So wie zum Beispiel die Liebesoden, die Freundschaftsoden oder die Oden an die Französische Revolution zu bestimmten Phasen einer poetischen Entwicklung Klopstocks gezählt werden können, so gehören seine Oden über die Sprache eigentlich nicht zu einer Schaffensphase in seinem Gesamtwerk. Sie sind vielmehr eine Randerscheinung, was jedoch nicht ihre Bedeutung schmälert. Denn genau genommen sind diese Oden poetisierte Theorie, die sich in irgendeiner Form in allen anderen Oden, generell in allen seinen Werken findet. Kemper urteilt hierzu sehr treffend: „Es ist ein eigentümlicher Zug von Klopstocks Entwicklung, daß er in seiner Jugend eine große sprachschöpferische Leistung vollbrachte, dann aber in späteren Jahren immer mehr versuchte, das von ihm selbst intuitiv Geschaffene reflektierend zu durchdringen und zu rechtfertigen. Zu den Oden, die hauptsächlich den Fragen und Problemen der deutschen Dichtersprache gewidmet sind, gehört auch die Ode "Die Sprache" aus dem Jahre 1782. Sie spiegelt am besten und prägnantesten die Ansichten Klopstocks in Bezug auf Dichtung und Sprache wider. Um dem Verständnis und der allgemeinen Bedeutung dieser Ode näher zu kommen, wird in der Arbeit zunächst auf die einzelnen formalen und stilistischen Aspekte der Ode selbst eingegangen, um dann anhand der gewonnenen Erkenntnisse einen Bezug zum Gesamtwerk und den allgemeinen Auffassungen über Sprache und Dichtkunst Klopstocks herzustellen und so den universalen Charakter der Ode zu skizzieren. Dabei wird von der Grundannahme ausgegangen, dass die Ode "Die Sprache" sowohl eine Rechtfertigung der praktizierten Dichtung Klopstocks, aber auch die praktisch demonstrierte Theorie seiner Auffassungen über Poesie darstellt und dementsprechend indirekt in allen Werken seiner Dichtung mehr oder weniger wieder zu finden ist, bzw. deren Grundlage ausmacht. Damit wäre diese Ode ein durchaus repräsentatives und exemplarisches Muster, das die Grundzüge der Lyrik Klopstocks auf einen Punkt bringt. Dies zu zeigen ist, neben der Analyse und Interpretation der Ode selbst, das Ziel dieser Abhandlung.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Formale und stilistische Untersuchung der Ode Die Sprache
2.1. Versmaß und metrische Besonderheiten
2.2. Stilistische Auffälligkeiten
2.3. Gedankengang
3. Die Bedeutung der Ode Die Sprache für das Gesamtwerk Klopstocks
3.1. Metrik und metrische Erfindungen
3.2. Stilistik und sprachliche Gestaltung
3.3. Abschließende Interpretation der Ode Die Sprache
4. Schlussbetrachtung
1. Einleitung
Klopstock – was verbindet man in der heutigen Zeit mit diesem Namen?
Wenn man ihn überhaupt kennt, dann sind es wahrscheinlich die schwerverständlichen und ‚knarrenden’ Gedichte, die eher abschreckend wirken und daher weniger zur Lektüre einladen. Kaum wird vermutet, dass dieser Dichter zu seinen Lebzeiten (und durch seine Erneuerungen und Erfindungen, besonders der freien Rhythmen, auch nach seinem Tode) ein bedeutender Lyriker war und sich zeitweilig großer Beliebtheit erfreute.
Die Verehrung Klopstocks, wie sie auf der Höhe seines Schaffens stattfand, beschränkte sich jedoch auf einen ausgewählten Kreis, denn so wie er begeisterte, so wirkte er auch polarisierend auf seine Zeitgenossen. Die Kritik, die Klopstock gegenüber erhoben wurde, bezog sich hauptsächlich auf die Sprache seiner Dichtung (besonders auf die inhaltliche und stilistische Dunkelheit seiner Verse), sowie auf seine „religiöse Schwärmerei“.[1] Es kam zu einer regelrechten Spaltung der Gelehrten und Dichter in Bezug auf die Frage, wie ‚richtige’ Poesie auszusehen habe[2]. Doch diese Vorwürfe können nur von einem Unverständnis herrühren, das nicht die Intention begreift, die besonders hinter der Erneuerung der poetischen Sprache steht und ebenso die Dichtung Klopstocks einzig auf das religiöse Moment reduziert.
