Sachsen blickt auf eine 160-jährige Tradition im Schienenfahrzeugbau zurück. Die östliche Lausitz ist der Mittelpunkt der sächsischen Schienenfahrzeugindustrie mit den zwei weltweit bekannten Werken in Görlitz und Bautzen. Der sächsische Werkverbund sollte in den kommenden Jahren zu einem der modernsten Fertigungszentren für Schienenfahrzeuge ausgebaut werden, um am Markt bestehen zu können. Die vom Markt geforderte Einsatzspezifikation der Fahrzeuge stellt die Hersteller von Schienenfahrzeugen jedoch vor eine branchentypische, schwer zu lösende Aufgabe. Im Rahmen dieser Dipolmarbeit wird ein ganzheitliches Bewertungsmodell für die Konzeptvarianten in der Schienenfahrzeugproduktion entwickelt.
Im ersten Teil dieser Arbeit werden mit Hilfe einer Literaturrecherche die Grundlagen der Schienenfahrzeugproduktion vorgestellt. Hierbei werden Unterschiede zur Automobilindustrie aufgezeigt und der komplette Fertigungsprozess geschildert. Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Rohbauprozessen auf die Montage. Die Auswirkungen der montagegerechten Konstruktion, der Modularisierung und der Standardisierung werden dabei näher betrachtet. Um diese Auswirkungen quantifizierbar zu machen, erfolgt eine exemplarische Erarbeitung von Prozessbausteinen am Beispiel der Montage der Gepäckablage.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkurzungen
1 Einleitung
2 Grundlagen der Schienenfahrzeugproduktion
2.1 Allgemeines zur Schienenfahrzeugherstellung und Unterschiede zur Automobilindustrie
2.2 Ablauf der Schienenfahrzeugproduktion am Beispiel eines Standardtriebzuges
2.3 Detailbetrachtung der relevanten Fertigungsvorgange
2.3.1 Rohbau allgemein
2.3.2 FertigungsschritteRohbau
2.3.3 Fertigung der Haupt- und Unterbaugruppen im Rohbau
2.3.4 Wagenkastenaufbauim Rohbau-Fertigungsprozess
3 Systematisierung der Auswirkungen von veranderten Rohbauprozessen auf die Montage
3.1 Kostenverursachung und Kostenverantwortung
3.2 Montagegerechte Produktgestaltung
3.3 Modularisierung im Schienenfahrzeugbau und die Auswirkungen auf die Montage
3.4 Auswirkungen der Standardisierung auf die Montage
4 Vorgehensweise der praktischen Zeitdatenermittlung
4.1 MTM-UAS (Methods-Time Measurement Universelles Analysiersystem)
4.2 Theoretisches Vorgehen der Untersuchungen in der Gorlitzer Produktion
4.3 Geplante Untersuchungen im Werk Gorlitz
4.3.1 Untersuchung 1: Justagearme Montage
4.3.2 Untersuchung 2: De- und Remontage
4.3.3 Untersuchung 3: Begleitung Prozessanalyse Messhalle
5 Exemplarische Erarbeitung von Prozessbausteinen zur Quantifizierung der Montageeinflusse
5.1 Soll-Ist-Vergleich in der modularen Bausteinhierarchie
5.2 Erarbeitung von Prozessbausteinen am exemplarischem Beispiel der Montage einer Gepackablage
5.3 Auswertung der Konzeptveranderung des Montagevorganges fur die Gepackablage
6 Exemplarische Erarbeitung eines Bewertungsmodells fur Rohbauprozesse
6.1 Planungssystematik nach Lotter
6.2 Bewertung und Auswahl eines Montagesystems nach Lotter
6.2.1 Nutzwertanalyse
6.2.2 Montagestuckkostenrechnung
7 Ausblick der Schienenfahrzeugindustrie
8 F azit
9 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Herstellungsprozess am Beispiel eines Vollbahntriebzugs
Abbildung 2: Vorranggraph der Kemprozesse der Wagenkastenfertigung
Abbildung 3: Seitenwand in Differenzialbauweise
Abbildung 4: Bodenplatte in Integralbauweise
Abbildung 5: Rohbau-Fertigungsprozess
Abbildung 6: Fertigungsteilprozess fur die Hauptbaugruppen im Rohbau
Abbildung 7: Beispielhafter Ausschnitt eines SchweiBfolgeplans
Abbildung 8: Haltevorrichtung fur Seitenwande aus der Produktion von Alstom Salzgitter
Abbildung 9: Wagenkasten-Rohbau in Gorlitz
Abbildung 10: Endmontagestand im Werk Gorlitz
Abbildung 11: Ablauf des Innenausbaus eines Endwagens
Abbildung 12: Fahrwerk-Herstellungsprozess
Abbildung 13: Kostenverantwortung und Kostenverursachung
Abbildung 14: Modulares Wagenkastenkonzept (Langsteilung)
Abbildung 15: Schema des modularen Produktionsablaufs
Abbildung 16: Standardisierungsebenen in der Schienenfahrzeugproduktion
Abbildung 17: Ursachenbezogene Prozessanalyse
Abbildung 18: BeispielhafterAblauf der MTM-Analyse
Abbildung 19: Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Konzepte am Beispiel "Justagearme Montage"
Abbildung 20: Ganzheitliche Bewertung von Konzepten
Abbildung 21: Hierarchieordnung mit verschiedenen Verdichtungsstufen
Abbildung 22:Wegfall von Modulen in der Bausteinhierarchie
Abbildung 23: Modifikation und Austausch von Modulen in der Bausteinhierarchie
Abbildung 24: Reduzierung von Modulen in der Modulhierarchie
Abbildung 25: Montage der Gepackablage in der Bausteinhierarchie
Abbildung 26: Prinzipskizze fur Betriebsmittelbeschaffung
Abbildung 27: Neues Konzept 3D-Vermessung in der Bausteinhierarchie
