher gemachten Erfahrungen in Verbindung bringen lässt. Statt Erfahrungen benutzen die kognitiven Psychologen hier den Begriff des Wissens.
3. Unsere Erfahrungen sind subjektiv, deshalb sind auch die Ergebnisse von Lernprozessen individuell verschieden. Auch diese Erkenntnis wird von den kognitiven Psychologen mitgetragen.
4. Lernprozesse als Konstruktionsprozesse können nur gelingen, wenn der Lernende bereit ist, das eigene Lernen selbstverantwortlich in die Hand zu nehmen. Dieser Gedanke spielt in der kognitiven Psychologie keine Rolle.
5. Mit der Eigenverantwortlichkeit verbindet sich die Selbstorganisation. Lernprozesse können nur dann zu Lernergebnissen führen, wenn sie vom Lernenden eigenständig organisiert werden.
6. Lernen ist nach Auffassung der konstruktivistischen Pädagogen nur dann effizient, wenn es unter das Prinzip der Konsensualität gestellt wird. Die Lernenden gelangen in der Kooperation zu einer Angleichung ihrer subjektiven Wissenskonstrukte.
7. Lernprozesse müssen in möglichst reiche Lernumgebungen eingebunden werden. Nur dadurch wird gewährleistet, dass der individuelle Lerner seine subjektiven Erfahrungen an etwas anbinden kann.
Des Weiteren formuliert Müller (1997: 87, zit. nach Kara 2007: 33) in den Grundannahmen der konstruktivistischen Lernkultur folgende Prinzipien für den Fremdsprachenunterricht:
- Erfolgreiches Lernen wird begünstigt durch situiertes soziales Handeln, möglichst in authentischen Kontexten.
- Ohne Anbinden an das bereits vorhandene Wissen ist Lernen sinnlos und irrelevant.
- Erfolgreiches Lernen wird eher durch entdeckende und problemlösende Aktivitäten ermöglicht als durch detailliert geplante Instruktion.
- Lernumgebungen müssen komplex strukturiert, interessant und authentisch gestaltet sein und Spielraum für eigene Hypothesen und Aktivitäten der Lerner gewähren.
- Die Lehrenden fungieren als Berater, Impulsgeber und Unterstützer.
- Im Idealfall entsteht unter diesen Bedingungen sinnvoll erlebtes, vernetztes und transferfähiges Wissen.
- Handlungskompetenz, Kooperationsfähigkeit und die Fähigkeit zur Übernahme von Verantwortung für das eigene Wissen und Handeln gelten als weitere erwartbare Lerneffekte im Rahmen eines derartig durchgeführten Unterrichts.
2.3.4 Lernprozess
Für Wissenskonstruktion beim Lernprozess benötigt der Lernende geistige Materialien und Instrumente, d. h. ein großes Repertoire von Lernstrategien, die nach Konstruktivisten Konstruktions- und Viabilisierungsstrategien sind (vgl. Wendt 2000: 26) und die Fähigkeit diese angemessen einsetzen zu können. (Vgl. Grünewald 2006: 38f.)
Weil das Konstruieren des Wissens aufgrund des individuellen und subjektiven Vorwissens und der Vorerfahrungen des Lernenden geschieht, sind zwangsläufig auch die Ergebnisse der Lernprozesse individuell unterschiedlich. Daraus ergibt sich, dass man die Ergebnisse der Lernprozesse nicht vorausplanen kann und dass der Unterricht unberechenbar ist. Die Ergebnisse der Lernprozesse werden erst dann erkannt, wenn die Lernenden ihre subjektiven Wirklichkeiten konstruiert haben. (Vgl. Wolff 2002a: 88)
2.3.4.1 Authentizität des Lernens
Der Konstruktivismus betont somit die Authentizität - die Echtheit - des Lernens und der Evaluation der Ergebnisse von Lernprozessen. Der Lernende muss im Unterricht befähigt werden, der Urheber seines Lernens zu sein und seine eigenen nicht vorhersagbaren Ergebnisse von Lernprozessen selbst zu evaluieren:
Authentizität bedeutet auch eine Erfahrung, dass Jemand etwas Konkretes angefangen, unternommen oder getan hat. Für die Fremdsprachenerziehung bedeutet das, dass der Schüler Urheber und Täter, Subjekt seines Lernens ist. (Kaikkonnen 2002: 6f., zit. nach Kara 2007: 30)
