In der folgenden Arbeit soll versucht werden, einen Vergleich zwischen Theresgen in Johanne Sophie Albrechts Stück Theresgen aus dem Jahre 1781 sowie Luise Miller in Friedrich Schillers Kabale und Liebe, das 1784 erschien, zu ziehen. Besonders berücksichtigt werden sollen dabei die Beziehungen der Töchter Theresgen und Luise zu den Vätern Heinrich und Musikus Miller. Zuvor werden jedoch einige einführende Bemerkungen zu den Werken und Autoren gemacht, wobei das Hauptaugenmerk auf die unbekanntere Sophie Albrecht gerichtet sein wird.
Inhalt
1. Vorwort
2. Männliche und weibliche Autorschaft im 18. Jahrhundert - Sophie Albrecht und Friedrich Schiller
3. Theresgen und Luise Miller im Vergleich
3.1. Theresgen
3.1.1. Theresgen als Melancholikerin
3.1.2. Charakterisierung Theresgens
3.1.3. Zwang und Druck auf Theresgen
3.1.4. Theresgen und Heinrich
3.1.5. Der Selbstmord Theresgens
3.2. Luise Miller
3.2.1. Charakterisierung Luises
3.2.2. Zwang und Druck auf Luise
3.2.3. Luise und Miller
3.2.4. Der Tod Luises
4. Abschlussbemerkungen
5. Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Sekundärliteratur
1. Vorwort
In der folgenden Arbeit soll versucht werden, einen Vergleich zwischen Theresgen in Johanne Sophie Albrechts Stück Theresgen aus dem Jahre 1781 sowie Luise Miller in Friedrich Schillers Kabale und Liebe, das 1784 erschien, zu ziehen. Besonders berücksichtigt werden sollen dabei die Beziehungen der Töchter Theresgen und Luise zu den Vätern Heinrich und Musikus Miller.
Zuvor werden jedoch einige einführende Bemerkungen zu den Werken und Autoren gemacht, wobei das Hauptaugenmerk auf die unbekanntere Sophie Albrecht gerichtet sein wird.
2. Männliche und weibliche Autorschaft im 18. Jahrhundert - Sophie Albrecht und Friedrich Schiller
Betrachtet man die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, so fällt die relative Abwesenheit der Frau als zum Kanon gehörigen Autorin auf. Erst mit der allmählichen Entwicklung hin zum freien Schriftstellertum gelang es auch immer mehr Frauen, an der Literaturproduktion teilzunehmen. Allerdings wurden die Texte von Autorinnen entweder der Trivialliteratur zugeordnet oder ganz und gar vergessen.[1] Eine Folge davon sind erhebliche Zugangsschwierigkeiten bei der Beschäftigung mit weiblicher Kulturleistung.[2] Die Tatsache, dass zur Einschätzung einer Autorin oftmals Aussehen oder Verhaltensweisen herangezogen wurden, kann als Hinweis auf einen geschlechtsspezifischen Umgang mit biographischem Material angesehen werden.[3] Die rechtlich-gesellschaftliche Position der Frau zeichnete sich im 18. Jahrhundert durch den Begriff „Abhängigkeit“ und die Unterstellung unter männliche Vormünder aus. Wollte sich die Frau von der Familie lösen, war eine Option die Schauspielerei. Eine andere, wenn auch nur selten umgesetzte Betätigung, war der Beruf der selbstständigen Schriftstellerin.[4]
Für Tebben ist das Verfassen einer Geschichte weiblicher Autorschaft zugleich die Beschäftigung mit ihrer Verhinderung. Die Behauptung, Frauenliteratur sei minderwertig, erwies sich als ungemein resistent. Frauen wurde unterstellt, durch das Schreiben ihre weiblichen Pflichten zu vernachlässigen,[5] und ihre Werke wurden von vornherein keinen ästhetischen Gesichtspunkten zugeordnet. Geschah dies trotzdem, wie z.B. bei Sophie Albrecht, hieß es: „Als Dichterin ist sie so rühmlich bekannt, als es eine Dame verlangen kann, von der man, ohne ungerecht zu seyn, keine Manns=Arbeit verlangen kann.“[6]