Abbildung 28: Wirtschafflichkeitsvergleich fur das neue Konzept
Abbildung 29: Planungssystematik fur die Montage nach Lotter
Abbildung 30: Vorranggraph der Kemprozesse der Wagenkastenfertigung
Abbildung 31: Kalkulationsschema Montagestuckkosten
Abbildung 32: Ganzheitliches Bewertungsmodell zum Vergleich von Konzeptvarianten
Abbildung 33: Zehn grobten Schienenfahrzeughersteller nach Umsatz an Neufahrzeugen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Bewertbare Projektziele
Tabelle 2: UAS Datenkartenausschnitt
Tabelle 3: MTM-Analyse 'Montage Geuackablage'
Tabelle 4: Uberblick uber Gesamtaufwande
Tabelle 5: Beispielhafte Nutzwertanalyse
Tabelle 6: Beispielhafter Paarvergleich fur die Nutzwertanalyse ausgesuchter Kriterien
Abkurzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Sachsen blickt auf eine 160-jahrige Tradition im Schienenfahrzeugbau zuruck. Die ostliche Lausitz ist der Mittelpunkt der sachsischen Schienenfahrzeugindustrie mit den zwei weltweit bekannten Werken in Gorlitz und Bautzen. Beide Werke konnen auf eine sehr lange Historie verweisen. Seit 1998 sind sie Teil des Bombardier Konzems. Seit Kriegsende wurden allein in Gorlitz 18.000 Fahrzeuge produziert. Der sachsische Werkverbund sollte in den kommenden Jahren zu einem der modemsten Fertigungszentren fur Schienenfahrzeuge ausgebaut werden, um am Markt bestehen zu konnen [2, 2].
Die vom Markt geforderte Einsatzspezifikation der Fahrzeuge stellt die Hersteller von Schienenfahrzeugen vor eine branchentypische, schwer zu losende Aufgabe. Die Fahrzeuge mussen auf der einen Seite an die jeweiligen Transportaufgaben, die Randbedingungen und Betriebsablaufe angepasst sein. Zudem fuhrt die Anpassung an Kundenwunsche in Form von entsprechenden Fahrzeugvarianten meist zu kompletten Anderungen in der Fahrzeugstruktur. Auf der anderen Seite sind auftragsspezifische Neuentwicklungen bzw. umfangreiche Anpassungen im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und der kurzen geforderten Marktreife-Zyklen kaum umzusetzen.
In Kooperation mit den Fraunhofer Instituten fur Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) und fur Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) bestand das Gesamtziel in der Entwicklung sowohl der technisch-technologischen Voraussetzungen zur Qualifizierung des sachsischen Werkverbundes zu einem der modemsten Kompetenzzentren im Schienenfahrzeugbau als auch fahrtechnischer Grundlagen fur den Einsatz von Regionalzugen auf Hochgeschwindigkeitsstrecken. Ziel des Vorhabens ist es u.a. die Flexibilitat der Fertigung im Roh- und Innenausbau mittels starker modularisierter Fahrzeugkonstruktionen und innovativen Fertigungsverfahren zu erhohen. AuBerdem sollte die Digitalisierung weiter vorangetrieben und eine integrierte Fertigungsablaufsteuerung und -optimierung entwickelt werden.
Im Rahmen des Aufgabenpaketes AP 3.1, welches zu der integrierte Fertigungsablaufsteuerung und -optimierung gehort, sollte die TU Dresden die Analyse der Fertigungsablaufe ubemehmen. In diesem Arbeitspaket 3 findet sich auch die Motivation fur diese Diplomarbeit. Im Rahmen des Forschungsprojektes soil ein ganzheitliches Bewertungsmodell fur die Konzeptvarianten in der Schienenfahrzeugproduktion entwickelt werden[2].
Feider hieB es noch ,,Ein Funken Hoffnung fur Gorlitzer Bombardier-Standort“[3] am 20.05.2017 im Bericht des MDR. Bezug nimmt der Artikel auf den geplanten Stellenabbau des Konzems. Bombardier ist mit seinen 66.000 Mitarbeitem ein weltweit fuhrender Hersteller fur Flugzeuge und Zuge[4], In seinem Untemehmensbereich Transportation mit Hauptsitz in Berlin, welcher sich der Herstellung von Zugen widmet, sollen bis 2018 5.000 von den bisher 37.150 Stellen abgebaut werden[5] davon 2.200 seiner 8.500 Arbeitsplatze allein in Deutschland[6], Aus diesem Grund ist die Angst in Deutschland groB, dass Standorte komplett geschlossen werden. Fur den Standort Gorlitz gibt es jedoch Entwamung. Denn ,,[z]u den ostdeutschen Standorten in Bautzen, Gorlitz und Henningsdorf“[3] konnte Bombardier-Sprecher Andreas Dienemann bestatigen, „dass es ein klares Bekenntnis seitens der Geschaftsfuhrung gibt, namlich dass die Standorte nicht zur Disposition stehen.“ und es „keinen Beschluss zur SchlieBung“[3] gibt.
Wider Erwarten dieser Stellungnahmen kam es im Laufe der Verfassung dieser Diplomarbeit zu der erschwerten Situation, dass das Projekt aufgrund der unklaren Situation mit dem Stellenabbau auf Eis gelegt und die Kooperation mit den Fraunhofer Instituten sowie der TU Dresden Projekt vorerst beendet wurde. Da sich die Arbeit bereits in der Fertigstellung befand, wurde das Thema auf theoretischer Basis weitergefuhrt, auch wenn es trotz vorheriger Zusage der Betreuung seitens Bombardier keinerlei Hilfeleistungen bis auf ein Kennenlem-Termin gab.
