Am Beginn dieser Arbeit standen Gespräche mit Menschen, die täglich mit suizidgefährdeten Menschen in Kontakt stehen. Im Verlauf dieser Gespräche wurde mir sehr bald bewußt, daß eine Bearbeitung dieses Themas nicht in einer Weise geschehen kann, in der die Rolle der Seelsorge allein durch Unterscheidung und Abgrenzung zu den Aufgaben der anderen Hilfseinrichtungen, die sich mit Krisenintervention befassen, definiert wird, um darauf aufbauend ein Konzept zu entwerfen, das allein für die Seelsorge gültig ist. Im Bereich der Suizidalität ist es angebracht, wenn sie sich, im Bewußtsein ihres eigenen Selbstverständnisses und ihrer Motivation zur Krisenhilfe, die Ziele und die Vorgehensweise der Krisenintervention zunutze macht und darüber nachdenkt, wie sich diese mit ihrem Handeln vereinbaren bzw. in ihr Handeln integrieren lassen, damit sie so gut wie möglich dem vorrangigen Ziel gerecht werden kann. Dies besteht letztlich in der bestmöglichen Lösung des Lebenskonflikts eines hilfesuchenden Menschen, um ihm wieder die Fähigkeit zu geben, sein Leben eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen.
Deshalb orientiert sich diese Arbeit an den Leitlinien, die allgemein als Standard für diejenigen gelten, die sich mit der Krisenintervention befassen und versucht, sie in den Bereich der Seelsorge zu übertragen. So wird zunächst, nach einer kurzen Einführung zu den Aufgaben und Zielen der Krisenintervention ausführlich in einem eigenen Kapitel auf die Ursachen und die Entwicklung der Suizidalität eingegangen, da jedes intervenierende Handeln auf diesem Wissen aufbauen muß, um situationsgerecht helfen zu können. Darauf folgen in einem Kapitel über die biblischen Hintergründe und pastoraltheologischen Ansätze zur Auseinandersetzung mit der Suizidalität, grundsätzliche Überlegungen über das Selbstverständnis der Seelsorge, das diese im Auge behalten muß, um nicht ganz im allgemeinen Verständnis von Krisenintervention unterzugehen und zu einer therapeutischen Hilfseinrichtung unter vielen zu werden, die von diesen nicht mehr zu unterscheiden ist. Aufbauend auf den Ergebnissen der vorangegangenen Kapitel wird dann das Muster seelsorglicher Intervention entwickelt. Zunächst wird auf die Voraussetzungen eingegangen, die den Seelsorger als Krisenhelfer qualifizieren, bevor anschließend einige spezielle Handlungsperspektiven im Blick auf den Suizidgefährdeten, sein unmittelbares Umfeld und auf eine mögliche Vernetzung mit anderen Hilfseinrichtungen aufgezeigt werden.
Inhaltsverzeichnis
0. Vorwort
1. Krisen - Wendepunkte des Lebens
1.1 Krisen und Krisenintervention
1.2 Krisenintervention als Aufgabe der Seelsorge
2. Theorie der Suizidalität
2.1 Suizid, Selbstmord, Selbsttötung oder Freitod?
2.1.1 Selbstmord
2.1.2 Freitod
2.1.3 Selbsttötung
2.1.4 Suizid
2.2 Merkmale für akute Suizidgefährdung
2.2.1 Beweggründe für einen Suizidversuch
2.2.2 Das präsuizidale Syndrom
2.2.3 Weitere Hinweise auf eine Suizidgefährdung
2.2.4 Der Suizid - Abschluß einer seelischen Krankheit?
3. Die Suizidalität im Feld der Seelsorge
3.1 Biblische Annäherung an das Problem des Suizids
3.1.1 Der Suizid und die Suizidabsicht im Alten und Neuen Testament
3.1.2 Jesu Begegnung mit den Abgründen menschlicher Lebens-konflikte - „Die Heilung des Besessenen von Gerasa“ (Mk 5,1-20)
3.2 Heilen - aber wie? Pastorale Annäherung an eine angemessene seelsorgliche Begleitung Suizidgefährdeter
3.2.1 Pastoraltheologische Ansätze für die Suizidpastoral
3.2.2 Orientierungspunkte einer angemessenen Pastoral für Suizidgefährdete
4. Der Beitrag der Seelsorge in der Begleitung Suizidgefährdeter
4.1 Der Seelsorger
4.1.1 Voraussetzungen und Vorteile des Seelsorgers
4.1.2 Hinderungen und Gefahren für den Seelsorger
4. 2 Ziele der seelsorglichen Begleitung für Suizidgefährdete
4.2.1 Zwischen Lebenswunsch und Todessehnsucht
4.2.2 „Du bist wertvoll für mich!“ - Beziehung als Schlüssel zu neuem Lebensmut
4.3 Die Menschen im Umfeld des Suizidgefährdeten
4.4 Zusammenarbeit mit professionellen Hilfseinrichtungen
5. Schlußbemerkungen
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
0. Vorwort
„Wenn ich mehr Zeit gehabt hätte zum Reden, vor allem mit Ihnen Markus, ich glaube, dann hätte ich mich für das Leben entschieden.“ - Diese Worte stammen aus einem Abschiedsbrief, den eine junge Frau vor rund zwei Jahren an mich geschrieben hat.1 Sie haben mich sehr lange beschäftigt, nicht etwa, weil ich sie als Vorwurf an mich verstanden hätte, sondern weil ich einige Fragen, die dieser Satz und die vorangegangenen Gespräche bei mir aufgeworfen haben, nicht mehr losgeworden bin. Wie unerträglich muß ihre Lage für sie wirklich gewesen sein, daß sie sich lieber für den Tod, als für das Leben entschieden hätte? Wahrscheinlich konnte ich es nur zur Kenntnis nehmen, aber nicht wirklich verstehen. Weshalb hatte sie nicht mehr die Kraft, sich die Zeit zu nehmen, die sie so dringend benötigte, auch wenn ich nicht die Person sein konnte, die ihr dabei zur Seite steht? Was hätte ich tun müssen, wenn sie mir in einer anderen Situation begegnet wäre, die es erlaubt hätte, sie länger zu begleiten? Wie kann ich als Seelsorger einem so verzweifelten Menschen überhaupt richtig helfen? Letztlich waren es diese Fragen, die mich zu einer pastoraltheologischen Arbeit über das Thema Krisenintervention bei Suizidgefährdung animiert haben.
Am Beginn dieser Arbeit standen Gespräche mit Menschen, die täglich mit suizidgefährdeten Menschen in Kontakt stehen. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Pfarrer Thomas Blab (Klinikseelsorger im BKH Kaufbeuren), Herrn Hans Doll (Mitarbeiter in der Beratungsstelle für Suizidprävention „Die Arche“ e.V. in München), Frau Dr. theol. Erika Heusler (Mitarbeiterin in der Klinikseelsorge am Zentralklinikum Augsburg) und Frau Nickolai (Hauptamtliche Mitarbeiterin in der Telefonseelsorge Augsburg) für ihr unkompliziertes und freundliches Entgegenkommen bedanken. Wenn es für sie auch nicht immer einfach war, ein Gespräch zu ermöglichen, so haben sie mir doch viel ihrer wertvollen Zeit geschenkt. Ihre praktischen Erfahrungen, die sie mit mir zu teilen bereit waren, haben wesentlich zum Entstehen dieser Arbeit beigetragen.
