Der Beginn der konstantinischen Wende wird häufig mit der Schlacht an der Milvischen Brücke 312 in Verbindung gebracht. Die beiden wichtigsten Quellen liefern uns hierzu Eusebius und Laktanz. Sie sind Christen, die die Konversion auf eine Vision bzw. einen Traum Konstantins vor der Schlacht zurückführen. Diese Arbeit untersucht die beiden Quellen und vergleicht die beiden Berichte. Zudem wird auch die Version eines nichtchristlichen Autors über die Konversion Konstantins betrachtet und mit den beiden anderen verglichen. Am Ende soll eine Aussage über die Datierung des Beginns der Konversion getroffen werden.
1. Einleitung
Die persönliche Hinwendung Konstantins des Großen1 zum Gott der Christen sowie die anschließende Christianisierungspolitik wird in der heutigen Zeit auch als die konstanti- nische Wende bezeichnet. Sie hatte eine folgenschwere und weitreichende Auswirkung auf die Geschichte des Imperium Romanum und war für das mittelalterliche Europa und das byzantinische Reich grundlegend.2 Doch die konstantinische Wende ist nicht auf ei- nen genauen Zeitpunkt festzulegen, sie dauert vielmehr über die gesamte Regierungszeit Konstantins.3 In der vorliegenden Arbeit soll versucht werden, den Beginn der konstan- tinischen Wende zu bestimmen. Es wird der Frage nachgegangen, wann und warum Kon- stantin sich entschieden hat, den Gott der Christen als seinen anzuerkennen und mit der Zeit die christliche Religion im Reich zu verbreiten.
Aufgrund einer labilen politischen Lage kam es im Jahr 312 zu Kriegen zwischen Kon- stantin und Maxentius4 sowie Licinius5 und Maximinus6. Die vier Herrscher bildeten keine Tetrarchie mehr, sondern empfanden die jeweils anderen vielmehr als Bedrohung.7 Die Schlacht gegen Maxentius an der Milvischen Brücke gilt als ein Schlüsseltag in der Regierungszeit Konstantins und macht den 28.10.312 zu einem der bekanntesten Tage in der europäischen Geschichte. Die Legende der Vision Konstantins vor Beginn der Schlacht soll in dieser Arbeit als möglicher Beginn der konstantinischen Wende unter- sucht werden. In der modernen Literatur wird der Sieg Konstantins über Maxentius an der Milvischen Brücke im Jahr 312 mit Visionen und Träumen verbunden. Solche Be- richte über Visionen sind schon in der früheren Geschichte, zum Beispiel bei Perikles8, Augustus9 oder Caesar10 zu finden. Das Erscheinen einer Gottheit in einer Vision oder einem Traum und dessen Hilfestellung sind häufig überliefert. Diese vermeintlichen Be- gegnungen dienten darüber hinaus zur Herrschaftslegitimierung.11
Über die Vision sind zwei Berichte überliefert, einer von Laktanz12 13 und einer von Eu- sebius14 15. Beide Berichte schildern die Ereignisse unterschiedlich, doch geht aus beiden Berichten die Hinwendung Konstantins zum Gott der Christen und dessen Unterstützung in der Schlacht hervor.16 Die Visionsberichte gehören vielleicht zu den meist diskutier- testen in der Forschungsgeschichte.17 In den letzten Jahren war der Großteil der Forscher der Meinung, dass die konstantinische Wende im Jahr 312 begann. Hartwin Brandt zu- folge ist Konstantin seit 312 Christ, jedoch muss man die Visionsberichte kritisch be- trachten, sind diese wohl erst später erfunden worden. Es gibt auch einige Gegenstimmen. Klaus Rosen ist der Überzeugung, dass der Beginn der konstantinischen Wende nicht vor dem Jahr 321 liegen kann. Zwischen 312 und 321 lässt sich eine langsame Entwicklung des Kaisers erkennen, der sich erst ab diesem Zeitpunkt im gesamten Reich öffentlich zum Christentum bekennt. Wegen der Verwandtenmorde 326 ist Konstantin moralisch belastet, wodurch ein Visionsbericht nötig wird, welcher daraufhin von Eusebius auch verfasst wird. Diese Version des Beginns der konstantinischen Wende findet sich auch im Bericht des antiken, nichtchristlichen Autors Zosimos.18 19 Er begründet die Konver- sion Konstantins zum Christentum ebenfalls durch die Morde an seinem Sohn Crispus20 und seiner Frau Fausta21.22
Im Folgenden werden die beiden Berichte der christlichen Autoren Laktanz und Eusebius von der Vision vor Beginn der Schlacht an der Milvischen Brücke untersucht und ihre Kraft als Beleg für den Beginn der konstantinischen Wende im Jahr 312 bewertet. An- schließend wird der Bericht des Zosimos und die Möglichkeit des Beginns der Wende im Jahr 326 überprüft.