Ziel dieser Arbeit ist es weiterhin ein ganzheitliches Bewertungsmodell fur Konzeptvarianten zu entwickeln,jedoch ohne Datenbasis.
Im ersten Teil dieser Arbeit werden mit Hilfe einer Literaturrecherche die Grundlagen der Schienenfahrzeugproduktion vorgestellt. Hierbei werden Unterschiede zur Automobilindustrie aufgezeigt und der komplette Fertigungsprozess geschildert.
Das nachste Kapitel beschaftigt sich mit den Auswirkungen von Rohbauprozessen auf die Montage. Genau werden in diesem Abschnitt die Auswirkungen der montagegerechten Konstruktion, der Modularisierung und der Standardisierung naher betrachtet.
Um diese Auswirkungen quantifizierbar zu machen, erfolgt im funften Kapitel eine exemplarische Erarbeitung von Prozessbausteinen am Beispiel der Montage der Gepackablage. Zur Vorbereitung auf diese Analyse diente das vorherige Kapitel, welches die Herangehensweise schildert und die geplanten Untersuchungen vorstellt.
Im letzten Kapitel wird der Aufbau des Bewertungsmodells aufbauend auf den Montagestuckkosten beschrieben.
2 Grundlagen der Schienenfahrzeugproduktion
In diesem Kapitel werden zunachst erste Anforderungen an die Schienenfahrzeugproduktion aufgezeigt und danach Unterschiede zur Automobilmassenproduktion dargestellt. Des Weiteren wird der Ablauf des Produktionsprozesses sowie der Einzelvorgange zum Bau eines Standardwagenkastens betrachtet.
2.1 Allgemeines zur Schienenfahrzeugherstellung und Unterschiede zur Automobilindustrie
Seit der Locomotion No. 1 von Stephenson aus dem Jahr 1825, der ersten mit Dampf betriebenen Lokomotive, um Passagiere auf einer offentlichen Strecke zu transportieren[7], hat sich Einiges in der Produktion von Schienenfahrzeugen geandert. Schienenfahrzeuge sind Massentransportmittel, dennoch etablierte sich nie eine wirkliche Massenproduktion aufgrund der niedrigen Stuckzahlen. Bis heute gibt es aus diesem Grand wenig automatisierte Prozesse in der Produktion, so auch bei Bombardier. Der Rohbau, wie auch die Beschichtung und der Innenausbau werden uberwiegend manuell ausgefuhrt[8],
Allein bei der Endmontage bzw. dem Innenausbau eines Doppelstockwagens der OBB mussen innerhalb von zwolfWochen Bremsleitungen, Heizung, 150 Kilometer Kabel, Bodenbelag, Sitze, Gepackablagen und Abstelltischchen verlegt, verschraubt und verschweiBt werden, was hohe Anforderungen an Personal und Technologie stellt[9].
Ein Zug sollte eine Lebenszeit von 40 Jahre besitzen und ungefahr 400.000 km pro Jahr zurucklegen[9], Zum Vergleich halt der Motor eines Autos durchschnittlich 200.000 km, bis es nach ungefahr 18 Jahren den Weg in die Presse findet [10, 11],
Nicht nur das Produkt selbst, sondern auch die Diversitat stellt eine groBe Herausforderung fur die Hersteller dar. In Gorlitz allein wurden in den letzten Jahren:
- Hochgeschwindigkeitszuge wie der ICE-T
- Regional- und Nahverkehrszuge wie Doppelstockwagen fur Danemark, Israel, Polen oder Luxemburg
- Komplettfahrzeuge fur die Delhi Metro in Indien
- verschiedenste Wagenkasten fur unterschiedlichste Zugtypen bzw. intemationale Auffragsgeber gefertigt[12],
Wegen der hohen Variantenvielfalt und der Vielzahl von individuellen Kundenwunschen werden die Schienenfahrzeuge wie in der Automobilindustrie fast ausschlieBlich nach eingegangener Kundenbestellung (make to stock) gefertigt. Im Gegensatz zur Pkw-Produktion sind jedoch die Kundenwunsche sehr unterschiedlich und die Fahrzeuge konnen nicht durch einfache Veranderungen im der Modulstruktur in die Fertigungslinie integriert werden. So entspricht nahezu jede Kundenbestellung einem neuen Zugtyp, was aufgrund des bereits bestehenden Auftragseingangs extrem hohe Anspruche an die Produktentwicklung stellt. Dieses knappe Zeitfenster bis zur Fertigstellung erschwert daruber hinaus auch die Standardisierung und Koordinierung der Betriebsmittel sowie der Prozesse, da Schienenfahrzeuge selten an nur einem Standort produziert werden. Daruber hinaus besteht allein ein Zugtyp aus verschiedenen Einzelfahrzeugen so werden die Endwagen wie Trieb- und Steuerwagen und die Mittelwagen differenziert, die baulich stark voneinander abweichen. Zudem gibt es durch die veranderte Wettbewerbssituation im Bahnbereich statt den groBen Staatskunden viel mehr kleine Kunden. Sie ordem daher auch nur wenige Zuge in gleicher Ausfuhrung (interne Quelle).
Neben diesen Merkmalen gibt es fertigungsspezifische Unterschiede zwischen der Schienenfahrzeug- und der PKW-Produktion. Infolge des niedrigen Automatisierungsgrades ist die Fertigung durch uberwiegend manuelle Verrichtungen und einen hohen Anpassungs- und Mehraufwand gekennzeichnet. In der Produktion selbst kommt es zu einer Vermischung verschiedener Fertigungsorganisationsformen, wie z.B. der stationaren und der gleitenden FlieBmontage. Durch die GroBe der Fahrzeuge konnen mehr Mitarbeiter an einem Fahrzeug arbeiten als im Automobilbau, wodurch die Montage stark arbeitsteilig realisiert werden kann. Dennoch kommt es zu hohen Taktzeiten, da die Stuckzahlen sehr niedrig sind und so eine FlieBfertigung mit vielen Arbeitsstationen schwer organisiert werden kann (interne Quelle).
