Diese Arbeit befasst sich mit der Agglomeration, der Konnektivität und dem Entstehen von Städten.
In der folgenden Arbeit untersuche ich drei Theorien zur Stadtentstehung und erläutere anhand dieser Theorien, wann und warum die ersten Städte entstanden sind. Ich werde auf die Darstellungen von G. Child, L. Mumford und J. Jacobs eingehen, die jeweils unterschiedliche Ansichten zu diesem Prozess vertreten, sich allerdings in einigen Aspekten überschneiden.
Alle drei Theorien haben sich unterscheidende Auffassungen von der Entstehung der ersten Städte. Trotz unterschiedlicher Herleitungen kommt es in allen drei Theorien zur Stadtentstehung zu einer Art Agglomeration, weil sie Vorteile im sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben bietet. Dieser Prozess kann als Wiege der modernen Welt betrachtet werden.
Entstehung der Städte
In der folgenden Arbeit untersuche ich drei Theorien zur Stadtentstehung und erläutere anhand dieser Theorien, wann und warum die ersten Städte entstanden sind. Ich werde auf die Darstellungen von G. Child, L. Mumford und J. Jacobs eingehen, die jeweils unterschiedliche Ansichten zu diesem Prozess vertreten, sich allerdings in einigen Aspekten überschneiden. Die ersten Städte wie Catalhöyük, Byblos und Jericho entstanden im Mittleren Osten in Mesopotamien ca. 7.500 v. Chr. und zählten rund 2.000-8.000 Einwohner. Die sumerischen Städte wiesen ca. 4.000 v.Chr. bereits 10.000-20.000 Einwohner auf und Uruk mit der Entstehung um ca. 3.000 v.Chr. zählte ebenfalls ca. 10.000-20.000 Einwohner.
Child schafft einen völlig neuen Rahmen für das Verständnis der Phasen von menschlicher Entwicklung. Sein „Drei-Zeitalter-System“ unterteilt in Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit, welche durch vier Phasen; paläolithisch, neolithisch, städtisch und industriell, charakterisiert werden. Der Übergang dieser Phasen wird dominiert von Revolutionen, die nicht als ein Gewaltakt zu verstehen sind, sondern als Definitionen von fortschreitender Veränderung der wirtschaftlichen Struktur und sozialen Organisation von Gemeinschaft (vgl. Child 1950 : 24). In der neolithischen Revolution, etwa 10.000 v.Chr., fand der Übergang vom Jäger- und Sammlertum zur landwirtschaftlichen Gesellschaft statt, indem sie begannen Pflanzen zu kultivierten und Tiere zu halten. Die städtische Revolution, die sich ca. 4.000 v.Chr. beschreibt den Übergang von der Landwirtschaft zu Systemen der Produktion und des Handels und basierte auf der Arbeitsteilung in Städten. Die industrielle Revolution im 18. und 19. Jahrhundert ist geprägt von Massenproduktion und Konsum.
Für Child sind wesentliche Faktoren des Städtewachstums in der materiellen Basis der Gesellschaft verankert. Es sind die Produktionsmittel und die physischen und technologischen Aspekte, durch welche die Städte beginnen zu wachsen.
Childs Definition einer Stadt besteht aus zehn Eigenschaften. Für ihn bestimmen: Größe und Dichte, Arbeitsteilung, Steuerprinzip und Verwaltung, Monumente und öffentlicher Raum, Aufzeichnung, Wissenschaft, Kalendarisches System, Kunst und Handel, sowie Im/Export das städtische Leben. Laut Child entstanden Städte nur dort, wo aufgrund von natürlicher Fruchtbarkeit der Region ein Nahrungsmittelüberschuss gewonnen werden konnte. Dieser Nahrungsmittelüberschuss eröffnete Möglichkeiten der Arbeitsdifferenzierung und forderte die Reorganisation der Gesellschaft (vgl. Child 1950: 26). Durch den Bewässerungsbau, kombiniert mit Viehzucht und Fischfang, konnte Nahrungsmittelüberschuss produziert werden, der groß genug war, um ortsansässige Spezialisten zu unterhalten (ebd.). Durch Lasttiere, Wassertransport und Radfahrzeuge konnten Nahrungsmittel in öffentlichen Räumen, wie den heiligen Tempeln, gesammelt werden. Der Nahrungsmittelüberschuss in den heiligen Tempeln wurde von der herrschenden Klasse; der geistlichen, zivilen als auch militärischen Führung verwaltet und organisiert. Des weiteren wurden Gewässer kanalisiert, um die Bevölkerung vor Überschwemmungen zu schützen.
