Calderón de la Barcas Meisterwerk La dama duende steht beispielhaft für die barocke, spanische Comedia de capa y espada. Das komplexe Intrigenstück steht in der Spannung von Sein – Schein, Licht und Dunkel und entfaltet seine Handlung auf dem Hintergrund der spanischen Gesellschaft des beginnenden 17. Jahrhunderts. Im Folgenden sollen die Merkmale der spanischen Barockkomödie dargestellt und zu der Handlung des Stücks La dama duende in Bezug gesetzt werden. Das Hauptmerk wird jedoch auf die Entwicklung der Komik und ihre Formen gerichtet sein, um diese in ihrer rezeptionsästhetischen Funktion zu bestimmen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Merkmale der Comedia de capa y espada bei Calderóns La dama duende
2.1 Formen der Komik
2.2 Der Schwank des Glasschranks
3. Intrigenverlauf und Ausgestaltung der Komik
3.1.1 Interferenz der Liebespaare und Don Luis Charakterschwäche
3.1.2 Inversionen und Wiederholungen
3.2 Die Rolle des Ehrenkodex
3.3 Doña Angelas List
3.4 Cosme als gracioso – satirische Gesellschaftskritik
4. Ergebnis – Funktionsbestimmung der Komik
5. Bibliographie
1. Einleitung
Calderón de la Barcas Meisterwerk La dama duende steht beispielhaft für die barocke, spanische Comedia de capa y espada. Das komplexe Intrigenstück steht in der Spannung von Sein – Schein, Licht und Dunkel und entfaltet seine Handlung auf dem Hintergrund der spanischen Gesellschaft des beginnenden 17. Jahrhunderts. Im Folgenden sollen die Merkmale der spanischen Barockkomödie dargestellt und zu der Handlung des Stücks La dama duende in Bezug gesetzt werden. Das Hauptmerk wird jedoch auf die Entwicklung der Komik und ihre Formen gerichtet sein, um diese in ihrer rezeptionsästhetischen Funktion zu bestimmen.
2. Merkmale der Comedia de capa y espada bei Calderóns La dama duende
Die antike, griechische Komödie entfaltet ihre Komik aus der bloßen Reihung komischer Elemente eines Paradigmas (griech. ¡m£rthmata, ‘hamartemata’), die in eine Haupthandlung eingeflochten sind. Ein solches Paradigma findet sich beispielsweise in der aristophaneischen Charaktertypologie des Sokrates in seinem Wolkenkuckucksheim. Die Weiterentwicklung zur neuen antiken Komödie führt zu einer durchkonstruierten Handlungsführung im Syntagma, die das Komische beherrscht und es erzeugt. Im Mittelpunkt steht eine Gruppe von jungen Menschen, die ihren Liebeswunsch gegen die Vorstellung der Alten (z. B. den Vater als ‘senex iratus’) durchzusetzen versuchen. N. Frye spricht von einem ‘sexuellen Initiationsritual’ bzw. einem ‘Mythos des Frühlings’. Die neue antike Komödie, beispielhaft bei Plautus und Terenz, dient im 16. Jahrhundert in Oberitalien der humanistischen Commedia erudita als Vorbild. Über die Commedia de’ll arte gelangen ihre typischen Merkmale, wie der ‘Agon’ Jung versus Alt, das Verkleiden und Maskieren (‘Mimicry’) und das Spiel der Figuren (‘Alea’) von Italien nach Spanien und dienen der Comedia de capa y espada als Substrat.[1]
Calderón fügt in La dama duende dieser Ausgangsbasis eigene Akzente hinzu. Die Erwartung des Publikums auf ein gutes Ende mit der Erfüllung des Liebesstrebens wird in der versprochenen Heirat Don Manuels mit Doña Angela am Ende des Stückes erfüllt. Allerdings wird noch festzustellen sein, inwiefern dieses Heiratsversprechen wirklich ein „Happy End“ darstellt. In der Ausgangssituation fehlt jedoch die Rolle der Alten und somit die Möglichkeit ihrer Typenkomik. An die Stelle der traditionellen, eindeutigen Oppositionsstruktur (Jung versus Alt) treten Doña Angelas Brüder, die einerseits die Moral vertreten aber gleichzeitig auch der Gesellschaft der Jungen angehören, die aus den strengen Regeln auszubrechen versucht. Diese Konstellation mündet in einer komplexen Entwicklung der Intrigenhandlung innerhalb der Gruppe der Jungen. Die Verschärfung des Ehrenkodex, die Instabilität der Gefühle und charakterliche Schwächen unterstützen den komischen Verlauf der Geschichte. Ihr Auslöser ist Doña Angelas heimlicher Ausflug zu Beginn des ersten Akts, ihr Motor ist der Zufall.[2] Wäre Doña Angela bei ihren Eskapaden nicht ihrem Bruder begegnet, hätte sie den Fremden nicht um Hilfe bitten müssen. Wäre dieser nicht zufällig ein Freund des Hauses gewesen und hätte es keinen versteckten Durchgang zu seinem Gästezimmer gegeben, wäre Doña Angela nie in die Versuchung gekommen, ihre Intrige zu spinnen. Der Zufall spielt auch bei den ungewollten Zusammentreffen Don Manuels mit dem Angela-Kobold und der doppelten Störung der Liebesszene durch die beiden Brüder im dritten Akt eine große Rolle.