Klopstock verstand sich zwar selbst vornehmlich als religiösen Dichter, doch besonders die zahlreichen Oden, die er geschaffen hat, sind ein Beweis dafür, dass sein poetisches Schaffen in Hinblick auf die Thematik viel weitreichender ist. Neben religiösen Inhalten befasste sich Klopstock in seinen Oden hauptsächlich mit den Themenbereichen Freundschaft, Liebe (besonders in den Oden an Fanny und Cidli) und der Französischen Revolution, aber auch die griechische Mythologie (in seinem Spätwerk die germanische Mythologie) findet sich in fast allen Oden wieder. In der späten Phase der poetischen Entwicklung Klopstocks waren unter anderem auch Betrachtungen über Dichtung und Sprache, sowie Erinnerungen Inhalt seiner Dichtung, wenngleich sie auch nicht den Hauptbestandteil ausmachten.
So wie zum Beispiel die Liebesoden, die Freundschaftsoden oder die Oden an die Französische Revolution zu bestimmten Phasen einer poetischen Entwicklung Klopstocks gezählt werden können, so gehören seine Oden über die Sprache eigentlich nicht zu einer Schaffensphase in seinem Gesamtwerk. Sie sind vielmehr eine Randerscheinung, was jedoch nicht ihre Bedeutung schmälert. Denn genau genommen sind diese Oden poetisierte Theorie, die sich in irgendeiner Form in allen anderen Oden, generell in allen seinen Werken findet.
Trotzdem wurde diesen Oden in der Forschung bisher nur sehr wenig Beachtung geschenkt, was ihrer eigentlichen Bedeutung nicht gerecht wird, denn es ist nicht zu leugnen, dass gerade die Sprache das Besondere an Klopstocks Dichtung ausmacht. Hinzu kommt, dass Klopstock sich im Alter besonders theoretisch mit Fragen über Sprache und Dichtung beschäftigt hat und diese Probleme unter anderem in Oden thematisierte. Kemper urteilt hierzu sehr treffend:
„Es ist ein eigentümlicher Zug von Klopstocks Entwicklung, daß er in seiner Jugend eine große sprachschöpferische Leistung vollbrachte, dann aber in späteren Jahren immer mehr versuchte, das von ihm selbst intuitiv Geschaffene reflektierend zu durchdringen und zu rechtfertigen.“[3]
Zu den Oden, die hauptsächlich den Fragen und Problemen der deutschen Dichtersprache gewidmet sind, gehört auch die Ode Die Sprache aus dem Jahre 1782. Sie spiegelt am besten und prägnantesten die Ansichten Klopstocks in Bezug auf Dichtung und Sprache wider.
Um dem Verständnis und der allgemeinen Bedeutung dieser Ode näher zu kommen, werde ich zunächst auf die einzelnen formalen und stilistischen Aspekte der Ode selbst eingehen, dies sind Metrik, Stilistik und Gedankengang, um dann anhand der gewonnenen Erkenntnisse einen Bezug zum Gesamtwerk und den allgemeinen Auffassungen über Sprache und Dichtkunst Klopstocks herzustellen und so den universalen Charakter der Ode zu skizzieren.
Dabei gehe ich von der Grundannahme aus, dass die Ode Die Sprache, wie oben bereits angesprochen wurde, sowohl eine Rechtfertigung der praktizierten Dichtung Klopstocks, aber auch die praktisch demonstrierte Theorie seiner Auffassungen über die Poesie darstellt und dementsprechend indirekt in allen Werken seiner Dichtung mehr oder weniger wieder zu finden ist, bzw. deren Grundlage ausmacht. Damit wäre diese Ode ein durchaus repräsentatives und exemplarisches Muster, das die Grundzüge der Lyrik Klopstocks auf einen Punkt bringt. Dies zu zeigen wird, neben der Analyse und Interpretation der Ode selbst, das Ziel dieser Abhandlung sein[4].