Die 1757 geborene Johanne Sophie Albrecht spielte mit 25 Jahren zum ersten Mal am Theater und verließ damit ihre Familie als primäres und ausschließliches Aktionsfeld.[7] Sie lernte ein großes Repertoire an zeitgenössischem und klassischem Theater kennen und schrieb Gedichtausgaben, Schauspiele, Romane, Vorreden und Epiloge für den Bühnenbedarf.[8] Als ihre Schauspielkarriere am Ende des 18. Jahrhunderts zu Ende ging, widmete sich Albrecht voll der schriftstellerischen Tätigkeit. Schließlich verfasste sie nur noch Gelegenheitsdichtungen auf Bestellung und verstarb 1840 völlig verarmt als Wäscherin und Reinmachefrau in Hamburg.[9]
Roebling macht das Drama als beliebteste und epochentypische Form im Sturm und Drang aus - eine Gattung, die Frauen am wenigsten zugetraut wurde.[10] Beim Theresgen stellt sie eine Vermischung von Anpassung an die Dramenform und deren Unterlaufung fest. Die strenge Einhaltung von Ort, Zeit und Handlung sowie der fünfaktige pyramidale Aufbau verbindet Albrecht mit der lockeren, lieddurchsetzten Form des Singspiels, dass sich in einer bürgerlich-bäuerlichen Welt auf der mittleren bis einfachen Sprachebene abspielt. Figuren und Handlung knüpfen scheinbar an die Grundelemente des bürgerlichen Trauerspiels an, tatsächlich wird dies jedoch in zentralen Aspekten unterlaufen. Roebling sieht in diesem Nebeneinander von Anknüpfungen und Subversion und Normenbefolgung und Normendestruktion ein von Albrecht bewusst eingesetztes Charakteristikum.[11]
Auch Hoff sieht die Motive Albrechts, nicht vom Trauerspiel zu sprechen, u.a. darin, dass Frauen die Gattungsform des Trauerspiels weitgehend vorenthalten blieb. Deshalb verbarg Albrecht die Darstellung der Melancholikerin hinter der Sammelbezeichnung „Schauspiel“.[12]
1784 erschien Friedrich Schillers Kabale und Liebe als bürgerliches Trauerspiel. Typisch für diese Gattung waren u.a. der biedere Hausvater, die gefallene Tochter und der adelige Liebhaber. Weitere Merkmale des Trauerspiels sieht Zymner in den Tatsachen, dass die Familie der Schauplatz des Geschehens war und die bürgerliche Ethik durch die absolutistische Willkür bedroht wurde.[13]
Mansouri bemerkt in seiner Untersuchung zum Stück eine wirklichkeitsgetreue Darstellung der bürgerlichen Welt in einem Stück des Sturm und Drang, durch das sich der Konflikt zwischen Adel und Bürger als roter Faden zieht.[14]
3. Theresgen und Luise Miller im Vergleich
3.1. Theresgen
3.1.1. Theresgen als Melancholikerin
Schon die erste Szene, in der Theresgen auftritt, lässt ihre Verfassung erahnen:
„[...] Theresgen geht ganz schwermüthig auf dem Kirchhofe und singt:
[...]
Lispelt, stille Gräber, mir,
Daß in Eurer Erde
Ich, wie diese Todten hier,
Auch vergessen werde,
[...][15]
Ihre Worte finden keinen Adressaten und verhallen ungehört. Theresgen präsentiert sich von Anfang an als typische Melancholikerin, die von der Erde, dem Herbst, dem Abend und den Dingen beherrscht wird.[16] Entsprechend wird sie charakterisiert, die melancholischen Merkmale tragend.[17] Albrecht hat hier laut Hoff ein Krankheitsbild angegeben, das als zeitgenössischer Topos als „Liebes-Melancholy“, aber auch „Mutterwuth“ und „Muttertollheit“ bekannt war. Das Frauenzimmerlexikon von 1775 schreibt, dass, wenn sich ein „Frauenzimmer allzustarke Liebesideen und brünstige Phantasien dergestalt macht und einprägt, darüber aberwitzig schotenthöricht und verrückt werden“ kann. Theresgen kann sich zu keiner Zeit sprachlich behaupten und vergeht langsam:[18]
„Ich weis es, es ist keine Rettung, keine Hülfe auf dieser Welt. [...]