2.2 Ablauf der Schienenfahrzeugproduktion am Beispiel eines Standardtriebzuges
Als Beispiel fur die diversen Schienenfahrzeugtypen wird der Produktionsprozess eines Standardtriebzuges vorgestellt, wie er dem technologischen Stand bei den meisten Schienenfahrzeugherstellem entspricht. Ein Triebzug besteht aus Mittel- und Endwagen. Da eine Kemkompetenz des Bombardier Werkes aus Gorlitz die Herstellung von Wagenkasten ist, wird der Fokus der Beschreibung auch auf ihnen liegen[12],
In Abbildung 1 ist die prinzipielle Fertigungsfolge eines derartigen Standardtriebzuges dargestellt. Die einzelnen Elemente bzw. Vorgange werden nachfolgend naher analysiert bzw. erlautert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Hcrstcllungsprozcss am Bcispid cincs Vollbahntricbzugs
Quelle: Eigcnc Darstcllung. angelchnt an Brandhorst 2014, (8]
Im Rohbau wird der Wagenkasten eines Triebzuges fugetechnisch aus Einzelteilen und Baugruppen in einer Linien- oder Standfertigung produziert. Ausgehend vom Ausgangsmaterial Stahl oder Aluminium wird der Wagenkasten uberwiegend mittels Lichtbogen- (MIG, MAG), Punkt- oder LaserschweiBen gefugt. Im Gorlitzer Werk wird die Standfertigung angewandt und auBerdem haben die Mitarbeiter Kompetenzen fur die Verarbeitung beider Materialien[8],
Aus Abbildung 1 ist erkennbar, dass nachgelagert ein Beschichtungsprozess folgt. Hierbei wird der Wagenkasten in Abstimmung mit dem Kunden uberwiegend mit Wasserlack gegen Korrosion beschichtet. Danach wird am jeweiligen Einzelwagen der Innenausbau in einer Standfertigung bei Bombardier vorgenommen[8],
Simultan hierzu, erfolgt die Fahrwerkfertigung, welche sich in ahnliche Schritte gliedert wie die Wagenkastenfertigung. In der Rahmenfertigung entsteht eine meist geschweiBte, teilweise auch aus Gussteilen komplettierte Stahlkonstruktion, welche ebenfalls gegen Korrosion beschichtet wird. AbschlieBend erfolgt die Montage der Radsatze und Anbauteile[8],
Die Inbetriebnahme wird nach der Fertigstellung der beiden Komponenten Fahrwerk und Wagenkasten durchgefuhrt. Wobei die statische Inbetriebnahme entweder nach der Zusammenstellung des gesamten Triebzugs oder bereits am fast fertig ausgebauten Einzelwagen bzw. nach dem Aufsetzen des Wagenkastens auf die Fahrwerke stattfmden kann. Nach der kompletten Fertigstellung des Triebszugs wird die dynamische Inbetriebnahme bzw. die Kundenabnahme vorgenommen, welche in einem Prufzentrum oder auf einer Teststrecke bzw. einem Testgleis und einem begehbaren Prufstand erfolgen[8],
Es handelt sich hierbei um komplexe Montageablaufstrukturen. Die Montagevorgange sind somit stark zeitlich vemetzt und es entsteht ein stark sequentieller Rangfolgegraph. In einem solchen sind die wesentlichen Kemprozesse der Schienenfahrzeugfertigung in Abbildung 2 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Vorranggraph dcr Kcmprozcssc dcr Wagcnkastcnfcrtigung
Quelle: Eigcnc Darstcllung. angclchnt an Mertens ct al. 1994. [13)
2.3 Detailbetrachtung der relevanten Fertigungsvorgange
Nach dem kleinen Uberblick des Fertigungsablaufs in der Schienenfahrzeugproduktion werden nachfolgend in diesem Kapitel einige Fertigungsschritte naher beschrieben, die bei der spateren Betrachtung von Relevanz sein werden. So erfolgte hier die Auswahl der Fertigungsschritte, die einen besonders hohen manuellen Montageanteil besitzen und im Gorlitzer Werk angewandt werden.
2.3.1 Rohbau allgemein
Der Rohbau macht je nach Ausstattung des Fahrzeugs nur etwa 15% der gesamten Herstellungskosten aus, dennoch stellt er einen wichtigen Anteil des Schienenfahrzeugs dar, weil bis zu 85% der spateren Produktkosten durch Entscheidungen in der Entwicklung festgelegt werden[14], So konnen durch eine intelligente Modularisierung bzw. Wahl der Schnittstellen im Vorfeld oder wahrend der Planungsphase aufwandige AnschweiBteile vermieden und Innenausbaukomponenten leichter montiert werden[8],
Grundsatzlich ist die Rohbauplanung von der Fertigungstiefe im Werk und der geplanten Bauweise abhangig, d. h. welchen Anteil die Zulieferer an der Wertschopfungskette besitzen bzw. welche Teile vom Hersteller selbst gefertigt werden. Anhand dieser Rahmenbedingungen leiten sich auch die fur die Produktion erforderlichen Vorrichtungen und Werkzeuge ab.
