Die Beschäftigung mit Karl Rahners Theologie ist nach wie vor Gegenstand einer breiten theologischen Forschungstätigkeit. Seine mariologischen Schriften hingegen finden heute relativ wenig Beachtung. Dies liegt nicht nur daran, dass Rahner andere theologische Themen ausführlicher behandelt hat und dass sein umfangreichstes mariologisches Werk, eine umfangreiche Studie zum Assumptio-Dogma, erst kürzlich veröffentlicht wurde, sondern ist als allgemeines Phänomen anzusehen. Besteht diese Vernachlässigung zurecht? Oder kann nicht gerade Rahners Mariologie, quasi kondensiert in seinem mariologischen Grundprinzip, einen leichteren Zugang zu seiner Theologie liefern, wenn Mariologie der erste Teil einer christlichen Anthropologie ist und wenn Rahners Theologie gerade als „anthropologisch gewendete“ eben jenen oben angedeuteten Einfluß gewinnen konnte? Und kann nicht umgekehrt diese anthropologisch gewendete Theologie Rahners, wie sie sich auch in seinem mariologischen Grundprinzip niederschlägt, zu einer neuen Wertschätzung der Mariologie beitragen? Auch diesen Fragen soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden - und zwar in folgenden Schritten: Zunächst wird der Begriff „mariologisches Grundprinzip“ näher in den Blick genommen, und zwar hinsichtlich seiner historischen Entwicklung, hinsichtlich seiner genaueren inhaltlichen Bestimmung (Bedeutung, Berechtigung und Leistungsanspruch) und hinsichtlich eines systematischen Überblicks über verschiedene Lösungsvorschläge, wobei sich zwangsläufig Überschneidungen ergeben werden.
Im Anschluß an diese Grundlegung wird Rahners eigener Ansatz untersucht: Nach einigen Worten zu seinen für die Frage nach dem mariologischen Grundprinzip einschlägigen Schriften werden diese genauer im Hinblick auf die in ihnen enthaltene Entwicklung des Grundprinzips der vollkommen Erlösten analysiert, wobei auch grundsätzliche Aspekte von Rahners theologischen Denken mit einbezogen werden. Sodann wird die „Durchführung“ dieses Grundprinzips an den einzelnen theologischen Aussagen über Maria vorgenommen.
Nach einer kritischen Rückfrage hinsichtlich der Vorteile wie auch der Problematik von Rahners Grundprinzip wird schließlich der Ertrag von Rahners mariologischem Grundprinzip für eine heutige Mariologie - gerade angesichts der heutigen grundsätzlichen Anfragen an dieses Teilgebiet systematischer Theologie- wie auch für Rahners Gesamtwerk aufgezeigt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zum Begriff „mariologisches Grundprinzip“
2.1 Der theologiegeschichtliche Weg zur Idee eines mariologischen Grundprinzips
2.2 Begriffsbestimmung, Berechtigung und Anforderungen für ein mariologisches Grundprinzip
2.2.1 Begriffsbestimmung: Was ist unter einem mariologischen Grundprinzip zu verstehen?
2.2.2 Berechtigung: Warum ist es sinnvoll, nach einem mariologischen Grundprinzip zu suchen?
2.2.3 Anforderungen: Was muß ein mariologisches Grundprinzip leisten?
2.3 Versuch einer Systematisierung verschiedener Ansätze
2.3.1 Die christologisch ausgerichteten Ansätze
2.3.2 Die ekklesiologisch ausgerichteten Ansätze
2.3.3 Die gnadentheologisch-anthropologisch ausgerichteten Ansätze
3. Rahners eigene Konzeption eines mariologischen Grundprinzips
3.1 Ein Überblick über die für die Entwicklung von Rahners Grundprinzip einschlägigen mariologischen Schriften
3.1.1 Die Assumptio-Arbeit
3.1.2 Maria, Mutter des Herrn
3.2 Die Entwicklung des Grundprinzips der „vollkommen Erlösten“
3.2.1 Biblische Grundlegung
3.2.2 Systematisch-theologische Entfaltung
3.2.3 Die Durchführung des Grundprinzips an den einzelnen mariologischen Wahrheiten
3.2.3.1 Die Unbefleckte Empfängnis
3.2.3.2 Die stete Jungfräulichkeit
3.2.3.3 Die Sündenlosigkeit
3.2.3.4 Die Aufnahme in den Himmel
3.2.3.5 Die Gnadenmittlerschaft
3.3 Untersuchung des Rahnerschen Ansatzes hinsichtlich seiner Vorteile und Probleme gegenüber anderen Entwürfen
4. Schluß
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Weil wir von ihm, Christus, reden müssen, dürfen wir von ihr, Maria, nicht schweigen.“[1] - Diese Aussage aus dem Vorwort zur Dissertationsschrift des Brixener Dogmatikers Ivo Muser, die das „Reden von Maria“ - und somit auch die „Mariologie“ - thematisiert und in engste, ja unaufgebbare Nähe zum Reden von Christus (auch, aber sicher nicht nur im Sinne von „Christologie“) rückt, soll auch am Beginn dieser Arbeit stehen. Denn sie eignet sich m. E. als Ausgangspunkt für eine nähere Beschäftigung mit Karl Rahners mariologischer Konzeption mindestens eben so gut wie für die von Muser in o. g. Arbeit behandelte, ähnliche Thematik bei Matthias Josef Scheeben, vgl. Muser: „Für M. J. Scheeben und seine Theologie ist Maria [...] in ihrer einzigartigen Christusbeziehung der begnadete Mensch schlechthin und damit das Urbild des in der Gnade stehenden Menschen, das Urbild der Kirche.“[2] Rahner selbst „bezeichnet die Mariologie als den 1. Teil jener christlichen Anthropologie, die mit der Christologie in einer ‚ungetrennten’ Einheit steht.“[3] So geht es auch und gerade ihm, wenn er Mariologie betreibt, nicht darum, „den hintersten Winkel eines an sich schon recht abgelegenen Hauses“[4] zu durchstöbern, sondern vielmehr „um die Behaustheit des Menschen schlechthin.“[5]
Damit ist bereits die Höhe der Fragestellung erreicht, die den erkenntnisleitenden Hintergrund dieser Arbeit bilden soll, nämlich die Frage nach der Berechtigung, Bedeutung und Verortung einer eigenständigen Mariologie angesichts der heutigen theologischen Situation. Denn diese nimmt sich ihrer Grundtendenz nach im wesentlichen noch so aus, wie sie Klaus Riesenhuber bereits 1973 beschrieben hat: „Während in den fünfziger Jahren eine Blüte mariologischer Studien, mit bedeutenden Ansätzen auch im protestantischen Raum, zu verzeichnen ist, verschwanden die mariologischen Themen seit dem Zweitem Vatikanischen Konzil fast völlig aus der theologischen Diskussion.“[6] Zwar sind inzwischen durchaus neuere Konzeptionen v. a. in der feministischen Theologie und der Befreiungstheologie entstanden.[7] Diese nehmen jedoch (im Gegensatz gerade zu den von der Suche nach einem mariologischen Grundprinzip geprägten Entwürfen) nur einen aus ihrem spezifischen Interesse her begründeten Teilaspekt Marias bzw. der Mariologie in den Blick, „insofern diese im Kampf gegen patrialistische [sic!] Repression die Autonomie der Frau anschaulich macht“ oder „zum meditativ-kämpferischen Prototyp des Christlichen wird“[8]. Daher läßt sich zur aktuellen theologischen Situation sagen: „Die traditionelle Mariologie befindet sich derzeit in einem Umbruch, so daß man einzelne Strömungen, aber noch keinen einheitlichen Gang der Forschung feststellen kann.“[9]
Diese Grundsituation hängt sicherlich zum einen damit zusammen, daß die das geistige Klima des „Marianischen Jahrhunderts“ zwischen ca. 1850 und 1950 prägenden Ereignisse[10] im allgemeinen wie auch im
theologischen[11] Bewußtsein in den Hintergrund traten. Zum anderen bündelte die durch das II. Vatikanische Konzil angestoßene bzw. offiziell für legitim und notwendig erklärte Auseinandersetzung mit den aufgrund des modernen Welt- und Menschenbildes fundamental in Frage gestellten christlichen Grundwahrheiten die theologisch produktiven Kräfte.[12] Doch auch die Entscheidung des Konzils selbst, zwar Aussagen über Maria zu verabschieden, diese aber in die Dogmatische Konstitution über die Kirche einzuordnen, dürfte dazu beigetragen haben, daß sich die mariologische Produktivität abschwächte.[13]
Letztendlich führte dieses Bündel von Faktoren dazu, daß „Mariologie“ als solche im Bewußtsein Vieler in der postkonziliaren Ära als unmodern, sogar überholt angesehen wurde und wird[14] und es daher „heute geradezu um die Frage ihrer Existenz“[15] geht.
Vor diesem Hintergrund nun soll im folgenden die gerade während der „mariologischen Sattelzeit“[16] vor dem II. Vatikanum „vielerörterte Frage nach dem Prinzip der Mariologie“[17] im Werk Karl Rahners dargelegt werden. Dabei spiegelt sich die skizzierte Entwicklung der Mariologie exakt wider: Die Beschäftigung mit Rahners Theologie ist nach wie vor Gegenstand einer breiten theologischen Forschungstätigkeit, wie sich gerade im zurückliegenden Jubiläumsjahr (100. Geburtstag, 20. Todestag) an einer Fülle neuer Literatur zu seiner Person und seinem Werk erkennen läßt. Dies verwundert angesichts seines überragenden Einflusses auf viele Bereiche der systematischen, aber auch der praktischen Theologie des 20. Jahrhunderts[18] nicht.
Seine mariologischen Schriften hingegen finden - ebenso wie auch die Versuche anderer Theologen zur Formulierung eines mariologischen Grundprinzips[19] - heute relativ wenig Beachtung. Dies liegt also nicht nur daran, daß Rahner andere theologische Themen ausführlicher behandelt hat und daß sein umfangreichstes mariologisches Werk, eine umfangreiche Studie zum Assumptio-Dogma, erst kürzlich veröffentlicht wurde[20], sondern ist als allgemeines Phänomen anzusehen.[21]
Besteht diese Vernachlässigung zurecht?[22] Oder kann nicht gerade Rahners Mariologie, quasi kondensiert in seinem mariologischen Grundprinzip, einen leichteren Zugang zu seiner Theologie liefern, wenn Mariologie der erste Teil einer christlichen Anthropologie ist (vgl. o. S. 1) und wenn Rahners Theologie gerade als „anthropologisch gewendete“[23] eben jenen oben angedeuteten Einfluß gewinnen konnte? Und kann nicht umgekehrt diese anthropologisch gewendete Theologie Rahners, wie sie sich auch in seinem mariologischen Grundprinzip niederschlägt, zu einer neuen Wertschätzung der Mariologie beitragen? Auch diesen Fragen soll, wie bereits angedeutet, in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden, und zwar in folgenden Schritten:
Zunächst wird der Begriff „mariologisches Grundprinzip“ näher in den Blick genommen, und zwar hinsichtlich seiner historischen Entwicklung, hinsichtlich seiner genaueren inhaltlichen Bestimmung (Bedeutung, Berechtigung und Leistungsanspruch) und hinsichtlich eines systematischen Überblicks über verschiedene Lösungsvorschläge, wobei sich zwangsläufig Überschneidungen ergeben werden.
