In seinem Werk „Miteinander reden 3. Das ‘Innere Team’ und situationsgerechte Kommunikation“ entwickelt F. Schulz von Thun das Modell der inneren Teammitglieder und nennt als wichtigstes Kriterium für eine „gute“ Kommunikation das ‘Gebot der doppelten Stimmigkeit’. Er definiert dieses als die doppelte Übereinstimmung des Sprechers mit sich selbst und mit dem Charakter einer Situation. Der erste Teil des Gebots, der die Abstimmung der verschiedenen inneren Stimmen untereinander betrifft, wird von Schulz von Thun ausführlich behandelt. Die weitreichende Bedeutung der zweiten Prämisse kann jedoch über Schulz von Thuns Ansatz hinaus noch vertieft und erweitert werden.
Die Forschungen, die in dem Buch „Rollenübernahme und Kommunikation bei Kindern“ von John H. Flavell u.aa. beschrieben werden, befassen sich mit der Entwicklung des ‘Denkens über die soziale Umgebung’. Neben perzeptiven, kognitiven und verbalen Fähigkeiten ist die Fähigkeit, bestimmte Merkmale eines anderen Individuums zu verstehen, wahrzunehmen, daraus Verhaltensweisen des anderen in bestimmten Interaktionssituationen zu antizipieren und in die eigene Verhaltensstrategie einzuplanen, eine notwendige Bedingung, um effektiv zu kommunizieren. Schulz von Thun deutet diesen Sachverhalt in dem Begriff des „situativen Spürsinns“ an. Auch in der modernen Linguistik wird das Augenmerk nicht mehr nur auf das idiomatische und grammatische Wissen gerichtet, sondern auch auf das expressive Wissen bzw. die linguistische Korrektheit, die sich auf situationsangemessene Kommunikationsstrategien bezieht. Die Erfassung einer Situation und die Wahl der adäquaten Kommunikationsstrategie hängt dabei entscheidend von der Fähigkeit zur Differenzierung der Rollenmerkmale des Gesprächpartners ab. Welche inneren Teammitglieder dafür benötigt werden, wann sie sich bei Kindern ausbilden, wie sie sich an veränderte Kommunikationsbedingungen und verschiedene Kommunikationspartner anpassen und welchen Beitrag sie zum Gelingen der Kommunikation leisten, sollen im Folgenden diskutiert werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was bedeutet „Rollenübernahme“?
2.1 Inneres Team zur Rollenübernahme
2.2 Egozentrische Kommunikation
2.3 Nicht-egozentrische Kommunikation
3. Entwicklung der Rollenübernahmefähigkeit bei Kindern
3.1 Frühe Entwicklung
3.2 Entwicklung in der mittleren Kindheit und im Jugendalter
4. Zusammenfassung
5. Bibliographie
1. Einleitung
In seinem Werk „Miteinander reden 3. Das ‘Innere Team’ und situationsgerechte Kommunikation“ entwickelt F. Schulz von Thun das Modell der inneren Teammitglieder[1] und nennt als wichtigstes Kriterium für eine „gute“ Kommunikation das ‘Gebot der doppelten Stimmigkeit’. Er definiert dieses als die doppelte Übereinstimmung des Sprechers mit sich selbst und mit dem Charakter einer Situation. Der erste Teil des Gebots, der die Abstimmung der verschiedenen inneren Stimmen untereinander betrifft, wird von Schulz von Thun ausführlich behandelt. Die weitreichende Bedeutung der zweiten Prämisse kann jedoch über Schulz von Thuns Ansatz hinaus noch vertieft und erweitert werden.
Die Forschungen[2], die in dem Buch „Rollenübernahme und Kommunikation bei Kindern“ von John H. Flavell u.aa. beschrieben werden, befassen sich mit der Entwicklung des ‘Denkens über die soziale Umgebung’. Neben perzeptiven, kognitiven und verbalen Fähigkeiten ist die Fähigkeit, bestimmte Merkmale eines anderen Individuums zu verstehen, wahrzunehmen, daraus Verhaltensweisen des anderen in bestimmten Interaktionssituationen zu antizipieren und in die eigene Verhaltensstrategie einzuplanen, eine notwendige Bedingung, um effektiv zu kommunizieren. Schulz von Thun deutet diesen Sachverhalt in dem Begriff des „situativen Spürsinns“ an. Auch in der modernen Linguistik wird das Augenmerk nicht mehr nur auf das idiomatische und grammatische Wissen gerichtet, sondern auch auf das expressive Wissen bzw. die linguistische Korrektheit, die sich auf situationsangemessene Kommunikationsstrategien bezieht.[3] Die Erfassung einer Situation und die Wahl der adäquaten Kommunikationsstrategie hängt dabei entscheidend von der Fähigkeit zur Differenzierung der Rollenmerkmale des Gesprächpartners ab. Welche inneren Teammitglieder dafür benötigt werden, wann sie sich bei Kindern ausbilden, wie sie sich an veränderte Kommunikationsbedingungen und verschiedene Kommunikationspartner anpassen und welchen Beitrag sie zum Gelingen der Kommunikation leisten, sollen im Folgenden diskutiert werden.
