Der Rundfunkstaatsvertrag regelt eindeutig die Hauptaufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll „in seinen Angeboten und Programmen einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen geben“ (Rundfunkstaatsvertrag 2003: 11) und dabei „die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit der Angebote und Programme“ (Rundfunkstaatsvertrag 2003: 11) berücksichtigen. Den privaten Sendern hingegen ist diese Aufgabe damit natürlich nicht generell entzogen. Jedoch müssen diese, die in aller erster Linie als wirtschaftlicher Akteur agieren, ihre Programmgestaltung dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit unterordnen. Aus diesem Grund steht vermehrt der Aspekt der Unterhaltung im Vordergrund des privaten Fernsehangebotes.
Ausgehend von diesen Überlegungen untersucht die vorliegende Arbeit, ob sich diese unterschiedlichen Voraussetzungen für öffentlichrechtliche und private Fernsehsender auch in der Präsentation und in den Inhalten der Hauptnachrichtensendungen widerspiegeln. Es soll dabei geprüft werden, ob die Politikvermittlung bei den Hauptnachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern im Vordergrund steht. Vergleichend dazu wird untersucht, ob bei den privaten Fernsehsendern auch bei den Fernsehnachrichten die Unterhaltung ein wesentliches Gestaltungsmerkmal darstellt. Für die Untersuchung wurde in einer künstliche Woche im Zeitraum vom 17. Januar 2005 bis 10. Februar 2005 exemplarisch die Hauptnachrichtensendungen von ARD und RTL aufgenommen3 und nachträglich analysiert.
Der Auswertung und Präsentation dieser Ergebnisse ist in der Arbeit ein theoretischer Teil über die Rezeption von Fernsehnachrichten vorangestellt, um einige Präsentations- und Gestaltungsmerkmale der Nachrichtensendungen hinsichtlich ihrer Wirkung auf den Zuschauer besser untersuchen und darstellen zu können. Speziell in diesem Teil der Arbeit stellte sich der Umfang der zur Verfügung stehenden Literatur als problematisch dar. Da sich nur wenige Autoren4 explizit und detailliert mit der Wirkung von Inhalten und Präsentationsmerkmalen von Nachrichtensendungen auf die Rezipienten beschäftigen, konzentrierte sich der Autor auf die zum Teil sehr Umfangreiche Arbeiten von Klaus Kamps, Hans-Bernd Brosius und dem ARD-Forschungsdienst.
Inhalt
1. Einleitung
2. Rezeption von Fernsehnachrichten
2.1. Individuelle Vorraussetzungen zur Rezeption
2.2. Einflussmöglichkeiten der Fernsehnachrichten
3. ARD Tagesschau und RTL aktuell im Vergleich
3.1. Gestaltung und Präsentation der Sendungen
3.2. Sendeablauf und Merkmale der Meldungen
4. Schluss
5. Abstract
6. Anhang
6.1. Kodierung
6.2. Daten
7. Literaturverzeichnis
8. Erklärung
1. Einleitung
Der Rundfunkstaatsvertrag regelt eindeutig die Hauptaufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll „in seinen Angeboten und Programmen einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen geben“ (Rundfunkstaatsvertrag 2003: 11) und dabei „die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit der Angebote und Programme“ (Rundfunkstaatsvertrag 2003: 11) berücksichtigen.
Den privaten Sendern hingegen ist diese Aufgabe damit natürlich nicht generell entzogen. Jedoch müssen diese, die in aller erster Linie als wirtschaftlicher Akteur agieren, ihre Programmgestaltung dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit unterordnen[1]. Aus diesem Grund steht vermehrt der Aspekt der Unterhaltung im Vordergrund des privaten Fernsehangebotes[2].
Ausgehend von diesen Überlegungen untersucht die vorliegende Arbeit, ob sich diese unterschiedlichen Voraussetzungen für öffentlich-rechtliche und private Fernsehsender auch in der Präsentation und in den Inhalten der Hauptnachrichtensendungen widerspiegeln. Es soll dabei geprüft werden, ob die Politikvermittlung bei den Hauptnachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern im Vordergrund steht. Vergleichend dazu wird untersucht, ob bei den privaten Fernsehsendern auch bei den Fernsehnachrichten die Unterhaltung ein wesentliches Gestaltungsmerkmal darstellt.