Im Verlauf dieser Gespräche wurde mir sehr bald bewußt, daß eine Bearbeitung dieses Themas nicht in einer Weise geschehen kann, in der die Rolle der Seelsorge allein durch Unterscheidung und Abgrenzung zu den Aufgaben der anderen Hilfseinrichtungen, die sich mit Krisenintervention befassen, definiert wird, um darauf aufbauend ein Konzept zu entwerfen, das allein für die Seelsorge gültig ist. Im Bereich der Suizidalität ist es angebracht, wenn sie sich, im Bewußtsein ihres eigenen Selbstverständnisses und ihrer Motivation zur Krisenhilfe, die Ziele und die Vorgehensweise der Krisenintervention zunutze macht und darüber nachdenkt, wie sich diese mit ihrem Handeln vereinbaren bzw. in ihr Handeln integrieren lassen, damit sie so gut wie möglich dem vorrangigen Ziel gerecht werden kann. Dies besteht letztlich in der bestmöglichen Lösung des Lebenskonflikts eines hilfesuchenden Menschen, um ihm wieder die Fähigkeit zu geben, sein Leben eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen.
Deshalb orientiert sich diese Arbeit an den Leitlinien, die allgemein als Standard für diejenigen gelten, die sich mit der Krisenintervention befassen und versucht, sie in den Bereich der Seelsorge zu übertragen. So wird zunächst, nach einer kurzen Einführung zu den Aufgaben und Zielen der Krisenintervention ausführlich in einem eigenen Kapitel auf die Ursachen und die Entwicklung der Suizidalität eingegangen, da jedes intervenierende Handeln auf diesem Wissen aufbauen muß, um situationsgerecht helfen zu können. Darauf folgen in einem Kapitel über die biblischen Hintergründe und pastoraltheologischen Ansätze zur Auseinandersetzung mit der Suizidalität, grundsätzliche Überlegungen über das Selbstverständnis der Seelsorge, das diese im Auge behalten muß, um nicht ganz im allgemeinen Verständnis von Krisenintervention unterzugehen und zu einer therapeutischen Hilfseinrichtung unter vielen zu werden, die von diesen nicht mehr zu unterscheiden ist. Aufbauend auf den Ergebnissen der vorangegangenen Kapitel wird dann das Muster seelsorglicher Intervention entwickelt. Zunächst wird auf die Voraussetzungen eingegangen, die den Seelsorger als Krisenhelfer qualifizieren, bevor anschließend einige spezielle Handlungsperspektiven im Blick auf den Suizidgefährdeten, sein unmittelbares Umfeld und auf eine mögliche Vernetzung mit anderen Hilfseinrichtungen aufgezeigt werden.
Ich verzichte in dieser Arbeit auf die Verwendung der inklusiven Sprache. Dies geschieht jedoch aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit des vorliegenden Textes und soll nicht als Abwertung der wertvollen Arbeit verstanden werden, die gerade auch sehr viele Frauen im Bereich der Suizidseelsorge leisten.
Nicht vergessen möchte ich auch, mich bei Alexandra Trageser und Thomas Anton Petrich zu bedanken, die sich durch meine nicht immer einfache Ausdrucksweise gekämpft und mir wertvolle Tips zur inhaltlichen und sprachlichen Verbesserung gegeben haben, sowie bei Prof. Dr. Hanspeter Heinz für die Annahme meines Themas und die Betreuung bei der Entstehung dieser Arbeit. Nicht zuletzt danke ich auch Prof. Dr. Thomas Hausmanninger für die Erstellung des Zweitgutachtens.
1. Krisen - Wendepunkte des Lebens
1.1 Krisen und Krisenintervention
Jeder Mensch kennt Zeiten, in denen sich sein Leben unvorhergesehen in eine Richtung entwickelt, die nicht seiner Vorstellung einer gelungenen Lebensgestaltung entspricht, oder in denen er sich Erfahrungen ausgesetzt sieht, die er so bisher noch nicht gemacht hat. Die Entwicklungen, die ihn dahin geführt haben, bringen eine tiefe Verunsicherung für den betroffenen Menschen mit sich, denn sie hinterfragen dessen Beziehung zu sich selbst und zu seinen Mitmenschen, durch die er sich bisher definiert hat. Sie lassen die Lebensziele, die er sich gesetzt und an denen er sich orientiert hat, unsicher erscheinen und fordern zur Auseinandersetzung mit der neuen Situation heraus, da seine Strategien, die er sich bisher zur persönlichen Wirklichkeitsbewältigung zurechtgelegt und angeeignet hatte, nicht mehr tragfähig zu sein scheinen. „Diese Veränderungen können relativ langsam und als Ergebnis recht normaler und unvermeidbarer Erfahrungen der Reifung, sowie der psychischen und sozialen Entwicklung oder jäh als Ergebnis eines unerwarteten und traumatischen Ereignisses zustande kommen.“2
Bei idealem Verlauf gehört es wesentlich zum Prozeß der Reifung und Selbstwerdung des Menschen, daß er seinen persönlichen Lebensvollzug immer wieder durch solche schwierigen Lebenssituationen in Frage stellen lassen muß. Gelingt es ihm, sie aus eigener Kraft zu bewältigen, „können sie Wendepunkt sein zu intensiver Wandlung und zu innerem Wachstum“3, auch wenn die notwendigen Neuorientierungen häufig eine schmerzliche Aufgabe liebgewonnener Gewohnheiten, Vorstellungen oder Erwartungen bedeutet. Darüber hinaus erweitert der durch die erfolgreiche Bewältigung gewonnene Erfahrungszuwachs die zur Verfügung stehenden Problemlösungsstrategien, indem den vorhandenen Strategien neue hinzugefügt werden. Auf diese Weise wird die Fähigkeit zum optimalen Umgang mit neu auftretenden Lebenskonflikten verbessert.
Das allerdings ist der ideale Verlauf, den der Verarbeitungsprozeß nehmen kann. Doch ist das Konfliktverhalten des Menschen, wie sich unschwer aus den bisherigen Ausführungen ablesen läßt, wesentlich von den Anlagen seiner Persönlichkeit, von den angeeigneten Verhaltensmustern und von der aktuellen Lebenssituation abhängig.4 Diese Faktoren sind es, die mitentscheiden, ob der Mensch für die anstehende Situation hinreichend ausgestattet ist. Wenn er nämlich „mit Ereignissen oder Lebensumständen konfrontiert wird, die er im Augenblick nicht bewältigen kann, weil sie von ihrer Art und ihrem Ausmaß her seine durch frühere Erfahrungen erworbenen Fähigkeiten und erprobten Hilfsmittel zur Erreichung wichtiger Lebensziele oder zur Bewältigung seiner Lebenssituation überfordern“5, verschärft sich der Konflikt und entwickelt sich weiter zu einer Krise. Im gängigen Sprachgebrauch werden all jene Ereignisse als Krise bezeichnet, die bisher tragfähig geglaubtes fragwürdig erscheinen lassen, wodurch der Begriff allerdings entschärft worden ist. Denn eigentlich spricht man erst von einer Krise, wenn ein Mensch seiner momentanen Situation so hilflos gegenübersteht, daß sie von ihm als akute Existenzbedrohung empfunden wird.