Im Anschluß an diese Grundlegung ist Rahners eigener Ansatz zu untersuchen: Nach einigen Worten zu seinen für die Frage nach dem mariologischen Grundprinzip einschlägigen Schriften sind diese genauer im Hinblick auf die in ihnen enthaltene Entwicklung des Grundprinzips der vollkommen Erlösten zu analysieren, wobei auch grundsätzliche Aspekte von Rahners theologischen Denken mit einbezogen werden müssen. Sodann ist die „Durchführung“ dieses Grundprinzips an den einzelnen mariologischen Dogmen vorzunehmen.
Nach einer kritischen Rückfrage hinsichtlich der Vorteile wie auch der Problematik von Rahners Grundprinzip gilt es schließlich, den Ertrag von Rahners mariologischem Grundprinzip für eine heutige Mariologie - gerade angesichts der oben skizzierten grundsätzlichen Anfragen - wie auch für Rahners Gesamtwerk aufzuzeigen.
2. Zum Begriff „mariologisches Grundprinzip“
Um Rahners eigenen Ansatz richtig einordnen zu können, wird im folgenden zunächst die historische Entwicklung hinsichtlich der Frage nach einem mariologischen Grundprinzip nachgezeichnet, sodann die grundlegenden systematischen Aspekte in Bezug auf ein solches Prinzip reflektiert und schließlich eine Systematisierung der verschiedenen vorhandenen Lösungsvorschläge versucht.
2.1 Der theologiegeschichtliche Weg zur Idee eines mariologischen Grundprinzips
Die Idee eines mariologischen Grundprinzips gehört - als explizit behandeltes theologisches Thema - zu den sehr jungen Entwicklungen innerhalb der Überlegungen über die theologische Bedeutung Marias.
Das heißt aber nicht, daß man über Maria nicht schon vorher systematisch-theologisch nachgedacht hätte. Bereits in der Vätertheologie wurden die beiden Hauptströmungen grundgelegt, die - je später, desto deutlicher - die Blickrichtung für eine theologische Reflexion über Maria vorgaben: Einerseits die wechselseitige Beziehung und Erhellung von Maria und Kirche (ekklesiotypische Richtung), andererseits die Rolle Marias im Hinblick auf die Menschwerdung und das Heilswerk des Logos (christotypische Richtung) - letzterer wurde (nach der Dogmatisierung der Gottesmutterschaft Mariens auf dem Konzil von Ephesus (431)) für lange Zeit der Vorzug gegeben.[24] Seit jener Dogmatisierung war auch das Moment, welches schließlich zur Entwicklung eines mariologischen Grundprinzips führte, zumindest unbewußt wirksam, nämlich das Streben nach Einheitlichkeit in der Marienlehre.[25] In der Patristik und der folgenden Zeit wurde jedoch über Maria noch „nicht enzyklopädisch, sondern je über ein spez.[ielles] Thema“[26], das mit Maria im Zusammenhang stand, nachgedacht, und zwar weniger in systematischen Texten, sondern eher in Predigten, Gedichten und Hymnen.[27] In den mittelalterlichen Summen werden, der Grundentscheidung des Konzils von Ephesus folgend, die marianischen Themen im Rahmen der Christologie behandelt: „Zusammen mit der Inkarnation des Logos kam das Grunddogma der G[ottes]M[utter]schaft zur Sprache, um das sich dann die anderen damals schon entfalteten marian.[ischen] Lehren leicht gruppieren ließen.“[28] Das heißt aber auch, daß die Theologen zu dieser Zeit bereits bestrebt waren, sowohl die theologischen Aussagen über Maria an einem Ort zu sammeln als auch ihre Einordnung in das Gesamtgefüge des Glaubens zu beachten[29] - in „the Middle Ages [...] speculation about Mary began to assume the characteristics of an organized theological tract.“[30]
Die bei der Entwicklung einer systematischen Mariologie (hier als Metadisziplin betrachtet)[31] zu entscheidende wissenschaftstheoretische Grundfrage, „ob die darin implizierten Perspektiven u. Gesichtspunkte jeweils in der althergebrachten, durch die Sentenzen des Petrus Lombardus fast allgemein akzeptierten Lehrstücken untergebracht od. in einer in sich geschlossenen mariolog. Gesamtdarstellung verarbeitet werden sollen“[32], wurde jedoch erst in der beginnenden Neuzeit zugunsten der zweiten Option beantwortet: Nun entsteht im Kontext der „Barockscholastik“ im 16. Jahrhundert die „Mariologie“ als eigenständiger dogmatischer Traktat, welcher sich von der vorangehenden Epoche in Selbständigkeit, Gründlichkeit und Umfang abhebt.[33] Neben späteren Autoren[34] können v. a. der Spanier Francisco Suarez mit seinem Werk „De mysteriis vitae Christi“ von 1592, das die bereits 1584/85 entstandenen 24 „Quaestiones de B. M. Virgine in summa contractae“ enthält[35], und der Italiener Placido Nigido mit dem ersten eigenständigen mariologischen Werk „Summae sacrae Mariologiae, pars prima“ von 1602 als Begründer des mariologischen Traktats gelten: Suarez wurde als erster systematischer Mariologe bezeichnet[36], Nigido verwendet wohl als erster den Begriff „Mariologie“, welcher jedoch erst im 19. Jahrhundert allgemeine Akzeptanz und Verwendung in der Theologie findet.[37] Seitdem hat sie als eigenständiger theologischer Traktat[38] - wenn auch an verschiedenen Orten innerhalb des Ganzen der Theologie - einen festen Platz in der Schultheologie.
Es zeichnet sich also, so ist festzuhalten, eine zunehmende Tendenz zu einer Systematisierung im theologischen Nachdenken über Maria ab: „In der dogmengeschichtl. Entwicklung zeigte sich, daß die in der Selbsterschließung Gottes implizierte Offenbarung über Maria eine Reihe von Glaubensaussagen über Maria erlaubt, die ihrerseits wieder zu einem geordneten Ganzen od. vielmehr zu einem Teilganzen innerhalb der Gesamttheologie vereinigt werden können“[39], wenn nicht sogar müssen.[40]
Genau diese Tendenz zu einem geordneten Ganzen führte schließlich im 19. Jahrhundert zur Entwicklung von explizit formulierten mariologischen Grundprinzipien. Vor dem Hintergrund der skizzierten Entwicklung der Mariologie hin zu einer allmählich wachsenden Systematisierung läßt sich auch gut verstehen, warum man in den einschlägigen Beiträgen ganz unterschiedliche Angaben zu impliziten „ersten Ansätzen“ für ein Grundprinzip findet: O. Semmelroth sieht schon bei den ersten von Maria sprechenden Vätern ein Grundprinzip - nämlich in ihrem „heilbringenden Gehorsam“ als „zweite Eva“ - gegeben.[41] Für L. Scheffczyk erscheint in den Hymnen (!) Johannes Geometers (+ um 990) die „strahlende Jungfräulichkeit“ Mariens als ein solches Prinzip[42], H.-M. Köster erwähnt den Begriff zum ersten Mal im Zusammenhang mit dem „Mariale“ des Pseudo-Albertus Magnus aus dem 13. Jahrhundert, in dem er Marias „Tugendfülle“ als Fundamentalprinzip ansieht[43]. Relative Einmütigkeit scheint darüber zu bestehen, daß mit Johannes Gerson (+1429) ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem mariologischen Fundamentalprinzip gemacht wurde, bei dem ein solches in Maria als dem „am vollkommensten erlösten Geschöpf“ (!) erhoben werden kann.[44] Wie ein roter Faden erscheint in der Theologiegeschichte immer wieder Mariens Gottesmutterschaft als Ausgangspunkt für die theologische Reflexion über sie (z.B. bei Eadmer [+1141], Thomas v. Aquin [+1274], F. Suarez [+1617])[45], worauf noch ausführlicher einzugehen sein wird.
Es dürfte jedoch der katholische Dogmatiker Johannes Heinrich Oswald (+ 1903) gewesen sein, der schließlich die explizite Suche nach einem mariologischen Fundamentalprinzip einleitete, und zwar mit seinem Werk „Dogmatische Mariologie“ von 1850. Darin kritisiert er an den „neueren“ Dogmatiken „die nur beiläufige Erwähnung Mariens anläßlich der Inkarnation, anläßlich der Erbsünde und anläßlich der Heiligenverehrung“ und die daraus folgende Zerrissenheit, an den „älteren“ monographischen Darstellungen, „daß sie unter vielen Details vermissen lassen, worauf es ankommt und was allein die Rolle Mariens in Liturgie und Frömmigkeit der Kirche erkläre“.[46] „Wir können sagen, daß hier (vielleicht zum ersten Mal!) die Forderung nach einer mariologischen Grundidee oder nach einem mariologischen Fundamentalprinzip erhoben wird.“[47]
Inhaltlich erfüllt wird diese Forderung jedoch von Oswald noch nicht, denn: „Erst seit Scheeben gibt es ein bewußtes Suchen nach einem Grundprinzip für die Mariologie“[48], erst Scheeben bringt dafür ein eigenes Konzept. In Bezug auf Oswald sollte aber noch festgehalten werden, daß sich in seiner Kritik zumindest ein „Bedürfnis nach einem organischen Gesamtverständnis Mariens [meldet], das über die Mutterschaft hinausgreift“[49].
2.2 Begriffsbestimmung, Berechtigung und Anforderungen für ein mariologisches Grundprinzip
Nachdem im obigen historischen Überblick der Weg bis hin zur Schwelle der Epoche einer expliziten Suche nach einem mariologischen Grundprinzip beschritten worden ist, muß nun die inhaltliche Bestimmung dessen, um was es bei dieser Suche überhaupt geht, näher in den Blick genommen werden.