Mit dem Schaffen der authentischen Lernumgebungen und der situierten Anwendungskontexte im Fremdsprachenunterricht, erreicht man das Ziel, dass der Lernende nicht nur als Informationsrezipient und / oder Verarbeiter von Informationen angesehen, sondern auch als Gesamtperson behandelt wird, die über eine Kognition wie auch über Emotionen, Affekte, eigene persönlichkeits- und charakterbezogene Eigenschaften verfügt (siehe Abschnitt 3.3). Dem Lernenden wird somit die Gelegenheit geboten, sich mit seinem Ganzen auf Themen einzulassen, möglichst genau wie er in authentischen Begegnungen mit seinen Emotionen, Affekten, Kognition agiert und interagiert. Es soll eine Lernumgebung geschaffen werden, in welcher der Lernende sein Wissen bzw. seine Wirklichkeit konstruieren kann. Im Fremdsprachenunterricht kann, nach konstruktivistischer Theorie, die Authentizität des Lernens bzw. der Lernprozesse durch multimediale Mittel gefördert und unterstützt werden, wie etwa der internet- und computergestützter Fremdsprachenunterricht (Meir 2001: Online Dokument). Authentisches Lernen bzw. authentische Lernumgebung führen zum Abbauen der Grenze zwischen Lernen und Leben und setzen das Schulwissen in ein Handlungswissen um. (Vgl. Rusch 2000: 81f., Kara 2007: 31f.). Damit wird die Grenze zwischen dem theoretischen Wissen und seinen Wirklichkeitsbezügen aufgehoben. Die Lernenden erkennen die Wirklichkeitsbezüge des Gelernten und es fehlt Ihnen leicht, das schulische Wissen in außerschulischen bzw. außerunterrichtlichen Kontexten anzuwenden.
Im Unterricht kann man die Authentizität mit folgenden Punkten verbinden:
- Authentizität der Materialien: dies betrifft Texte, Videos, Inhalte,… usw., die sprachlich nicht fremdmanipuliert sind, sondern von Muttersprachlern mit einer informativen Zielsetzung verfasst wurden. Der Schüler kann somit die Information in ihren
echten fremdsprachlichen Kontexten erkennen und daraus entnehmen.
- Authentizität der Interaktion: bezieht sich auf den Umgang mit den Materialien (Themen und Inhalten) im Unterricht z. B. die eigenständige Suche nach Beispielen für Strukturen, nach Kontexten für Wortschatz, etc.
- Authentizität der Arbeitsformen (Arbeitsprojekte): Die Lernaktivitäten werden nicht durch „ so machen als ob…“, sondern in echten Erlebnissen und Erfahrungen involviert. Authentizität hebt somit die Grenzen zwischen Schule und Leben, Schulwissen und Realität auf. (z. B. Besuch einer anderen Klasse). (Vgl. Rüschoff et. al.1999: 60f.)
2.3.4.2 Erläuterung des Begriffs Viabilität
Mit dem Begriff „Viabilität“ wird nach von Glaserfeld (1985) die Brauchbarkeit und die Funktionstüchtigkeit eines Wissenskonstruktes bezeichnet. Der Lernende überprüft seine Wissenskonstruktion, indem er sie mit den bereits vorhandenen Wirklichkeitskonstruktionen in Übereinstimmung bringt. Das Gehirn verleiht ihnen Bedeutung. Die Wirklichkeitskonstruktionen sind dann viabel, wenn sie ihre Brauchbarkeit bzw. Gangbarkeit bestätigen und sich als gültig erweisen. Wenn sich hingegen die Wirklichkeitskonstruktion nach der Funktionsprüfung als nicht funktionstüchtig erweist, d. h. als nicht viabel, muss eine Rekonstruktion stattfinden, wobei eine Umstrukturierung des kognitiven Systems geschieht und neue Wirklichkeitskonstruktionen entstehen. Das kognitive System ist demnach ein semantisch geschlossenes und selbstreferenzielles System. (Vgl. Grünewald 2006: 29ff.) Anlässe zur Viabilisierung der Wirklichkeitskonstruktionen bieten sich sowohl in der authentischen als auch medialisierten Kommunikation sowie durch Interaktion (vgl. Wendt 2000: 26, Wolff 2002a: 81f., Grünewald 2006: 30f.).