In Gorlitz finden die beiden klassischen Bauweisen Anwendung:
- Differenzialbauweise (siehe Abbildung 3), welche ein Stahlgerippe aus gekanteten Blechen und dunnen Deckblechen als Seitenwandverkleidung zusammenfiugt,
und die Integralbauweise, beispielhaft in Abbildung 4 zu sehen, welche Aluminium- Strangpress-Profile nutzt[15],
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Seitenwand in Differenzialbauweise
Quelle: Glaser; Wendt 2014, [1]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Bodenplatte in Integralbauweise
Jedoch existieren noch andcrc Bauweisen ım Schienenfahrzeugbau, die in Görlıiz jedoch nicht angewandt werden:
- aus FaserverbundstofTen hergestellte, tragende Fahrzeugstruktur
- tragende Rahmenbauweise mit nicht tragenden Verblendungen
- und verschiedene Mischbauweisen [16]
In Abbildung 5 wird ersichtlich, dass der Wagenkasten-Rohbau in funf Hauptbaugruppen gegliedert werden kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Rohbau-Fcrtigungsprozcss
Quelle: Eigcnc Darstcllung. angelchnt an Brandhorst 2014, (8]
Die wichtigste Komponente des Wagenkastens ist das Untergestell. Es fungiert als Schnittstelle zu den unter dem Fahrzeug angebrachten Elementen, Geraten und den hydraulischen, elektrischen und pneumatischen Versorgungsleistungen. AuBerdem nimmt es die Kupplungen, die Drehgestelle sowie den FuBboden auf und widersteht den daraus resultierenden Kraften. Wie auch bei Bombardier ublich, werden langslaufende Trager, Langtrager, eingebaut, um die horizontal wirkenden Langszugkrafte und die vertikal auf das Untergestell wirkenden Lasten aufnehmen zu konnen. Bei Bombardier befinden sich diese Langtrager am AuBenbereich des Untergestells (AuBenlangtrager) und werden gleichzeitig zur Anbindung der Seitenwande verwendet. Hauptbestandteile eines Untergestells sind [8, 15]:
- Haupt- und Endquertrager
- Kopfstuck
- Kupplungsbereiche
Sowohl bei Aluminium- als auch bei Stahlkonstruktionen sind diese Elemente zu finden. Allerdings gibt es aufgrund der physikalischen Eigenschaften der Werkstoffe einen signifikanten Unterschied. Bei einer Konstruktion aus Aluminium wird meist eine Bodenplatte aus Strangpressprofilen hergestellt und anstelle der in Differenzialbauweise ublichen Querrippen eingebaut[8],
Die Seitenwande sorgen sowohl fur die Stabilitat des Untergestells, als auch fur die Sicherheit der Fahrgaste. Neben der Aufnahme von Turen, Fenstem, Innenbekleidungselementen und Isolierungsmateriealien muss eine Seitenwand statisch den verschiedenen Druckwechselbeanspruchungen wie bei Tunnelfahrten, Bruckenuberquerungen und Zugbegegnungen widerstehen konnen. Dadurch gibt es mit Stahl gegenuber Aluminium einen wesentlichen Vorteil, da hiermit die maximale Ausnutzung des verfugbaren Freiraums und somit mehr Platz im Innenraum erreicht wird[15],
Das Dach dient nicht nur der Dichtigkeit gegenuber Witterungsverhaltnissen, sondem auch der Aufnahme von Ein- und Anbauten im Deckenbereich. Denn je nach Ausfuhrung des Fahrzeugs mussen Batterien, Stromabnehmer, Klimagerate, Transformatoren und Stromrichter auf dem Dach platziert werden. AuBerdem sollten die Dacher ohne Ecken gestaltet werden, in denen sich Schmutz und Laub festsetzen kann, sowie eine Ableitung des anfallenden Wassers im Fahrbetrieb ermoglichen[15],
Zum Abschluss des Wagenkastens werden die Endwande bzw. Endportale eingesetzt, welche die Ubergangseinrichtung und den Wellen- oder Faltenbalg tragen. Konstruktiv muss Crash- Anforderungen Sorge getragen werden[15],
Das Fahrerstands- oder Kopfmodul wird im Frontbereich des ersten und des letzten Wagens integriert. Auch hier mussen viele Anforderungen an ein gutes Crash-Verhalten beachtet werden, so werden auch bei diesem Modul analog wie bei den Endwanden meist MAG-geschweiBte Konstruktionen verwendet. Zudem mussen viele Schnittstellen fur Rohre und Kabel berucksichtigt werden. Fur ein optimales Design bzw. eine optimale Aerodynamik werden aber auch oft GFK-PU-Schaum-Sandwich-Hauben als Fahrzeugkopfe eingesetzt, da sich diese als Freiformen besser herstellen lassen [15],
2.3.2 Fertigungsschritte Rohbau
Im Aufbaustand werden die einleitend vorgestellten Hauptbaugruppen zu einem Wagenkasten mit SchweiBverbindungen zusammengefugt.
Seit einigen Jahren wird auch hier oft uber die Automatisierung nachgedacht, jedoch werden die Wagenkasten weiterhin weitgehend manuell gefugt, weil vor allem durch den schwachen Seriencharakter der kundenspezifischen Auftrage und die groBen, notwendigen Toleranzfelder der Unterbaugruppen (bis zu einigen Zentimetem) eine Prozessautomatisierung erschweren (Interne Information).