2.2.1 Begriffsbestimmung: Was ist unter einem mariologischen Grundprinzip zu verstehen?
Die Frage nach einem mariologischen Grundprinzip ist, wie in der Einleitung bereits angedeutet, Teil des dreigliedrigen wissenschaftstheoretischen Grundproblems, „an welcher Stelle innerhalb der Gesamttheologie von Maria gesprochen werden soll.“[50] Der erste Teil betrifft die bis heute immer wieder neu umstrittene Frage, ob und warum überhaupt ein eigenständiger theologischer Traktat über Maria entwickelt werden soll. Der zweite Teil betrifft die Frage nach dem Ort der Mariologie im Ganzen der dogmatischen Theologie und der dritte schließlich die Frage nach einem mariologischen Grundprinzip[51], wobei man bzgl. dieser letzten Frage mit K. Rahner noch differenzieren kann zwischen der Frage nach einem „Grundprinzip seiner [sc. des mariologischen Traktats; M.K.] inneren Struktur“[52] und der Frage nach dem mariologischen Grundprinzip überhaupt, die zwar „ungefähr sachlich“ aber „formal nicht ganz“[53] übereinstimmen. Das dürfte mit dem über ein rein innermariologisches Ordnungskriterium hinausgehenden Fragekomplex, in dem sich das Problem eines mariologischen Grundprinzips befindet, zusammenhängen.[54]
In dieser Differenzierung klingt schon die Schwierigkeit einer einheitlichen Definition dessen, was unter einem „mariologischen Grundprinzip“ eigentlich genau zu verstehen ist, an. Allein schon die Benennungen sind vielfältig[55]: Neben „Grundprinzip“ finden sich auch „Fundamentalprinzip“, „Grundwahrheit“, „Leit- und Ordnungsidee“, „Grundidee“, „erstes Prinzip“, „Einheitsprinzip“, wobei „Grundprinzip“ und „Fundamentalprinzip“ die beiden am häufigsten verwendeten Bezeichnungen sein dürften. Gelungen - und für den weiteren Fortgang dieser Arbeit nicht unwichtig - scheint die von M. Schmaus vorgenommene Unterscheidung „zwischen der Grundfunktion, welche Maria im Heilsgeschehen ausübt, und dem Grundgesichtspunkt eines mariologischen Traktates“[56] zu sein.
Da die Frage nach einem solchen Grundprinzip nur in der Mariologie einschlägig ist[57] - zumindest gibt es in den anderen dogmatischen Traktaten keine vergleichbaren ausführlichen Auseinandersetzungen über ein solches Prinzip[58] - liegt die Frage nach der Ursache dieses Phänomens auf der Hand. Zeigt sich darin vielleicht eine prinzipielle Schwäche der Mariologie - z. B. ein „angeblich stark spekulativ-systematischer Charakter“[59], resultierend aus ihrem materiell schwachen Offenbarungsfundament? Dies kann jedoch nicht die alleinige Ursache sein, denn bei „genauem Zusehen würde sich ähnliches wohl auch bei anderen Punkten, etwa in der Sakramentenlehre, zeigen.“[60]
Vielmehr hängt die Antwort mit der Tatsache zusammen, daß die Mariologie als solche, wie oben unter 2. 1 skizziert, ein relativ junger theologischer Traktat ist, der sich in das bereits längst vorgegebene System der Gesamttheologie einfügen mußte (ganz zum Stillstand gekommen ist dieser Einfügungsprozeß ja bis heute nicht). Dieses Problem stellt gewissermaßen die äußere Stoßrichtung für die Frage nach einem mariologischen Grundprinzip dar. Die innere Stoßrichtung ergibt sich aus folgendem Sachverhalt: Vor (im zeitlichen und ontologischen Sinn) der theologischen Reflexion auf Maria steht die marianische Frömmigkeit.[61] Aus ihr ergibt sich aber notwendig die Frage, wo denn der innere Sinn der Mariengestalt liegt. „Diese Frage drängt sich auf, weil man ahnt, daß es einen solchen Sinn geben muß. Geht man dann an die Theologie [...] so ist man enttäuscht, wie wenig diese Frage beantwortet wird. In der Mariologie noch weniger als in anderen theologischen Traktaten.“[62] Diese unbefriedigende Situation zu verbessern kann als ein inneres Moment hinter der Suche nach einem mariologischen Fundamentalprinzip angesehen werden.[63] Ein zweites inneres Moment ist von noch fundamentalerer theologischer Natur. Es folgt „aus dem Reichtum der Prärogativen M [aria]s und der geschichtlichen Prägung ihres Werkes, die von Gottes freier Gnade und der zeitlichen Kontingenz allen Heilsgeschehens bestimmt ist. Soll der göttlichen Freiheit der Anschein der Willkür genommen und die geschichtliche Kontingenz des an M [aria] Geschehenen vor dem Verdacht des Zufälligen bewahrt werden, so stellt sich die Frage nach einer einheitsstiftenden Idee der marian.[ischen] Wahrheiten“[64].
2.2.2 Berechtigung: Warum ist es sinnvoll, nach einem mariologischen Grundprinzip zu suchen?
Aus der soeben angeführten Formulierung ergibt sich m. E. auch die „Letztbegründung“ dafür, warum es überhaupt sinnvoll ist, nach einem mariologischen Grundprinzip zu suchen. Denn: „Gegen ein solches Fundamentalprinzip wird bisweilen eingewendet, es führe zu metaphysischen Spekulationen und weg von der konkreten Erfahrung des ‚Mysterium Marianum’.“[65] Dazu ist mit Paul Schmidt festzuhalten, „wie sehr gerade die marianische Frömmigkeit einer engen Wechselwirkung von Praxis (Frömmigkeit) und Reflexion (Theologie) bedarf, wenn sie nicht ins rein Gefühlshafte und Sentimentale abgleiten soll.“[66].
Weiterhin wird gefragt, „ob es überhaupt ein solches Grundprinzip geben muß; denn es besteht keineswegs eine Notwendigkeit für eine hierarchische oder logische Anordnung der Heilswahrheiten und ihre Ableitung aus einem einzigen Fundament.“[67]
Was jedoch ohne ein gemeinsames Fundament der Mariologie passiert, zeigt folgende Äußerung J. Stöhrs deutlich: „Manchmal betonte man [in den theologischen Handbüchern; M.K.] etwas einseitig den Aspekt der außerordentlichen Würde M [aria]s, so daß es zu einer bloßen Darstellung von Privilegien kam und die Gestalt M [aria]s weniger deutlich im Zusammenhang der Heilsgeschichte gesehen wurde. R. Laurentin wandte sich daher auf der anderen Seite kritisch sogar gegen die Wortbildung ‚Mariologie’ (auf dem Mariol. Kongreß in Rom, 1975) und gegen jede Isolierung eines entsprechenden mariol. Traktates.“[68] - Ohne ein mariologisches Grundprinzip als „Gravitationszentrum“ (vgl. die auch verwendete Bezeichnung „Einheitsprinzip“!) käme es zu einer wissenschaftlichen Regression[69] insofern, als sich die Mariologie buchstäblich in ihre Bestandteile auflösen würde. Die Frage nach der Existenzberechtigung eines eigenen mariologischen Traktates ist, wie in der Einleitung bereits angedeutet, mit der Frage nach dem mariologischen Grundprinzip aufs Engste verknüpft: „Sobald man aber einen eigenen Traktat über Maria schafft, muß sich die Frage erheben: Wie bauen wir diesen Traktat über Maria auf? Denn es stünde schlecht um die theologische Wissenschaft, wenn sie sich mit einem Aneinanderreihen von Einzellehren über die Gottesmutter zufrieden gäbe.“[70] - Ein solches „Aneinanderreihen von Einzellehren“ wäre nämlich keine „Mariologie“ mehr.[71] Des weiteren ist ein mariologisches Grundprinzip prinzipiell (und, je nach seiner inhaltlichen Bestimmung, auch materiell) ein echtes Gegengewicht zu einer freischwebenden „Privilegienmariologie“, welche (spätestens) mit dem 8. Kapitel der dogmatischen Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“ des II. Vatikanischen Konzils theologisch überwunden ist[72] - insofern kann ein mariologisches Fundamentalprinzip auch als notwendiger Bestandteil einer modernen Mariologie angesehen werden. Auch im Hinblick auf die ökumenische Diskussion gilt es, das hinter der Suche nach einem mariologischen Grundprinzip stehende (nach „außen“ gerichtete) Anliegen, „alles, was sich in Theologie und Glaube auf Maria bezieht, zu sehen und mit möglichst vielen der übrigen Heilswahrheiten zu verbinden“[73], theologisch zu sichern. Kritiker eines mariologischen Fundamentalprinzips müßten die Frage beantworten, wie ihnen dies ohne ein solches Prinzip denn besser gelingen würde.
Gesondert und etwas ausführlicher einzugehen ist hier auch noch auf die von W. Beinert vertretene Kritik. Denn auf den ersten Blick verwirft er explizit jeden Versuch, heute noch nach einem mariologischen Grundprinzip zu suchen - und wenn er damit Recht behielte, könnte auch die vorliegende Arbeit höchstens noch von theologiegeschichtlichem Interesse sein. Nach Beinert handelte es sich bei den ersten Ansätzen zu einem mariologischen Grundprinzip bis ins 15. Jahrhundert (vgl. 2.1) „eher um den geistlichen Sinngrund der Position Marias in der Heilsgeschichte“[74], während mit dem Beginn einer eigenständigen Mariologie im 17. Jahrhundert die Suche nach einem Konstruktionsprinzip, aus dem alle anderen Sätze ableitbar sein müssen, einsetzte, was aus dem scholastischen Wissenschaftsverständnis resultiere. Diese Suche sei mit dem Beginn der Neuscholastik im 19. Jahrhundert intensiviert worden, jedoch - und nun folgt der entscheidende Einwand Beinerts - vergeblich: Die Theologen konnten sich „bezeichnenderweise“[75] nie auf ein einziges gemeinsames Fundamentalprinzip einigen, was auch kein Wunder sei. Denn nach scholastisch-neuscholastischer Auffassung sei Gottes Offenbarung die „Kundgabe eines philosophischen Systems mit eherner und durchsichtiger Logik.“[76] Eine solche Theologie aber lege Gott fest und „entartet in ihrer eigenen Selbstentfremdung.“[77] Mit der Lösung von der neuscholastischen hin zu einer mehr heilsgeschichtlichen Methode aber „erscheint jedes Leitprinzip als prinzipielle Verengung und damit Verkürzung der Fülle des göttlichen Handelns an und mit den Menschen. [...] Das göttliche Geheimnis wird [durch ein solches Leitprinzip; M.K.] fixiert und damit rationalistisch aufgelöst.“[78] Überdies herrsche in der Marienkunde notwendig ein sprachlicher Symbolismus, an dessen Unschärfe die verschiedenen als mariologische Grundprinzipien behaupteten Axiome unausweichlich Anteil hätten. Somit würden sie ihrem eigenen wissenschaftstheoretischen Anspruch gar nicht gerecht werden können.[79]
Hinzu kommt noch der „Verdacht, die auf den Schild gehobenen Sätze seien im Grunde gar nicht Konstruktionsprinzipien, sondern hermeneutische Leitvorstellungen der Marienkunde.“[80] Unter diesem Aspekt, der vielleicht doch auch schon hinter den verschieden Formulierungen des mariologischen Grundprinzips stehe,[81] sei eine solche Idee aber nicht nur akzeptabel, sondern sogar „sehr angebracht“[82]. Dabei handele es sich dann in der Sprache der modernen Wissenschaftstheorie - hier verweist Beinert auf Thomas S. Kuhn - um ein „mariologisches Paradigma“, d. h.