Nach Zimmermann (2004: 10, zit. nach Grünewald 2006: 30) gibt es zwei grundsätzliche Viabilisierungsbereiche: den individuellen direkten Viabilisierungsbereich, welcher in der Beziehung zwischen Individuum und Realität besteht und den sprachlichen, der sich auf die Interaktion mit anderen Menschen bezieht, die wiederum über bereits viabilisierte Wirklichkeitskonstruktionen verfügen. Nach dieser Erklärung von Zimmermann kann festgehalten werden, dass die Kommunikation in den Konstruktions- und Viabilisierungsprozessen eine eminent wichtige Rolle spielt. Die Viabilisierung kommt überhaupt nicht in Frage, wenn es keine Kommunikation gibt. Diese ist nämlich für die Viabilisierung der individuellen Wirklichkeitskonstruktionen, der eigenen Bedeutungen und des zu ihrer Äußerung notwendigen Sprachsystems unerlässlich (vgl. Wendt 2000: 26). Auch die interindividuelle Wirklichkeitskonstruktion ist ohne Kommunikation undenkbar. Viabilisierung im schulischen Fremdsprachenunterricht kann durch den Lehrer ermöglicht werden, indem er die Rolle eines zentralen Viabilisierungspartners spielt (vgl. Grünewald 2006: 30).
2.3.4.3 Erläuterung des Begriffs Konsensualität
Ein anderer zentraler Begriff im Konstruktivismus ist die „Konsensualität“. Im Fremdsprachenunterricht ist „Konsensualität“ von großer Bedeutung. Sie beinhaltet die Wichtigkeit des sozialen Kontextes und der wechselseitigen Interaktion zwischen den Schülern untereinander einerseits sowie zwischen den Schülern und dem Lehrenden andererseits. Im Konstruktivismus ist Konsensualität als ein ausschlaggebender Aspekt bei allen Lernvorgängen zu betrachten. Durch Zusammenarbeit gelangen die Lernenden zu einer Angleichung ihrer subjektiven Wissenskonstrukte. Die gemeinsame Arbeit an den Lerninhalten erleichtert dem einzelnen Lernenden den Lernprozess. Diese Sozialformen des Lernens können im Fremdsprachenunterricht durch kooperatives oder kollaboratives Lernen, also Team-, Gruppen-, Partner- und langfristige Projektarbeiten, gefördert werden. (Vgl. Wolff 2002a: 89, Kara 2007: 33).
Durch „Konsensualtät“ fördert Konstruktivismus für Sprachproduktionsprozesse statt lehrerzentrierter lernerzentrierte und neben produktorientierten prozessorientierte Methoden. (Vgl. Wolff 2002a: 382f.). Diese Methoden können im Fremdsprachenunterricht optimal durch konsensualitäts-basierte Sozialformen wie bspw. Gruppenarbeit, Unterrichtsprojekt in die Praxis umgesetzt werden. Weiterhin lassen sich somit die Unterrichtsprinzipien durch kreative Arbeitsformen und möglichst authentische Lernumgebungen kennzeichnen (vgl. Grünewald 2006: 43).
2.3.5 Rolle des Lehrers
Wie in den obigen Abschnitten erklärt wurde, kann das Wissen nach dem konstruktivistischen Ansatz nicht übertragen werden und der Lerner ist weder ein „reaktives Wesen“ noch ein passiver Empfänger vom Wissen, sondern ein Konstrukteur seines Wissens. Das Lernen ist ein hochgradig subjektiver, selbstbestimmter und aktiver Prozess der Konstruktion von Wissen. Wenn im konstruktivistischen Fremdsprachenunterricht dem Lerner die zentralen Rollen und Aufgaben im Unterricht zukommen und es um die Förderung von Konzepten wie „Lernerautonomie“, "Lernerorientierung" und „Handlungsorientierung“ geht, stellt sich die Frage, welche Rolle bzw. welche Aufgaben sind der Lehrperson zuzuschreiben?
Im Gegensatz zu instruktivistisch-basiertem Unterricht, wobei der Lehrer die dominante Wissensautorität bzw. der alles Weißer und der Lernende der passive Empfänger ist, steht, nach der Ansicht der Konstruktivisten, der Lernende mit seinen subjektiven Erlebnissen und individuellen Faktoren im Vordergrund. Das Lernen ist nicht mehr eine Reaktion auf das Lehren. Konstruktivismus gibt dem Lernenden eine zentrale Rolle und damit verändert er die traditionelle Rollenverteilung und Aufgaben im Fremdsprachenunterricht. Der Lerner steuert seinen Lernprozess selbst, indem er sein Lernen selbst organisiert und dem gegenüber eigenverantwortlich ist (siehe Abschnitt 3.3.1). Im konstruktivistisch-basierten Fremdsprachenunterricht wird der Lehrer als „Lernberater“, „Lernförderer“, „Organisator von Lernprozessen“ bezeichnet (vgl. Caspari 2000: 188).