Der Verlauf der Entwicklung bis zu einer Krise läßt sich also in vier Phasen unterteilen: Sieht sich ein Mensch einer Situation ausgesetzt, die ihn überfordert, beginnt er in der ersten Phase zunächst die Problemlösungsversuche anzuwenden, die sich bisher als hilfreich erwiesen haben. Versagen diese Strategien wächst in der zweiten Phase zunehmend das Gefühl, der Situation nicht gewachsen zu sein. Das zunehmende Unbehagen mündet in die dritte Phase, in der nun alle verfügbaren Kräfte mobilisiert und selbst ganz neue Verhaltensweisen ausprobiert werden. Kann er die belastende Situation mit Hilfe dieser Notfallverhaltensweisen lösen, oder gelingt ihm eine Neudefinition seiner Lage, ist der Konflikt überwunden. Hat er damit jedoch keinen Erfolg spitzt sich das Gefühl der Hilflosigkeit zu und mündet in einen Zustand der Rat- und Orientierungslosigkeit, in dem er nur noch damit beschäftigt ist, nach möglichen Auswegen oder Hilfen zur Verdrängung zu suchen. Erst wenn ein Mensch in dieser vierten Phase ist, kann man davon sprechen, daß er sich in einer Krise befindet.6
Die Belastungen, die mit einer echten akuten Krise verbunden sind, können sich sehr leicht „in kurzschlüssig-impulsiven Handlungen, (...) aber auch in langwierigen körperlichen und seelischen Störungen sowie einer Änderung des Sozialverhaltens manifestieren“7. Dies zu vermeiden ist die Aufgabe der Krisenintervention. Der Weg, den sie einschlägt, um diese Aufgabe zu erfüllen besteht in dem Versuch, dem Menschen zu helfen, seine ihm eigenen und verfügbaren Heil- und Hilfsbemühungen zu entdecken und ihn dabei zu unterstützen, seine Ressourcen und die seines Umfeldes selbständig zu nutzen. Damit soll erreicht werden, daß die Krise einen möglichst natürlichen Verlauf nehmen und auf eine Art und Weise gelöst werden kann, die zugleich die Fähigkeiten des Menschen zur Problemlösung in Notfallsituationen erweitert.
Um dies gewährleisten zu können, muß das Angebot der Krisenintervention so beschaffen sein, daß dabei die Krisenanfälligkeit des Hilfesuchenden, seine Fähigkeit zur Verarbeitung, die lebensgeschichtlichen und sozialen Hintergründe, die zur Entwicklung der Krise geführt haben, sowie der unmittelbare Auslöser8 des momentanen Zustands berücksichtigt werden, um darauf aufbauend die nötigen Schritte einzuleiten, die der Erreichung des Zieles der Krisenintervention am besten gerecht werden.9
1.2 Krisenintervention als Aufgabe der Seelsorge
Es gibt heute eine Vielzahl von Berufsgruppen und Einrichtungen, die im Krisenfall aufgesucht werden können. Auch der Seelsorger10 wird von vielen als ein möglicher Ansprechpartner angesehen, von dem sie sich erhoffen, daß er ihnen die notwendigen Hilfestellungen zur Überwindung dessen zu geben imstande ist, was sie im Moment an der Verwirklichung eines gelingenden Lebens hindert.
Wenn auch die Seelsorge mit den anderen Institutionen oder Einzelpersonen, die sich mit der Krisenhilfe befassen, in den Zielen übereinstimmt, die mit der Intervention verfolgt werden sollen, so unterscheidet sie sich von ihnen doch in ihrem Selbstverständnis und ihrer Motivation dazu. Weshalb es Aufgabe der Kirche und damit auch der Seelsorge ist, sich in besonderer Weise um Menschen in den verschiedensten Lebensnöten zu sorgen, bringt das Zweite Vatikanische Konzil zum Ausdruck, wenn es im Dekret über das Laienapostolat ausgehend vom christlichen Gebot der Gottes- und Nächstenliebe (Mt 22,37-40) verkündet:
„Der barmherzige Sinn für die Armen und Kranken und die sogenannten caritativen Werke, die gegenseitige Hilfe zur Erleichterung aller menschlichen Nöte, stehen deshalb in der Kirche besonders in Ehren. (...) Das caritative Tun kann und muß heute alle Menschen und Nöte umfassen. Wo immer Menschen leben, denen es an (...) notwendigen Mitteln zu einem menschenwürdigen Leben fehlt (...), muß die christliche Hilfe sie suchen und finden und alle Sorge für sie aufwenden, um sie zu trösten und mit tätiger Hilfe ihr Los zu erleichtern.“11
Der Dienst am Nächsten entspringt nicht nur der Pflicht zur Erfüllung eines Gebots. Vielmehr setzt Seelsorge in ihrer an der Nächstenliebe orientierten diakonischen Praxis das Wirken Jesu in dieser Welt fort, der sich in seiner Menschwerdung, in der liebenden Annahme der Ausgestoßenen, Hilflosen und Sünder und letztlich sogar in seinem Tod am Kreuz mit den vom Leben ausgestoßenen Menschen solidarisiert hat, um so Gottes Heilswillen und Heilswirken am Menschen sichtbar zu machen und ihnen Hoffnung auf die Erlösung von allen lebenswidrigen Mächten zu geben. Seinen Aposteln hat er aufgetragen: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid“ (Joh 13,33-34a). Indem sich Seelsorge den notleidenden Menschen nach dem Beispiel Christi zuwendet, wird ihr Handeln zur lebendigen Verkündigung der befreienden Gegenwart Gottes in unserer Zeit und bezeugt den Glauben an das Heil, das Gott für alle Menschen bereithält.
Die Sorge um die Menschen, die sich in einer fundamentalen Krise befinden, ist ein Bereich, in dem diese befreiende Verkündigung geschehen kann. Die Aufgabe der Seelsorge in der Krisenintervention besteht somit darin, sich dem notleidenden Menschen zuzuwenden, um eine Wendung seiner Not zu erreichen und somit für ihn zum Zeichen des in Christus angebrochenen Heils zu werden. Sie sieht ihn letztlich geborgen in der Hand Gottes, so daß sie sich darauf konzentriert, die „Krise als Situation des Menschen vor Gott zu deuten“12 und dem Hilfesuchenden Gottes Erbarmen in dessen Schwachheit und Endlichkeit erfahrbar zu machen, damit auch er neue Hoffnung für sein Leben schöpfen kann.
2. Theorie der Suizidalität
Suizidalität ist eines der markantesten Beispiele für eine Lebenskrise, die ein Mensch mit seinen herkömmlichen Bewältigungsstrategien nicht mehr selbständig lösen kann. An ihr soll stellvertretend die Notwendigkeit von Krisenintervention und deren Umsetzung in der Praxis aufgezeigt werden. Es wird nun zunächst die Entwicklung im Vordergrund stehen an deren Ende eine Suizidgefährdung stehen kann. Besser gesagt geht es hier um den Versuch, die Entstehung von Suizidalität begreiflich zu machen, denn es gibt „kein alles erklärendes und alle bedeutsamen Momente aufnehmendes Deutungsschema“13 dafür, weshalb jemand, wie es im allgemeinen Sprachgebrauch heißt, bereit ist, sein Leben „wegzuwerfen“. Doch gerade das sind die Fragen, die hier nun behandelt werden: Ist ein Mensch, der einen Suizidversuch unternimmt, tatsächlich „ bereit “, sein Leben zu beenden? „Wirft“ er es bewußt weg als Ergebnis einer freien Entscheidung? Oder ist Suizidalität die Folge einer „unbewältigten Lebenskrise“14, hinter der nicht die Absicht steht, das Leben zu beenden, sondern die eigene Hilflosigkeit zu artikulieren?
Gerade für Menschen, die in ihrem Beruf mit Suizidgefährdeten zu tun haben, jedoch auch für jemanden, der privat mit der Suizidalität eines nahen Angehörigen oder Bekannten konfrontiert wird, ist es wohl unerläßlich, sich mit den Forschungsergebnissen der Humanwissenschaften zu diesem Thema auseinanderzusetzen, um eine mögliche Gefährdung erkennen und mit adäquaten Mitteln darauf reagieren zu können.
2.1 Suizid, Selbstmord, Selbsttötung oder Freitod?
In der deutschen Sprache ist es möglich, die Bezeichnungen Suizid, Selbstmord, Selbsttötung und Freitod synonym zu verwenden, eine Differenzierung zwischen möglichen Bedeutungsunterschieden findet dabei nicht statt.15
Es mag zunächst banal und unerheblich erscheinen, nach dem richtigen Sprachgebrauch zu fragen, wenn es darum geht, den Ursprung einer Handlung zu ergründen, mit der ein Mensch versucht, sein Leben zu beenden. Welche Rolle spielt es, ob man nun die eine oder andere Wendung gebraucht? Schließlich bezeichnen sie ja alle vier eine Handlung, die aus einer menschlichen Extremsituation heraus vollzogen wird. Sieht man sich jedoch die einzelnen Begriffe genauer an, so wird man gravierende Unterschiede feststellen, die sich zum Teil von der hinter der Handlung stehenden Absicht, zum Teil aber auch von der sittlichen Beurteilung der Handlung, die sie bezeichnen, herleiten.