Verzweiflung schüttelt meine Ketten,
des Todes Ruf schallt um mich her,
Mich ist zu retten,
kein Mensch, kein Gott im Himmel mehr. [...][19]
Zudem erkennt Hoff bei der Figur des Theresgens hysterische Züge:[20]
„Ihr seht diese Thränen, diesen blassen zitternden Körper, und ihr Grausamen, anstatt mich aufzurichten, zu trösten, gießt ihr mehr Schrecken, doppelte Angst über die arme Unglückliche, die kein Verbrechen, als ein Herz voll Liebe hat. (Sie weint heftig)“[21]
Albrecht folgt der pädagogischen Tradition des Melancholie-Vorwurfes, denn Theresgen erscheint in ihrem unerhörten Begehren als krankhaft und damit als stigmatisiert. Angesichts grotesker Widersprüchlichkeit zwischen innerem Erleben und äußerer Realität leidet sie an Sprachlosigkeit.[22]
3.1.2. Charakterisierung Theresgens
Roebling stellt fest, dass Theresgen im Beharren auf ihre Eigenständigkeit und ihre unangepasste Leidenschaft einsam bleiben muss. Sie entspricht nur sehr bedingt dem Bild der zärtlichen, nachgiebigen, passiven Bürgerstochter des bürgerlichen Trauerspiels und hat sich das Objekt ihrer Begierde selbst ausgesucht. Damit ist sie nicht das Objekt der Handlung oder bloß Trägerin und Repräsentationsort väterlich-gesellschaftlicher Wünsche und Werte. Obwohl auch Roebling Theresgen für eine Melancholikerin hält, erkennt sie ihn ihr zugleich eine an die Helden des Sturm und Drang erinnernde Person, denn Theresgen nimmt keine Rücksicht auf Vernunft und Konventionen. Sie ist lediglich durch Gefühl und Leidenschaft bestimmt. Sich gegen jede Autorität wehrend, lehnt sie eine gute, zeitgemäße Versorgungsehe ab. In dieser Hinsicht ist sie also als stark und selbstbestimmt zu bezeichnen.[23] In dem monoton wiederholten Satz „ [...] Ich kann nicht [...]“[24] wird jedoch auch ihre konzeptionelle Zwiegesichtigkeit als Verbindung von Trotz und Schwäche erkennbar. Die Handlungsbewegung des Stückes ergibt sich aus der Unvereinbarkeit der Wünsche des fühlenden Subjekts mit den Zielen der bürgerlichen Gesellschaft, woraus Einsamkeit, Unverständnis von Seiten der Gesellschaft und Melancholie resultieren.[25]
[...]
[1] Vgl. hierzu Dagmar v. Hoff: Dramen des Weiblichen. Deutschsprachige Dramatikerinnen um 1800. Opladen 1989. S. 1ff.
[2] Ebd. S. 8. Dabei sind die Informationen über das Leben von Sophie Albrecht noch weitaus detaillierter als die zu anderen Autorinnen. Vgl. hierzu Hoff: Dramen. S. 11.
[3] Ebd. S. 11f.
[4] Ebd. S. 26ff.
[5] Vgl. hierzu Karin Tebben: Soziokulturelle Bedingungen weiblicher Schriftkultur im 18. und 19. Jahrhundert. Zur Einleitung. In: Dies. (Hg.): Beruf: Schriftstellerin. Schreibende Frauen im 18. und 19. Jahrhundert (=Sammlung Vandenhoeck). Göttingen 1998. S. 10ff.