2. Formale und stilistische Untersuchung der Ode Die Sprache
2.1. Versmaß und metrische Besonderheiten
Wie bereits erwähnt, zählten zu den maßgeblichen Erneuerungen der Dichtung im 18. Jahrhundert durch Klopstock, die sich auch nach seinem Tod durchsetzten, zu einem großen Teil seine metrischen Erfindungen, wozu vor allem die „Eindeutschung des Hexameters“, die „Erneuerung [aber auch Abwandlung] der antiken Odenformen“ und die „Einführung freirhythmische[r] Gedichte“[5] zählt. Der Begriff des ‚freirhythmischen’ Versmaßes darf in diesem Zusammenhang jedoch nicht falsch verstanden werden, denn eigentlich sind selbst diese freien Rhythmen nach einem bestimmten Konzept konstruiert worden und keineswegs zufällige Gebilde. Da Klopstock jeder Ode ein bestimmtes Versmaß zu Grunde legte, wurde der jeweiligen Ode gleich das entsprechende metrische Schema vorangestellt, da das Versmaß nicht unbedingt aus dem Text erschlossen werden kann.[6]
Der Ode Die Sprache wird folgendes Versmaß zu geordnet:[7]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auf den ersten Blick besteht dieses Metrum aus einem Wechsel von drei-, vier-, fünf- und sechshebigen Versen mit unterschiedlicher Füllung und umschließender Kadenz (die weibliche umschließt die männliche Kadenz). Wie es für Klopstock üblich war, wird auch in dieser Ode ganz auf einen Reim verzichtet. Des Weiteren steht im ersten Vers nach acht Silben, im zweiten und vierten Vers nach vier Silben eine Zäsur. Die gesamte Ode setzt sich aus 12 Strophen zusammen, wobei jede Strophe aus vier Versen besteht und diesem Versschema mit leichter Varianz folgt (das Symbol bezeichnet, dass an dieser Stelle eine Hebung o d e r eine Senkung realisiert wird). Bei genauer Betrachtung kann dieses scheinbare Durcheinander ein wenig systematisiert werden, indem man die Verse in einzelne zwei- und dreisilbige Versfüße teilt. Dabei ergibt sich, dass am häufigsten der Versfuß Choriambus[8] (-vv-) und der 3. Päon (vv-v) verwendet (drei Mal) wurde, es finden sich aber auch die Versfüße Anapästus (vv-), Kretikus (-v-), 2. Päon (v-vv) und Amphibrachys (v-v) (jeweils ein Mal), sehr marginal sind hingegen die Versfüße Antibacchius (--v), und Molossus (---) und steigender Jonikus (vv--) vertreten, da sie nur gelegentlich verwendet werden.[9]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Schematisch dargestellt würde dies folgendermaßen aussehen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese Einteilung in einzelne Versfüße scheint momentan ziemlich willkürlich und sinnlos, sie kann jedoch überaus nützlich sein, wenn man verstehen möchte, weshalb Klopstock einer Ode ein bestimmtes Versschema zugeordnet, bzw. explizit für diese Ode konstruiert hat.
Man darf sich keineswegs vorstellen, dass Klopstock wahllos ein Versmaß als Matrize verwendet hat, um dann irgendwelche Worte einzufügen, die von der Anzahl der Hebungen und Senkungen der Silben passend sind. Vielmehr ging es ihm darum, den Ausdruck der Worte durch das Silbenmaß zu verstärken, daher sind Versfuß und Wort genau aufeinander abgestimmt. Wie genau sich Klopstock das vorgestellt hat, darauf soll später noch eingegangen werden. Zunächst steht ja die Ode Die Sprache im Mittelpunkt der Betrachtung.
Da Klopstock mit dieser Ode diese grundlegende Überzeugung von der Bedeutung der „Bewegung des Verses [=Versmaß]“ als „Mitausdruck der Gedanken des Liedes“[10] in exemplarischer Form realisiert, aber auch allein aufgrund der Verwendung eines eigenen Versmaßes, was kennzeichnend für Klopstocks Lyrik ist, kann behauptet werden, dass die Ode Die Sprache in Bezug auf die Metrik repräsentativen Charakter hat.
[...]
[1] Kemper, Hans Georg: Deutsche Lyrik der frühen Neuzeit. Bd. 6.1.: Empfindsamkeit. Tübingen. 2002. S.417
[2] Hierzu ausführlich: Schneider, Karl Ludwig: Klopstock und die Erneuerung der Dichtersprache im 18.
Jahrhundert. Heidelberg. 1960. Auf eine eingehende Betrachtung der Vorwürfe gegen Klopstock, die von
Gottsched und seinen Anhängern vorgebracht wurden, muss hier aus Platzgründen verzichtet werden.
[3] Kemper, Hans Georg: Deutsche Lyrik der frühen Neuzeit. Bd. 6.1.: Empfindsamkeit. Tübingen. 2002. S.436
[4] Dabei muss jedoch auf einen expliziten Vergleich mit anderen Werken Klopstock weitestgehend verzichtet
werden, da dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Vielmehr wird hierbei auf theoretische Auffassungen
und Äußerungen Klopstocks verwiesen werden, die diese These bestätigen.
[5] Klopstock, F.G. Oden: Herausgegeben von Karl-Ludwig Schneider. Stuttgart 1999. S. 176
[6] Diese metrischen Schemata werden bedauerlicherweise in neueren Odenausgaben nicht mehr berücksichtigt
[7] Klopstock, F.G. Oden: Herausgegeben von Karl-Ludwig Schneider. Stuttgart 1999. S. 160
[8] Die terminologische Bezeichnung folgt den Angaben Wagenknechts in:
Wagenknecht, Christian: Deutsche Metrik. Eine historische Einführung. München 1993
[9] Eine andere Einteilung wäre durchaus denkbar, es wird sich jedoch zeigen, dass diese ganz vorteilhaft ist.
[10] Kemper, Hans Georg: Deutsche Lyrik der frühen Neuzeit. Bd. 6.1.: Empfindsamkeit. Tübingen. 2002. S.458
- Citar trabajo
- Christine Porath (Autor), 2005, Zu: Friedrich Gottlieb Klopstock - "Die Sprache", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46757
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