2.1.1 Selbstmord
Diese Bezeichnung ist wohl die Geläufigste unter den Genannten, doch im gleichen Maße ist sie auch die, die am stärksten negativ konnotiert ist und die Gefahr einer voreiligen sittlichen Verurteilung mit sich bringt.
Gerade die Wortsilbe „-mord“ trägt dazu einen nicht unerheblichen Teil bei. Als Mörder wird im juristischen Sinne der bezeichnet, der „aus niederen Beweggründen“16 tötet. So könnte man analog über den Selbst-Mord sagen, daß auch er eine Handlung sei, die ein bestimmtes Ziel vor Augen hat, jedoch zur Erreichung dieses Zieles Mittel einsetzt, die über das sittlich zu Rechtfertigende hinausgehen.
Doch wird das juristische Verständnis von Mord nicht - oder zumindest nicht alleine -, ausschlaggebend dafür sein, daß „Selbstmord“ implizit den Handelnden für sein Tun verurteilt.17 Einen wesentlichen Teil trägt dazu leider auch die Theologie und die kirchliche Verkündigung bei, die über lange Zeit hinweg, den Selbstmord als Eingriff in den Herrschaftsbereich Gottes verurteilt haben.
Maßgeblich beeinflußt wurde diese Sicht vor allem durch die Theologie des Thomas von Aquin, der den Selbstmord in dreifacher Hinsicht verurteilt hat. Zum ersten sei er gegen den natürlichen Trieb des Menschen, sich selbst am Leben zu erhalten18. Daneben sei er Unrecht gegen die Gemeinschaft19, sowie Verstoß gegen die Souveränität Gottes, der alleine über Leben und Tod entscheiden dürfe20. Thomas entwickelt diese Ansicht aus seiner Schöpfungstheologie heraus. Der Mensch hat sein Leben von Gott lediglich als Lehensgabe erhalten. Er kann nicht nach seinem Willen über dessen Gebrauch entscheiden. Damit war die Grundlage für eine grundsätzliche sittliche Verwerfung des Suizids gelegt. Derjenige, der Selbstmord verübt hatte, war als schwerer Sünder zu behandeln, da davon ausgegangen wurde, daß er „sich selbst Recht und Freiheit“21 verschaffen wollte und deshalb bewußt und aus freier Entscheidung gegen Gottes Gebot22 verstoßen hat, wofür ihm nicht vergeben werden konnte, da er im Tod nicht mehr in der Lage war, sein Tun zu bereuen und so Vergebung zu erlangen23. Eine andere Erklärungsmöglichkeit, als daß der Mensch mit dem Selbstmord eigenmächtig Selbstjustiz übt, schien lange Zeit nicht vorstellbar, denn auch Bernhard Häring urteilte noch vor rund 30 Jahren in folgender Weise: „Der Selbstmörder ist im allergünstigsten Fall ein feiger Deserteur, der vor den Prüfungen des Lebens zu entfliehen sucht.“24
Ausgehend von dieser Sicht des Selbstmords war der Schritt zu einer Bestrafung dessen, der sich der „Sünde“ des Selbstmords schuldig gemacht, oder auch nur den Versuch dazu unternommen hatte, nicht mehr weit. Und so wird der Selbstmord im alten Codex von 1917 als Irregularität25 gewertet, welche die mögliche Verweigerung des kirchlichen Begräbnisses als Strafe nach sich ziehen konnte26. Zwar wird an der gleichen Stelle präzisiert, daß das Begräbnis wirklich nur denen verweigert werden dürfe, welche sich das Leben aus freier Überlegung27 genommen haben - eine Formulierung, die sehr dehnbar ist -, doch wenn man c. 1240 §1 n. 1 miteinbezieht, in dem noch einmal klar unterstrichen wird, daß die Gewährung eines kirchlichen Begräbnisses zu verweigern sei, wenn vor dem Tod kein Zeichen der Reue gegeben wurde28 und dabei die damals gemeinhin anerkannte Sicht des Thomas von Aquin beachtet, daß jeder Selbstmörder sterbe, ohne Buße getan zu haben29, so ist es leicht nachzuvollziehen, daß ein Selbstmörder faktisch nicht beerdigt wurde. Ganz abgesehen davon läßt sich bei jemandem, der sich bereits das Leben genommen hat, auch nicht mehr schlüssig nachweisen, daß er doch noch bereut habe bzw. daß er nicht aus freiem Willen aus dem Leben schied.
Dies allerdings ist aber der springende Punkt bei der Bewertung des Selbstmords. Es wird sowohl davon ausgegangen, daß der Betreffende wirklich sterben wollte, so daß die Möglichkeit eines Appellsuizids30 überhaupt nicht in Betracht gezogen wird, als auch davon, daß sich der Mensch wirklich frei dazu entschieden habe, nach reiflicher Abwägung aller Argumente dafür oder dagegen, was einem Bilanzsuizid31 gleichkäme. So wurde der Suizid gerade in der Theologie lediglich „für sich und losgelöst von der Biographie des Einzelnen und von seinen Lebensbeziehungen“32 betrachtet, ohne zu beachten, daß gerade diese Beziehungen ganz wesentlich die Grundbefindlichkeit eines jeden Menschen, insbesondere seine psychische Verfassung beeinflussen, und damit auf die Entscheidung zum Suizid Einfluß nehmen. Dies setzt natürlich voraus, daß es eine echte Entscheidung zum Suizid gibt, was heißt, daß der Betreffende zum Zeitpunkt des Suizids über seine volle Willens- und Entscheidungsfreiheit verfügt, was jedoch basierend auf die Forschungsergebnisse der Humanwissenschaften, insbesondere der Psychologie, heute weitgehend angezweifelt wird.33 Eine sittliche Bewertung, die nicht vorschnell verurteilend sein soll, kann heute nicht mehr losgelöst von den Erkenntnissen über die Epidemiologie der Suizidalität geschehen.
Die Verurteilung des Suizids ausgehend von einer verengten theologischen Betrachtung ist nicht einfach nur ein Irrtum der Vergangenheit, der sich auf mangelnde Kenntnis der psychologischen Vorgänge, welche zur Entwicklung der Suizidalität führen, berufen kann. Bis auf den heutigen Tag wird die Betrachtung des Suizids noch von dieser Sicht mitbeeinflußt. Es sei hier darauf hingewiesen, daß selbst in neueren lehramtlichen Schreiben mit exakt der gleichen Argumentation über den Suizid geurteilt wird, wie sie Thomas von Aquin verwandt hat.34 Allerdings mit der Einschränkung, daß durch „psychologische, kulturelle und soziale Gegebenheiten (...) die subjektive Verantwortlichkeit vermindert oder aufgehoben sein mag“35. Objektiv jedoch wird er weiterhin als „schwer unsittliche Tat“36 gewertet, da der Mensch nur „Verwalter, nicht Eigentümer des Lebens“37 ist. Und auch wenn der Passus über die Verweigerung des kirchlichen Begräbnisses aus dem Codex von 1983 gestrichen wurde, so hindert es dennoch manche Theologen nicht daran, noch heute den Weg über c. 1184 §1 CIC/1983 zu nehmen, um in bestimmten Fällen von Suizid die Verweigerung des kirchlichen Begräbnisses aufgrund ausgebliebener Reue zu rechtfertigen38.