Unabhangig vom Rohbaukonzept zahlt auch bei Bombardier die Einzelteilfertigung, wie in Abbildung 6 dargestellt, zu den notwendigen Fertigungsschritten. Diese Einzelteile werden nicht nur zur Bildung der Unter- bzw. Hauptbaugruppen, sondem auch als AnschweiB- und Verbindungsteile beim Wagenkasten verwendet. Um einen problemlosen Zusammenbau zu gewahrleisten, ist die Passgenauigkeit dieser Komponenten sehr wichtig. Deshalb werden sie mit Hilfe von CNC-gesteuerten Laserschneidanlagen gefertigt. Prazise CNC-Abkantpressen verleihen ihnen die genaue Form [8],
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Fcrtigungstcilprozcss tur die Hauptbaugruppen im Rohbau
Quelle: Eigenc Darstellung. angclchnt an Brandhorst 2014. [8]
Bei Einzelteilen aus Aluminium liegt ein starker Fokus auf der spanenden Bearbeitung der Strangpressprofile, um die Werkstoffeigenschaften nicht zu sehr zu verandem. Nach dem Frasen von Aluminiumteilen mussen die Konstruktionen meist entgratet werden, um Kerben und schroffe Kanten zu vermeiden[8].
2.3.3 Fertigung der Haupt- und Unterbaugruppen im Rohbau
Bei der Besichtigung der Produktion in Gorlitz wurde deutlich, dass die Fertigung der Haupt- und Unterbaugruppen (siehe Abbildung 6 zweiter und dritter Teilprozess) in typspezifischen
Geometriestationen erfolgt. Dabei werden Spannrahmen und Spannelemente benutzt, welche die Bauteile beim SchweiBen in Position halten. Aufgrund der verbesserten Wiederholgenauigkeit laufen einige SchweiBverfahren zudem automatisiert ab, wenn die zu fertigenden Stuckzahlen eine hohe Auslastung der Automatisierungsmittel zulassen.
Das Untergestell des Fahrzeugs muss die anfallenden Krafte ubertragen, weshalb hier meist massive Werkstoffe verbaut werden. Aus festigkeitstechnischen Anforderungen ist der Einsatz von Blechstarken bis circa 12 mm in der Fertigung des Untergestells keine Seltenheit. Meist werden gut schweiB- und umformgeeignete Bau- oder Feinkomstahle verwendet, was auch zum uberwiegend angewendeten MAG-SchweiBen fuhrt. Nur in den Bereichen der Drehgestell- Anbindung und Kupplungen werden oft Stahlgussteile eingesetzt, um komplizierte Blechkonstruktionen und viele SchweiBnahte zu vermeiden[15],
Bei der Aluminium-Bauweise mussen werkstoffbedingt groBere Materialdicken verarbeitet werden. Aufgrund der Werkstoffeigenschaften kommt daher auch uberwiegend das MIG- Verfahren zum Einsatz[16],
Die Haupt- und Endquertrager sind die wichtigsten aber auch die in ihrer Herstellung anspruchsvollsten Unterbaugruppen des Untergestells. Sie bilden die Schnittstellen zu den Drehgestellen und ubertragen die wesentlichen Krafte vom und zum Fahrwerk, wodurch entsprechend dicke Materialen eingesetzt werden. Es erfolgt eine mechanische Nachbearbeitung dieser Unterbaugruppen wie auch der Kopfstucke und Kupplungsbereiche, weil sie durch ihren Querverbau die Breite des zukunftigen Untergestells vorgeben. Daher sind sie auf das Toleranzkonzept des Fahrzeugs abzustimmen. Das heiBt, dass die entsprechenden Langen ubereinstimmen mussen[8],
Fur eine bessere Zuganglichkeit beim SchweiBen erfolgt der Zusammenbau des Untergestells aus den beschriebenen Unterbaugruppen auf einer oft drehbar ausgefuhrten Untergestell-Vorrichtung. In der besichtigten Produktionshalle in Gorlitz befand sich ebenfalls eine derartige Vorrichtung, jedoch ohne drehbare Funktionalitat. Die einzelnen Komponenten werden in die entsprechende Stelle eingelegt und langsmittig uber die Aufhahmen und Anschlage ausgerichtet. Das AusschweiBen geschieht unter Berucksichtigung von SchweiBfolgeplanen (siehe Abbildung 7), mit deren Hilfe die Anzahl und Lange der zu setzenden SchweiBnahte bestimmt werden kann, um eine Hochrechnung zu ermoglichen[8],
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Beispielhafter Ausschnitteines SchweiBfolgeplans
Quelle: Brandhorst 2014,[8]
Wie bei der Fertigung des Untergestells werden die Seitenwande in Differentialbauweise ebenfalls aus Bau- bzw. Feinkomstahlen gefertigt. Daruber hinaus gewahrleisten Chromstahle eine bessere Widerstandsfahigkeit gegen Korrosion. Das AuBenblech ist meist mittragend und wird geschweibt. Punkt-, MAG- und LaserschweiBen sind erprobte SchweiBverfahren in der Seitenwandherstellung. Wie in Abbildung 8 ersichtlich werden die Seitenwandkonstruktionen auch bei Bombardier in speziell angefertigten Haltevorrichtungen gespannt und aufgrund der hoheren Wirtschaftlichkeit automatisiert geschweiBt[15],
Die Seitenwandgerippe werden meist gesondert vorgefertigt, gerichtet und mit dem AuBenblech verbunden, um eine moglichst glatte AuBenflache zu erhalten. Eine geeignete Profilstruktur und ein warmearmes SchweiBverfahren konnen zudem den Richtaufwand minimieren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Haltevorrichtung fur Seitenwande aus der Produktion von Alstom Salzgitter
Quelle: Glaser; Wendt 2014,[1]
Hingegen werden in Abhangigkeit von der zu berucksichtigenden Anzahl von Turen bei der Integralbauweise aus Aluminium zunachst die Seitenwande in Einzelsegmenten erstellt und danach zusammengefugt. Werkstoffbedingt kommt das MIG-SchweiBen zum Einsatz und altemativ wird bei Langsnahten inzwischen oft das ReibruhrschweiBverfahren angewandt, welches deutliche Vorzuge beim spateren Bauteilverzug besitzt aber relativ hohe Anlagenkosten mit sich bringt. Im Anschluss an das SchweiBen werden die Fensterausschnitte meist mittels GroBfrasmaschinen gefertigt[16]
In Gorlitz geschieht die Fertigung des Daches ebenfalls automatisiert mit PunktschweiBen in Ruckenlage auf einer Haltevorrichtung. Aus Kostengrunden werden bei der Stahlbauweise meist Sickenbleche mit quer angeordneten Versteifungsprofilen verwendet. Die Aluminiumkonstruktionen werden wie bei den Bodenplatten des Untergestells aus langslaufenden GroBprofilen (siehe auch Abbildung 4) gefertigt. Beide Bauweisen haben das gemeinsame Ziel moglichst viele Funktionen zum Befestigen von Elementen des Innenausbaus vorzuhalten, ohne dass weitere Arbeitsschritte notig sind. Eingeplante Standardbefestigungspunkte oder C-Schienensysteme ermoglichen eine derartige Zielerreichung[15].