Mumford beschreibt den Stadtentwicklungsprozess als eine Art magische Entstehung. Für ihn steht die soziale Interaktion an oberster Stelle und ist Grundbaustein für die Stadtentstehung und -entwicklung. Er definiert Stadt als urbanes Drama, einen heiligen Ort, welcher von Gruppen für Zeremonien und Rituale aufgesucht wird. Dieser heilige Ort, auf den Hügeln von Mesopotamien, bietet einen natürlichen Schutz vor Überschwemmungen, die immer wieder Dörfer zerstörten (vgl. Mumford 1961: 95). Durch das Zusammentreffen und das Einkehren von Fremden und Reisenden in das Dorf, entsteht eine Vermischung der Kulturen, der Tradition und der Sprache. Er betont immer wieder, wie grundlegend diese Vermischung seiner Auffassung nach ist. Soziale Kapazität ist das wichtigste Attribut der Stadt (vgl. Mumford 1961: 98). Diese Vermischung bildet einen Dialog, der das wesentliche Merkmal einer Stadt ist und aus dem das dramatische Spiel (vgl. Mumford 1961: 117) entsteht. Der Dialog macht die Stadt durch die Einbeziehung von menschlichen Verschiedenheiten (ebd.) lebendig, welche zusammenbricht, wenn dieses wichtige Element nicht mehr vorhanden ist. Wie auch Child, spricht Mumford von der Arbeitsdifferenzierung, die bis ins Altsteinzeitalter zurückgeht und mit der Ansammlung von Kapital den Aufstieg der städtischen Welt ermöglicht. Mumford bezeichnet die ersten städtischen Spezialisten als Magier, auf einer Stufe mit den Jägern und Sammlern. Sowohl Mumford als auch Child schreiben über die heiligen Tempel als Aufbewahrungsorte für Nahrungsmittel, die von Priestern beherrscht, und im Namen Gottes verwaltet und organisiert wurden. Deshalb gehörten sie zur herrschenden Klasse der Dorfgesellschaft.
Um die Planung, Organisation und Mengenüberwachung zu erhalten und für Nachkommen verständlich zu machen, wurden Systeme der Aufzeichnung und Zahlennotation erfunden (vgl. Child 1950: 29 ; vgl. Mumford 1961: 97).
Die Schrift und Aufzeichnung gilt als das Zeichen der Zivilisation (vgl. Child 1950: 29) und ist das wichtigste Stigmata der urbanen Existenz (vgl. Mumford 1961: 97).
Jacobs bezeichnet diese Darstellung der städtischen Entwicklung, die auf der landwirtschaftlichen basiert, als eine Annahme, die ohne Hinterfragen übernommen wurde. Sie kritisiert die Annahme, dass die neolithische Revolution die Entstehung von Städten erst möglich machte. Immer wieder betont sie, dass Städte nicht auf landwirtschaftlicher Arbeit basieren, sondern landwirtschaftliche Arbeit durch Städte geschaffen wird. Für Jacobs entstehen Städte auf Grund von wirtschaftlicher Expansion durch Handel und Kommunikationsnetzwerke. Für sie ist der Handel von Gütern der wesentliche Aspekt, der Stadtentstehung möglich machte. Sie wirft die Idee auf, die Ruinen von Catalhöyök als New Obsidian zu benennen. Der Obsidian, ein vulkanisches Glas, war das wichtigste Handelsgut von jungpaläolithischen Jägerstämmen, die ca. 9.000 v.Chr. bereits um die Wichtigkeit dieses Rohstoffes wussten. Sie kontrollierten die Regionen, in denen der Obsidian vorkam, um diese vor Fremden zu schützen. Aufgrund des Handels mit diesem wichtigen Rohstoff und der Verarbeitung von Amalgam (vgl. Jacobs 1790: 28 ) konnten sich Stämme ansiedeln und eine Arbeitsdifferenzierung begann sich zu entwickeln. Dadurch bilden diese Stämme die erste Stadt, New Obsidian. Diese Stadt, die ca. 8.500 v.Chr. entstand, beherbergte ca. 2000 Einwohner. Es entstanden Routen zwischen der Stadt und den Vulkanen, und ein System des Handels wurde geboren. Viele Reisende kehrten ein, um Obsidiane gegen andere ertragreiche Güter zu tauschen, auch aus anderen Jagdrevieren. Auf den Handelsrouten, die sich weiter ausbreiteten, entstanden Rastplätze, die als „heilige Orte“ (vgl. Child 1950: 26 ; vgl. Jacobs 1790 :30 ; vgl. Mumford 