Für von Glaserfeld besteht die Aufgabe der Lehrperson darin, die Konstruktionsprozesse ihrer Schüler zu orientieren und demzufolge die Funktion des Aushandelns von Bedeutung und Wissen zu ermöglichen (vgl. von Glaserfeld 1997: 306, zit. nach Leupold 2000: 178). Von diesen Aussagen von von Glaserfeld leitet Leupold (ebd.) weitere Lehrerfunktionen ab und zwar: der Lehrer vergegenwärtigt sich das Denken des Lerners, er aktiviert das Vorwissen des Lerners und bezieht dieses in den Unterricht mit ein, er berücksichtigt und analysiert die aktuellen Bedürfnisse des Lerners und seine Erfahrungswelt. Leupold (ebd. 179) fasst diese Aufgaben wie folgt zusammen:
Der Lehrerin/dem Lehrer kommen die Aufgaben zu,
1. sich um Einblick in das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler zu bemühen,
2. Lernarrangements für die Konstruktionsprozesse der Schülerinnen und Schüler zu schaffen,
3. Schülerinnen und Schüler in ihrem Lernen zu orientieren sowie
4. Zurückhaltung bei der Wissensübertragung zu üben.
Wie bereits erläutert wurde, gibt es nach Konstruktivisten kein objektiv richtiges oder falsches Wissen. Im schulischen Unterricht ist diese Aussage jedoch nicht plausibel, insbesondere wenn es um kaum kontroverse Thesen, Sachverhalte u. ä. geht. Hier stellt sich die Frage, wann und wie kann der Lehrer eine Antwort eines Lernenden für falsch oder richtig beurteilen? Was ist falsch, wenn alles richtig sei?
Diese Frage kann zweierlei beantwortet werden. Erstens ist es im konstruktivistischen Unterrichtskontext nicht wichtig, dass der Lernende richtig oder falsch antwortet. Es ist wichtig, dass der Lernende mit einer Situation umgeht und aus ihr Lösungen entwickelt(Vgl. Meir 2001: Online Dokument) bzw. seine Hypothesen über die Sprache testet. Der Lernende wird nicht vom Lehrer gefragt, sondern er soll eher selbst die Frage finden, indem er seinen "Ist-Zustand" als Problem wahrnimmt und dann die Antwort bzw. die Lösung entdeckt. Eine große sprachliche Leistung wird nicht dann erreicht, wenn der Lernende keine Fehler begeht, sondern dann, wenn er das der Situation angemessene sprachliche Verhalten zeigt. (Vgl. Bleyhl 2000: 115) Zweitens auch wenn es um unbestrittene Sachverhalte bzw. Axiome und Vereinbarungen geht, könnte es sein, dass der Lernende seine Konstruktion anders entwickelt als das, was der Lehrer erwartet. Nehmen wir das Beispiel aus einem hochgradig genauen Wissen:
Kaum jemand kann bestreiten, dass die Summe von eins und eins gleich zwei ist. Es kann jedoch Lernende geben, die diese Aufgabe aus einem anderen Blickwinkel betrachten und behaupten, dass eins und eins gleich elf ist. Diese Antwort ist auch richtig, wenn die Aufgabe auf der Ebene des Schriftbildes (Orthographie) und nicht der mathematischen Addition gelöst wird (vgl. Rampillon 2000: 122). Oder dass eins und eins gleich zweimal eins ist, wenn der Lernende das "Eins" als Einheit für Note begreift. Wenn also das Wissen und der Verstehensprozess dieses Lernenden betrachtet werden, kommt man zu dem Ergebnis, dass seine Antwort intrapersonal gesehen richtig ist. Es ist daher immer wichtig, dass der Lehrer nach der Begründung bzw. dem Blickwinkel des Lernenden fragt, wenn dieser eine abweichende Antwort gibt.