Für die Untersuchung wurde in einer künstliche Woche im Zeitraum vom 17. Januar 2005 bis 10. Februar 2005 exemplarisch die Hauptnachrichtensendungen von ARD und RTL aufgenommen[3] und nachträglich analysiert. Der Auswertung und Präsentation dieser Ergebnisse ist in der Arbeit ein theoretischer Teil über die Rezeption von Fernsehnachrichten vorangestellt, um einige Präsentations- und Gestaltungsmerkmale der Nachrichtensendungen hinsichtlich ihrer Wirkung auf den Zuschauer besser untersuchen und darstellen zu können. Speziell in diesem Teil der Arbeit stellte sich der Umfang der zur Verfügung stehenden Literatur als problematisch dar. Da sich nur wenige Autoren[4] explizit und detailliert mit der Wirkung von Inhalten und Präsentationsmerkmalen von Nachrichtensendungen auf die Rezipienten beschäftigen, konzentrierte sich der Autor auf die zum Teil sehr Umfangreiche Arbeiten von Klaus Kamps, Hans-Bernd Brosius und dem ARD-Forschungsdienst.
Die vorliegende Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl bei der Auswahl von Themen und Nachrichten als auch bei der Präsentation der Meldungen deutliche Unterschiede zwischen den Haupt-nachrichtensendungen von ARD und RTL bestehen. Die ARD Tagesschau weist einen deutlich höheren Politikinhalt als RTL aktuell auf, während bei RTL aktuell auch in der Präsentation vermehrt unterhaltende Merkmale die Sendung prägen.
2. Rezeption von Fernsehnachrichten
Nachrichtensendungen nehmen in Deutschland bei der Vermittlungen von aktuellen Geschehnissen eine herausragende Rolle ein (Brosius 1998a: 1). Einige Nachrichtensendungen erreichen tagtäglich vergleichsweise hohe Einschaltquoten und Marktanteile[5]. Über die Qualität der Fernsehnachrichten sagt das allerdings nicht in jedem Fall etwas aus. Ebenso wenig über die erreichte Wirkung der Nachrichten bei den Zuschauern.
Zahlreiche Studien über die Rezeption und Wirkung von Nachrichten belegen, dass die wesentliche Funktion von Nachrichten, die Information und die damit verbundene politische Bildung der Bevölkerung nur sehr unzureichend erfüllt wird (Brosius 1998a: 15; Kamps 1999: 193). Es zeigt sich, dass die Erinnerungsquote von Rezipienten an Meldungen innerhalb einer Nachrichtensendung bei unter 25 Prozent liegt (Kamps 1999: 193; ARD-Forschungsdienst 1998: 525). Die Informationen in Nachrichtensendungen werden von den Zuschauern meist nur oberflächlich und unvollständig verarbeitet (Kamps 1999: 195).
Es entsteht somit die Frage, welche Vorrausetzung gegeben sein müssen, um eine möglichst optimale Rezeption der übermittelten Informationen zu ermöglichen. Dazu wird in den folgenden zwei Abschnitten beschrieben, welche Vorrausetzung die Rezipienten erfüllen sollten, um möglichst viele Informationen aus Nachrichtensendungen aufnehmen und verarbeiten zu können. Auf der anderen Seite wird betrachtet, auf welche Faktoren die Produzenten von Fernsehnachrichten Einfluss ausüben können, um den Zuschauern die Rezeption der neuen Informationen möglichst einfach zu ermöglichen beziehungsweise nicht unnötig zu erschweren.