Um also die vorschnelle Verurteilung des Suizidenten aufgrund einer nur objektiven Betrachtung seiner Handlung zu vermeiden, die in der Wortsilbe „-mord“ zwangsläufig mitschwingt, ist es wohl angebracht, sich des Begriffes „Selbstmord“ gänzlich zu enthalten.
2.1.2 Freitod
Der Begriff Freitod bezeichnet den „Suizid als Ausdruck freier Willensentscheidung, ohne psychologische oder psychiatrische Störungen“39. Gerade die Auseinandersetzung damit, ob eine solche Art des freiwilligen Todes überhaupt möglich ist, ist so umfassend, daß es im Rahmen dieser Arbeit kaum möglich ist, ihr gerechtzuwerden. Die Ansichten darüber umfassen die gesamte Bandbreite, ausgehend von der stoischen Ethik, die den Freitod als letzten Akt der Freiheit des Menschen lobt, für den man sich nach vernünftiger Abwägung frei entscheiden kann40, bis hin zu der Auffassung, daß man angesichts der psychologischen Ergebnisse über die Entstehung von Suizidalität zu keinem anderen Ergebnis kommen könne, als daß „kaum eine Handlung so wenig frei (ist), wie die suizidale“41. Ausgehend von den empirischen Forschungen auf dem Gebiet des Suizids wird die Möglichkeit zumindest in Betracht gezogen, „daß es den wirklich frei gewählten Tod, den aus einer nüchternen Lebensbilanz erfolgenden Freitod gibt“42. Feststeht auf jeden Fall, „daß der Mensch über die Möglichkeit verfügt, sich bewußt den Tod zu geben, (...) daß er faktisch in Freiheit radikal über sich selbst bestimmen und verfügen kann“43. Damit ist allerdings noch nicht geklärt, ob es sich bei der Freiheit, über die der Mensch verfügt, lediglich um die Handlungsfreiheit handelt, oder ob diese auch die Entscheidungsfreiheit nach freiem Willen einschließt, sowie die Möglichkeit, bewußt diesen Entschluß zu fassen, unbeeinflußt von Kräften, die außerhalb seiner Verfügung liegen. Selbst wenn es diesen völlig frei gewählten Tod tatsächlich geben sollte, so lohnt es sich sicher mit Adrian Holderegger hierbei genau hinzusehen und „Motiv und Ursache genau zu befragen, da es im allgemeinen ungeheurer Gegenkräfte bedarf, um den im Menschen tief verankerten Lebenstrieb aufzuheben“44. Und so kommt er zu dem Schluß, der im Blick auf die nachfolgenden psychologischen Untersuchungen als der Weitsichtigste erscheint: „Philosophisch abstrakt geführte Diskussionen um das Verfügungsrecht des Menschen, über das Leben, um Gründe und Gegengründe der Selbsttötung bleiben im luftleeren Raum oder zumindest unvollständig, solange sie nicht erweitert werden mit dem Wissen um die pathologischen und tragischen Dimensionen des Suizidphänomens.“45
Es wird also ersichtlich, daß auch der Begriff „Freitod“ nicht als geeignet erscheint, um als angemessene Bezeichnung für die Suizidhandlung gelten zu können. Wenn überhaupt, dann deckt er nur einen Grenzfall des vielschichtigen Suizidphänomens ab. Angenommen, es gibt eine wahrhaft freie Entscheidung für den eigenen Tod, dann zählen aber gerade jene Menschen nicht zu dem Personenkreis, mit dem sich Krisenintervention befaßt.
2.1.3 Selbsttötung
Wer von Selbsttötung spricht, verwendet eine Bezeichnung, die alle Handlungen umfasst, mit denen Menschen ihrem Leben ein Ende setzen. Dazu zählen die Selbsttötung „als Ausdruck einer unbewältigten Lebenskrise“46, als Ende einer psychischen Krankheit wie auch die (möglicherweise) freie und bewußte Entscheidung nach vernünftiger Abwägung aller Argumente. An dieser Stelle sei noch auf eine andere Form hingewiesen, die gerade im christlichen Bereich als Möglichkeit in Betracht gezogen wird: die Selbsttötung als freiwilliges Selbstopfer47.
Nimmt man den Begriff „Selbsttötung“ lediglich als Überbegriff für die benannten Phänomene, dann bezeichnet er nur die Handlung, enthält aber noch kein Werturteil. Jedoch ist in ihm im weiteren Sinne doch „mitgemeint, daß es sich hier um das Verfügen eines fundamentalen Gutes, nämlich des menschlichen Lebens handelt“48. Trotz seiner umfassenden inhaltlichen Bedeutungsdichte bringt also auch der Begriff der Selbsttötung die Gefahr einer impliziten Verurteilung der damit bezeichneten Handlung mit sich.
Ganz abgesehen davon verleitet er dazu, hinter jeder selbstschädigenden Handlung ausschließlich eine Todesintention zu vermuten und dadurch andere Absichten, die mit einer solchen Handlung darüber hinaus verfolgt werden könnten, wie etwa auf sich und seine Situation aufmerksam zu machen, zu vernachlässigen oder auszuschließen.
2.1.4 Suizid
Um zu vermeiden, daß bereits mit der Bezeichnung für eine Handlung, mit der ein Mensch sein eigenes Leben beendet, bzw. für die Menschen, die sich entweder mit diesem Gedanken tragen, oder bereits einen Versuch dazu hinter sich haben, eine explizite oder implizite Wertung ausgesprochen wird, bieten sich alle Wendungen mit der Vorsilbe „Suizid-“, als geeignet an. Zwar bezeichnet das aus dem lateinischen kommende Wort „Suizid“ auch nichts anderes als „Selbsttötung“ oder „Selbstmord“49, doch es „sorgt aufgrund des Verfremdungseffektes (...) für mehr Sachlichkeit und hilft ein Stück vom Vorurteil weg“50.
Da ein vorurteilsfreies Zugehen auf Suizidgefährdete die Grundlage für jeden Kontakt mit ihnen und die Voraussetzung für eine tragfähige Beziehung zwischen ihnen und dem Seelsorger ist, sollte dies auch im Sprachgebrauch zum Ausdruck gebracht werden. Deshalb wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit „Suizid“, „Suizidversuch“ bzw. „Suizidgefährdung“ als Bezeichnung für die entsprechenden Handlungen verwandt.51
2.2 Merkmale für akute Suizidgefährdung
2.2.1 Beweggründe für einen Suizidversuch
In diesem Abschnitt wird es überwiegend um die empirischen Untersuchungen über die Suizidalität gehen. Bezieht man sie in die Auseinandersetzung mit den Ursachen der Suizidalität mit ein, wird man davon ausgehen müssen, daß es sich in der Regel nicht um eine Kurzschlußhandlung handelt, wenn ein Mensch versucht sich das Leben zu nehmen, sondern vielmehr um einen allmählichen Entwicklungsprozeß, der den Betreffenden durch die verschiedensten Dunkelheiten seines Lebens letztlich zum Suizid führen kann.
Dabei kann hier nicht ausführlich auf die endlose Anzahl der möglichen Beweggründe zum Suizid bzw. für die Entstehung von Suizidalität eingegangen werden. Bill Blackburn zählt zum Beispiel unterschiedliche Möglichkeiten auf: z. B. um einer unerträglichen Situation zu entkommen, Hinterbliebene zu bestrafen, Beachtung zu finden, etwas erreichen zu wollen, mit einem Verstorbenen vereint sein zu wollen, aus Angst vor Strafe, sich selbst bestrafen zu wollen, anderen nicht zur Last fallen zu wollen, sich den Folgen einer schlimmen Krankheit entziehen zu wollen, einem plötzlichen Einfall zu folgen, das Martyrium zu suchen und Liebe zu beweisen.52 Damit sind aber lediglich mögliche Auslöser einer Suizidhandlung benannt und diese können wohl über die von Blackburn genannten hinaus so vielfältig wie die Menschen selbst sein.