1961: 95) bezeichnet wurden, wobei Child und Mumford in ihren Texten heilige Orte anders definieren. Tauschwaren sind nicht nur Tiere aus anderen Regionen, sondern auch Samen und etliche andere Dinge. So entstand der Im- und Export, sowie ein wirtschaftliches System innerhalb der Gemeinde von New Obsidian. Spezialisten erstellten Pfeile, Speerspitzen und Messer, die sie an Mitglieder weiterreichten. Die Versorgung von New Obsidian basiert auf den eigenen Erträgen der Sammler- und Jägerkultur, der Gemeinschaft, als auch auf dem durch Export erbrachten Nahrung. Zu Knappheiten und Zeiten der Hungersnot war der Import vor allem auf lebende Tiere und Samen spezialisiert. Die Samen wurden in Felder innerhalb der Stadt gepflanzt und es wurde versucht Tiere zu domestizieren. So entstehen weitere Arbeitsdifferenzierungen, wie Samenverwalter und Tierzüchter, sowie Arbeiten, die sich auf die Lagerung und den Vertrieb spezialisierten. Über die Zeit eignen diese sich neue Eigenschaften an und optimieren Arbeitsabläufe. Im Zuge dieser Arbeitsdifferenzierung, als auch wegen des Imports von Wildtieren und Samen, lernten die Menschen welche Arten sie miteinander kreuzen mussten und welche nicht. Diese biologische Hybridisierung der Pflanzen und Tiere, von der auch Mumford spricht, hat eine enorme Kraft und spielt eine wichtige Rolle bei der Stadtentwicklung und Ausdehnung. Durch die Zunahme an natürlichen Ressourcen und die Selbstversorgung innerhalb der Stadt konnten andere Dinge importiert werden, wodurch die Wirtschaftsleistung anstieg (vgl. Jacobs 1970: 38). Aufgrund der steigenden Nachfrage und des begrenzten Platzes innerhalb der Stadt, wurde die Produktion ins Umland verlegt, wodurch die Landwirtschaft entstand. Der Anbau von Pflanzen und die Tierzucht ist somit nach Jacobs in der Stadt seinen Ursprung (vgl. Jacobs 1970: 43).
Die Grundannahme ist, dass städtische Ökonomie die primäre urbanisierte Kraft war und verantwortlich für die Entstehung der Städte. Sie schafft nicht nur zur vorneolithischen Zeit landwirtschaftliche Arbeit, sondern tut dies auch heute noch.
Dies belegt Jacobs anhand vieler moderner Beispiele, dessen Ideen in der Stadt geboren sind und dessen Produktion später in die Landwirtschaft überging. Als Beispiel sei hier die Entwicklung des Büstenhalters, die Mästung der Rinder durch Mais und die Lösung für der stagnierenden landwirtschaftlichen Produktion Japans in den 1960 zu nennen (vgl. Jacobs 1790: 15). Die Ideen und Lösungen dieser Probleme entstanden in den Städten und somit ist die ländliche Produktion reines Produkt des Stadtkonsums (vgl. Jacobs 1790: 48). Es war und ist die Stadt, die Dinge entwickelt, die sie braucht, von der Landwirtschaft umsetzen lässt, um der Stadt gerecht zu werden.
Obwohl für Jacobs die wirtschaftliche Expansion die wichtigste Kraft ist, hängt diese mit den Kommunikationsnetzwerken zusammen. Diese wichtige Rolle betont auch Mumford immer wieder. Ob sie als Fremde, Reisende, Händler oder Außenseiter bezeichnet werden, sie prägen die Stadt und bringen Fortschritt. Mumford definiert die Stadt als einen kulturzentrierten Kern. (vgl. Mumford 1961: 95) Verteidigung spielt in allen Theorien eine Rolle, ob bei den angesammelten Nahrungsmitteln in Tempeln oder der Territorien der Obsiden. Ebenso wird die Grundsätzlichkeit der Arbeitsdifferenzierung in allen drei Theorien hervorgehoben und als gravierendes Element zur Stadtentwicklung identifiziert. Mumford vertritt ebenfalls die Meinung, dass die Stadt durch Veränderungen neue Bedürfnisse ins Leben ruft (vgl. Mumford 1961: 105).
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- Maria Wensel (Autor), 2018, Agglomeration, Konnektivität und das Entstehen von Städten, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/465988