2.1. Individuelle Vorraussetzungen zur Rezeption
Eine entscheidende Vorraussetzung für eine erfolgreiche Aufnahme und Verarbeitung von Informationen aus Fernsehnachrichten ist die Motivation des Zuschauers. Es existieren seitens des Rezipienten eine Reihe unterschiedliche Motive, Fernsehnachrichten einzuschalten. Grundlegend muss festgehalten werden, dass die Fernsehnachrichten vom Rezipienten nicht immer zum Zwecke der Informationsgewinnung aufmerksam verfolgt werden (ARD-Forschungsdienst 1998: 524). In Untersuchungen zeigte sich, dass sich die Erinnerungsleistung erhöht, wenn die Rezipienten zur Informationssuche und -aufnahme motiviert sind, am Thema interessiert sind und die jeweiligen Meldungen aufmerksam verfolgen (ARD-Forschungsdienst 1998: 525; Kamps 1999: 198). In der Realität werden aber nur etwa 25 Prozent der gesamten Nachrichtensendung absolut aufmerksam verfolgt (Kamps 1999: 198). Die fehlende Aufmerksamkeit begründet sich unter anderem in einer Art ritualisierten Angewohnheit der Zuschauer, tagtäglich die Fernsehnachrichten zu schauen (Kamps 1999: 198). Die eigentliche Motivation ist somit wahrscheinlich in den seltensten Fällen die Suche nach neuen Informationen und Wissen. Vielmehr werden die Nachrichten aus reiner Gewohnheit, zur Entspannung und Unterhaltung oder während der Ausübung anderer Tätigkeiten nebenbei eingeschaltet. So kommt es dazu, dass im Allgemeinen die Rezipienten neue Informationen eher zufällig und beiläufig aufnehmen (Brosius 1998b: 224; Kamps 1999: 199). Die Informationsverarbeitung verläuft also weder vollständig noch rational, sondern ist durch Schemata und Routinen geprägt (Brosius 1998a: 19; Brosius 1998b: 224). Diese Schemata legen fest, welche Informationen überhaupt bemerkt werden und wie diese dann verarbeitet und mit bestehendem Wissen verknüpft werden[6] (Kamps 1999: 124).
Einen weiteren, nicht unbedeutenden Einfluss auf die Erinnerungsleistung haben außerdem die formale Bildung und das erwähnte Vorwissen (ARD-Forschungsdienst 1998: 525; Brosius 1998a: 16). Ein größeres Vorwissen der Rezipienten sowie eine höhere Schulbildung führen zu einer größeren Erinnerungsleistung (Goertz/Schönbach 1998: 122) und ermöglichen einen nachhaltigen Erwerb von neuem Wissen. Die Nachrichteninformationen können in diesem Fall leichter mit dem bestehenden Vorwissen und den Einstellungen, Normen und Werten verknüpft werden (ARD-Forschungsdienst 1998: 524, 528).
Des Weiteren kamen Studien zu dem Ergebnis, dass die Bildung der Rezipienten und die Motivation, Fernsehnachrichten aufmerksam zu schauen eng miteinander verknüpft sind (ARD-Forschungsdienst 1998: 524). Demnach sind höher gebildete Rezipienten in der Regel motivierter Fernsehnachrichten zum Erwerb von neuen Informationen zu konsumieren.
Abgesehen von den genannten Merkmalen muss berücksichtig werden, dass die Erinnerungsleistungen auch durch die Kapazitäten des menschlichen Gedächtnisses von Natur aus begrenzt werden[7] (Kamps 1999: 210-211). Der Mensch unterliegt einer Informationsüberflutung und -überbelastung (Brosius 1998a: 18) und ist auf Grund dessen heutzutage kaum noch in der Lage zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen zu unterscheiden (Brosius 1998a: 18). Von diesen Problemen sind auch die Fernsehnachrichten betroffen[8].
2.2. Einflussmöglichkeiten der Fernsehnachrichten
Für die Produzenten von Fernsehnachrichten ist es durchaus schwierig, einen entscheidenden Einfluss auf die persönlichen Merkmale der Rezipienten auszuüben. Besonders ein fehlendes Vorwissen von Rezipienten und daraus resultierendes Unverständnis oder mangelnde Aufmerksamkeit und Interesse an den Nachrichten können von Fernsehnachrichten in der üblichen Präsentationsform[9] nicht kompensiert werden. Dennoch stehen persönliche Merkmale und Meldungsmerkmale in Interaktion (Kamps 1999: 195). Gestaltung und Präsentation der Nachrichten können so angelegt werden, dass beim Zuschauer Aufmerksamkeit und Interesse geweckt werden und eine Verarbeitung der Informationen nicht unnütz erschwert wird.