2. Die christlichen Autoren Laktanz und Eusebius
2.1 Der Bericht von Laktanz
Laktanz, ein christlicher Redner und der Erzieher von Konstantins Sohn Crispus, liefert die früheste Schilderung der Ereignisse im Zusammenhang mit der Schlacht an der Mil- vischen Brücke. Sein Werk Über die Todesarten der Verfolger (De mortibus persecuto- rum) erschien 315, drei Jahre nach der Schlacht.23 In der Schrift erzählt Laktanz die Lei- dens- und Todesgeschichten von zehn römischen Kaisern, die die Christen besonders aus- giebig verfolgt haben sollen. In diesem Werk, welches Glaubensbotschaften vermitteln, aber keine historische Forschung betreiben will, wird das erste Mal von einer christlichen Erleuchtung Konstantins vor der Schlacht an der Milvischen Brücke berichtet.24
Laktanz schreibt, dass Konstantin in der Nacht vor der Schlacht im Traum aufgefordert wurde, das himmlische Zeichen Gottes auf die Schilde seiner Soldaten anbringen zu las- sen und erst daraufhin die Schlacht zu beginnen.25 Damit kann bei Laktanz nicht von einer Vision im eigentlichen Sinne gesprochen werden, sondern eher von einem Traum, der Konstantins Sieg in der Schlacht verkündet. Konstantin kam der Aufforderung des Trau- mes nach, indem er den umgelegten Buchstaben X mit umgebogener Spitze auf die Schil- der anbringen ließ.26 Er besaß nun einen Schlachthelfer, der dem Götteraufgebot des Ma- xentius nicht unterlegen war, und gab den Soldaten die Gewissheit, dass sie auf die Hilfe einer sieghaften Gottheit zählen konnten.27
Das beschriebene Zeichen wurde bisher entweder als die römische Zahl X oder als ein Stern mit sechs Zacken gedeutet. Es wurde demnach ein heidnisches Symbol christiani- siert. Die Beschreibung des Zeichens in der Quelle lässt jedoch auch eine andere Deutung zu. Es kann sich auch ein quergestelltes Chi, dessen obere Spitze umgebogen ist, ergeben. Dies erscheint dann wie ein Staurogramm, ein übereinandergelegtes Chi und Rho. Es kann als Abkürzung des Namen Christus gedeutet werden. Weiter kann in dem Zeichen auch das monogrammatische Kreuz, welches schon länger bei den Christen im Gebrauch war, gesehen werden.28 Andererseits gibt es keinerlei Anhaltspunkte in dem Bericht von Laktanz, dass es sich bei dem Zeichen um ein Christogramm, Staurogramm oder ein Kreuz handelte. Genauso gibt es keinen Beweis, dass Konstantin mit den christlichen Symbolen vertraut war und diese hätte im Traum erkennen können.29
Es scheint nicht realistisch, dass Konstantin am Morgen der Schlacht noch bei allen sei- nen Soldaten das Christogramm auf die Schilder hat anbringen lassen.30 Doch auch wenn Konstantin das christliche Zeichen nur auf die Schilder einiger seiner Soldaten anbringen lässt, bedeutete dies dennoch, dass er sich für die christliche Gottheit als Schlachtenhelfer entschieden hatte.31 Auch vorstellbar ist es, dass die Schilder bereits mit einem Zeichen versehen waren, welches nach dem erfolgreichen Ausgang der Schlacht und dem Beginn der konstantinischen Wende als christliches Symbol umgedeutet wurde.32 Jedoch ist zu beachten, dass das beschriebene Schildzeichen, mit welchem die Soldaten in die Schlacht gezogen sein sollen, wenn man davon ausgeht, dass mit dem Zeichen das Christogramm gemeint war, erst nachweislich im Jahr 322/323 auftaucht. Dieses ist jedoch von dem Staurogramm zu unterscheiden.33
Es bleibt unklar, wer im Traum Konstantin den Auftrag erteilt hat und wie sich dieser auf die Soldaten ausgewirkte.34 Abschließend muss ebenfalls festgehalten werden, dass der Traum nur für den Sieg Konstantins bei der Schlacht relevant ist. Eine andere Verwen- dung findet sich in dem Bericht von Laktanz nicht.35
Selbst wenn Konstantin tatsächlich eine Erscheinung dieser Art gehabt haben sollte, deu- tet nichts in dem Bericht des Laktanz stichhaltig darauf hin, dass es sich um eine christli- che Erscheinung gehandelt hat. Dies ist insoweit erstaunlich, als dass Laktanz selbst ein nicht unbedeutender Christ war, dem es wichtig gewesen wäre, eine christliche Vision des Kaisers auch klar als eine solche zu überliefern. Der Bericht des Laktanz ist demnach kein Beleg für den Beginn der konstantinischen Wende im Jahr 312.