„eine vorherrschende wissenschaftliche Orientierung in einer bestimmten Epoche der Wissenschaftsgeschichte, um Problemlösungen zu finden. Das Paradigma hat also eine regulative Funktion. [...] Da solche Paradigmen aus unterschiedlichen Perspektiven aufgestellt werden, kann und braucht es keine Reduktion der einen auf ein drittes zu geben.“[83]
Er selber plädiert dann aber doch recht entschieden dafür, als „Paradigma“ der Mariologie heute den Begriff „Jüngerschaft in der Kirche“[84] einzuführen.
Was ist nun zu dieser Kritik zu sagen? Daß die Entwicklung eines mariologischen Grundprinzips in einem gewissen Zusammenhang mit dem der scholastischen Methode eignenden Drang zur Systematisierung und logischen Ordnung steht, und daher mit dem Aufschwung der Neuscholastik im 19. Jahrhundert endgültig zum Durchbruch kam, kann ohne weiteres zugegeben werden. Ob aber Beinerts etwas polemisch klingende Analyse der (neu-)scholastischen Methode im allgemeinen und im Hinblick auf die Suche nach einem mariologischen Grundprinzip im besonderen wirklich zutrifft, darf m. E. bezweifelt werden. Doch scheint es angebracht, zunächst einen neuscholastisch geprägten Theologen, der selber auch ein mariologisches Grundprinzip entwickelt hat, zu Wort kommen zu lassen:
„So ist es nicht zu verwundern, wenn man in unserer Zeit sehr lebendig nach dem Grundprinzip der Mariologie forscht, nach jenem Prinzip, das die Vielheit der Einzelgeheimnisse in die Einheit sinnvoller Ordnung sammelt, und das dann als der Ausgangspunkt des Ganzen die Wurzel bildet, durch die dieser Traktat in der übergeordneten Ganzheit der übrigen Theologie verwurzelt ist. Dieses Prinzip wird natürlich nicht von irgendeinem ordnungswütigen Menschengeist mit systematisierender Willkür gefunden sein können. Ein System kann ja, wenn es echt ist, nicht Willkür sein, sondern Nachvollzug einer seienden Ordnung durch den denkenden Geist. So auch hier.“[85]
Als dieses Prinzip wird sich „eine Wahrheit erweisen, die Mariens Gestalt in die Mitte des Heilsgeschehens stellt“[86]. Dies klingt nicht sonderlich nach „Fixierung und rationalistischer Auflösung des göttlichen Geheimnisses“, wie von Beinert unterstellt wurde.[87] Aus explizit heilsgeschichtlicher Sicht[88] (vgl. den Untertitel des übergeordneten Werkes) - aus der es nach Beinert ja gar kein Fundamentalprinzip mehr geben dürfte -, aber deutlich differenzierter als Beinert, äußert sich Alois Müller zur Frage eines mariologischen Fundamentalprinzips. Auch er warnt davor, die Offenbarung einfach auf ein (scholastisches) philosophisches System zu reduzieren - denn sowohl inhaltlich als auch sprachlich kann kein philosophisches System den Offenbarungsgehalt ausschöpfen.[89] Dennoch hält er daran fest, nach einem „kraftvollen Fundamentalprinzip“[90] zu suchen, denn wir „müssen auch in der übernatürlichen Welt nach geistigen Ordnungen forschen, da sie uns den Gedanken Gottes offenbaren. Aber die Gesetze dieser Ordnungen müssen wir wieder aus der Offenbarung selber zu gewinnen suchen oder sie mindestens dauernd an der Offenbarung messen.“[91]
Daß unter den Theologen keine Einigkeit bezüglich der Formulierung eines mariologischen Grundprinzips erzielt wurde, spricht auch nicht gegen die Berechtigung, nach einem solchen zu suchen. Denn ganz allgemein gilt, „daß selbst eine metaphysisch unanfechtbare Systematisation dem begrenzten menschlichen Denken entspringt und darum die Möglichkeit einer von anderen Gesichtspunkten ausgehenden, verschiedenen Systematisation nicht von vornherein ausschließt.“[92] Somit ergibt sich, „daß das Fundamentalprinzip einer Wissenschaft zwar metaphysisch stichhaltig, aber nicht notwendig exklusiv sein muß.“[93] Dies gilt im theologischen Bereich von der Sache her natürlich erst recht, und zwar nicht nur in Bezug auf die Mariologie:
„[W]ieviele Fragen gibt es, in denen die Antworten ähnlich auseinandergehen, ohne daß jemand daraus das Recht ableitete, von weiteren Bemühungen sich dispensiert zu halten. [...] Würde die übertriebene Furcht in dieser Frage [sc. des Vornehmens einer Systematisierung angesichts der Verborgenheit von Gottes Schöpfungs- und Heilsplan; M.K.], als Prinzip auf die ganze Theologie angewendet, nicht einen geistlosen Positivismus zur Folge haben? [...] Es geht also nicht an, von der Suche nach einer Ganzheitsidee, die Gott hinsichtlich Mariens vorgeschwebt haben mag, abzustehen. Auch ein unzulänglicher Versuch wäre besser als gar keiner.“[94]
Was L. Scheffczyk mit beinahe schon poetischen Worten für das mariologische Fundamentalprinzip formuliert, könnte auch über andere Bereiche zumindest der dogmatischen Forschung gesagt werden: Es kann
„nicht auf dem Weg spekulativer Konstruktion gefunden werden, sondern auf dem Weg des Nach-Denkens der bibl. Zeugnisse und der Tradition mit Hilfe der einsichtnehmenden Vernunft. Damit soll nicht der verborgene Plan Gottes als solcher zur Evidenz erhoben, wohl aber seine dem gläubigen Denken zugewandte Seite erhellt werden, auf der sich die göttliche Weisheit nicht unbezeugt lassen kann.“[95]
Auch aus Sicht der Verteidiger eines mariologischen Grundprinzips gibt es das, was Beinert (vgl. o. S. 15) nur für sein Konzept eines „Paradigmas“ reklamiert, nämlich eine legitime Pluralität:
„Dabei kann nicht vorausgesetzt werden, daß es nur ein einziges Grundprinzip gibt. Die Prinzipien können von verschiedenen Standpunkten aus verschiedene Perspektiven haben, wobei jeder Standort seine Stärken und Schwächen hat. [...] Es muß nicht jede Idee auf alle Mariengeheimnisse bezogen sein, sondern es soll vielmehr eine ‚innere’ Harmonie zu erkennen sein, wobei durch logische Systematisierung das theologische Bild Mariens herausgearbeitet wird.“[96]
Was schließlich die von Beinert kritisierte „Unschärfe“ der Sprache in der Marienkunde angeht: Handelt es sich nicht bei jedem Versuch, sich dem göttlichen Geheimnis sprachlich-systematisch zu nähern, um ein letztlich „symbolisches Sprachspiel“[97] ? Das ist ja gerade der Vorwurf, der der theologischen Sprache z. B. aus dem Umfeld des Wiener Kreises gemacht wurde - ist sie darum notwendigerweise sinnlos? Dann bliebe nur die Wittgensteinsche Alternative, über alles, was sich nicht „klar sagen“ läßt, zu schweigen.[98]
Daß dies nicht Beinerts Intention ist, dürfte klar sein - und hier erscheint rückblickend seine Kritik an einem mariologischen Grundprinzip - zumindest aufs Ganze gesehen - als Kampf gegen einen so gar nicht vorhandenen Gegner. Die von ihm favorisierte „Alternative“ eines „mariologischen Paradigmas“ im Sinne einer „hermeneutischen Leitvorstellung“ ist, wie von Beinert selbst zumindest als Möglichkeit in Erwägung gezogen[99], bereits als ein wichtiges Motiv hinter den traditionellen Entwürfen für ein mariologisches Fundamentalprinzip anzusehen:
„Die z.T. subtil verlaufende Diskussion, die von keiner Seite mit dem Anspruch auf Ausschließlichkeit geführt wird, hat den theol. Blick für die Tiefe, den Reichtum und den Zusammenhang des M [arien]geheimnisses verschärft und damit das Glaubensdenken auf die allen Einzelheiten zugrunde liegende letzte Sinnfrage verwiesen. So darf man die Frage nach dem Sinn des M [arien]geheimnisses als das letzte Antriebsmoment für die Suche nach einem F.[undamentalprinzip] ansehen.“[100]
Als neu dürfte an Beinerts Konzeption jedoch festzuhalten sein, daß er den Aspekt der je heutigen Situation, in der man sich mit Maria beschäftigt, als für das „hermeneutische Leitprinzip“ mit zu berücksichtigendes Moment betont - dies macht der Begriff „Paradigma“ in der Tat besonders gut deutlich.[101] Als Grund, ihn an die Stelle der traditionellen Benennung „Fundamentalprinzip“ zu setzen, erscheint diese Erweiterung jedoch keineswegs hinreichend: Denn einerseits existieren ja schon unterschiedliche Bezeichnungen für die gemeinte Sache (vgl. oben unter 2.2.1) und andererseits dürfte deutlich geworden sein, daß es um mehr als die Einführung eines neuen Begriffes bei der Beinertschen Kritik im Grunde ja nicht geht.
Zusammenfassend läßt sich gegenüber aller Kritik an einem mariologischen Grundprinzip mit Alois Müller festhalten: „Ein solches Prinzip ist keine Spielerei. Vielmehr ist es ein Gebot theologischer Klarheit und Sauberkeit, Wegweiser und auch Warnungstafel, letztlich eine Bemühung um die Erkenntnis der vollkommenen einfachen Weisheit Gottes.“[102]
2.2.3 Anforderungen: Was muß ein mariologisches Grundprinzip leisten?
Die oben bereits angesprochene Frage nach dem Aufbau des Traktats über Maria führt zurück zur Ausgangsfrage nach Bestimmung und Aufgabe eines mariologischen Fundamentalprinzips. Wie sich unter 2.2.1 gezeigt hat, besteht diese im wesentlichen aus zwei Teilen, einem nach außen gerichteten und einem nach innen gerichteten. Somit ergibt sich als Grundanforderung (und gleichzeitig Grundbestimmung): „Das Grundprinzip der inneren Strukturierung der M.[ariologie] muß so sein, daß einerseits eine daraus abgeleitete M.[ariologie] den oben umschrieben Ort (III) [sc. der Ort der Mariologie im Ganzen der Dogmatik; M.K.] wirklich einnehmen kann u. anderseits die marian. Dogmen sich als Entfaltungen u. Folgerungen dieses Grundprinzips zeigen.“[103]
Neben diesen beiden Eckpfeilern, an denen sich jedes mariologische Grundprinzip messen lassen muß, existieren zahlreiche weitere Anforderungen, wobei sich natürlich je nach Blickwinkel des jeweiligen Autors unterschiedliche Schwerpunkte ergeben.