Die Herstellung der Ruckwande folgt dem gleichen Prinzip wie die Fertigung der Seitenwande. Bei vielen Konstruktionsarten gibt die Ruckwand zudem die Breite des Wagenkastenaufbaus vor.
2.3.4 Wagenkastenaufbau im Rohbau-Fertigungsprozess
Analog zur Abbildung 4 folgt auf die Fertigung der Rohbau-Komponenten der Wagenkastenaufbau. Dieser geschieht wie Abbildung 9 dargestellt in einer speziellen GroBvorrichtung, dem Aufbaustand. Hierbei wird das Untergestell zuerst in den Aufbaustand eingelegt und uber Fixierungspunkte an relevanten Anbindungspunkten des Untergestells exakt in Fangs- und Querrichtung zentriert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: Wagenkasten-Rohbau in Gorlitz Quelle: Frank Paukstat, http://bahnsichtigungen.net,[17]
In Gesprachen mit Verantwortlichen bei Bombardier wurde erlautert, dass das Untergestell ohne eine Anbindung an die Seitenwande noch sehr flexibel ist, weshalb es zusatzlich zu den Anbindungspunkten im Bereich der AuBenlangtrager unterstutzt werden muss. Meist wird das Untergestell auch mit einer sogenannten Vorsprengung eingelegt. Es wird also in der Mitte uberhoht in den Aufbaustand aufgenommen, um der Durchbiegung durch den spateren Innenausbau bzw. der Beladung entgegen zu wirken. Diese Vorsprengung ist oft auch schon bei der Herstellung der Seitenwande zu beachten (interne Information).
AnschlieBend werden nacheinander die Seiten- und die Ruckwande dem Aufbaustand zugefuhrt. Um die Wande lagerichtig zu positionieren und zum VerschweiBen zu halten, dienen innen angebrachte Innenkaliber oder von auBen an der Aufbauvorrichtung angebrachte Anschlage. Mit Innenkalibem wird eine verbesserte Zuganglichkeit erreicht und mechanische Beschadigungen an den AuBenflachen des Fahrzeugs vermieden. Es entsteht beim Einbau dieser Hilfsmittel ein Mehraufwand, weil sie aufgesetzt, eingerichtet und abschlieBend aus dem fertigen Wagenkasten herausgebracht werden mussen (interne Quelle).
Nach Fixierung der Wande wird das vorgefertigte Dach aufgelegt. Abhangig von der Bauweise erfolgt das VerschweiBen nach exakter zentrischer Ausrichtung mit MAG- oder MIG- SchweiBverfahren. Oft werden die Langsnahte mittels SchweiBtraktoren erzeugt, da sie eine geeignete Linearfuhrung vorweisen und somit die Dichtigkeit des spateren Fahrzeugs gewahrleisten[15],
AnschweiBteile fur die Befestigung des Innenausbaus sollten so gering wie moglich gehalten werden, um die Anzahl der Teile, die in Zwangslage im Wagenkasten-Aufbaustand angebracht werden mussen, zu minimieren. Sie sollten moglichst bereits in die einzelnen Baugruppen integriert werden, was das Thema Modularisierung emeut anschneidet. Neben der Gefahr von zu starkem SchweiBverzug verursacht die Fertigung und Anbringung von AnschweiBteilen relative hohe Kosten und stellt potenzielle Fehlerquellen dar. So kann konnen mit einer angenommenen menschlichen Fehlerquote von 2 % bei 600 AnschweiBteilen pro Wagenkasten allein 12 Teile fehlerhaft sein, die meist erst im Innenausbau auffallen und dann aufwandig behoben werden mussen (interne Quelle).
2.3.5 Richt- und Abnahmestand im Rohbau-Fertigungsprozess
GemaB DIN EN 25043 muss das Fahrzeug nach dem Aufbau des Wagenkastens geometrisch gepruft werden. Hierbei werden die HauptmaBe nachgemessen und falls notwendig mittels mechanischen und thermischen Richtens korrigiert. Zusatzlich werden bei Wagen in Differential- Bauweise die fireien Blechfelder gespannt, um beim Fahrbetrieb die Gerauschemission zu minimieren. Bei Bombardier ist der Richtaufwand sehr hoch und betragt pro Wagenkasten ungefahr 200 Mann-Stunden (Interne Quelle).
Fruher wurden fur die Vermessung Messschnure verwendet, die heute weitgehend von elektronischen Messeinrichtungen und -methoden abgelost werden.
Nach dem der Wagenkasten vermessen und gerichtet wurde, wird er durch Sandstrahlen auf den anschlieBenden Fackierprozess vorbereitet.