[...]
1 Bleckmann, Bruno: „Constantinus“, in: Der Neue Pauly 3 (2003), 136-142.
2 Girardet, Klaus Martin: Die konstantinische Wende. Voraussetzungen und geistige Grundlagen der Reli- gionspolitik Konstantins des Großen, Darmstadt 2006, S.15.
3 Rist, Josef: Gottesgeschenk oder Sündenfall? Realität und Mythos der sogenannten Konstantinischen Wende, in: Fiedrowicz, Michael; Krieger, Gerhard; Weber, Winfried (Hrsg.): Konstantin der Große.der Kaiser und die Christen - die Christen und der Kaiser, Trier 2006, S.50.
4 Bleckmann, Bruno: „Maxentius“, in: Der Neue Pauly 7 (2003), 1065-1067.
5 Elvers, Karl Ludwig u.a.: „Licinius“, in: Der Neue Pauly 7 (2003), 156-179.
6 Bleckmann, Bruno: „Maximinus“, in: Der Neue Pauly 7 (2003), 1071-1072.
7 Kraft, Heinrich: Kaiser Konstantins religiöse Entwicklung, Tübingen 1955, S.18.
8 Will, Wolfgang; Högemann, Peter: „Perikles“, in: Der Neue Pauly 9 (2003), 567-572.
9 Kienast, Dietmar: „Augustus“, in: Der Neue Pauly 2 (1997), 302-314.
10 Will, Wolfgang; Högemann, Peter: „Caesar“, in: Der Neue Pauly 2 (1997), 908-916.
11 Weber, Gregor: Mit göttlicher Hilfe. Träume und Visionen Konstantins vor der Schlacht an der Milvi- schen Brücke, in: Ehling, Kay; Weber, Gregor (Hrsg.): Konstantin der Große. Zwischen Sol und Christus, Darmstadt/Mainz 2011, S.21ff.
12 Lact. m.p. 44, 1-9.
13 Heck, Eberhard: „Lactantius“, in: Der Neue Pauly 6 (2003), 1043-1044.
14 Eus. v.c. 1,27-38.
15 Rist, Josef: „Eusebios/-us“, in: Der Neue Pauly 4 (2003), 309-310.
16 Keil, Volkmar: Quellensammlungen zur Religionspolitik Konstantins des Großen, Darmstadt 1989, S.42.
17 Ebd., S.43.
18 Zos. Hist. 2,29.
19 Meier, Mischa: „Zosimos“, in: Der Neue Pauly 12/2 (2003), 8443-845.
20 Bleckmann, Bruno: „Crispus“, in: Der Neue Pauly 3 (2003), 223-224.
21 Bleckmann, Bruno: „Fausta“, in: Der Neue Pauly 4 (2003), 442.
22 Hermann-Otto, Elisabeth: Konstantin der Große, Darmstadt 2007, S.43.
23 Weber: Mit göttlicher Hilfe, S.23.
24 Brandt, Hartwin: Konstantin der Große. Der erste christliche Kaiser. Eine Biografie, 2. Auflage, Mün- chen 2007, S.54.
25 Lact. m.p. 44.5f; Übers. Städele 2003, S.201-203.
26 Ebd.
27 Vogt, Joseph: Constantin der Grosse und sein Jahrhundert, 2. Auflage, München 1946/1960, S.160.
28 Ebd., S.162.
29 Girardet. Klaus Martin: Der Kaiser und sein Gott. Das Christentum im Denken und in der Religionspo- litik Konstantins des Großen, Berlin/New York 2010, S.65.
30 Brandt: Konstantin der Große. Der erste christliche Kaiser, S.56.
31 Vogt: Constantin der Grosse und sein Jahrhundert, S.162.
32 Brandt: Konstantin der Große. Der erste christliche Kaiser, S.56.
33 Ebd., S.54.
34 Weber: Mit göttlicher Hilfe, S.23f.
35 Wienand, Johannes: Der Kaiser als Sieger. Metamorphosen triumphaler Herrschaft unter Constantin I., Berlin 2012, S.260.
- Quote paper
- Carina Rombeck (Author), 2019, Der Beginn der konstantinischen Wende bei christlichen und nichtchristlichen Autoren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/469087
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