[6] Vgl. hierzu Tebben: Bedingungen. S. 24.
[7] Vgl. hierzu Frauen und Drama im achtzehnten Jahrhundert. Eingeleitet u. hrsg. v. Karin A. Wurst. Köln, Wien u. Böhlau 1991. S. 69ff. Mit ihrem Mann, Johann Friedrich Ernst Albrecht, hatte Sophie zwei Kinder. In den späten 90er Jahren des 18. Jahrhunderts erfolgte die Scheidung. Vgl. hierzu Frauen und Drama. S. 69.
[8] Ebd. S. 70 u. Irmgard Roebling: Sturm und Drang – weiblich. Eine Untersuchung zu Sophie Albrechts Schauspiel Theresgen. In: Deutschunterricht. Differenzen diesseits und jenseits von Geschlechterfixierungen. 1996/1. S. 69.
[9] Vgl. hierzu Frauen und Drama. S. 72.
[10] Vgl. hierzu Roebling: Sturm. S. 63.
[11] Ebd. S. 70f.
[12] Vgl. hierzu Dagmar v. Hoff: Inszenierung des Leidens. Lektüre von J.M.R. Lenz’ Der Engländer und Sophie Albrechts Theresgen. In: „Unaufhörlich Lenz gelesen ...“. Studien zu Leben und Werk von J.M.R. Lenz. Hg. v. Inge Stephan u. Hans-Gerd Winter. Stuttgart, Weimar 1994. S. 210f. Der Begriff des Schönen wurde zumeist mit dem weiblichen Geschlecht verbunden, der des Erhabenen hingegen mit dem männlichen. Dieser Aufspaltung entspricht die Aufteilung des dramatischen Bereichs auf die Geschlechter: die Gemütsverfassung des Melancholischen und des Erhabenen findet sich im Trauerspiel, die des Schönen im Lustspiel wieder. Nach dieser Dissoziation ist das Trauerspiel als das poetische Feld auszumachen, das dem weiblichen Charakter nicht entspricht. Vgl. hierzu Hoff: Inszenierung. S. 210f.
[13] Vgl. hierzu Rüdiger Zymner: Friedrich Schiller. Dramen (=Klassiker Lektüren; Bd. 8). Berlin 2002. S. 46f.
[14] Vgl. hierzu Rachid Jai Mansouri: Die Darstellung der Frau in Schillers Dramen (=Europäische Hochschulschriften: Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur; Bd. 1053). Frankfurt am Main, Bern, New York, Paris, Lang 1988. S. 82f.
[15] Zitiert nach Johanne Sophie Albrecht: Theresgen. Ein Schauspiel mit Gesang, in fünf Aufzügen. In: Frauen und Drama im achtzehnten Jahrhundert. Eingeleitet u. hrsg. v. Karin A. Wurst. Köln, Wien u. Böhlau 1991. S. 148.
[16] Vgl. hierzu Hoff: Inszenierung. S. 219.
[17] Ebd. S. 211. Die Melancholie wurde im 18. Jahrhundert u.a. als krankhafte Trübung des Geistes oder partielle Geisteskrankheit diagnostiziert. Vgl. hierzu Hoff: Inszenierung. S. 212.
[18] Ebd. S. 220f.
[19] Zitiert nach Albrecht: Theresgen. S. 186.
[20] Vgl. hierzu Hoff: Inszenierung. S. 221.
[21] Zitiert nach Albrecht: Theresgen. S. 178.
[22] Vgl. hierzu Hoff: Inszenierung. S. 221.
[23] Vgl. hierzu Roebling: Sturm. S. S. 73f.
[24] Vgl. hierzu Albrecht: Theresgen. S. 152 u.a.
[25] Vgl. hierzu Roebling: Sturm. S. 74f.
- Citation du texte
- Nadine Bliedtner (Auteur), 2005, Ein Vergleich zwischen Theresgen in Sophie Albrechts "Theresgen" und Luise in "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46628
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