Dabei reicht es jedoch nicht aus mit einfachen akustischen und visuellen Reizen zu versuchen, die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu erhöhen oder zurück zu gewinnen. Bei erwachsenen Personen verfehlen solche Methoden durch die langjährige Fernseherfahrung fast gänzlich ihre Wirkung (Winterhoff-Spurk 2001: 33). Nachrichten-produzenten müssen andere Wege finden, die Zuschauer für den Inhalt der Nachrichtensendung zu interessieren und sie an die Sendung zu binden. Eine notwendige Seriosität und Professionalität innerhalb der Fernsehnachrichten muss dabei ohne Zweifel gewahrt werden.
Das Ausmaß der Zuwendung zu den Fernsehnachrichten wird durch die gesamte Konfiguration der Nachrichtensendung beeinflusst (Kamps 1999: 210). Sowohl Sendeplatz und Sendedauer, die Themen und Gestaltung der Meldungen, Einrichtung des Studios, Anzahl und Sprache der Nachrichtensprecher sowie Anzahl der Kamera-perspektiven und Bildschnitte haben, neben vielen weiteren formalen und inhaltlichen Merkmalen, Einfluss auf das Image und die Wirkung der Nachrichtensendung[10].
Die Auswahl der Themen, über die berichtet wird sowie deren Präsentation und deren Position innerhalb der Nachrichtensendung beeinflussen nicht nur das Image der Sendung, sondern wirken sich auch auf die Verarbeitung der Informationen aus. So können sich Zuschauer überdurchschnittlich gut an Beiträge erinnern, die zu Beginn und am Ende der Nachrichtensendung präsentiert wurden[11] (Kamps 1999: 199). Das liegt offenbar daran, dass die Zuschauer zum Beginn der Sendung noch durch keine oder nur durch wenige Informationen belastet wurden und zum Schluss der Sendung, die letzte Meldung nicht durch weitere Nachrichten überdeckt wird[12] (Kamps 1999: 199).
Somit wird deutlich, welche wichtige Stellung die Top-Meldung in einer Nachrichtensendung einnimmt. Sie lässt nicht nur auf die Relevanz der enthaltenden Information schließen, sondern ermöglicht den Rezipienten auch eine bessere Verarbeitung der gesendeten Informationen. Zudem sind Top-Meldungen in den meisten Fällen deutlich länger als andere Meldungen und fördern auch auf diesem Wege das Verständnis und die Erinnerung an diese Meldungen (Görtz/Schönbach 1998: 122). Die längeren Top-Meldungen bieten die Möglichkeit die Informationen auf vielfältige Art und Weise darzustellen und so auch mit Hilfe von Grafiken, Tabellen und weiteren visuellen Unterstützungsmerkmalen komplizierte Themen anschaulich und verständlich darzustellen und zu vermitteln[13] (ARD-Forschungsdienst 1998: 524).
Entscheidend für das Verständnis und die Erinnerung an die Meldung ist zudem auch die inhaltliche Übereinstimmung zwischen Ton und Bild. Werden Informationen falsch bebildert und passen nur wenig oder gar nicht zu dem Gesprochenen, können die Informationen nur sehr schlecht oder im Extremfall überhaupt nicht verarbeitet werden (Kamps 1999: 202). Die Zuschauer verlassen sich im Zweifelsfall eher auf die visuellen Informationen (Kamps 1999: 202). Unstimmige oder extreme Bilder erschweren daher die Verarbeitung der Informationen (Kamps 1999: 202) genauso wie zahlreiche Bildschnitte und Kameraperspektiven (Kamps 1999: 196).
3. ARD Tagesschau und RTL aktuell im Vergleich
Um der Forschungsfrage nachzugehen, ob wesentliche formale und inhaltliche Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Hauptfernsehnachrichten bestehen, die sich womöglich auf die Informationsverarbeitung der Rezipienten auswirken, wurden in einer quantitativen Inhaltsanalyse die Hauptnachrichtensendungen der ARD und von RTL untersucht. Es wurden in einer künstlichen Programmwoche im Zeitraum vom 17. Januar 2005 bis 10. Februar 2005 jeweils sieben Nachrichtensendungen der beiden Sender aufgezeichnet[14]. Insgesamt wurden so über 250 Minuten Nachrichten aufgenommen und ausgewertet.