2. Was bedeutet „Rollenübernahme“?
Die Fähigkeit, Merkmale der Rollen anderer zu erkennen, dient nur in wenigen Fällen einer direkten Imitation und Umsetzung, wie z.B. bei einem Rollenspiel oder später in gewissem Sinn im beruflichen Leben (vgl. die Rolle des Richters, Staatsanwalts oder Verteidigers vor Gericht). Wichtiger als die Übernahme einer Rolle ist deren Einnahme, die einem bestimmten Zweck dient und ein Verhalten zur Folge hat, das komplementär zu dem Handeln des Gegenübers ist. Mit Hilfe des role-taking[4] können Vorhersagen über die Wahrnehmungsposition (perzeptive Rollenübernahme), das Verhalten (kognitive Rollenübernahme) oder die Kognitionen (rekursives Denken) anderer getroffen werden. Die gewonnenen Informationen können genutzt werden, um das Informationsbedürfnis des anderen einzuschätzen, dementsprechend zu kommunizieren oder um ihn von etwas zu überzeugen.
2.1 Inneres Team zur Rollenübernahme
Fünf Teilfähigkeiten, für die verschiedene innere Teammitglieder entwickelt werden müssen, sind für den Erwerb des role-taking notwendig.
Der erste Bestandteil ist das Bewusstsein, dass der andere und man selbst den gleichen Gegenstand verschieden wahrnehmen können. Der Perspektivenunterscheider[5], wie wir ihn hier nennen möchten, taucht schon in der frühen Kindheit auf. Allerdings erscheint er nur gelegentlich und auch nur dann, wenn er ausdrücklich dazu aufgefordert wird, eine andere Perspektive zu erkennen. Zunächst taucht er auch nur in Verbindung mit wahrnehmungsbezogenen Rollenmerkmalen auf. Emotionale, funktionale und sozial bedeutende Merkmale können erst von ihm erkannt werden, wenn das Kind die Fähigkeit entwickelt hat, über Personen nicht nur als Objekte, sondern als Subjekte zu denken, die über eigene innere Vorgänge verfügen. Im Laufe der Entwicklung muss der Perspektivenunterscheider trainiert und in seiner Wahrnehmung geschärft werden.
An zweiter Stelle steht ein innerer Wachpolizist, der den Perspektivenunterscheider in gewissen Situationen zu seinem Einsatz rufen muss. Der innere Wachpolizist wird benötigt, wenn der Perspektivenunterscheider die verschiedenen Perspektiven zwar erkennt, aber nicht bemerkt, dass sie Implikationen für sein Kommunikationsverhalten haben. Er bezieht sich also auf die zunehmende eigene Erkenntnis, dass bestimmte Situationen zwar nicht explizit, aber doch implizit Rollenübernahmefähigkeiten fordern, d. h. dass bestimmte Situationen ein Signal darstellen, dass man Rollenübernahme verwenden und einsetzen muss.
Wenn das Kind nun die beiden vorhergehenden Komponenten beherrscht, muss es aber immer noch die beabsichtigte Analyse der Rollenmerkmale der anderen Person de facto durchführen. Dazu benötigt es einen Schlussfolgerer im inneren Team des role-taking. Seine Aufgabe besteht darin, auf der Grundlage von allgemeinen Kenntnissen über menschliches Verhalten Überlegungen anzustellen, welche Rollenmerkmale in einer spezifischen Situation von Bedeutung sind und welche Informationen man aus der unmittelbaren Situation erfährt. Die kognitiven Fähigkeiten, die der Schlussfolgerer in diesem Prozess benötigt, sind verschiedener intellektueller Natur und werden erst im Laufe der Entwicklung in das Repertoire der menschlichen Fähigkeiten aufgenommen.
[...]
[1] Unsere Ausführungen bauen auf die Gruppenhausarbeit zu Schulz von Thuns drittem Band auf und werden als Erweiterung und Fortsetzung der Überlegungen der Arbeit im Seminar angesehen.
[2] In dem Buch wird eine Testreihe zur Rollenübernahmefähigkeit von Kindern zwischen 3 und 16 Jahren beschrieben und ausgewertet.
[3] Peter Koch und Wulf Oesterreicher haben in den 90er Jahren die beiden Begriffe Distanz- und Nähesprache dazu eingeführt. Sie beziehen sich auf den außersprachlichen Kontext und die situative Konzeption einer Kommunikationshandlung, die Einfluss auf die sprachliche Form haben.
[4] Der englische Ausdruck gibt den Sinn der „Rollen- einnahme“ besser wieder als die gängige Übersetzung der ‘Rollenübernahme’.
[5] In Anlehnung an Schulz von Thuns Benennungen der inneren Stimmen, haben wir uns hier verschiedene Namen für die Teilfähigkeiten ausgedacht, die das innere Team des role-taking bilden sollen.
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- Anita Glunz (Autor), 2003, Innere Teamentwicklung zur Rollenübernahme- und Kommunikationsfähigkeit bei Kindern - Eine Synthese der Ansätze Friedemann Schulz von Thuns und John H. Flavells, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46740
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