Wie die Analyse der Kritik an einem solchen Prinzip unter 2.2.2 ergeben hat, wird es sich bei einem solchen Grundprinzip nicht um ein streng systematisches Konstruktionsprinzip der Mariologie handeln, welches der menschlichen Logik unterworfen wäre, sondern eher um den „Sinngrund und [die; M.K.] geistige Mitte [...], auf die hin die Einzelwahrheiten und Fakten konvergieren“[104], nicht um einen metaphysischen Satz, sondern um „eine Sentenz, die aus dem Glaubensgut, aus übergeordneten Traktaten stammt“.[105] Diese muß „dem Traktat mehr den Zusammenhang mit dem gesamten Glaubensorganismus sichern als ihn in isolierte metaphysische Spekulationen führen, obwohl oder gerade weil der richtig orientierte Theologe die metaphysischen Hintergründe jeder Aussage zu wägen versteht.“[106] Auch wenn man nicht fordern kann, daß sich aus diesem Prinzip alle marianischen Wahrheiten streng logisch deduzieren lassen - eine solche Auffassung würde zurecht von der oben dargestellten Kritik getroffen werden - so muß es sich doch um eine „selbstverständliche“[107] Aussage handeln, die aber auch „als selbstverständlich oder wenigstens als logisch einleuchtend alle einzelnen Lehrpunkte aus sich entläßt oder auf sich zurückführen läßt“[108], d. h., daß sie sich als „sinnvoll damit zusammenhängend erweisen.“[109]
In bezug auf die Marienlehre als ganze gesehen soll das Grundprinzip ihre „innere Harmonie, [...] innere Glaubwürdigkeit und gerade die authentische Schrift-verbundenheit [...] sichern“[110], aber auch selbst schriftgemäß[111] sein. Nach F. Courth soll das mariologische Grundprinzip dabei helfen, „die innere Zuordnung Marias zu Christus aufzuzeigen und ihre Stellung in der Heilsgeschichte wie auch ihren Ort in der Kirche zu skizzieren.“[112]
[...]
[1] Vgl. Muser, Ivo, Das mariologische Prinzip ‚gottesbräutliche Mutterschaft’ und das Verständnis der Kirche bei M. J. Scheeben, Rom 1995 (= Analecta Gregoriana; 267). Zugl.: Rom, Pontif. Univ. Greg., Diss., 1995, VII [Künftig zitiert: Muser, Prinzip]. - Nach Auskunft Musers (E-mail an den Verf. vom 22. 01. 2004) handelt es sich bei dem angeführten Zitat um eine Aussage H. U. v. Balthasars aus einem nicht veröffentlichten Vortrag in Rimini aus dem Jahre 1983.
Die Beschäftigung mit Musers Dissertation - und zwar angeregt durch seine Mariologie-Vorlesung in Brixen im WS 2001/02 - gab dem Verf. übrigens den ersten Anstoß zur Wahl des Themas der vorliegenden Diplomarbeit.
[2] Muser, Prinzip, VII. - Neben diesen Aussagen, die durchaus als Vorboten einer „modernen“ Mariologie angesehen werden können, finden sich bei Scheeben nämlich auch mystifizierende Elemente, so daß Maria „selbst als eine Gestalt höherer Ordnung erscheint. Es wird dadurch schwierig, Maria als Mutter der konkreten, und damit auch sündigen Menschen und als Vorbild der Christusnachfolge zu verstehen.“ (Muser, Prinzip, 200f.) - Damit ist ein Anliegen angesprochen, dem gerade Rahner mit seiner Konzeption Raum schaffen will!
[3] Radkiewicz, Jan, Auf der Suche nach einem mariologischen Grundprinzip. Eine historisch-systematische Untersuchung über die letzten hundert Jahre, Konstanz 1990. Zugl.: Freiburg i. Br., Univ., Diss. 1989, 190f. [Künftig zitiert: Radkiewicz, Suche].
[4] Beinert, Wolfgang, Maria im Geheimnis der Erlösung, in: Mund, Hans-Joachim (Hrsg.), Maria in der Lehre von der Kirche, Paderborn 1979, 9-28, hier: 11 [Künftig zitiert: Beinert, Geheimnis].
[5] Ebd., 11.
[6] Riesenhuber, Klaus, Maria im theologischen Verständnis von Karl Barth und Karl Rahner, Freiburg i. Br. 1973 (= Quaestiones Disputatae; 60), 7 [Künftig zitiert: Riesenhuber, Maria]. - Dies muß nicht bedeuten, daß in der Zukunft ein neues „mariologisches Zeitalter“ nicht mehr denkbar wäre, denn auch im 17. und 18. Jahrhundert war man „weniger interessiert an mariologischen Fragen.“ (Müller, Alois/Sattler, Dorothea, Mariologie, in: Schneider, Theodor [Hrsg.], Handbuch der Dogmatik, Bd. 2, Düsseldorf 22002, 155-187, hier: 173 [Künftig zitiert: Müller/Sattler, Mariologie]).
[7] Vgl. z. B. Wagner, Harald, Dogmatik, Stuttgart 2003 (= Kohlhammer Studienbücher Theologie; 18), 530 [Künftig zitiert: Wagner, Dogmatik].
[8] Ebd., 530. Diese Formulierungen („anschaulich machen“, „Prototyp des Christlichen“ [nicht: „des Christen“!]) können schon als Hinweise auf die dabei latent vorhandene Gefahr gewertet werden, „daß die heilsgeschichtliche Gestalt Marias entpersonalisiert und ins bloße Zeichen hinein aufgelöst wird“ (Courth, Franz, Mariologie, Graz - Wien - Köln 1991 (= Texte zur Theologie: Abteilung Dogmatik; 6), 20 [Künftig zitiert: Courth, Mariologie1]). - Diese Gefahr gilt es auch bei der abschließenden Bewertung von Rahners mariologischem Grundprinzip im Blick zu behalten! Eine detailliertere Analyse der postkonziliaren Entwicklung findet sich bei De Fiores, Stefano, La mariologia nel secolo XX: Continuità e novità, in: Valentini, Donato (Hrsg.), La teologia. Aspetti innovatori e loro incidenza sulla ecclesiologia e sulla mariologia, Roma 1989 (= Biblioteca di Scienze Religiose; 85), 283-297, besonders 288-291 [Künftig zitiert: De Fiores, Mariologia].
[9] Radkiewicz, Suche, 11.
[10] Zu nennen wären die Marienerscheinungen vor der Hl. Katharina Labouré im Jahre 1830 mit der sich daran anschließenden Verbreitung der „Wunderbaren Medaille“, die Erscheinungen von Lourdes 1858 mit den dort bis heute stattfindenden aufsehenerregenden Heilungen, die Erscheinungen von Fatima 1917, welche zur Weihe der Welt an das Unbefleckte Herz Mariens durch Pius XII. 1942 führten, die Gründung zahlreicher marianischer Vereinigungen (Schönstattwerk 1914, Legio Mariae 1921, Blaue Armee und Rosenkranz-Sühnekreuzzug 1947), päpstliche Verlautbarungen wie das marianische Jahr 1954 (welche Wirkung dieses bei den Gläubigen hatte, zeigt sich z. B. an einem Haus in Münster [Krummer Timpen, Nr. 62], über dessen Türstock die Inschrift „Anno Mariano MCMLIV“ eingemeißelt ist und an dem sich eine Marienstatue befindet - wäre etwas Analoges anläßlich des derzeitigen „Eucharistischen Jahres“ 2004/2005 vorstellbar? Oder welche „öffentliche“ Wirkung hatte das letzte marianische 1987?) und natürlich die beiden Dogmen der Unbefleckten Empfängnis von 1854 und der Aufnahme Mariens in den Himmel von 1950. Vgl. auch Wagner, Dogmatik, 519f. und Köster, Heinrich-M., Die Mariologie im 20. Jahrhundert, in: Vorgrimler Herbert/Vandergucht, Robert (Hrsg.), Bilanz der Theologie im 20. Jahrhundert, Bd. III, Freiburg - Basel - Wien 1970, 124-147, hier: 124-126 [Künftig zitiert: Köster, Mariologie].
[11] In bezug auf Maria wirkten vor dem II. Vatikanum theologische Produktion und Interesse der gläubigen Öffentlichkeit auch wechselseitig stimulierend aufeinander ein, so daß sogar von einer theologischen „publicity“ gesprochen wurde (vgl. Müller, Alois, Fragen und Aussichten der heutigen Mariologie, in: Feiner, Johannes/Trütsch, Josef/Böckle, Franz (Hrsg.), Fragen der Theologie heute, Einsiedeln 1957, 301-317, hier: 301 [Künftig zitiert: Müller, Fragen und Aussichten]).
[12] Vgl. Riesenhuber, Maria, 7f.
[13] Diese Entscheidung des Konzils ist aber - zumindest auf der Ebene der theologischen Arbeit, in Bezug auf die Glaubenspraxis der Kirche mag es anders aussehen - wohl eher als Schlußpunkt einer vorangehenden theologischen Debatte - an der auch Karl Rahners Äußerungen zu einem mariologischen Grundprinzip ihren Anteil hatten - denn als Impulsgeber für neue Überlegungen anzusehen. Insofern müßte die Aussage von Radkiewicz, die „Umorientierung in der Mariologie“ habe „durch das II. Vaticanum“ begonnen, doch seien „den durch das Konzil initiierten mariologischen Impulsen vorbereitende Diskussionen vorausgegangen“ (Radkiewicz, Suche, 11) eher umgekehrt formuliert werden. Noch deutlicher gilt dies für seine Behauptung, das II. Vatikanum habe in ‚Lumen gentium’ im Vergleich zur vorkonziliaren Mariologie „eine neue theologische Denkweise entwickelt (nicht nur die Zusammenführung der christologischen und ekklesiologischen Perspektive, sondern auch die anthropologische - soteriologische - pneumatologische Richtung). Es betrachtet Maria nicht mehr ‚in sich’, sondern im Rahmen der Heilsgeschichte.“ (Ebd., 20) Auch hier dürfte die inhaltlich durchaus zutreffende Feststellung im zweiten Satz eher Frucht der präkonziliaren theologischen Arbeit sein.
[14] Vgl. Riesenhuber, Maria, 7. - Diese Aussage kann zwar insofern noch weiter relativiert werden, als inzwischen gerade das Thema der rechten Bedeutung von Mariens „Jungfräulichkeit“ das theologische Interesse an sich gezogen hat und es auch im ökumenischen Gespräch über Maria zu weiteren Annäherungen gekommen ist (vgl. Müller/Sattler, Mariologie, 155f.). Aber auch hierbei ist zu betonen, was oben bereits angedeutet wurde, nämlich, daß „das theologische Nachdenken über die Mutter Jesu“ nur in „einzelnen Kontexten [...] neu aktuell“ (Ebd., 155 [Hervorhebung von mir; M.K.]) geworden ist. W. Beinert spricht denn auch konsequenterweise für die Zeit ab 1970 vom Entwurf von „Mariologien“ (im Plural), und zwar unter „zeitgenössischer Perspektive“ (Beinert, Wolfgang, Mariologie, in: Lexikon für Theologie und Kirche. Begründet von Michael Buchberger. Herausgegeben von Walter Kasper mit Konrad Baumgartner, Horst Bürkle, Klaus Ganser u. a., Bd. 6, Freiburg i. Br., Basel, Rom, Wien ³1997, Sp. 1383-1385, hier: Sp. 1384 [Künftig zitiert: Beinert, Mariologie]).