Die ARD Tagesschau ist nicht nur auf Grund ihrer durchschnittlich über 9 Millionen Zuschauer die bedeutendste Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen (vgl. Tabelle 1.1). Auch in Zuschauer-befragungen erreicht die ARD Tagesschau meist Spitzenwerte.
Tabelle 1.1: Durchschnittliche Reichweiten und Marktanteile der ARD Tagesschau und RTL aktuell 2001 bis 2003
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1) Einschließlich 6 Dritte Programme, 3sat und Phoenix
Quelle: Darschin/Gerhard 2003: S. 148.
In Umfragen wird die Tagesschau als Nachrichtensendung beschrieben, die den vollständigsten und zuverlässigsten Überblick über wichtige Ereignisse liefert und dabei mit sachkundigen Reportern am deutlichsten und verständlichsten berichtet (Darschin/Zubayr 2001: 6; Hagen 1999: 122).
RTL aktuell unterliegt der Tagesschau bei diesen Umfragen in jeglicher Hinsicht. Im Vergleich zu den Hauptnachrichten der anderen privaten Sender schneidet RTL jedoch am besten ab (Darschin/Zubayr 2001: 6; Hagen 1999: 122). Mit durchschnittlich über 3,5 Millionen Zuschauern ist RTL aktuell auch die Nachrichtensendung mit der größten Reichweite aller privaten Sender. Auffällig ist, dass RTL aktuell in den neuen Bundesländern einen ähnlich hohen Marktanteil erreicht wie die Tagesschau, während RTL aktuell in den alten Bundesländern mit weniger als der Hälfte des Marktanteils der Tagesschau weit hinter der ARD liegt (vgl. Tabelle. 1.2).
Tabelle. 1.2: Durchschnittliche Reichweiten und Marktanteile der ARD Tagesschau und RTL aktuell in Deutschland West und Ost 2003
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1) Einschließlich 6 Dritte Programme, 3sat und Phoenix
Quelle: Darschin/Gerhard 2003: S. 150.
Bei Betrachtung der Marktanteile hinsichtlich der verschiedenen Altersgruppen wird deutlich, dass das Publikum von RTL aktuell im Schnitt jünger als das der ARD Tagesschau ist. Beide Nachrichtensendungen haben aber den jeweils größten Zuschaukreis in der Gruppe der 60jährigen und älter (vgl. Tabelle. 1.3).
[...]
[1] Ein wirtschaftliches und gewinnbringendes Handeln des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist durch den Rundfunkstaatsvertrag nicht gefordert. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird hauptsächlich durch die Rundfunkgebühren finanziert, um seine Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können (Rundfunkstaatsvertrag 2003: 11). Private Sender hingegen müssen sich fast ausschließlich durch Werbeeinahmen finanzieren.
[2] Diese Aussage stützt auch Helmut Thoma (RTL-Geschäftsführer von 1984 bis 1998), der in einem Interview im Spiegel bekannt gab, dass der eigentliche Sinn des Fernsehens nicht im Journalismus, sondern in der Unterhaltung liegt (Wember 1999: 23).
[3] Der Autor entschied sich für den Vergleich und die Analyse der ARD Tagesschau (mit durchschnittlichen 9,75 Millionen Zuschauer im Jahr 2003) und RTL aktuell (mit durchschnittlich 3,88 Millionen Zuschauer im Jahr 2003), da diese Sendungen jeweils die Nachrichtensendungen mit der größten Reichweite aller öffentlich-rechtlichen, beziehungsweise privaten Fernsehsender sind.
[4] Ausgehend von im zeitlichen Rahmen verfügbarer Literatur am Standort und im Internet.
[5] Vgl. Darschin, Wolfgang/Gerhard, Heinz: Tendenzen im Zuschauerverhalten. Fernsehgewohnheiten und Programmbewertungen 2003; in: Media Perspektiven 4/2004, S. 142.
[6]Nach dem Dissonanzmodell werden vorrangig nur die Informationen bemerkt und verarbeitet, die mit dem bestehenden Wissen, Normen und Einstellungen des Rezipienten übereinstimmen (Kamps 1999: 125). Widersprechende Informationen werden so umgedeutet, dass sie letztlich doch mit der eigenen Position im Einklang stehen (Kamps 1999: 125).