Mit den Anlässen, ist dabei noch nichts über die möglichen innerpsychischen Vorgänge gesagt, die diese äußeren Gegebenheiten initiieren bzw. von ihnen initiiert werden und schließlich zur Überwindung des Lebenstriebes führen, womit die Möglichkeit zur Suizidhandlung geschaffen wird. Die Grenzen zwischen äußeren Anlässen und inneren Vorgängen sind fließend. Insofern kann eine innere Haltung auch der konkrete Anlaß sein, der den Anstoß zur Suizidentwicklung gibt. Für diese Vorgänge, so wurde bereits festgestellt, gibt es auch kein Deutungsschema, das alle Eventualitäten einschließt. Auf eine Darstellung und Auseinandersetzung mit den umfangreichen Theorien aus psychoanalytischer und tiefenpsychologischer Sicht, sowie der gegenseitigen Einflußnahme dieser Theorien aufeinander muß hier verzichtet werden. Im Folgenden soll die Theorie im Mittelpunkt stehen, die sich in der Suizidforschung durchgesetzt hat und sich großer Akzeptanz erfreut. Es handelt sich dabei um das sogenannte „präsuizidale Syndrom“53, welches der Wiener Psychiater Erwin Ringel nach eigenen Angaben im Jahr 1949 zum ersten Mal beschrieb54.
2.2.2 Das präsuizidale Syndrom
Bei diesem Modell handelt es sich um den Versuch, die Entwicklung zum Suizid bzw. zur Suizidalität anhand von drei Elementen darzustellen, die nach Erwin Ringel charakteristisch sind55:
1. Einengung
2. gehemmte und gegen die eigene Person gerichtete Aggression
3. Selbstmordphantasien
Dabei handelt es sich lediglich um eine Charakteristik der suizidalen Entwicklung, die als „gemeinsamer Nenner aller jener psychischen Erkrankungen56 (...), welche zum Selbstmord führen können“57, betrachtet werden kann. Wohl gemerkt, es handelt sich zwar nur um ein Modell und man muß sich vor Augen halten, daß das „schwer durchschaubare Feld der Psychodynamik einer Suizidhandlung nicht generell und ausschließlich mit dem präsuizidalen Syndrom erfaßt und erklärt werden kann“58, doch erscheint es anhand der Beschreibungen, die Erwin Ringel zu den einzelnen Elementen gibt als sehr geeignet, um eine Suizidgefährdung zu erkennen, da sie leicht aus dem Gespräch mit Gefährdeten oder durch non-verbale Äußerungen ersichtlich sind. Einschränkend muß aber auch hinzugefügt werden, daß mit dem präsuizidalen Syndrom auch „nicht mit Sicherheit eine Suizidhandlung vorausgesagt werden kann“59, Das heißt, nicht jeder, der einzelne Charakteristika des präsuizidalen Syndroms aufweist ist wirklich immer suizidgefährdet, und nicht jeder, bei dem eben diese nicht festgestellt wurden, ist grundsätzlich nicht gefährdet. Im Folgenden werden die einzelnen Elemente des präsuizidalen Syndroms kurz erläutert. Sie sind nicht als einzelne, aufeinanderfolgende Stadien zu verstehen, sondern in dem Sinne, daß sie „ineinander übergreifen und sich gegenseitig bedingen“60. Ein präsuizidales Syndrom liegt nur vor, wenn wirklich alle drei Symptome gegeben sind. Erst dann besteht eine echte Suizidgefahr61.
2.2.2.1 Einengung
Als ersten charakteristischen Aspekt nennt Ringel die „Einengung“. Jeder Mensch verfügt über eine ungeheure Vielfalt an Möglichkeiten, um seinem Leben Gestalt zu geben und sich nach seinen Vorstellungen zu verwirklichen. Dies gibt ihm die Sicherheit, sich umorientieren zu können, falls eine oder mehrere dieser Möglichkeiten sich aufgrund verschiedener Umstände nicht verwirklichen lassen und verleiht seinem Dasein eine gewisse Dynamik. „Im präsuizidalen Status ist dieses Gefühl weitgehend oder völlig verloren gegangen“62. Vielleicht kann man das Empfinden der Einengung mit Wasser vergleichen, das in einen Trichter gegossen wird. Hat es sich vorher noch frei ausbreiten können, wird es nun durch den Trichter immer mehr in eine Richtung gedrängt. So reduzieren sich im Stadium der Einengung die Entfaltungsmöglichkeiten des Menschen immer weiter auf eine einzige Sichtweise. Er fühlt sich dabei „von allen Seiten eingeengt, handlungs- und entscheidungsunfähig“63. Ringel unterscheidet bei der Einengung vier verschiedene Aspekte: die situative Einengung, die dynamische Einengung, die Einengung der zwischenmenschlichen Beziehungen und die Einengung der Wertwelt64, die sich wechselseitig beeinflussen oder bedingen.
Die situative Einengung
Bei der situativen Einengung erscheinen die äußeren Gegebenheiten der eigenen Umwelt als „übermächtig und (...) nicht beeinflußbar“65. Sie kann entweder durch einen Schicksalsschlag, als Folge eigener Verhaltensweisen oder als Ergebnis persönlicher Einbildung auftreten66. Die durch sie empfundene „situative Not ist noch nicht suizidal“67, vielmehr ist sie zunächst lediglich der Auslöser für die normalen eigenen Problemlösungs- und Verarbeitungsstrategien. „Erst wenn die situative Einengung so groß wird, daß die Suizidhandlung in äußerster Bedrängnis, ja in erlebtem Zwang, als einzig verbleibende Möglichkeit gesehen wird, kommt es dazu.“68 Damit sich aber die situative Einengung in diese Richtung zuspitzen kann, bedarf es einer weiteren Komponente, der dynamischen Einengung.
Die dynamische Einengung
Bei ihr handelt es sich um die Einengung der Gefühlswelt des Betroffenen. Dynamische Einengung bedeutet nicht, daß jegliche Dynamik verloren geht69, sondern daß die persönliche Dynamik der Gedanken, Vorstellungen und Assoziationen nur noch in eine Richtung geht und die normalen Gegenregulationsmechanismen ausfallen. Die negative und hoffnungslose Wahrnehmung der eigenen Situation und der eigenen Umwelt rückt in den Vordergrund und bestimmt zunehmend das eigene Erleben. Die Gedankenabläufe wiederholen sich ständig und drehen sich laufend um die gleichen Inhalte. Die Reaktionen dessen, der sich in der dynamischen Einengung befindet, sind starr und laufen beinahe reflexartig ab. Schließlich werden auch die Bewältigungsstrategien und Abwehrmechanismen immer weiter eingeschränkt, bis nur noch eine, nämlich die der Aggression gegen sich selbst, übrigzubleiben scheint.70
Die Einengung der zwischenmenschlichen Beziehungen
Hand in Hand mit dem pessimistischen und negativen Empfinden der persönlichen Situation und der eigenen Umgebung, geht die Einengung der zwischenmenschlichen Beziehungen. Es ist, als ob niemand da wäre, der versteht, wie man empfindet und der bereit wäre, seine Hilfe anzubieten. Die bereits bestehenden Beziehungen werden entwertet und häufig findet eine Reduktion der sozialen Kontakte auf meist nur eine verbleibende Vertrauensperson statt, von der sich der Betroffene ganz abhängig macht.
Somit ist auch verständlich, daß nicht nur die Zahl der Beziehungen mit der zunehmenden Einengung abnimmt und zum Suizid führen kann, sondern auch, daß die Gefährdung davon abhängt, inwieweit sich jemand in sein soziales Umfeld integriert oder von ihm integriert wird. Die Einengung im zwischenmenschlichen Bereich muß keine Folge der dynamischen und der situativen Einengung sein, sondern kann auch unabhängig von ihnen entstehen, als Folge sozialer Isolation71.