Die Rolle des Lehrers in der konstruktivistischen Lerntheorie besteht allgemein darin, eine kommunikationsorientierte Umgebung zu schaffen, in der die subjektiven Erfahrungsbereiche des Lernenden angesprochen und die von ihm selbst konstruierten relativen Wirklichkeiten durch pragmatische, interaktive und kreative Problemlösung mit der Realität verbunden werden. Einfacher gesagt, er spielt die Rolle eines Lernbegleiters (Coachs), der eine Atmosphäre schafft, in der das Lernen in einem möglichst authentischen Kontext ermöglicht wird. (Vgl. Meir 2001: Online Dokument)
2.3.6 Kritik
Wenn über Kritik des Konstruktivismus gesprochen werden soll, dann muss man zwischen dem radikalen und gemäßigten Konstruktivismus unterscheiden. Kritik an dem konstruktivistischen Ansatz richtet sich lediglich an den radikalen Konstruktivismus, der mit dem Namen von Ernst von Glaserfeld7 verbunden ist. Beanstandet wurde der radikale Konstruktivismus wegen der informationellen Geschlossenheit, Selbstreferenzialität des Lernenden-Systems und der Abwertung der Rolle des Lehrers. Bekannte Kritiker des radikalen Konstruktivismus sind u. a. Rheinfried, Bredella und Nüse. Sie setzen sich ausdrücklich gegen die Annahme des radikalen Kontruktivisten ein, dass das Gehirn nur bedeutungsneutrale Reize empfängt, die nichts über die Außenwelt erkennen lassen. Nach Bredella sollen die informationelle Geschlossenheit und die Selbstreferenzialität des Gehirns zur Verabsolutierung des Subjekts führen und dazu, dass menschliches Handeln nicht mehr intentional beschrieben werden kann. (Vgl. Vollmer 2001: 48ff.)
Der gemäßigte Konstruktivismus gilt als neues Paradigma in der Fremdsprachendidaktik. In Deutschland lässt sich dieses Paradigmawechsel mit Wolff Dieter (1994) und Michael Wendt (1996) verbinden. Die Verbreitung und Akzeptanz des gemäßigten Konstruktivismus liegt daran, dass er sich als eine Weiterentwicklung des klassischen Informationsverarbeitungsansatzes darstellt. Gemäßigter Konstruktivismus knüpft an die sich zunehmend durchsetzende neue Konzeption von Lernumwelten, die konstruktives Handeln fördern und sich mit den bereits bestehenden didaktischen Konzeptionen wie Handlungs- und Lernerorientierung, Lernerautonomie, Lernen lernen sowie computergestütztes Sprachenlernen verbinden. (Vgl. Vollmer 2001: 52f.) Konstruktivismus befürwortet Unterrichtsformen, die die Autonomie des Lerners, die Übernahme der Verantwortung für das eigene Lernen und die Entstehung einer Konstruktionsbewusstheit unterstützen und fördern (vgl. Vollmer 2001: 52f.).
2.4 Lerntheorien im Vergleich
In der folgenden Tabelle werden die Unterschiede zwischen den Lernparadigmen und Lernprozessen in den drei einflussreichen Lerntheorien zusammengefasst:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Unterschiede zwischen den drei einflussreichen Lerntheorien
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Stangl (b): Online Dokument
3 Fremdsprachenlernen: neue Wege
3.1 Fremdsprachenlernen oder Fremdsprachenerwerben
Lernen, Erwerben und Aneignen sind von der sprachlichen Bedeutung her nah zueinander stehende Begriffe. Sie werden im Allgemeinen gleichermaßen als Oberbegriffe für den Umgang mit Fremdsprache verwendet. Es ist sehr wichtig, dass im Kontext des gesteuerten bzw. unterrichtlichen Fremdsprachenlernens8 zwischen den Begriffen "Lernen" und "Erwerben" unterschieden wird. In anderen Kontexten, wo die Fremdsprache - hinsichtlich der kognitiven, affektiven bzw. motivationalen und interaktionellen Faktoren - anders als im unterrichtlichen Kontext angeeignet wird, werden Erwerben und Lernen miteinander vermischt. In Kontexten, wo der Schüler die Möglichkeit hat, die Fremdsprache außerhalb des Unterrichts zu verwenden, verschmelzen beide Begriffe ineinander, zumal der Schüler die Fremdsprache neben der Aneignung im Unterricht auch draußen in alltäglichen Kontexten erwerben kann. Als Beispiel können hier Schüler herangeführt werden, die Französisch oder Englisch als Fremdsprache an den algerischen Schulen lernen. Sie haben die Möglichkeit diese Fremdsprachen authentisch in den Zeitungen, im Kino oder im Internet zu erwerben. Der Erwerb entspricht in diesem Fall sogar der Zuneigung des Lernenden, wenn er z. B. zu Pop-, Rockmusik oder dem Hollywood-Kino neigt, kann er Musikvideoclips, Lieder und Filme von der Zielsprachengruppe unmittelbar hören. Wenn die Aneignung der Fremdsprache in den "natürlichen" Kontexten verläuft und der Lernende unter den alltäglichen und spontanen Bedingungen mit der Zielsprache in Kontakt tritt, spricht man dann vom "Erwerben". Wenn die Fremdsprache hingegen in gesteuerten, vorgeplanten Unterrichtskontexten, intentional und zielgerichtet angeeignet wird, ist dann die Rede vom "Lernen". (Vgl. Riemer 2002: 65f., Grünewald 2006: 39; Henrici 2001: 7f.)