[15] Scheffczyk, Leo, Der systematische Ort der Mariologie heute, in: Theologie und Glaube 68 (1978) 408-425, hier: 408 [Künftig zitiert: Scheffczyk, Der systematische Ort]. Scheffczyk zeigt im weiteren auf, daß die Mariologie ein Kristallisationspunkt - eine Formulierung, die sich zur Kennzeichnung des Verhältnisses der Mariologie zum Gesamt der (systematischen) Theologie auch bei anderen Autoren findet - für eine wissenschaftstheoretische Grundsatzdiskussion über die Theologie als System überhaupt ist (vgl. ebd., 409f.). Insofern spielen bei der Kritik an der Mariologie auch noch grundsätzlichere Faktoren als die oben genannten eine Rolle.
[16] Der ursprünglich von R. Koselleck als Metapher zur Charakterisierung der Epochenschwelle zur Moderne um 1800 (die genaue Abgrenzung wird unterschiedlich angegeben) verwendete Begriff „Sattelzeit“ wird, wie seine Eingabe in eine Internet-Suchmaschine leicht zeigt, neuerdings auch auf andere geistesgeschichtliche Felder übertragen. Im Hintergrund des Begriffs steht wohl die Vorstellung eines Bergsattels, der eine Gebirgslandschaft teilt, ohne dabei - wie ein Grat - eine scharfe Trennlinie zu ziehen; gleichzeitig dürfte auch der Aspekt der „Höhe“ bei dieser Metapher eine Rolle spielen - es handelt sich also um eine geistig besonders produktive Zeit. Von daher könnte man den Begriff auch auf den sich anbahnenden Paradigmenwechsel (vgl. zu diesem Begriff unten 2.2.2) in der Mariologie - weg von einer übersteigerten Privilegienmariologie hin zu einer heilsgeschichtlichen Einbindung der Mariologie in einen größeren theologischen Zusammenhang (vgl. z. B. Muser, Prinzip, 177) - anwenden.
[17] Dettloff, Werner, Rezension zu „Maria, Mutter des Herrn“, in: Wissenschaft und Weisheit 19 (1956), 228f., hier: 228.
[18] Vgl. Lehmann, Karl, Karl Rahner, in: Vorgrimler, Herbert/Vandergucht, Robert (Hrsg.), Bilanz der Theologie im 20. Jahrhundert. Bd. IV: Bahnbrechende Theologen, Freiburg - Basel - Wien 1970, 143-180, hier besonders 164-174 [Künftig zitiert: Lehmann, Rahner]. Eine genauere Analyse des - dialektischen! - Verhältnisses von Rahners systematischer und praktischer Theologie bietet Neumann, Karl, Der Praxisbezug der Theologie bei Karl Rahner, Freiburg i. Br. 1980 (= Freiburger theologische Studien; 118). Zugl.: München, Univ., Diss., 1978 [Künftig zitiert: Neumann, Praxisbezug]. Vgl. besonders 19-23.
[19] Vgl. Lehmann, Karl, Das christliche Menschenbild in besonderem Hinblick auf Maria, die Mutter Jesu, in: Stöhr, Johannes/Rovira, German (Hrsg.) , Marianisches Jahrbuch 2/1 (1998), Kisslegg 1998, 11-26, hier: 12.
[20] Vgl. zur Geschichte dieses Werkes den „Editionsbericht“ in: Rahner, Karl, Maria, Mutter des Herrn. Mariologische Studien, bearbeitet von Regina Pacis Meyer, Freiburg i. Br. 2004 (= Sämtliche Werke; 9), XI-LVI [Künftig zitiert: Meyer, Editionsbericht].
[21] Anders Scheffczyk, Leo, Mariologie und Anthropologie. Zur Marienlehre Karl Rahners, in: Theologisches 4/5 (2004), 191-202, hier: 191 [Künftig zitiert: Scheffczyk, Mariologie]: „Die Marienlehre ist in den Schriften K. Rahners nicht mit der gleichen Ausführlichkeit behandelt wie die Themen der Trinitätslehre, der Christologie oder der Gnadenlehre [...]. Daran ist es wohl auch gelegen, dass der theologische Diskurs um die Mariologie Rahners geringer ausfällt als die Auseinandersetzung mit den anderen theologischen Themen“. - Schon in diesen einleitenden Sätzen Scheffczyks deutet sich seine Kritik an Rahner an, die in dem Dreischritt „(quantitativer und theologischer) mariologischer Minimalismus - qualitative Sinnverschiebung im Marien dogma im Sinne einer Reduktion - allgemeine Schrumpfung des Christlichen“ zu bestehen scheint (vgl. ebd., 202). Angesichts der Bedeutung der Mariologie als theologischem Kristallisationspunkt (vgl. oben Anm. 15) wird sich im weiteren Verlauf dieser Arbeit herausstellen müssen, inwieweit dieses Urteil Bestand haben kann.
[22] Vgl. auch Neufeld, Karl Heinz, Zur Mariologie Karl Rahners - Materialien und Grundlinien, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 109 (1987), 431-439, hier: 437f. [Künftig zitiert: Neufeld, Materialien], der im Hinblick auf eine (damals noch ausstehende) Gesamtveröffentlichung der mariologischen Schriften Rahners schreibt: „Soll man es also bei den fragmentarischen Äußerungen belassen, vielleicht noch mit einem raschen Hinweis darauf, daß man es hier ohnehin nicht mit einem zentralen Thema Rahnerscher Theologie zu tun habe, mit einem Thema schließlich, dem heute allgemein nur mäßiges Interesse entgegengebracht werde? Damit wäre allerdings Rahner gründlich mißverstanden.“
[23] Vgl. Lehmann, Rahner, 165.
[24] Vgl. Courth, Franz, Mariologie, in: Lexikon der katholischen Dogmatik, hrsg. von W. Beinert, Leipzig 1989 (= Lizenzausgabe in der DDR, hrsg. von L. Ullrich), 361-363, hier: 362 [Künftig zitiert: Courth, Mariologie²]).
[25] Vgl. Radkiewicz, Suche, 12. - Dieser Zusammenhang wirkt sich bis heute dahingehend aus, daß immer wieder auch die „Gottesmutterschaft“ Mariens selbst als mariologisches Grundprinzip ins Feld geführt wird.
[26] Beinert, Mariologie, Sp. 1383.
[27] Vgl. dazu Stöhr, Johannes, Mariologie, in: Marienlexikon, hrsg. von Remigius Bäumer und Leo Scheffczyk, Bd. 4, St. Ottilien 1992, 320-326, hier: 322 [Künftig zitiert: Stöhr, Mariologie] und Courth, Mariologie², 362 sowie Köster, Heinrich M., Der geschichtliche Weg von marianischen Einzelaussagen zum geschlossenen Traktat einer systematischen Theologie, in: Theologie und Glaube 68 (1978), 368-384, hier: 372f. [Künftig zitiert: Köster, Weg].
[28] Stöhr, Mariologie, 322. - Diesen Weg schlug auch Thomas von Aquin in seiner „Theologischen Summe“ ein, was aufgrund ihrer breiten Wirkungsgeschichte für viele spätere Dogmatiken wegweisend wurde, vgl. Köster, Mariologie, 141.
[29] Vgl. Köster, Weg, 376f.
[30] Mahoney, Paul, Mariological Principles: Their nature, Derivation, and Function, in: Marian Studies 10 (1959), 22-46, hier: 31 [Hervorhebung von mir; M.K.]. John L. Murphy spricht z. B. in Bezug auf die „Summa Theologiae“ des Thomas v. Aquin von einem „nucleus of a Mariological tract.“ (Murphy, John L., The Development of Mariology, in: American ecclesiastical review 138 (1958), 89-103 und 158-173, hier: 160 [Künftig zitiert: Murphy, Development]). Daß es bereits Argumentationen mittelalterlicher Theologen gab, die sich der Sache nach mit denen neuzeitlicher Theologen deckten, zeigt der Vergleich zwischen Johannes Duns Scotus und Karl Rahner: “[O]ne of the arguments used by Scotus in his defence [der Unbefleckten Empfängnis Mariens; M.K.] is identical with the principle which Father Rahner claims is fundamental to the science of Mariology” (Murray, Charles, The basic principle of mariology. Karl Rahner and Duns Scotus, in: Australasian catholic record 39 (1962), 68-74, hier: 68 [Künftig zitiert: Murray, Basic principle]). Für den formalen Rahmen gilt dies natürlich noch nicht: “[W]hat to Scotus was an argument for one Marian privilege is to Father Rahner the source and principle of all Marian privileges. In fact, for the theologians of Scotus’ day [sic!] the questions of active and passive redemption, of fundamental principles for Mariology, of co-redemption, and so on, had not even arisen” (Ebd., 68). Vgl. hierzu auch unten 3.2.3.1.
[31] So versteht M. Schmaus die Mariologie als „Reflexion über diese primäre [den einzelnen mariologischen Fragen geltende; M.K.] Reflexion“ (Schmaus, Michael, Mariologie, in: Herders Theologisches Taschenlexikon, hrsg. von Karl Rahner, Bd. 4, Freiburg i. Br. 1972, 394-398, hier: 394 [Hervorhebung von mir; M.K.] [Künftig zitiert: Schmaus, Mariologie]).
[32] Ebd., 394f.
[33] Vgl. Köster, Weg, 376.
[34] Vgl. Stöhr, Mariologie, 321.
[35] Vgl. Beinert, Mariologie, Sp. 1383 und De Fiores, Mariologia, 292. Stöhr, Mariologie, 323 spricht hingegen nur von 23 Quaestionen bei Suarez, ebenso Courth, Franz, Mariologie. Maria, die Mutter des Christus, in: Beinert, Wolfgang (Hrsg.), Glaubenszugänge. Lehrbuch der katholischen Dogmatik, Bd. 2, Paderborn 1995, 299-398, hier: 307 [Künftig zitiert: Courth, Mutter des Christus], der auf die bedeutende Erweiterung gegenüber Suarez’ Vorlage, der „Theologischen Summe“ des Thomas v. Aquin, hinweist: Diese enthielt lediglich neun mariologisch einschlägige „Quaestiones“.
[36] Vgl. Köster, Weg, 376.
[37] Vgl. De Fiores, Mariologia, 292 und Beinert, Mariologie, Sp. 1383.
[38] Murphy, Development, 160 weist jedoch darauf hin, daß bis ins 19. Jahrhundert hinein die Mariologie immer noch nicht ganz eigenständig war, sondern in Verbindung mit dem Traktat „Über die Inkarnation“ oder „Über die Erbsünde“ behandelt wurde.