Dieser Aspekt des präsuizidalen Syndroms erlangt besondere Bedeutung dadurch, daß gerade die Einengung in zwischenmenschlichen Bereich, neben dem Nachlassen der körperlichen Fähigkeiten, für alte Menschen häufig zur Suizidursache werden kann, da ihr soziales Umfeld durch den Tod von Freunden und Verwandten, den Verlust des Arbeitsplatzes durch die Pensionierung und die Möglichkeit, neue Beziehungen zu knüpfen durch die teils krankheitsbedingte Einschränkung der Mobilität, oft erheblich eingeschränkt wird und die Gefahr der völligen Isolation zunimmt.
Die Einengung der Wertwelt
In dieser Form der Einengung verliert alles, was bisher als wert- voll gegolten hat, seine Bedeutung. Es kommt zunächst zu einer „Reduktion des Selbstwertgefühls“72. Sie steht in engem Zusammenhang mit der Reduktion der zwischenmenschlichen Beziehungen. Je stärker die soziale Integration zurückgeht, desto stärker entsteht für die, die sich im Zustand der Einengung befinden der Eindruck und das Gefühl, daß sich niemand für sie interessiert. Sie verlieren den Glauben an die „Wichtigkeit ihrer Existenz“73.
Mit der zunehmenden Isolierung geht auch der gesellschaftliche Maßstab, nach dem sich die eigenen Werte richten können, verloren. Die Folge ist einerseits eine „Wertverdünnung“74, das heißt, daß die eigene Wertorientierung, die man sich im Laufe seines Lebens aufgebaut und nach der man sich bisher gerichtet hat, zunehmend ihre Bedeutung verliert und andererseits, daß auch noch die letzten bestehenden Beziehungen ihren Wert einbüßen. Hier wird deutlich erkennbar, daß es sich gerade bei der Einengung der Wertwelt um einen Teufelskreis handelt, da sich die Folgen dieser Einengung immer weiter aufschaukeln. Der Betroffene ist jetzt so mit seinem eigenen unbewältigten Konflikt beschäftigt, daß alles, was ihm wichtig war und was ihn bisher interessiert hat, unwichtig75 und ein persönlicher Einsatz für bestimmte Werte unmöglich wird76.
Auf eine andere Art der Einengung der Wertwelt sei an dieser Stelle zumindest hingewiesen. Gerade Menschen, deren Wertvorstellungen von denen der übrigen Bevölkerung abweichen, begehen häufig Suizid. Hier wird fraglich, ob der Suizid aus politischen Motiven, beispielsweise als Protest gegen ein herrschendes Regime, in dieser Hinsicht als Freitod bezeichnet werden darf, oder ob auch er eine Folge Einengung der Wertwelt ist, da man als Verfechter von Wertvorstellungen, die sich von denen der Mehrheit unterscheiden, immer weiter isoliert wird77.
[...]
1 Diesen Abschiedsbrief erhielt ich, nachdem etliche lange und intensive Gespräche mit dieser Frau vorausgegangen waren. Wider Erwarten fand einen Tag danach noch eine Begegnung zwischen uns statt, nach der sie sich gegen einen erneuten Suizidversuch - sie hatte schon mehrere überlebt -, entschied. Sie ist auch heute noch am Leben und deshalb verzichte ich in Rücksicht auf sie auch darauf, den Abschiedsbrief dieser Arbeit beizufügen.
2 D. K. Switzer: Krisenberatung in der Seelsorge 1975, S. 28.
3 G. Sonneck: Krisenintervention und Suizidverhütung 1995, S. 28.
4 Vgl. H. Pompey: Das Seelsorgegespräch nach der Methode der Gesprächstherapie. In: Lebendige Seelsorge 26/1975, S. 203.
5 G. Sonneck: Krisenintervention und Suizidverhütung 1995, S. 31.
6 Vgl. C. Kulessa: Zur Theorie der Krise. In: Hilfe in Krisen 1982, S. 69 f, sowie G. Sonneck: Krisenintervention und Suizidverhütung 1995, S. 31-37.
7 G. Sonneck: Krisenintervention und Suizidverhütung 1995, S. 39.
8 Es ist dabei vor allem zu berücksichtigen, daß der Auslöser in den meisten Fällen nicht die eigentliche Ursache der Krise ist, sondern daß deren Ausbruch in der Regel eine längere Entwicklung vorausgeht, welche sich letztendlich von einem bestimmten Punkt in der Biographie ihren Ausgang genommen hat. Vgl. G. Sonneck: Krisenintervention und Suizidverhütung 1995, S. 29.
9 Vgl. Krisenintervention für Suizidpatienten am Allgemeinkrankenhaus. Stellungnahme der DGS und der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie - Baden-Württemberg. In: Suizidprophylaxe 1998, S. 24.
10 Wenn hier von „Seelsorger“ die Rede ist, so ist diese Bezeichnung nicht auf die Person des Priesters beschränkt zu verstehen, sondern als umfassende Bezeichnung für alle, die in der Seelsorge auch mit der Begleitung Suizidgefährdeter zu tun haben.
11 Vat. II. AA 8.
12 I. Baumgartner: Pastoralpsychologie 1990, S. 146.
13 A. Holderegger: Die Verantwortung vor dem eigenen Leben. In: Handbuch der christlichen Ethik 1982, S. 257.
14 V. Lenzen: Selbsttötung 1987, S. 217.
15 Vgl. Stichwort „Selbstmord“ in: Der kleine Duden. Der passende Ausdruck - ein Synonymwörterbuch für die Wortwahl 1990.
16 § 211 StGB.
17 Es wird im Verlauf der Arbeit generell nicht davon ausgegangen, daß jeder, der das Wort „Selbstmord“ verwendet, auch gleichzeitig ein Urteil über denjenigen ausspricht, der seinem Leben von eigener Hand ein Ende setzt.
18 Vgl. Thomas von Aquin: Summa theologica, II-II, q. 64, art. 5: „Primo quidem, quia naturaliter quaelibet res seipsam amat: et ad hoc pertinet quod quaelibet res naturaliter conservat se in esse et corrumpentibus resistit quantum potest.“
19 Vgl. ebd.: „Quilibet autem homo est pars communitatis: et ita id quod est, est communitatis. Unde in hoc quod seipsum interficit, injuriam communitati facit.“
20 Vgl. ebd.: „Tertio, quia vita est quoddam donum divinitus homini attributum, et ejus potestati subjectum qui occidit vivere facit. (...) Ad solum enim Deum pertinet judicium mortis et vitae.“
21 K. Barth: Die Kirchliche Dogmatik III/4 1957, S. 460.
22 Vgl. ebd., S. 462.
23 Vgl. Thomas von Aquin: Summa theologica, II-II, q. 64, art. 5: „Est etiam periculosissimum: quia non restat tempus ut per poenitentiam expietur.“
24 B. Häring: Das Gesetz Christi III/2 1966, S. 214.
25 Vgl. c. 985 n. 5 CIC/1917.
26 Vgl. c. 1240 §1 n. 3 CIC/1917.
27 Vgl. ebd.: „Qui se ipsi occiderint deliberato consilio.“
28 Vgl. c. 1240 §1 n. 1 CIC/1917: „...nisi ante mortem aliqua dederint poenitentiae signa.“
29 Vgl. Anm. 23.
30 Appellsuizid bedeutet, daß der Suizident keinen anderen Ausweg mehr sieht, um auf seine ihm aussichtslos erscheinende Situation aufmerksam zu machen, als selbst Hand an sich zu legen. Der Tod wird dabei als Risiko in Kauf genommen, doch ist er nicht immer intendiert. Vgl. A. Holderegger: Die Verantwortung vor dem eigenen Leben. In: Handbuch der christlichen Ethik 1982, S. 265.