In der folgenden Tabelle werden die Unterschiede zwischen Lernen und Erwerben dargestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Unterschiede zwischen Lernen und Erwerben
Quelle: Eigene Tabelle
Grünewald (2006: 39) ist der Meinung, dass trotz aller möglichen Unterschiede zwischen den Begriffen Lernen und Erwerben, der Aneignungsmodus "Erwerben" als übergeordnet betrachtet wird. Beim Lernen gibt es mehr oder weniger einen Teil von Merkmalen des Erwerbens, denn "Lernen geschieht nie ohne Erwerb" (ebd.). Dass der Aneignungsmodus "Lernen" einen Teil von dem des "Erwerbens" beinhaltet und dass die Schüler beim Fremdsprachenlernen im Unterricht die Fremdsprache erwerben, setzt voraus, dass der Unterricht Merkmale von Erwerbsbedingungen bzw. Erwerbskontexten berücksichtigt wie Authentizität der Lernumgebung, Ganzheitlichkeit des Schülers (siehe Abschnitt 3.3.2), Selbststeuerung des Lernprozesses, Wichtigkeit und Wert des Lernstoffs und dessen Entsprechung und Einklang mit den Bedürfnissen und Interessen des Schülers, und demzufolge die Motivationsintensität für die Lernaufgaben und Einsatzbereitschaft des Schülers. Dies ist das zentrale Interesse und das Hauptanliegen des Ansatzes von Konstruktivisten (siehe Abschnitt 2.3).
Die Rede über die Dichotomie "Lernen versus Erwerben" führt zur Auseinandersetzung mit der Unterscheidung zwischen Zweitsprachen- und Fremdsprachenerwerb. Zuerst wird darauf hingewiesen, dass mit dem Begriff Erstsprachenerwerb die Muttersprache, welche man von der frühen Kindheit zu erwerben beginnt, gemeint ist. Beim Erwerben der Erstsprache (L1) werden Lernfähigkeiten und -fertigkeiten entwickelt. Der Zweitsprachenerwerb betrifft den Erwerb oder auch das Lernen einer Sprache in der Zielsprachenkultur (z. B. ein nicht Deutscher erwirbt Deutsch in Deutschland - DaZ: Deutsch als Zweitsprache - etwa Kinder von türkischen Migranten), wenn aber das Lernen bzw. der Erwerb in der Ausgangskultur stattfindet, dann ist die Rede vom Fremdsprachenerwerb (z. B. Deutsch als Fremdsprache: DaF). Egal wie viele Fremdsprachen in der Schule der Ausgangskultur gelernt werden, sie gelten alle als Fremdsprachen (Fremdsprache 1, Fremdsprache 2, Fremdsprache 3, (...), Fremdsprache n). Die Fremdsprachen, die in der zeitlichen Abfolge nach einer ersten Fremdsprache (L2) erlernt werden, werden als Tertiärsprachen bezeichnet (Hufeisen/ Neuner 2003: 5). Der Begriff Zweitsprachenerwerb oder -lernen hat im Wesentlichen nicht mit der Anzahl der erlernten Sprachen zu tun, sondern eher mit der kulturellen Umgebung, wo das Erwerben bzw. Erlernen der Sprache stattfindet.9 (Vgl. Henrici & Vollmer 2001: 8ff., Riemer 2002: 61ff.) Sowohl die Erstsprache als auch die Zweitsprache sowie die vorher gelernten Sprachen spielen eine wichtige Rolle in dem Fremdsprachenlernen. Sie üben einen großen Einfluss auf den Lernprozess der Fremdsprache:
Die Lerner einer Fremdsprache greifen auf Fähigkeiten und Fertigkeiten zurück, die sie sich während des Erstsprachenerwerbs entwickelt haben. Offenbar orientiert sich der Lerner einer Fremdsprache an Strukturen und Elementen seiner Erstsprache. (Schönpflug 1977, zit. nach Grünewald 2006: 39)
3.2 Lernersprache ist lernerautonom