2.3.6 InnenausbaudesWagenkastens
Wie in Abbildung 1 ersichtlich folgt auf den Rohbau und den anschliebenden Lackierprozess der Innenausbau eines Wagenkastens, welcher fast ausschlieBlich manuell erledigt wird. Der Innenausbau bzw. die komplette Endmontage werden auf einem Endmontagestand, wie in Abbildung 10 dargestellt, ausgefuhrt. Dieser Prozess umfasst alle Montagearbeiten im, am, unter und auf dem Wagenkasten. Je nach Anforderungen und produktionstechnischen Gegebenheiten wird so der fertig lackierte Wagenkasten innerhalb von ein bis funf Tagen ausgerustet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 10: Endmontagestand im Werk Gorlitz Quelle: Nadine Remke, http://sachsenmetall.org,[18]
Der Endwagen und die Mittelwagen stehen bei einem Triebzug entweder gleichzeitig oder parallel im Montageband. Folgende Hauptbaugruppen werdenje nach Abschnitt ausgerustet:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Anschluss werden die Wagenkasten uber die Kupplungen, das Wellenbalg und Ubergange mechanisch und elektrisch verbunden.
Die uberwiegende Endmontageart ist die Linienfertigung mit nachgeschalteter Abschnittsfertigung, welche auch bei Bombardier angewendet wird. In Gorlitz werden die End- und Mittelwagen nebeneinander bzw. gemischt in einer Fertigungslinie hergestellt. Fur die Logistik wird ein schienengebundenes Transportsystem genutzt, das die einzelnen Produktionshallen verbindet und einen Anschluss an das Bahnnetz besitzt (interne Information). Ein modemer Triebzug wird meist in mehreren Abschnitten bzw. Stationen in einer Standardlinie montiert. Hierzu ist beispielhaft in Abbildung 11 eine sechsteilige Standardlinie abgebildet. Aus der Besichtigung im Werk Gorlitz wurde das jedoch nicht ersichtlich. Es gab nur wenige spezifische Stationen z. B. fur den Fenstereinbau. Der Innenausbau wurde weitgehend an einer Station ausgefuhrt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 11: Ablauf des Innenausbaus eines Endwagens Quelle: Eigene Darstellung, angelehnt an Brandhorst 2014,[8]
Im Vergleich zum Rohbau werden im Innenausbau weniger Vorrichtungen verwendet. Feste und verstellbare Montageplattformen werden benutzt, um das zu verwendende Material aufzunehmen, sowie die verschiedenen Abschnitte des Fahrzeugs zuganglich zu machen. Dennoch sollte im Innenausbau besonders aufErgonomie- und Sicherheitsaspekte geachtet werden, da es hier trotz flexiblen Montagestanden und -ebenen oft zu Zwangslagen kommt, welche zudem die Montagezeiten negativ beeinflussen. Die Bereitstellung der Werkzeuge und der zu verbauenden Teile erfolgt zentral von einem Regallager, aus welchem sich die Werker bedienen mussen, da die Betriebsmittel nicht an den einzelnen Stationen, wie in der Automobilindustrie ublich, bereitgestellt werden (interne Information).
Die Baueinheiten sind zum Teil sehr komplex und werden von Sublieferanten angeliefert und mussen vor dem Einbau wieder teilweise zerlegt werden, um im spateren Fahrzeug wieder aufgebaut zu werden. Die Fahrgasttoilette ist ein solches Komplexbeispiel.
Die Werker nutzen vorwiegend Schablonen und Montagevorrichtungen, um die ReferenzmaBe sicherzustellen. Daruber hinaus werden schwere Bauelemente, wie Turen, Fenster oder Schaltschranke mit Sondervorrichtungen oder speziellen Handhabungsgeraten gefuhrt und platziert. Viele weitere Baugruppen werden modulartig vormontiert und spater der Montagelinie zugefuhrt[8],
Nahezu alle Montagetatigkeiten werden beim Innenausbau manuell durchgefuhrt. Hierbei stellen autonome Teams bei Bombardier an jeder entsprechenden Station sicher, dass die Baugruppen fachgerecht zusammengesetzt werden. Als Orientierung nutzen sie die Stuckliste, Zeichnungen und gultige Arbeitsanweisungen. Die fertigen Baugruppen werden uber ein Produktionsplanungs- system verbindlich zuruckgemeldet (interne Information).
Aufgrund der spateren Wartungsarbeiten werden die meisten Komponenten mit losbaren Schraubverbindungen befestigt. Die ubrigen nicht wartungsrelevanten Teile werden vemietet. Zudem werden zur Befestigung und zur Abdichtung Baugruppen wie Fenstem und FuBbodenelementen Klebeverbindungen verwendet[8].
2.3.7 Fahrwerksaufbau
Als letzter Fertigungsteilprozess in der Schienenfahrzeugproduktion wird der Fahrwerksaufbau naher betrachtet, weil er, wie die auch schon zuvor beschriebenen Teilprozesse, einen groben Montageaufwand beinhaltet. In Abbildung 12 ist ersichtlich, dass sich der Fahrwerksaufbau und der Rohbau im Herstellungsprozess ahneln.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 12: Fahrwerk-Herstellungsprozess
Quelle: Eigene Darstellung, angelehnt an Brandhorst 2014,[8]
Das Fahrwerk fungiert als Schnittstelle zwischen Fahrweg und Wagenkasten, beeinflusst daher signifikant die Laufeigenschaften eines Schienenfahrzeugs und ubertragt alle Brems- und Beschleunigungskrafte. Ihre Fertigungsqualitat ist sehr bedeutend, da sie besonders hohen zyklischen Belastungen ausgesetzt ist und zu den sicherheitskritischsten Baugruppen gehort.
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- Citation du texte
- Kevin Beuchel (Auteur), 2017, Analyse komplexer Montage- und Fertigungsprozesse in der Schienenfahrzeugproduktion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/468596
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