31 Vgl. ebd., S 267.
32 K.-P. Jörns: Nicht leben und nicht sterben können 1979, S. 19.
33 Vgl. die Ausführungen über das präsuizidale Syndrom in 2.2.2.
34 Vgl. z.B. Johannes Paul II: Evangelium vitae 1995, Nr. 66, sowie KKK Nr. 2281.
35 Evangelium vitae 1995, Nr. 66.
36 Ebd., Nr. 66.
37 KKK Nr. 2280.
38 So betont auch P. C. Düren in seiner Dissertation, daß das kirchliche Begräbnis zu verweigern ist „in den Fällen, in denen offensichtlich ist, daß jemand aus freiem Willen und klarem Bewußtsein Selbstmord begangen hat“. Um dies zu untermauern muß er allerdings den Umweg über eine Sonderregelung der Glaubenskongregation bezüglich der Verweigerung des kirchlichen Begräbnisses bei Zugehörigkeit zur Freimaurerei nehmen, um daraus zu schließen, daß mit Selbstmördern ebenso zu verfahren sei. (Vgl. P. C. Düren: Der Tod als Ende des irdischen Pilgerstandes. Reflexion über die katholische Glaubenslehre. Dissertation. Ostfildern 21997, S. 498, Anm. 595.) Dieser Ansatz ist sowohl von der Art und Weise der Beweisführung, die eine Gleichbehandlung von Freimaurern und Selbstmördern postuliert, als auch von der Tatsache her, daß sich nicht schlüssig nachweisen läßt, ob jemand zum Zeitpunkt des Suizids bei vollem Bewußtsein seiner selbst war oder dies aus freiem Willen tat, als abwegig zu betrachten.
39 T. Giernalczyk: Lebensmüde 1995, S. 51.
40 Als Beispiel hierfür kann der Philosoph Seneca gelten, der den Körper lediglich als „als eine der Fesseln seiner Freiheit“ ansieht, in dem jedoch ein „freier Geist“ wohne. Durch diesen freien Geist könne er „die Gemeinschaft (...) ihm (sc. dem Körper) aufkündigen, sobald es mir gutdünkt“. (zitiert nach: Seneca: Von der Seelenruhe. Philosophische Schriften und Briefe. Hrsg. und aus dem Lateinischen übersetzt von Heinz Berthold. Bremen 21983, S. 277.) Und an anderer Stelle ruft er geradezu triumphierend aus: „Danken wir es der Gottheit, daß niemand im Leben zurückgehalten werden kann: Selbst die Not können wir unter unsere Füße treten“ (Ebd., S. 236).
41 K.-P. Jörns: Nicht leben und nicht sterben können 1979, S. 20.
42 A. Holderegger: Die Verantwortung vor dem eigenen Leben. In: Handbuch der christlichen Ethik 1982, S. 267.
43 Ebd., S. 271.
44 Ders.: Die Sehnsucht nach dem eigenen Tod 1981, S. 41.
45 Ebd., S. 39 f.
46 V. Lenzen: Selbsttötung 1987, S. 217.
47 Karl Barth schreibt, daß es verschiedene „Formen der dem Menschen gegebenen Lebenshingabe und Selbstaufopferung“ gäbe und daß deshalb nicht auszuschließen sei, daß Gott „in bestimmter Situation einem Menschen tatsächlich die Freiheit, die Erlaubnis und den Befehl zur Selbsttötung“ geben könne (Vgl. K. Barth: Die Kirchliche Dogmatik III/4 21957, S. 469.). Und auch Joseph Mausbach, der sonst am Verbot der Selbsttötung festhält, schränkt dieses Verbot mit dem Hinweis auf „höhere(n) Pflichten“ ein, die es unter Umständen erlauben, sich das Leben zu nehmen (Vgl. J. Mausbach: Katholische Moraltheologie III/2 91953, S. 77.). Das „Selbstopfer“ wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit nicht weiter beachtet. Es sei nur angemerkt, daß es wohl einerseits sehr schwer nachzuweisen sein wird, daß einem Suizidenten tatsächlich der „Befehl“ Gottes dazu gegeben wurde. Andererseits wäre es auch eine ganz eigene Debatte, ob es mit dem christlichen Gottesbild überhaupt zu vereinbaren ist, daß Gott einem Menschen so etwas wie ein freiwilliges Opfer befiehlt.
48 A. Holderegger: Suizid und Suizidgefährdung 1979, S. 37.
49 Vgl. Stichwort „Suizid“ in: Duden Fremdwörterbuch 1990.
50 K.-P. Jörns: Nicht leben und nicht sterben können 1979, S. 20 f.
51 Wenn die anderen Bezeichnungen im nachfolgenden Text dennoch Verwendung finden, so ist dies bedingt durch die verwendete Literatur.
52 Vgl. B. Blackburn: Was sie über Selbstmord wissen sollten 1986, S. 19-29.
53 E. Ringel: Selbstmord - Appell an die anderen 1976, S. 15.
54 Vgl. ebd., S. 15.
55 Vgl. ebd., S. 15.
56 Über die Verwendung des Krankheitsbegriffes wird später noch zu sprechen sein (Vgl. 2.2.4).
57 E. Ringel 1979, zitiert nach: A. Holderegger: Suizid und Suizidgefährdung 1979, S. 182.
58 A. Reiner: „Ich sehe keinen Ausweg mehr“ 1974, S. 80, Anm. 2.
59 A. Holderegger: Suizid und Suizidgefährdung 1979, S. 182.
60 M. Suhm: Drogenmißbrauch und Suizid als selbstdestruktive Handlungen. In: caritas ´93, S. 160.
61 Vgl. A. Reiner: Bei Suizidgefährdung. In: Beraten und Begleiten 1990, S. 324.
62 E. Ringel: Selbstmord - Appell an die anderen 1976, S. 16.
63 M. Suhm: Drogenmißbrauch und Suizid als selbstdestruktive Handlungen. In: caritas ´93, S. 159.
64 Vgl. E. Ringel: Selbstmord - Appell an die anderen 1976, S. 16-20.
65 M. Suhm: Drogenmißbrauch und Suizid als selbstdestruktive Handlungen. In: caritas ´93, S. 159.
66 Vgl. E. Ringel: Selbstmord - Appell an die anderen 1976, S. 17.
67 Ders.: Suizid. In: Handwörterbuch religiöser Gegenwartsfragen 1986, S. 453.
68 A. Reiner: „Ich sehe keinen Ausweg mehr“ 1974, S. 83.
69 Vgl. A. Holderegger: Suizid und Suizidgefährdung 1979, S. 183.
70 Vgl. E. Ringel: Suizid. In: Handwörterbuch religiöser Gegenwartsfragen 1986, S. 454 f und A. Reiner: „Ich sehe keinen Ausweg mehr“ 1974, S. 83 f.
71 Vgl. A. Holderegger: Die Verantwortung vor dem eigenen Leben. In: Handbuch der christlichen Ethik 1982, S. 264.
72 Ders.: Suizid. In: Handwörterbuch religiöser Gegenwartsfragen 1986, S. 454.
73 Ebd., S. 454.
74 A. Holderegger: Die Sehnsucht nach dem eigenen Tod 1981, S. 15.
75 Vgl. ebd., S. 15.
76 Vgl. E. Ringel: Selbstmord - Appell an die anderen 1976, S. 20.
77 Vgl. Ders.: Suizid. In: Handwörterbuch religiöser Gegenwartsfragen 1986, S. 454.
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- Markus Dörre (Autor), 2000, Die Rolle der Seelsorge in der Krisenintervention am Beispiel der Suizidgefährdung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/469411
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