[7] Die mögliche Anzahl von visuellen Reizen ist durch körperliche Gegebenheiten begrenzt. Laut Peter Winterhoff-Spurk kann das menschlich Auge nur 3-5 Fixationen in der Sekunde leisten und somit im Höchstfall nur rund 300.000 verschiedene visuelle Reize am Tag wahrnehmen und verarbeiten (Winterhoff-Spurk 2001: 28). Da der Zuschauer die Geschwindigkeit der Informationsübertragung bei Medium Fernsehen nicht aktiv steuern kann (Kamps 1999: 126), kann es so zu erheblichen Problemen bei der Verarbeitung der Information kommen. Viele Zuschauer unterschätzen die Komplexität und Schwierigkeit, Information über das Fernsehen aufzunehmen (Kamps 1999: 126, 128) und leisten unter Umständen aus diesem Grund nicht die nötige Konzentration und Aufmerksamkeit.
[8] Durch die zahlreichen einzelnen Meldungen innerhalb einer Nachrichtensendung ist der Zuschauer gewissermaßen dazu genötigt, die kontinuierlich nachdrängenden Informationen relativ schnell wieder zu vergessen, um weiter neue Informationen aufnehmen zu können (Kamps 1999: 196).
[9] Spezifisches Merkmal heutiger Fernsehnachrichten ist die Zusammensetzung der Sendung aus vielen einzelnen Meldungen, die sehr häufig untereinander in keinem näheren Zusammenhang stehen (Kamps 1999: 194). Des Weiteren beziehen sich die Meldungen thematisch meistens auf vergangene, aktuelle oder zukünftige Themenkomplexe, für deren besseres Verständnis ein bestimmtes und teilweise sehr umfangreiches Vorwissen nötig ist (Kamps 1999: 194).
[10] Die Hauptnachrichtensendungen werden sogar oftmals als Flaggschiff oder Aushängeschild des ganzen Senders bezeichnet, das auch das gesamte Image des Senders entscheidend prägt (Brosius 1998: 1-2).
[11] Der ARD-Forschungsdienst kommt hingegen zu dem Ergebnis, dass sich eine frühe Platzierung der Meldung negativ auf das Behalten der Informationen auswirkt (ARD-Forschungsdienst 1998: 525). Ob die Top-Meldungen dabei aus-geschlossen sind und eventuell extra betrachtet werden, kommt nicht eindeutig zum Ausdruck. Es wird sich deshalb hier nur auf Klaus Kamps Darstellung bezogen, da dieser seine präsentierten Ergebnisse verständlich und überzeugend darstellt.
[12] Diese Effekte sind auch als primacy effect und recency effect bekannt (Kamps 1999: 199). Goertz und Schönbach schreiben dem recency effect allerdings eine größere Bedeutung als dem primacy effect zu (Goertz/Schönbach 1998: 122).
[13] Der ARD-Forschungsdienst weist allerdings auch darauf hin, dass sich zuviel Darstellungsvielfalt und übertriebener Einsatz von visuellen Unterstützungs-merkmalen auch negativ auf das Verständnis und die Verarbeitung der Informationen auswirken kann (ARD-Forschungsdienst 1998: 524). Zudem ist Hans-Bernd Brosius zu der Auffassung gekommen, dass unterstützende Grafiken einerseits die Erinnerung an das Thema erleichtern, andererseits nicht zu vermehrten Erinnerungen an Details führen (Kamps 1999: 204).
[14] Der Zeitraum wurde durch den Arbeitszeitraum der Seminararbeit bedingt. Es wurde jeweils an einem Wochentag (Montag bis Sonntag) beide Nachrichtensendungen aufgezeichnet. Eine genaue Aufstellung der Aufzeichnungsdaten siehe Anhang Seite 21.
- Arbeit zitieren
- Tilo Siewert (Autor:in), 2005, Öffentlich-rechtliche und private Fernsehnachrichten im Vergleich. Eine Analyse der Nachrichtensendungen ARD Tagesschau und RTL aktuell, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46601
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