[39] Schmaus, Mariologie, 396 (Hervorhebung von mir; M.K.).
[40] Köster, Weg, 368f. spricht sogar von einer „inneren Nötigung“ unseres reflektierenden Geistes zu einer solchen Ordnung.
[41] Vgl. Semmelroth, Otto, Urbild der Kirche. Organischer Aufbau des Mariengeheimnisses, Würzburg 1950, 15f. [Künftig zitiert: Semmelroth, Urbild].
[42] Vgl. Scheffczyk, Leo, Fundamentalprinzip, mariol., in: Marienlexikon, hrsg. von Remigius Bäumer und Leo Scheffczyk, Bd. 2, St. Ottilien 1989, 565-567, hier: 566 [Künftig zitiert: Scheffczyk, Fundamentalprinzip].
[43] Vgl. Köster, Weg, 375. Scheffczyk, Fundamentalprinzip, 565 nennt in bezug auf dieses Mariale jedoch die „Gnadenfülle“ Mariens als Fundamentalprinzip.
[44] Vgl. bes. Scheffczyk, Fundamentalprinzip, 566, aber auch Beinert, Mariologie, Sp. 1383 und Radkiewicz, Suche, 25.
[45] Vgl. Scheffczyk, Fundamentalprinzip, 566.
[46] Köster, Weg, 379.
[47] Muser, Prinzip, 47.
[48] Radkiewicz, Suche, 22.
[49] Köster, Weg, 380.
[50] Schmaus, Michael, Der Glaube der Kirche. Handbuch katholischer Dogmatik, Bd. 2, München 1970, 657f. [Künftig zitiert: Schmaus, Glaube]. Leider wird in dieser Formulierung nicht recht deutlich, wie sich dieses Grundproblem von der zweiten (von drei) Teilfragen abhebt. Diese lautet nämlich, „an welcher Stelle innerhalb der theologischen Gesamtdarstellung ein etwaiges mariologisches Lehrstück seinen legitimen Ort hat.“ (Ebd., 658). - Interessant ist die sich entwickelnde Gewichtung der Mariologie in den dogmatischen Lehrbüchern Schmaus’ im Laufe der Zeit: Während die erste Auflage seiner „Katholischen Dogmatik“ aus den 30er Jahren die mariologischen Aussagen an verschiedenen Stellen der Christologie einordnete, behandelte er sie in den 50er Jahren in einem eigenständigen 5. Band der im Vergleich zu den Vorkriegsauflagen weitgehend umgearbeiteten „Katholischen Dogmatik“. Obwohl er diesen Band mit der Frage nach dem theologischen Ort der Mariologie beginnen läßt, klingt die Frage nach einem mariologischen Grundprinzip darin höchstens in Andeutungen an. Explizit und ausführlich kommt sie dann erst in „Der Glaube der Kirche“ von 1970 (wie auch im bereits zitierten Artikel „Schmaus, Mariologie“) zur Sprache. Vgl. hierzu auch Köster, Weg, 382.
[51] Vgl. neben Schmaus, Glaube, 657ff. auch Rahner, Karl, Mariologie, in: Lexikon für Theologie und Kirche. Begründet von Michael Buchberger. Herausgegeben von Josef Höfer und Karl Rahner, Bd. 7, Freiburg i. Br. ²1962, Sp. 84-87, hier: Sp. 84 [Künftig zitiert: Rahner, Mariologie], bei dem sich ebenfalls die oben skizzierte Dreigliederung findet.
NB: Als „Rahner, Mariologie“ wird in der Literatur oft die in der vorliegenden Arbeit ebenfalls benutzte Schrift Rahners „Assumptio Beatae Mariae Virgnis“ von 1951, die zunächst unveröffentlicht blieb, aber jetzt in Band 9 der „Sämtlichen Werke“ leicht zugänglich ist, abgekürzt. Dieser etwas irreführenden Abkürzungsweise schließt sich der Verf. hier nicht an. Vgl. auch Neufeld, Materialien, 431 Anm. 3: „Wie sich zeigt, trifft der Titel nicht ganz den Inhalt des Manuskripts.“ Zur Frage nach dem ursprünglichen Titel vgl. Meyer, Editionsbericht, LII.
[52] Rahner, Mariologie, Sp. 84.
[53] Ebd., Sp. 84.
[54] Worauf Rahner mit der Differenzierung zwischen „sachlich“ und „formal“ jedoch genau hinaus will, geht aus den weiteren Ausführungen leider nicht eindeutig hervor.
[55] Diese Arbeit hält sich vornehmlich an die Bezeichnung „Grundprinzip“, da es sich dabei um die auch von Karl Rahner am meisten verwendete Formulierung handelt.
[56] Schmaus, Mariologie, 659 (Hervorhebungen von mir; M.K.); ebenso Radkiewicz, Suche, 18. - Daß beide Aspekte eng miteinander zusammenhängen, ist klar - die Frage ist jedoch berechtigt, ob sie darum auch notwendigerweise deckungsgleich sein müssen, vgl. unten 2. 3.
[57] Vgl. Scheffczyk, Fundamentalprinzip, 565.
[58] Vgl. Müller, Alois, Marias Stellung und Mitwirkung im Christusgeheimnis, in: Feiner, Johannes/Löhrer, Magnus (Hrsg.), Mysterium salutis. Grundriß heilsgeschichtlicher Dogmatik, Bd. III/2, Einsiedeln 1969, 393-421, hier: 407 [Künftig zitiert: Müller, Marias Stellung].
[59] Scheffczyk, Fundamentalprinzip, 565. - Bevor das Prädikat „spekulativ“ vorschnell auch von Theologen für ein (möglichst zu vermeidendes) Negativurteil gehalten wird, sollte eigentlich erst einmal eine grundsätzliche Reflexion darüber erfolgen, ob sie damit nicht einem einseitigen neuzeitlichen Wissenschaftsideal hinterherlaufen und sich so letztendlich um die eigene Grundlage bringen, vgl. hierzu z. B. Hattrup, Dieter, Die Bewegung der Zeit. Naturwissenschaftliche Kategorien und die christologische Vermittlung von Sein und Geschichte, Münster 1988 (= Münsterische Beiträge zur Theologie; 56), 5-8 [Künftig zitiert: Hattrup, Bewegung], bes. 7: „Die Spekulation ist solange in Verruf,
wie sich die Meinung hält, daß es ein empirisches Wissen über das Ganze der Welt und seinen Ursprung geben könnte, das zwar zur Zeit nicht verfügbar sei, dereinst aber bereitgestellt werden könnte.“ Ob eine spekulative Theologie nicht ihre Berechtigung letztlich im Wesen Gottes als dem „Ganz Anderen“ hat, im Nach-Denken Dessen, der sich als Offenbarender immer auch wieder entzieht?
[60] Müller, Marias Stellung, 410.
[61] Dieses Verhältnis kommt z. B. auch im Aufbau von F. Courths Mariologie-Traktat zum Ausdruck: „Die enge Beziehung von marianischer Frömmigkeit und theologischer Lehre über die Mutter Jesu läßt es geboten erscheinen, der eigentlich dogmatischen Abhandlung ein Wort zur marianischen Frömmigkeit vorauszuschicken.“ (Courth, Mutter des Christus, 320).
[62] Semmelroth, Urbild, 14. - Die hier angesprochene Frage nach dem Sinn des Mariengeheimnisses bezeichnet Scheffczyk, Fundamentalprinzip, 566 sogar als „das letzte Antriebsmoment für die Suche nach einem F.[undamentalprinzip]“. Radkiewicz, Suche, 18f., spricht neben der „einheitsstiftenden Funktion“ von einer „sinnerschließenden Funktion“ als den beiden grundsätzlichen Funktionen des Prinzips - darin deutet sich schon an, daß dem mariologischen Grundprinzip - entgegen anderslautenden Verdächtigungen (vgl. unten 2.2.2) - an sich schon ein essentiell hermeneutischer Charakter zu eigen ist.
[63] So wird z. B. über M. J. Scheeben, der als Begründer der expliziten Suche nach einem mariologischen Grundprinzip gelten kann (vgl. oben 2.1), gesagt, daß es für ihn ein erklärtes Ziel ist, durch „die Ausführungen über die Mutter Jesu [...] die Kluft zwischen Dogmatik und marianischer Frömmigkeit zu überbrücken.“ (Courth, Mutter des Christus, 319).
[64] Scheffczyk, Fundamentalprinzip, 565 (kursive Hervorhebungen von mir; M.K). - Die genannte „Bewahrung des an Maria Geschehenen vor dem Verdacht des Zufälligen“ schließt den Bogen zurück zu den eher äußeren, wissenschaftstheoretischen Beweggründen. Denn gerade dieser Verdacht ist ja ein wesentliches Argument der Gegner einer eigenständigen Mariologie.
[65] Radkiewicz, Suche, 19
[66] Schmidt, Paul, Maria, Modell der neuen Frau, Kevelaer 1974, 14.
[67] Radkiewicz, Suche, 19 (Hervorhebung von mir; M.K.).
[68] Stöhr, Mariologie, 324. Vgl. dazu auch Scheffczyk, Der systematische Ort, 409, der darauf hinweist, daß Fundamentalkritiken wie die Laurentins auf jenem Kongreß „eine Betrachtung der Mariologie auch unter modernen wissenschaftstheoretischen Gesichtspunkten möglich und sogar notwendig“ machen, „wenn die Wissenschaftstheorie nicht zu einem gegen die Mariologie gerichteten Metier werden soll.“ (Ebd.) - Eine solche wissenschaftstheoretische Betrachtungsweise liegt, wie unter 2.2.1 ausgeführt wurde, ja gerade der Suche nach einem mariologischen Fundamentalprinzip (zumindest auch) zugrunde.
[69] In diesem Zusammenhang sei eine Äußerung von evangelischer Seite erwähnt, wonach „die marianische Weiterentwicklung die eigentliche Weiterentwicklung des Katholizismus [ist]“ (Künneth, Friedrich Wilhelm, Maria, das römisch-katholische Bild vom Menschen. Der Zusammenhang von Anthropologie und Mariologie in der gegenwärtigen römisch-katholischen Theologie des deutschen Sprachraums, Berlin 1961 (= Arbeiten zur Geschichte und Theologie des Luthertums; 8), 7 [Künftig zitiert: Künneth, Maria].
[70] Feckes, Carl, Das Fundamentalprinzip der Mariologie. Ein Beitrag zu ihrem organischen Aufbau, in: Scientia Sacra. Festschrift für Karl Joseph Kardinal Schulte, Köln - Düsseldorf 1935, 252-276, hier: 252 [Künftig zitiert: Feckes, Fundamentalprinzip].
[71] Vgl. auch Stöhr, Mariologie, 324f.: „Die Rücksicht auf die Erwähnung M [aria]s in der Hl. Schrift oder ihre isoliert gesehenen Privilegien begünden noch keine M.[ariologie] als eigene theol. Disziplin; vielmehr ist auch ein theol. Verständnis ihrer Mitwirkung in der Heilsgeschichte erforderlich“ (kursive Hervorhebung von mir; M.K.).