2.1 Formen der Komik
In dem Stück La dama duende werden verschiedene Formen der Komik verwendet. Die Figuren Don Luis und der Diener Cosme bieten ein breites Spektrum für die Entfaltung der Charakter- und Wortkomik, die aus einer großen Hyperbolik (vgl. Z. 1311 ff.[3] ) und zahlreichen Wortspielen resultieren (vgl. Z. 734, Z. 2239 ff.). Der größte Teil der Komik ergibt sich jedoch aus dem Verlauf der Intrigenhandlung, den Geheimnisgräbereien und den Gegebenheiten der einzelnen Situationen (Situationskomik). Verwechslungen, Wiederholungen, Inversionen und Interferenzen der Liebespaare führen immer wieder zu neuen Grenzsituationen, in denen die persönlichen Geheimnisse und Unzulänglichkeiten der Figuren aufzufliegen drohen. Doña Angelas Liebeswerben, das durch die anonymen Briefchen in die Wege geleitet wird, erzeugt bei den männlichen Figuren Verwirrungen und Missverständnisse. Daraus ergeben sich Situationen, die allein der allwissende Zuschauer richtig bewerten kann und die unter den Figuren zu komischen Verwechslungen führen.
Während des Stücks behalten die Akteure aber die Distanz zu der dargestellten Rolle bei und durchbrechen die Fiktion durch Kommentierungen des Stücks (vgl. Cosme Z. 708: „El reportorio se reporte“, Z. 3109 ff.), Beiseitesprechen (vgl. Don Manuel Z. 2774), die eigene Rollenreflexion (vgl. Don Manuel Z. 3005 ff.) und den Verweis auf die szenischen Mittel selbst (vgl. Doña Angela Z. 2673 f.: „Para cada susto tengo un hermano.“). Die ästhetische Einstellung des Zuschauers bringt ebenfalls eine Distanz zum Dargestellten mit sich und ermöglicht ihm, die ambivalenten Situationen zu erkennen und die „erwartete überraschende Erwartungsverletzung“[4] einzuordnen und zu bewerten. Das dargestellte Stück möchte mit der Wirklichkeit nicht verwechselt werden. Dies hat den Effekt einer Perspektivierung des Sachverhalts. Welche Perspektive dabei eingenommen wird, soll nach weiteren werkimmanenten Überlegungen geklärt werden.
2.2 Der Schwank des Glasschranks
Wie bereits erwähnt ist die Situationskomik, die sich im syntagmatischen Verlauf der Geschichte entwickelt, mit ihren von H. Bergson unterschiedenen Kategorien der Wiederholung, Inversion und Interferenz in dem Stück dominant. Das wesentliche Element, das diese Formen der Komik ermöglicht, ist der Glasschrank, der eigentlich zu Doña Angelas Schutz vor dem Kontakt mit dem fremdem Mann im Haus eingerichtet wurde. Als Isabel von der durch den Glasschrank verdeckten Verbindung von Doña Angelas Zimmer in das Gästezimmer berichtet (vgl. Z. 585 ff.), nimmt mit Doña Angelas Fantasie die Intrige ihren Lauf. Der Glasschrank ist sujethaft, da er Doña Angela den heimlichen Ausbruch aus den sozialen Konventionen erlaubt. Er markiert eine semantisch konnotierte Schwelle, die Doña Angela übertritt. Dadurch befreit sie sich von den äußeren Zwängen. Neben Doña Angela, Isabel und Doña Beatriz kennt nur das Publikum den Trick, was den komischen Effekt bewirkt (Informationsvorsprung der Zuschauer gegenüber den Figuren). Der Glasschrank dient Doña Angelas Simulation und stiftet Verwirrung unter den männlichen Figuren, die sich die seltsamen Erscheinungen und Briefchen in dem Gästezimmer nicht erklären können.