Beim Zweitsprachenerwerb und / oder beim Lernen einer Fremdsprache entwickelt der Lerner ein spezifisches Sprachsystem, welches von verschiedenen Sprachelementen und Merkmalen herausgebildet wird. Dieses System heißt Lernersprache (auch Interimssprache). Die Lernersprache kennzeichnet sich durch Lückenhaftigkeit und Instabilität. Als Brückensprache zwischen der Ausgangssprache, den davor gelernten Sprachen und der Zielsprache ist Lernersprache ständig veränderbar. In der Phase des Erlernens einer Fremdsprache entwickelt der Lerner Lernstrategien, die in Form von Transfer und Umstrukturierung der vorhandenen Prozesse der vorher gelernten Sprachen auftreten. Nicht nur der Erstsprachenerwerb (Muttersprache) hat einen Einfluss auf das Fremdsprachenlernen, sondern auch die gesamten vorher gelernten Sprachen bzw. Fremdsprachen. (Vgl. Meixner 2000: 86ff., Riemer 2002: 63f.)
Lernersprachen sind also nicht nur zweiwertige Systeme zwischen Ausgangs- und Zielsprache, sondern umfassen Elemente aus allen weiteren mehr oder minder beherrschten Sprachen. Fremdsprachen können dabei als "Brückensprachen" zu anderen Fremdsprachen fungieren. (Riemer 2002: 64)
Die Anzahl der vorher gelernten Fremdsprachen, ob sie nah oder weit von der Zielsprache sind (z. B. hinsichtlich der kulturellen und linguistischen Bezüge) sowie die Qualität des Erlernens und der Beherrschungsgrad dieser Sprachen (z. B. ob sie gut oder schlecht gelernt wurden, mit Erfolgs- oder Misserfolgserlebnissen) - all dies spielt eine wichtige Rolle beim Lernen der zu erlernenden Fremdsprache: "Der Drittsprachenerwerb sowie der Erwerb10 einer dritten Fremdsprache (Tertiärsprache) [müssen] eigens modelliert und gestaltet werden, je nachdem welche Sprachen davor gelernt und wie sie gelernt wurden." (Henrici & Vollmer 2001a : 9)11
Dies betrifft genau den Fall der algerischen Schüler und Studenten, die sich schon im zweiten Jahr der Sekundarstufe12 mit der Tertiärsprache auseinandersetzen müssen. Sie lernen neben dem Französischen und Englischen Deutsch als Fremdsprache.
Im Fall des Fremdsprachenlernens bzw. der Tertiärsprache kennzeichnet sich das Fremdsprachenlernen bis zu einem gewissen Grad des Erwerbens bzw. bis zu einer gewissen Niveaustufe durch Sprachtransfer. Die Wörter der Zielsprache werden nicht direkt mit den Konzepten verbunden, die eigenständig und spezifisch für die Zielsprache entwickelt werden, sondern der Lerner findet für sie eine Bedeutung in den Konzepten der Erstsprache: "Die Verwendung der Zielsprache wird in dieser Phase des Sprachenlernens großenteils auf Übersetzung basiert" (Grünewald 2001: 39). In Folge dessen sind die Interimssprachen lückenhaft und durch Interferenzfehler bzw. negativen Transfer gekennzeichnet. Lernersprache ist also eine Mischung aus den Regeln der Ausgangssprache, der sonstigen Fremdsprachen und der Zielsprache. Sie besteht aus Elementen (wie bspw. Konzepten, Strukturen), die entweder zur Ausgangssprache, vorher gelernten Sprachen, zur Zielsprache oder zu keiner davon gehören, sondern zu dem Lernenden selbst (wie Lernstrategien, die der Lernende entwickelt, um Fremdspracheninput zu analysieren und zu verstehen). Demnach sind Lernersprachen hochgradig individuell und lassen sich vom Faktoren des Lernenden stark beeinflussen. (Vgl. Vollmer 2001: 27)
Im Unterricht sind Lernersprachen13 variabel, d. h. sie unterscheiden sich von einem Lernenden zu einem anderen. Sie lassen sich durch verschiedene Faktoren beeinflussen wie:
- Kompetenzgrad der Muttersprache bzw. der vorher gelernten Sprachen auf der sprachlichen Ebene