[72] Vgl. zum Verhältnis der theologischen Produktion zum Text des II. Vatikanischen Konzils auch oben Anm. 13.
[73] Albrecht, Barbara, Kleine Marienkunde, Meitingen/Freising 1979, 12 [Künftig zitiert: Albrecht, Marienkunde].
[74] Beinert, Wolfgang, Die mariologischen Dogmen und ihre Entfaltung, in: Beinert, Wolfgang/Petri, Heinrich (Hrsg.), Handbuch der Marienkunde, Bd. 1, Regensburg ²1996, 267-363, hier: 300 [Künftig zitiert: Beinert, Dogmen²]. Lohnend ist ein Vergleich mit dem entsprechenden Beitrag Beinerts in der ersten Auflage des HMK (Beinert, Wolfgang, Die mariologischen Dogmen und ihre Entfaltung, in: Beinert, Wolfgang/Petri, Heinrich (Hrsg.), Handbuch der Marienkunde, Regensburg 1984, 232-314, hier: „2.5 Die Einheit der Mariologie“ [Künftig zitiert: Beinert, Dogmen1]). Um ein Beispiel zu nennen: In der ersten Auflage führt Beinert eine Passage aus J. Ratzingers Werk „Die Tochter Zion“ als Beleg für seine Behauptung an, nach 1965 sei die Frage nach der Möglichkeit (!) eines mariologischen Fundamentalprinzips zunehmend verneint worden. Aus jenem wörtlichen Zitat („Von daher ist auch die besondere Struktur der marianischen Dogmen zu sehen, die, wenn es so steht, gar nicht aus Einzeltexten des Neuen Testaments abgeleitet werden können, sondern die große Perspektive der Einheit der Testamente ausdrücken“ [Beinert, Dogmen1, 259]) kann dies m. E. aber in keiner Weise gefolgert werden. Ob Beinert dies selber auch bemerkt hat? Jedenfalls verweist er in der 2. Auflage nur noch auf die entsprechende Seite in „Die Tochter Zion“, ohne konkret etwas zu zitieren.
[75] Beinert, Mariologie, Sp. 1384.
[76] Beinert, Dogmen1, 260.
[77] Ebd, 260.
[78] Beinert, Dogmen², 301.
[79] Vgl. hierzu besonders ebd., 301.
[80] Beinert, Dogmen1, 261.
[81] Vgl. Beinert, Dogmen², 301f.
[82] Ebd., 302.
[83] Ebd., 302.
[84] Ebd., 305 bzw. Beinert, Dogmen1, 264.
[85] Semmelroth, Urbild, 14.
[86] Ebd., 14.
[87] Vgl. oben Anm. 78.
[88] Vgl. auch oben Anm. 71.
[89] Vgl. Müller, Marias Stellung, 408f.
[90] Ebd., 410.
[91] Ebd., 409. - Diese Sätze zeigen eine erstaunliche Ähnlichkeit mit manchen Gedanken von C. Feckes, dem man sicherlich nicht seine Verortung in der Neuscholastik absprechen kann: Gleich zu Beginn seines Beitrags zum „Fundamentalprinzip der Mariologie“ begrüßt er die Verbindung des „exegetisch-historischen Bewußtseins“ und einem daraus resultierenden „gesunden Positivismus“ mit der „wiedererwachten systematisch-spekulativen Kraft“, welcher ein „Streben nach geschlossener Einheit und organischem Aufbau“ (Feckes, Fundamentalprinzip, 252) eignet. Im weiteren - und diese Stelle wird von Semmelroth, Urbild, 14 wörtlich aufgegriffen - spricht er vom Fundamentalprinzip als jener „Idee von Maria [...], welche dem göttlichen Geiste vorschwebte und daher die Wurzel aller Einzelvorzüge darstellt“ (Feckes, Fundamentalprinzip, 258).
[92] Müller, Marias Stellung, 408.
[93] Ebd., 408.
[94] Köster, Heinrich M., Die Frau, die Christi Mutter war. 2. Teil: Das Zeugnis der Geschichte, Aschaffenburg ²1964 (= Der Christ in der Welt, VIII. Reihe: Das religiöse Leben, Bd. 9/2), 70 [Künftig zitiert: Köster, Frau]. - Köster entfaltet und begründet auch noch einmal ausführlich das bereits erwähnte und auf jeden Fall festzuhaltende Moment, daß man aufgrund der Freiheit Gottes und der uns bereits vorgegebenen Faktizität der Heilsgeschichte nicht erwarten darf, daß aus einem mariologischen Grundprinzip die Einzelzüge Mariens mit logischer Notwendigkeit deduziert werden können, sondern daß man damit lediglich versucht - aber eben dies ist legitim und notwendig - „den von Gott erstrebten Gesamtsinn zu ertasten“ (Köster, Frau, 71f. [Hervorhebung von mir; M.K.]).
[95] Scheffczyk, Fundamentalprinzip, 565.
[96] Radkiewicz, Suche, 17.
[97] Beinert, Dogmen², 301.
[98] Vgl. zu Wittgenstein, dem Wiener Kreis und dem, was aus theologischer Sicht zu entgegnen wäre, z. B. die sehr gute Darstellung bei Küng, Hans, Existiert Gott? Antwort auf die Gottesfrage der Neuzeit, München 1978, bes. 119-133 [Künftig zitiert: Küng, Existiert Gott?]. Zur wissenschaftstheoretischen Leistung Thomas S. Kuhns und ihrer Bedeutung für die Theologie vgl. neben Küng, Existiert Gott?, 133-138 auch Hattrup, Bewegung, 52-58: Obwohl der „methodologische Ort des Paradigmas [...] anders als bei der absolut geglaubten Methode, nicht beim Objekt [...] sondern in der Mitte zwischen Subjekt und Objekt“ liegt und dadurch die „Entdeckung als eine Neuigkeit im Objekt und die Erfindung als eine Neuigkeit im Subjekt“ näher zusammen rücken (Hattrup, Bewegung., 54), was eine Anwendung des „Paradigma“-Begriffs auch auf die Theologie gerade nach Rahner (Stichwort „anthropozentrische Wende“) nahe legen würde, sollte doch bedacht werden, daß Kuhn selber es nur im Hinblick auf die Naturwissenschaften entwickelt hat und bei den Paradigmenwechseln tatsächlich ein Paradigma ein anderes ablöst, also gerade nicht mehrere gleichzeitig und gleichberechtigt nebeneinander existieren (wie von Beinert insinuiert). Daher sollte Hattrups Kritik an Kuhn, „von dem wir allerdings meinen, daß er nur die Form der wissenschaftlichen Revolutionen und einige Beispiele dazu beschreibt, die ontologischen Voraussetzungen aber unberücksichtigt läßt“ (ebd., 46) gerade den Theologen im Hinblick auf das „Wesen“ seines „Objekts“ zur Vorsicht vor einer zu wenig reflektierten Übernahme des Kuhnschen Schemas veranlassen.
[99] Vgl. Beinert, Dogmen², 301f.
[100] Scheffczyk, Fundamentalprinzip, 566; vgl. auch das oben unter 2.2.1 schon Gesagte. Daß Beinerts Konzept sich somit nicht als Alternative, sondern als auf der Linie der bereits vorhandenen Entwürfe liegend erweist, haben offensichtlich auch schon andere erkannt, wogegen sich Beinert nun zur Wehr setzt, wenn auch nicht argumentativ: „Ich selber habe die hier vertretene Auffassung bereits in der 1. Auflage dieses Werkes (262-264) geäußert. Insofern ist es nicht verständlich, daß nach D. Fernandez [...] auch St. De Fiores unterstellt: ‚Più recemente W. Beinert presenta come nuovo principio >Maria perfetta discepola di Christo<’“ (Beinert, Dogmen², 302 Anm. 106 [Hervorhebung von mir; M.K.]).
[101] Vgl. Beinert, Dogmen², 301-305.
[102] Müller, Fragen und Aussichten, 310.
[103] Rahner, Mariologie, Sp. 86. - Obwohl auch bei dieser Umschreibung („Definition“ wäre wohl ein zu starkes Wort - dies ist hier jedoch keine Schwäche des Autors, sondern in der Sache selbst begründet) die Priorität auf der Binnenfunktion liegt („Grundprinzip der inneren Strukturierung“), stellt sie doch klar den Bezug zur gesamtdogmatischen Einordnung heraus, was bei vielen anderen Autoren (wenn nicht in der Sache, so doch häufig in der Umschreibung) leider zu kurz kommt.
[104] Scheffczyk, Fundamentalprinzip, 565; vgl. auch Radkiewicz, Suche, 18, der treffend von der Suche nach einer einzigen „Keimidee“ spricht, „die den ‚Schlüssel’ zu vielen [!; M.K.] Fragen bringen soll.“
[105] Müller, Marias Stellung, 409.
[106] Ebd., 409.
[107] Ebd., 410. Vgl. auch Radkiewicz, Suche, 18, der von „Einfachheit“ und „leichter Einsichtigkeit“ als Forderungen spricht.
[108] Ebd., 410.
[109] Ebd., 410. - Wo genau die Grenze zwischen zu fordernder vernünftiger Ableitbarkeit und übertriebener logischer Deduktion genau liegt, wird - da es sich um einen Grenzbegriff handelt - nicht von jedem gleich empfunden werden.
[110] Ebd., 409f.
[111] Zur Forderung nach der „Schriftgemäßheit“ erläutert Radkiewicz, Suche, 18, daß in bezug auf das AT der mariologische Sinn seinem soteriologischen Sinn unterzuordnen sei und in Bezug auf das NT, daß seine Texte mit Rücksicht auf die darin beschriebene Stellung und Aufgabe Mariens auszulegen seien. Vgl. zu Rahners Auffassung zu diesem Punkt auch unten 3.2!
[112] Courth, Franz, Mariologisches Fundamentalprinzip, in: Lexikon der katholischen Dogmatik, hrsg. von Wolfgang Beinert, Leipzig 1989 (= Lizenzausgabe in der DDR, hrsg. von Lothar Ullrich), 364 [Künftig zitiert: Courth, Fundamentalprinzip]). Ähnlich Lustrissimi, Pietro M., Il principio fondamentale die Mariologia, in: Marianum 21 (1959), 252-269, hier: 253 [Künftig zitiert: Lustrissimi, Principio], der diesen Gedanken mit der Vermeidung einer isolierten Sicht Marias verbindet: „Tuttavia è necessario intuire, e quindi evitare, il pericolo di studiare La Vergine Santa in se stessa, prescindendo dall’economia della salvezza che, instaurata da Cristo, si prolunga nei secoli attraverso la Chiesa.“
- Quote paper
- Magnus Kerkloh (Author), 2005, '...die in vollkommenster Weise Erlöste' - Die Frage nach einem mariologischen Grundprinzip bei Karl Rahner, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46975
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