3. Intrigenverlauf und Ausgestaltung der Komik
Die Handlung des Stücks La dama duende ist auf drei Tage beschränkt, die drei Akten entsprechen. Der erste Akt beginnt am Tag des Tauffests des Princeps Baltasar Carlos mit der Ankunft Don Manuels in Madrid. Er ist aus geschäftlichen Gründen nach Madrid gereist und möchte seinen alten Studienfreund und Kriegskamerad Don Juan Toledo besuchen, als eine verschleierte Frau seinen Weg kreuzt und ihn um Hilfe vor einem unsittlichen Verfolger bittet. Als Ehrenmann ist Don Manuel sogleich dazu bereit und schickt seinen Diener Cosme voraus, der den herannahenden Don Luis Toledo unter einem Vorwand solange provoziert, bis es zum ersten Duell zwischen ihm und Don Manuel kommt. Die beiden Männer wissen nicht, dass es sich bei der Frau um Don Luis verwitwete Schwester Doña Angela handelt. Sie muss am königlichen Hofe San Lorenzo de Escorial die Schulden ihres verstorbenen Mannes begleichen und wohnt für diese Zeit bei ihren Brüdern. Da ihre Trauerzeit es ihr eigentlich verbietet, sich auf öffentlichen Plätzen mit anderen Männern zu treffen, trägt sie einen Schleier und geht heimlich aus. Don Luis, der versucht hat der verschleierten Frau seine Aufwartung zu machen, war über das abweisende Verhalten und ihr bedecktes Gesicht überrascht und ihr aus Neugierde gefolgt. In dem Moment, als Don Manuel an der Hand verletzt wird, betreten Don Juan und Doña Beatriz, Doña Angelas Cousine, die Szene. Don Juan erkennt seinen Bruder, Don Luis, und seinen alten Freund, Don Manuel. Er beendet das Duell zwischen den beiden und bringt Don Manuel zu sich nach Hause. Als Don Luis seinen Bruder bei Doña Betariz entschuldigen soll, erfährt er auf sein Werben ihre Abweisung. Daraufhin beginnt er über die doppelte Verschmähung der verschleierten Frau als auch Doña Betariz zu jammern und beklagt sein Schicksal. Zudem fürchtet er um die Ehre seiner verwitweten Schwester und sieht es nur ungern, dass Don Manuel in ihrem Haus wohnen soll. Kaum, dass er nach Hause zurückgekehrt ist, erzählt er Doña Angela von seinen Sorgen, die er ihretwegen hat. Doña Angela glaubt schon, trotz ihres Schleiers von ihm erkannt worden zu sein. Sie bemerkt das Missverständnis aber noch rechtzeitig. Daraufhin tröstet sie ihren Bruder und heuchelt ihm ihre Unschuld vor, indem sie ihn auch noch auf die Gefahren solcher Teufelsweiber (Z. 516 „…mujeres tramoyeras“) hinweist. Diese Art von Ironie scheint paradox zu sein. Sie spiegelt aber auch ihre Selbstreflexion wieder, denn Doña Angela ist sich der Gefahr bewusst, der sie sich mit ihren Eskapaden aussetzt. Als ihre Dienerin von dem Gast im Hause erzählt, der ihr eben erwählter galán ist, und von dem Glasschrank, der den Durchgang ins Gästezimmer ermöglicht, verspürt sie jedoch wieder das dringende Verlangen (Z. 624 „... necio deseo“), dem caballero einen Besuch abzustatten und mehr über den fremden Mann im Haus in Erfahrung zu bringen. Zusammen mit Isabel durchwühlt sie Don Manuels Gepäck und findet ein Bild einer schönen Frau. Trotzdem hinterlässt sie ihrem Auserwählten ein kleines Liebesbriefchen. Als Cosme nun das Zimmer betritt, findet er in dem Chaos statt seines Geldes Kohlen in seiner Geldbörse. Aus diesem Grund äußert er den Verdacht auf einen Hauskobold, der sein Unwesen treibt. Die anderen Männer halten dies für einen seiner Scherze und nehmen ihn nicht ernst.