- Selbsteinschätzung, Extro- Introvertiertheit und Selbstkonzept auf der Ebene der Persönlichkeit des Lernenden
- Motivation und Einstellung, Sprachbegabung, Ängstlichkeit, Lernstrategien, Lernstil auf der affektiven und kognitiven Ebene
- soziologische Präferenzen des Lernenden im Unterricht wie Lernen in der Gruppe, Lernen mit dem Lehrer, Alleinarbeit usw. (Vgl. Meixner 2001: 89)
Obwohl der Lernende im Unterricht das System, die Strukturen und Bedeutungen der Zielsprache lernt, entwickelt er sein eigenes Sprachsystem, das mehr oder minder abweichend von dem der Zielsprache, die er im Unterricht gelernt hat. Dies bedeutet, dass das Lernen nicht fremd gesteuert werden kann, sondern jeder Lernende steuert und konstruiert sein Lernprozess selbst und autonom je nach seinen Lernpräferenzen, Lernstilen, Vorwissen, Interessen, Motiven usw.
[...]
1 Instruktivismus ist das Gegenteil des Konstruktivismus.
2 Gewöhnlich frage ich die Schüler von verschiedenen Klassen im Anfangsunterricht danach, ob sie Deutsch lernen wollen und warum? Sie sollen dann schriftlich darauf antworten.
3 Hierfür sind ausführliche Informationen bei Grotjahn et al. (2001), Wolff (2002a) zu finden.
4 In Deutschland führt man Team-Teatching schon in den sogenannten "Waldorfschulen" durch.
5 Mehr Informationen darüber findet man bei Riemer (1997, 2008) und bei Henrici / Grotjahn (2001).
6 Es geht dabei um einen Schnellkurs in Buchform. Der Titel dieses Buches heißt "Poetischer Trichter. Die Teutsche Dicht- und Reimkunst ohne Behuf der lateinischen Sprache in VI Stunden einzugießen". Der Schnellkurs erlaubt nach Georg-Philipp Harsdörfler, die deutsche Dicht- und Reimkunst unter Umgehung des Lateinischen in nur sechs Stunden zu erlernen. (Vgl. Wendt 2000: 16, Grünewald 2006: 21)
7 Ernst von Glaserfeld ist ein Psychologe und Mathematiker aus Österreich. Er gehört zu den Begründern des Konstruktivismus im deutschsprachigen Raum. Mitbegründer des Konstruktivismus, als inter- und transdisziplinäres Paradigma, gehören zu unterschiedlichen Wissensdisziplinen (z. B. Humberto Maturana, Francisco Varila (Neurobiologen, Kognitionsbiologen), Heinz von Foerster (Biophysiker, Kybernetiker), Paul Watzlawick (Philologe, Philosoph und Psychologe), usw.). (Vgl. Klaßen 2005: 15)
8 Ein gesteuerter (vs. ungesteuerter) Fremdsprachenunterricht vollzieht sich im institutionellen Kontext wie der schulische Kontext. (Vgl. Neuner 2001: 33)
9 Erst sprachenerwerb = Erwerb von Muttersprache; Zweit sprachenerwerb = Erwerb oder Erlernen einer zweiten Sprache in deren kulturellen Umgebung; Fremd sprachenlernen = Erlernen einer irgendeinen Sprache in der Ausgangskultur.
10 Henrici / Vollmer weisen in ihrem Beitrag darauf hin, dass sie sich mit der Unterscheidung zwischen den Begriffen "Erwerben" und "Lernen" nicht auseinandersetzen, daher gehen sie damit nicht als Dichotomien, sondern als Synonyme um.
11 Dieses Zitat wurde im Originaltext als Fußnote formuliert.
12 Gymnasium 2. Stufe: dabei handelt es sich um Schüler im Alter zwischen 16 und 18 Jahren.
13 Ausführliche Informationen dazu siehe Meixner (2001).
- Quote paper
- Nourredine Bouchama (Author), 2013, Die hemmenden Faktoren der Sprachrezeption und Sprachproduktion im DaF-Unterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/469984
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