Im zweiten Akt erfährt man, dass Doña Beatriz zeitweilig bei ihrer Cousine untergebracht ist. Ihr Vater hat sie bei Nacht mit einem Mann an ihrem Fensterbrett erwischt und war darüber erzürnt. Er weiß natürlich nicht, dass es sich bei dem Mann um Doña Beatriz heimlichen Verehrer und Geliebten, Don Juan Toledo, handelte. Don Manuel hat sich unterdessen auf die heimliche Kommunikation mit Doña Angela eingelassen und erweist sich in seinen Briefen als ein zweiter Don Quijote. Doña Angela ist auf das Bild der Frau eifersüchtig und berät sich mit Isabel und Doña Betariz, als Don Luis sie stört und erneut versucht Doña Betariz Liebe zu gewinnen. Sie wehrt ihn jedoch weiterhin hartnäckig ab. Verzweifelt über diese Ablehnung berichtet Don Luis Don Manuel von seiner verschmähten Liebe. Dieser glaubt, dass es sich bei der angebeteten Frau um dieselbe handeln muss, die ihm die Briefchen in seinem Zimmer hinterlässt. Er vermutet, dass die dama duende Don Luis Geliebte ist, die deswegen auch einen Schlüssel in die Wohnung besitzt. In der nächsten Szene schleicht Isabel im Dunkeln durch den Glasschrankgang, um einen weiteren Brief ihrer Herrin in dem Gästezimmer zu verstecken. Sie wird aber von Cosme überrascht. Es gelingt ihr durch eine List Cosme einen Schreck einzujagen und den Raum wieder zu verlassen. Zurück in Doña Angelas Zimmer schmieden die Frauen einen Plan, um Don Manuel mit Doña Angela zusammen zu führen. Doña Beatriz soll vorgeben, dass ihr Vater sie wieder nach Hause geholt habe und derweil in Doña Angelas Zimmer warten. Don Luis, der dieses Gespräch belauscht, glaubt sie planen ein heimliches „Stelldichein“ zwischen Doña Betariz und seinem Bruder Don Juan. Rasend vor Eifersucht beschließt er dieses Treffen zu stören. Da Don Manuel über Nacht an den königlichen Hof muss, stattet Doña Angela dem Gästezimmer einen weiteren Besuch ab und steckt das Bild der fremden Schönheit ein. Unglücklicherweise hat Cosme wichtige Papiere im Zimmer vergessen und kehrt mit seinem Herrn noch einmal zum Haus zurück. Die beiden entdecken Doña Angela und beobachten sie im Verborgenen. Während Don Manuel von ihrer Schönheit begeistert ist, fürchtet Cosme den Teufel höchstpersönlich in dem Zimmer stehen zu sehen. Als Don Manuel sie mit seinem Schwert konfrontiert, gelingt es ihr durch ein geschicktes Ablenkungsmanöver noch einmal unbemerkt durch den geheimen Glasschrankgang zu entwischen und die verwunderten Männer zurückzulassen.
[...]
[1] Vgl. Rainer Warning: „Komik /Komödie“, in: Fischer Lexikon Literatur, Frankfurt/M. 1996, Bd. 2, S.926 ff..
[2] Vgl. Amelia Tejada: Untersuchungen zum Humor in den Comedias Calderóns unter Ausschluß der Gracioso – Gestalten, Berlin/New York 1974, S. 178.
[3] Diese und alle weiteren Zitatangaben aus Claderóns La dama duende beziehen sich auf die Ausgabe: Pedro Calderón de la Barca: La dama duende, edición de Angel Valbuena Briones, décimoquinta edición, Madrid 2001: Ediciones Cátedra.
[4] Rainer Warning: „Komik /Komödie“, in: Fischer Lexikon Literatur, Frankfurt/M. 1996, Bd. 2, S. 903.
- Citation du texte
- Anita Glunz (Auteur), 2003, Komödienstruktur, Formen der Komik und ihre Funktion in Pedro Calderón de la Barcas "La dama duende", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46632
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